Karl Marx (1818-1883) |
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Drittes Buch. Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion.
Fünfter Abschnitt. Spaltung des Profits in Zins und Unternehmergewinn. Das zinstragende Kapital.
Sechster Abschnitt. Verwandlung von Surplusprofit in Grundrente.
Siebenter Abschnitt. Die Revenuen.
(Fortsetzung.)
Es ist nun nöthig näher anzusehn, woraus das Bankkapital besteht.
Wir haben eben gesehn, dass Fullarton u. a. den Unterschied zwischen Geld als Cirkulationsmittel und Geld als Zahlungsmittel (auch als Weltgeld, soweit der Goldabfluss in Betracht kommt) verwandeln in einen Unterschied zwischen Cirkulation (currency) und Kapital.
Die sonderbare Rolle, die das Kapital hier spielt, bringt es mit sich, dass eben so sorgfältig wie die aufgeklärte Oekonomie ein- zuprägen suchte, dass Geld nicht Kapital ist, ebenso sorgfältig diese Bankiers-Oekonomie einprägt, dass in der That Geld das Kapital par excellence ist.
Bei den spätern Untersuchungen zeigen wir, dass hierbei aber Geldkapital verwechselt wird mit moneyed capital in dem Sinn des zinstragenden Kapitals, während im ersteren Sinn das Geldkapital stets nur eine Durchgangsform des Kapitals ist, als unterschieden von den andern Formen des Kapitals, dem Waarenkapital und produktiven Kapital.
Das Bankkapital besteht 1) aus baarem Geld, Gold oder Noten. 2) Werthpapieren. Diese können wir wieder in zwei Theile theilen: Handelspapiere, Wechsel, die schwebend sind, von Zeit zu Zeit verfallen, und in deren Diskontirung das eigentliche Geschäft des Bankiers gemacht wird; und öffentliche Werthpapiere, wie Staats- papiere, Schatzscheine, Aktien aller Art, kurz zinstragende Papiere, die sich aber wesentlich von den Wechseln unterscheiden. Hierzu können auch Hypotheken gerechnet werden. Das aus diesen sach- lichen Bestandtheilen sich zusammensetzende Kapital scheidet sich wieder in das Anlagekapital des Bankiers selbst, und in die Depo- siten, die sein banking capital oder geborgtes Kapital bilden. Bei den Banken mit Notenausgabe kommen noch die Noten hinzu. Die Depositen und Noten lassen wir zunächst ausser Acht. So
viel ist klar, dass es an den wirklichen Bestandtheilen des Bankier- kapitals — Geld, Wechsel, Depôtpapiere — nichts ändert, ob diese verschiednen Elemente sein eignes Kapital repräsentiren oder De- positen, das Kapital andrer Leute. Dieselbe Eintheilung bliebe, sowohl wenn er bloss mit eignem Kapital sein Geschäft betriebe, wie wenn bloss mit bei ihm deponirten Kapital.
Die Form des zinstragenden Kapitals bringt es mit sich, dass jede bestimmte und regelmässige Geldrevenue als Zins eines Kapitals erscheint, sie mag aus einem Kapital entspringen oder nicht. Erst wird das Geldeinkommen in Zins verwandelt, und mit dem Zins findet sich dann auch das Kapital, woraus es entspringt. Ebenso erscheint mit dem zinstragenden Kapital jede Werthsumme als Kapital, sobald sie nicht als Revenue verausgabt wird; nämlich als Hauptsumme (principal) im Gegensatz zum möglichen oder wirklichen Zins, den sie tragen kann.
Die Sache ist einfach: Gesetzt der Durchschnittszinsfuss sei 5 % jährlich. Eine Summe von 500 £ würde also jährlich, wenn in zinstragendes Kapital verwandelt, 25 £ einbringen. Jede feste jähr- liche Einnahme von 25 £ wird daher als Zins eines Kapitals von 500 £ betrachtet. Dies ist und bleibt jedoch eine rein illusorische Vorstellung, ausser in dem Fall, dass die Quelle der 25 £, sei diese nun ein blosser Eigenthumstitel resp. Schuldforderung, oder sei sie ein wirkliches Produktionselement, wie etwa ein Grundstück, direkt übertragbar ist oder eine Form erhält, worin sie übertrag- bar wird. Nehmen wir als Beispiele Staatsschuld und Arbeitslohn.
Der Staat hat seinen Gläubigern jährlich ein gewisses Quantum Zins für das geborgte Kapital zu zahlen. Der Gläubiger kann hier nicht seinem Schuldner aufkündigen, sondern nur die Forde- rung, seinen Besitztitel darüber, verkaufen. Das Kapital selbst ist aufgegessen, verausgabt vom Staat. Es existirt nicht mehr. Was der Staatsgläubiger besitzt, ist 1) ein Schuldschein auf den Staat, sage von 100 £; 2) gibt dieser Schuldschein ihm den Anspruch auf die jährlichen Staatseinnahmen, d. h. das jährliche Produkt der Steuern, für einen gewissen Betrag, sage 5 £ oder 5 %; 3) kann er diesen Schuldschein von 100 £ beliebig an andre Personen ver- kaufen. Ist der Zinsfuss 5 %, und dazu Sicherheit des Staats vorausgesetzt, so kann der Besitzer A den Schuldschein in der Regel zu 100 £ an B verkaufen; denn für B ist es dasselbe, ob er 100 £ zu 5 % jährlich ausleiht, oder ob er durch Zahlung von 100 £ sich einen jährlichen Tribut vom Staat zum Betrage von 5 £ sichert. Aber in allen diesen Fällen bleibt das Kapital, als
dessen Abkömmling (Zins) die Staatszahlung betrachtet wird, illusorisch, fiktives Kapital. Nicht nur, dass die Summe, die dem Staat geliehen wurde, überhaupt nicht mehr existirt. Sie war über- haupt nie bestimmt als Kapital verausgabt, angelegt zu werden, und nur durch ihre Anlage als Kapital hätte sie in einen sich er- haltenden Werth verwandelt werden können. Für den Original- gläubiger A repräsentirt der ihm zufallende Theil der jährlichen Steuer Zins von seinem Kapital, wie dem Wucherer der ihm zu- fallende Theil des Vermögens des Verschwenders, obgleich in beiden Fällen die geliehene Geldsumme nicht als Kapital verausgabt ward. Die Möglichkeit, den Schuldschein auf den Staat zu verkaufen, repräsentirt für A den möglichen Rückfluss der Hauptsumme. Was den B angeht, so ist von seinem Privatstandpunkt aus sein Kapital als zinstragendes Kapital angelegt. Der Sache nach ist er bloss an die Stelle von A getreten und hat dessen Schuldforderung auf den Staat gekauft. Diese Transaktionen mögen sich noch so sehr vervielfältigen, das Kapital der Staatsschuld bleibt ein rein fiktives, und von dem Moment an, wo die Schuldscheine unverkaufbar würden, fiele der Schein dieses Kapitals weg. Nichtsdestoweniger, wie wir gleich sehn werden, hat dies fiktive Kapital seine eigne Bewegung.
Im Gegensatz nun zum Kapital der Staatsschuld, wo ein Minus als Kapital erscheint — wie das zinstragende Kapital überhaupt die Mutter aller verrückten Formen ist, so dass z. B. Schulden in der Vorstellung des Bankiers als Waaren erscheinen können — wollen wir nun die Arbeitskraft betrachten. Der Arbeitslohn wird hier als Zins aufgefasst, und daher die Arbeitskraft als das Kapital, das diesen Zins abwirft. Ist z. B. der Arbeitslohn eines Jahrs = 50 £ und steht der Zinsfuss auf 5 %, so gilt die jährliche Arbeits- kraft als gleich einem Kapital von 1000 £. Die Verrücktheit der kapitalistischen Vorstellungsweise erreicht hier ihre Spitze, indem statt die Verwerthung des Kapitals aus der Exploitation der Arbeits- kraft zu erklären, umgekehrt die Produktivität der Arbeitskraft daraus erklärt wird, dass Arbeitskraft selbst dies mystische Ding, zinstragendes Kapital ist. In der zweiten Hälfte des 17. Jahr- hunderts (z. B. bei Petty) war dies eine Lieblingsvorstellung, die aber auch heutzutage in allem Ernst theils von Vulgärökonomen, theils und hauptsächlich von deutschen Statistikern gebraucht wird.(FN1) Es treten hier leider zwei, diese gedankenlose Vorstellung
unangenehm durchkreuzende Umstände ein, erstens, dass der Arbeiter arbeiten muss, um diesen Zins zu erhalten, und zweitens, dass er den Kapitalwerth seiner Arbeitskraft nicht durch Uebertragung versilbern kann. Vielmehr ist der jährliche Werth seiner Arbeits- kraft gleich seinem jährlichen Durchschnittslohn, und was er ihrem Käufer durch seine Arbeit zu ersetzen hat, ist dieser Werth selbst plus dem Mehrwerth, der Verwerthung desselben. Im Sklaven- system hat der Arbeiter einen Kapitalwerth, nämlich seinen Kauf- preis. Und wenn er vermiethet wird, hat der Miether erstens den Zins des Kaufpreises zu zahlen und obendrein den jährlichen Ver- schleiss des Kapitals zu ersetzen.
Die Bildung des fiktiven Kapitals nennt man kapitalisiren. Man kapitalisirt jede regelmäßig sich wiederholende Einnahme, indem man sie nach dem Durchschnittszinsfuss berechnet, als Ertrag, den ein Kapital, zu diesem Zinsfuss ausgeliehen, abwerfen würde; z. B. wenn die jährliche Einnahme = 100 £ und der Zinsfuss = 5 %, so wären die 100 £ der jährliche Zins von 2000 £, und diese 2000 £ gelten nun als der Kapitalwerth des juristischen Eigen- thumstitels auf die 100 £ jährlich. Für den der diesen Eigenthums- titel kauft, stellen die 100 £ jährliche Einnahme dann in der That die Verzinsung seines angelegten Kapitals zu 5 % vor. Aller Zusammen- hang mit dem wirklichen Verwerthungsprocess des Kapitals geht so bis auf die letzte Spur verloren, und die Vorstellung vom Kapital als einem sich durch sich selbst verwerthenden Automaten befestigt sich.
Auch da, wo der Schuldschein — das Werthpapier — nicht wie bei den Staatsschulden rein illusorisches Kapital vorstellt, ist der Kapitalwerth dieses Papiers rein illusorisch. Man hat vorhin ge- sehn, wie das Kreditwesen associirtes Kapital erzeugt. Die Papiere gelten als Eigenthumstitel, die dies Kapital vorstellen. Die Aktien von Eisenbahn-, Bergwerks-, Schifffahrts- etc. Gesellschaften stellen wirkliches Kapital vor, nämlich das in diesen Unter- nehmungen angelegte und fungirende Kapital, oder die Geldsumme, welche von den Theilhabern vorgeschossen ist, um als Kapital in solchen Unternehmungen verausgabt zu werden. Wobei keines- wegs ausgeschlossen ist, dass sie auch blossen Schwindel vorstellen. Aber dies Kapital existirt nicht doppelt, einmal als Kapitalwerth der Eigenthumstitel, der Aktien, und das andremal als das in
jenen Unternehmungen wirklich angelegte oder anzulegende Kapital. Es existirt nur in jener letztern Form, und die Aktie ist nichts als ein Eigenthumstitel, pro rata, auf den durch jenes zu reali- sirenden Mehrwerth. A mag diesen Titel an B, und B ihn an C verkaufen. Diese Transaktionen ändern nichts an der Natur der Sache. A oder B hat dann seinen Titel in Kapital, aber C sein Kapital in einen blossen Eigenthumstitel auf den von dem Aktien- kapital zu erwartenden Mehrwerth verwandelt.
Die selbständige Bewegung des Werths dieser Eigenthumstitel, nicht nur der Staatseffekten, sondern auch der Aktien bestätigt den Schein, als bildeten sie wirkliches Kapital neben dem Kapital oder dem Anspruch, worauf sie möglicher Weise Titel sind. Sie werden nämlich zu Waaren, deren Preis eine eigenthümliche Be- wegung und Festsetzung hat. Ihr Marktwerth erhält eine von ihrem Nominalwerth verschiedne Bestimmung, ohne dass sich der Werth (wenn auch die Verwerthung) des wirklichen Kapitals änderte. Einerseits schwankt ihr Marktwerth mit der Höhe und Sicherheit der Erträge, worauf sie Rechtstitel geben. Ist der Nominalwerth einer Aktie, d. h. die eingeschossne Summe, die die Aktie ursprünglich repräsentirt, 100 £, und wirft das Unternehmen statt 5 % 10 % ab, so steigt ihr Marktwerth bei sonst gleich- bleibenden Umständen und bei einem Zinsfuss von 5 % auf 200 £, denn zu 5 % kapitalisirt, stellt sie jetzt ein fiktives Kapital von 200 £ vor. Wer sie zu 200 £ kauft, erhält 5 % Revenue von dieser Kapitalanlage. Umgekehrt, wenn der Ertrag der Unter- nehmung abnimmt. Der Marktwerth dieser Papiere ist zum Theil spekulativ, da er nicht nur durch die wirkliche Einnahme, sondern durch die erwartete, vorweg berechnete bestimmt ist. Aber, die Verwerthung des wirklichen Kapitals als konstant vorausgesetzt, oder wo kein Kapital existirt, wie bei den Staatsschulden, den jährlichen Ertrag als gesetzlich fixirt und auch sonst hinreichend sicher vorausgesetzt, steigt und fällt der Preis dieser Werthpapiere umgekehrt wie der Zinsfuss. Steigt der Zinsfuss von 5 auf 10 %, so stellt ein Werthpapier, das einen Ertrag von 5 £ sichert, nur noch ein Kapital von 50 £ vor. Fällt der Zinsfuss auf 2½ %, so stellt dasselbe Werthpapier ein Kapital von 200 £ vor. Sein Werth ist stets nur der kapitalisirte Ertrag, d. h. der Ertrag, be- rechnet auf ein illusorisches Kapital nach dem bestehenden Zins- fuss. In Zeiten einer Klemme im Geldmarkt werden diese Werth- papiere also doppelt im Preise fallen; erstens, weil der Zinsfuss steigt, und zweitens, weil sie massenhaft auf den Markt geworfen
werden, um sie in Geld zu realisiren. Dieser Preisfall findet statt unabhängig davon, ob der Ertrag, den diese Papiere ihrem Besitzer sichern, konstant ist, wie bei den Staatseffekten, oder ob die Ver- werthung des wirklichen Kapitals, das sie repräsentiren, wie bei industriellen Unternehmungen, möglicherweise durch die Störung des Reproduktionsprocesses mit betroffen wird. Im letztern Fall tritt nur zu der erwähnten Entwerthung noch eine weitere hinzu. Sobald der Sturm vorüber ist, steigen diese Papiere wieder auf ihre frühere Höhe, soweit sie nicht verunglückte oder Schwindelunter- nehmungen vorstellen. Ihre Depreciation in der Krise wirkt als kräftiges Mittel zur Centralisation des Geldvermögens.(FN2)
Soweit die Entwerthung oder Werthsteigerung dieser Papiere unabhängig ist von der Werthbewegung des wirklichen Kapitals, das sie repräsentiren, ist der Reichthum einer Nation gerade so gross vor wie nach der Entwerthung oder Werthsteigerung. „Am 23. Oktober 1847 waren die öffentlichen Fonds und die Kanal- und Eisenbahnaktien bereits entwerthet um 114725225 £.“ (Morris, Gouverneur der Bank von England, Aussage in Bericht über Commercial Distress 1847—48.) Soweit ihre Entwerthung nicht wirklichen Stillstand der Produktion und des Verkehrs auf Eisen- bahnen und Kanälen, oder Aufgeben von angefangnen Unternehmun- gen ausdrückte, oder Wegwerfen von Kapital in positiv werthlosen Unternehmungen, wurde die Nation um keinen Heller ärmer durch das Zerplatzen dieser Seifenblasen von nominellem Geldkapital.
Alle diese Papiere stellen in der That nichts vor als akkumu- lirte Ansprüche, Rechtstitel, auf künftige Produktion, deren Geld- oder Kapitalwerth entweder gar kein Kapital repräsentirt, wie bei den Staatsschulden, oder von dem Werth des wirklichen Kapitals, das sie vorstellen, unabhängig regulirt wird.
In allen Ländern kapitalistischer Produktion existirt eine unge- heure Masse des sog. zinstragenden Kapitals oder moneyed capital in dieser Form. Und unter Akkumulation des Geldkapitals ist zum grossen Theil nichts zu verstehn, als Akkumulation dieser Ansprüche auf die Produktion, Akkumulation des Marktpreises, des illusorischen Kapitalwerths dieser Ansprüche.
Ein Theil des Bankierkapitals ist nun angelegt in diesen sog. zinstragenden Papieren. Es ist dies selbst ein Theil des Reserve- kapitals, das nicht im wirklichen Bankgeschäft fungirt. Der be- deutendste Theil besteht aus Wechseln d. h. Zahlungsversprechen von industriellen Kapitalisten oder Kaufleuten. Für den Geldver- leiher sind diese Wechsel zinstragende Papiere; d. h. wenn er sie kauft, zieht er den Zins ab für die Zeit, die sie noch zu laufen haben. Dies ist was man diskontiren nennt. Es hängt also vom jedesmaligen Zinsfuss ab, wie gross der Abzug ist von der Summe, die der Wechsel vorstellt. —
Der letzte Theil des Kapitals des Bankiers endlich besteht aus seiner Geldreserve von Gold oder Noten. Die Depositen, wenn nicht für längre Zeit kontraktlich ausbedungen, stehn stets zur Verfügung der Depositoren. Sie befinden sich in beständiger Fluk- tuation. Aber, wenn von den einen entzogen, werden sie von den andern ersetzt, sodass der allgemeine Durchschnittsbetrag in Zeiten normalen Geschäftsverlaufs wenig schwankt.
Die Reservefonds der Banken, in Ländern entwickelter kapita- listischer Produktion, drücken immer im Durchschnitt die Grösse des als Schatz vorhandnen Geldes aus, und ein Theil dieses Schatzes besteht selbst wieder aus Papier, blossen Anweisungen auf Gold, die aber keine Selbstwerthe sind. Der grösste Theil des Bankier- kapitals ist daher rein fiktiv und besteht aus Schuldforderungen (Wechseln), Staatspapieren (die vergangnes Kapital repräsentiren) und Aktien (Anweisungen auf künftigen Ertrag). Wobei nicht vergessen werden muss, dass der Geldwerth des Kapitals, den diese Papiere in den Panzerschränken des Bankiers vorstellen, selbst so- weit sie Anweisungen auf sichre Erträge (wie bei den Staatspapieren) oder soweit sie Eigenthumstitel auf wirkliches Kapital (wie bei den Aktien), durchaus fiktiv ist und von dem Werth des wirk- lichen Kapitals, das sie wenigstens theilweise vorstellen, abweichend regulirt wird; oder wo sie blosse Forderung auf Erträge vorstellen und kein Kapital, die Forderung auf denselben Ertrag in beständig wechselndem fiktivem Geldkapital sich ausdrückt. Ausserdem kommt noch hinzu, dass dies fiktive Bankierkapital grossentheils nicht sein Kapital, sondern das des Publikums vorstellt, das bei ihm deponirt, sei es mit, sei es ohne Zinsen.
Die Depositen werden immer in Geld gemacht, in Gold oder Noten, oder in Anweisungen darauf. Mit Ausnahme des Reserve- fonds, der je nach dem Bedürfniss der wirklichen Cirkulation sich zusammenzieht oder ausdehnt, befinden sich diese Depositen in
Wirklichkeit stets in der Hand einerseits der industriellen Kapi- talisten und Kaufleute, deren Wechsel damit diskontirt, und denen Vorschüsse damit gemacht werden; andrerseits in der Hand der Händler in Werthpapieren (Börsenmakler) oder in der Hand von Privaten, die ihre Werthpapiere verkauft haben, oder in der Hand der Regierung (bei Schatzscheinen und neuen Anleihen). Die Depo- siten selbst spielen eine doppelte Rolle. Einerseits werden sie, wie eben erwähnt, als zinstragendes Kapital ausgeliehen, und finden sich also nicht in den Kassen der Banken, sondern figuriren nur in ihren Büchern als Guthaben der Depositoren. Andrerseits fun- giren sie als solche blosse Buchposten, soweit die wechselseitigen Guthaben der Depositoren durch Cheques auf ihre Depositen sich ausgleichen und gegen einander abgeschrieben werden; wobei es ganz gleichgültig ist, ob die Depositen bei demselben Bankier liegen, sodass dieser die verschiednen Conti gegeneinander abschreibt, oder ob dies durch verschiedne Banken geschieht, die ihre Cheques gegeneinander austauschen, und sich nur die Differenzen zahlen.
Mit der Entwicklung des zinstragenden Kapitals und des Kredit- systems scheint sich alles Kapital zu verdoppeln und stellenweis zu verdreifachen durch die verschiedne Weise, worin dasselbe Kapital oder auch nur dieselbe Schuldforderung in verschiednen Händen unter verschiednen Formen erscheint.(FN3) Der grösste Theil dieses „Geldkapitals“ ist rein fiktiv. Die sämmtlichen Depositen, mit Ausnahme des Reservefonds, sind nichts als Guthaben an den
Bankier, die aber nie im Depositum existiren. Soweit sie zum Girogeschäft dienen, fungiren sie als Kapital für die Bankiers, nachdem diese sie ausgeliehen haben. Sie zahlen sich unter ein- ander die wechselseitigen Anweisungen auf die nichtexistirenden Depositen durch Abrechnung dieser Guthaben gegen einander.
A Smith sagt mit Bezug auf die Rolle, die das Kapital im Geldverleihen spielt: „Selbst im Geldgeschäft ist jedoch das Geld gleichsam nur die Anweisung, die die Kapitale, für die ihre Eigen- thümer keine Verwendung haben, aus einer Hand in die andre überträgt. Diese Kapitale können fast beliebig grösser sein als der Geldbetrag, der als Werkzeug ihrer Uebertragung dient; die- selben Geldstücke dienen nach einander bei vielen verschiednen Anleihen, ebensogut wie bei vielen verschiednen Einkäufen. Z. B. A leiht an W 1000 £, womit W sofort von B für 1000 £ Waaren kauft. Da B. selbst keine Verwendung für das Geld hat, leiht er die identischen Geldstücke an X, womit X sogleich von C wieder für 1000 £ Waaren kauft. In derselben Weise und aus dem- selben Grund verleiht C das Geld an Y, der wieder Waaren damit von D kauft. So können dieselben Stücke Gold oder Papier im Lauf weniger Tage zur Vermittlung von drei verschiednen Anleihen und von drei verschiednen Einkäufen dienen, deren jeder dem Werth nach gleich ist dem ganzen Betrag dieser Stücke. Was die drei Geldleute A, B und C den drei Borgern W, X und Y überwiesen haben, ist die Macht, diese Einkäufe zu machen. In dieser Macht besteht sowohl der Werth wie der Nutzen dieser Anleihen. Das von den drei Geldleuten geliehene Kapital ist gleich dem Werth der Waaren, die damit gekauft werden können, und ist dreimal grösser als der Werth des Geldes, womit die Käufe gemacht werden. Trotzdem können alle diese Anleihen vollkommen sicher sein, da die damit von den verschiednen Schuldnern gekauften Waaren so angewandt werden, dass sie ihrer Zeit einen gleichen Werth von Gold- oder Papiergeld, sammt einem Profit, heim- bringen. Und wie dieselben Geldstücke zur Vermittlung verschiedner Anleihen bis zu ihrem dreifachen, oder selbst ihrem dreissigfachen Werth dienen können, ebenso gut können sie nach einander wieder als Mittel der Rückzahlung dienen.“ (Book II, chap. IV.)
Da dasselbe Geldstück verschiedne Einkäufe, je nach der Ge- schwindigkeit seiner Cirkulation, verrichten kann, so kann es eben- sogut verschiedne Anleihen vollziehn, denn die Einkäufe bringen es aus einer Hand in die andre, und die Anleihe ist nur eine Uebertragung von einer Hand in die andre, die durch keinen Kauf
vermittelt ist. Jedem der Verkäufer stellt das Geld die ver- wandelte Form seiner Waare vor; heutzutage, wo jeder Werth als Kapitalwerth ausgedrückt wird, stellt es in den verschiednen An- leihen der Reihe nach verschiedne Kapitale vor, was nur andrer Ausdruck für den frühern Satz, dass es verschiedne Waarenwerthe der Reihe nach realisiren kann. Zugleich dient es als Cirkulations- mittel, um die sachlichen Kapitale aus einer Hand in die andre zu befördern. Im Anleihen geht es nicht als Cirkulationsmittel aus der einen Hand in die andre über. Solange es in der Hand des Verleihers bleibt, ist es in seiner Hand nicht Cirkulations- mittel, sondern Werthdasein seines Kapitals. Und in dieser Form überträgt er es im Anleihen an einen dritten. Hätte A das Geld an B, und B es an C geliehen, ohne die Vermittlung der Ein- käufe, so würde dasselbe Geld nicht drei Kapitale, sondern nur eins vorstellen, nur einen Kapitalwerth. Wie viele Kapitale es wirk- lich vorstellt, hängt davon ab, wie oft es als die Werthform ver- schiedner Waarenkapitale fungirt.
Dasselbe was A. Smith von den Anleihen überhaupt sagt, gilt von den Depositen, die ja nur ein besondrer Name für die An- leihen sind, die das Publikum den Bankiers macht. Dieselben Geldstücke können als Instrument für eine beliebige Anzahl von Depositen dienen.
„Es ist unstreitig wahr, dass die 1000 £, die jemand heute bei A deponirt, morgen wieder ausgegeben werden und ein Depositum bei B bilden. Den Tag nachher, weggezahlt durch B, können sie ein Depositum bei C bilden, und so fort ins Unendliche. Dieselben 1000 £ in Geld können daher, durch eine Reihe von Ueber- tragungen sich zu einer absolut unbestimmbaren Summe von De- positen vervielfältigen. Es ist daher möglich, dass aller Depositen im Vereinigten Königreich keine Existenz haben, ausser den sie belegenden Buchposten in den Büchern der Bankiers, die ihrerseits darüber abzurechnen haben. . . . So z. B. in Schottland, wo der Geldumlauf nie über 3 Millionen £ war, die Depositen aber 27 Millionen. Entstünde nun nicht ein allgemeiner Ansturm auf die Banken wegen der Depositen, so könnten dieselben 1000 £, ihren Weg rückwärts verfolgend, mit derselben Leichtigkeit eine ebenso unbestimmbare Summe wieder ausgleichen. Da dieselben 1000 £, womit jemand heute eine Schuld an einen Händler aus- gleicht, morgen dessen Schuld an den Kaufmann ausgleichen können, den Tag darauf die Schuld des Kaufmanns an die Bank, und so fort ohne Ende; so können dieselben 1000 £ von Hand zu
Hand und von Bank zu Bank wandern, und jede nur erdenkliche Summe von Depositen ausgleichen.“ (The Currency Question Reviewed. p. 162, 163.)
Wie alles in diesem Kreditsystem sich verdoppelt und verdrei- facht und in blosses Hirngespinnst sich verwandelt, so gilt das auch vom „Reservefonds“, wo man endlich glaubt etwas Solides zu packen.
Hören wir wieder Herrn Morris, den Gouverneur der Bank von England: „Die Reserven der Privatbanken sind in den Händen der Bank von England in Form von Depositen. Die erste Wirkung eines Goldabflusses scheint nur die Bank von England zu treffen; aber er würde ebensogut auf die Reserven der andern Banken ein- wirken, da es der Abfluss eines Theils der Reserve ist, die sie in unsrer Bank haben. Geradeso würde er wirken auf die Re- serven aller Provinzialbanken.“ (Commercial Distress 1847—48). Schliesslich lösen sich also die Reservefonds in Wirklichkeit auf in den Reservefonds der Bank von England.(FN4) Aber auch dieser Reservefonds hat wieder Doppelexistenz. Der Reservefonds des banking department ist gleich dem Ueberschuss der Noten, die die Bank berechtigt ist auszugeben, über die in Cirkulation befind- lichen Noten. Das gesetzliche Maximum der auszugebenden Noten ist = 14 Millionen (wofür keine Metallreserve erheischt; es ist der ungefähre Betrag der Schuld des Staats an die Bank), plus dem Betrag des Edelmetallvorraths der Bank. Wenn also dieser Vor- rath = 14 Millionen £, so kann die Bank 28 Millionen £ in Noten ausgeben, und wenn davon 20 Millionen cirkuliren, so ist der Re- servefonds des banking department = 8 Millionen. Diese 8 Millionen Noten sind dann gesetzlich das Bankierkapital, worüber die Bank zu verfügen hat, und zugleich der Reservefonds für ihre Depositen. Tritt nun ein Goldabfluss ein, der den Metallvorrath um 6 Millionen vermindert — wofür ebensoviel Noten vernichtet werden müssen — so würde die Reserve des banking department von 8 auf 2 Millionen fallen. Einerseits würde die Bank ihren Zinsfuss sehr erhöhen; andrerseits würden die Banken, die bei ihr deponirt haben, und die andren Depositoren den Reservefonds für ihre eignen Guthaben bei der Bank sehr abnehmen sehn. 1857 drohten die vier grössten Aktienbanken von London, wenn die Bank von England nicht einen „Regierungsbrief“ zur Suspension des Bankakts von 1844
erwirke,(FN5) ihre Depositen einzufordern, womit das banking depart- ment bankrott gewesen wäre. So kann das banking department falliren, wie 1847, während beliebige Millionen (z.B. 1847 8 Millionen) in issue department liegen, als Garantie für die Konvertibilität der cirkulirenden Noten. Dies ist aber wieder illusorisch.
„Der grosse Theil der Depositen, wofür die Bankiers selbst keine unmittelbare Nachfrage haben, geht in die Hände der bill brokers (buchstäblich Wechselmakler, der Sache nach halbe Bankiers), die dem Bankier dagegen als Sicherheit für seinen Vorschuss Handelswechsel geben, die sie schon für Leute in London und der Provinz diskontirt haben. Der billbroker ist dem Bankier ver- antwortlich für die Rückzahlung dieses money at call (Geld, das auf Verlangen sofort rückzahlbar ist); und diese Geschäfte sind von so gewaltigem Umfang, dass Herr Neave, der gegenwärtige Gouverneur der Bank [von England], in seiner Zeugenaussage sagt: „Wir wissen, dass ein broker 5 Millionen hatte, und wir haben Grund anzunehmen, dass ein andrer zwischen 8 und 10 Mil- lionen hatte; einer hatte 4, ein andrer 3½, ein dritter mehr als 8. Ich spreche von Depositen bei den brokers.“ (Report of Com- mittee on Bank Akts, 1857—58. p. 5, Absatz Nr. 8.)
„Die Londoner billbrokers .... führten ihr enormes Geschäft ohne irgend welche Reserve in baar; sie verliessen sich auf die Ein- gänge von ihren nach und nach verfallenden Wechseln, oder im Nothfall auf ihre Macht, Vorschüsse von der Bank von England gegen Depôt der von ihnen diskontirten Wechsel zu erhalten.“ — Zwei Firmen von billbrokers in London stellten ihre Zahlungen 1847 ein; beide nahmen das Geschäft später wieder auf. 1857 suspendirten sie wieder. Die Passiva des einen Hauses waren 1847 in runder Zahl 2683000 £ bei einem Kapital von 180000 £; seine Passiva waren 1857 = 5300000 £, während das Kapital wahrscheinlich nicht mehr als einviertel betrug von dem, was es 1847 gewesen. Die Passiva der andern Firma waren beidemal zwischen 3 und 4 Millionen, bei einem Kapital von nicht mehr als 45000 £.“ (ibidem, p. XXI, Absatz Nr. 52.)
Die einzig schwierigen Fragen, denen wir uns jetzt mit Be- ziehung auf das Kreditwesen nähern, sind folgende:
Erstens: Die Akkumulation des eigentlichen Geldkapitals. Wie weit und wieweit nicht ist sie Anzeichen von wirklicher Akku- mulation des Kapitals, d. h. von Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter? Die sog. Plethora des Kapitals, ein Ausdruck, der immer nur vom zinstragenden, i.e. Geldkapital gebraucht wird, ist sie nur eine besondre Manier, die industrielle Ueberproduktion aus- zudrücken, oder bildet sie ein besondres Phänomen neben ihr? Fällt diese Plethora, dies Ueberangebot von Geldkapital zusammen mit Vorhandensein stagnanter Geldmassen (Barren, Goldgeld und Banknoten), sodass dieser Ueberfluss an wirklichem Geld Ausdruck und Erscheinungsform jener Plethora von Leihkapital ist?
Und zweitens: Wie weit drückt Geldklemme, d. h. Mangel an Leih- kapital, einen Mangel an wirklichem Kapital (Waarenkapital und pro- duktivem Kapital) aus? Wie weit fällt sie andrerseits zusammen mit Mangel an Geld als solchem, Mangel an Cirkulationsmitteln?
Soweit wir die eigenthümliche Form der Akkumulation des Geld- kapitals und Geldvermögens überhaupt bis jetzt betrachtet haben, hat sie sich aufgelöst in Akkumulation von Ansprüchen des Eigen- thums auf die Arbeit. Die Akkumulation des Kapitals der Staats- schuld heisst, wie sich gezeigt hat, weiter nichts als Vermehrung einer Klasse von Staatsgläubigern, die gewisse Summen auf den
Betrag der Steuern für sich vorwegzunehmen berechtigt sind.(FN6) In diesen Thatsachen, dass sogar eine Akkulumation von Schulden als Akkumulation von Kapital erscheinen kann, zeigt sich die Voll- endung der Verdrehung, die im Kreditsystem stattfindet. Diese Schuldscheine, die für das ursprünglich geliehene und längst ver- ausgabte Kapital ausgestellt sind, diese papiernen Duplikate von vernichtetem Kapital, fungiren für ihre Besitzer soweit als Kapital, als sie verkaufbare Waaren sind, und daher in Kapital rückver- wandelt werden können.
Die Eigenthumstitel auf Gesellschaftsgeschäfte, Eisenbahnen, Berg- werke etc. sind, wie wir ebenfalls gesehn haben, zwar in der That Titel auf wirkliches Kapital. Indess geben sie keine Verfügung über dies Kapital. Es kann nicht entzogen werden. Sie geben nur Rechtsansprüche auf einen Theil des von demselben zu er- werbenden Mehrwerths. Aber diese Titel werden ebenfalls papierne Duplikate des wirklichen Kapitals, wie wenn der Ladungs- schein einen Werth erhielte neben der Ladung und gleich- zeitig mit ihr. Sie werden zu nominellen Repräsentanten nicht existirender Kapitale. Denn das wirkliche Kapital existirt daneben und ändert durchaus nicht die Hand dadurch, dass diese Duplikate die Hände wechseln. Sie werden zu Formen des zinstragenden Kapitals, weil sie nicht nur gewisse Erträge sichern, sondern auch, weil durch Verkauf ihre Rückzahlung als Kapitalwerthe erhalten werden kann. Soweit die Akkumulation dieser Papiere die Akku- mulation von Eisenbahnen, Bergwerken, Dampfschiffen etc. aus- drückt, drückt sie Erweiterung des wirklichen Reproduktions- processes aus, ganz wie die Erweiterung einer Steuerliste z. B. auf Mobilareigenthum die Expansion dieses Mobilars anzeigt. Aber als Duplikate, die selbst als Waaren verhandelbar sind, und daher selbst als Kapitalwerthe cirkuliren, sind sie illusorisch, und ihr Werthbetrag kann fallen und steigen ganz unabhängig von der
Werthbewegung des wirklichen Kapitals, auf das sie Titel sind. Ihr Werthbetrag, d. h. ihre Kursnotirung an der Börse, hat mit dem Fallen des Zinsfusses, soweit dies, unabhängig von den eigen- thümlichen Bewegungen des Geldkapitals, einfache Folge des tendenziellen Falles der Profitrate ist, nothwendig die Tendenz zu steigen, sodass dieser imaginäre Reichthum, dem Werthausdruck nach für jeden seiner aliquoten Theile von bestimmtem ursprüng- lichem Nominalwerth, sich schon aus diesem Grunde im Entwick- lungsgang der kapitalistischen Produktion expandirt.(FN7)
Gewinnen und Verlieren durch Preisschwankungen dieser Eigen- thumstitel, sowie deren Centralisation in den Händen von Eisen- bahnkönigen u.s.w. wird der Natur der Sache nach mehr und mehr Resultat des Spiels, das an der Stelle der Arbeit als die ursprüngliche Erwerbsart von Kapitaleigenthum erscheint, und auch an die Stelle der direkten Gewalt tritt. Diese Sorte imaginären Geldvermögens bildet nicht nur einen sehr bedeutenden Theil des Geldvermögens der Privaten, sondern auch des Bankierkapitals, wie schon erwähnt.
Man könnte — wir erwähnen es nur um es rasch zu erledigen — unter Akkumulation des Geldkapitals auch verstehn die Akku- mulation des Reichthums in der Hand von Bankiers (Geldver- leihern von Profession) als der Vermittler zwischen den Privat- Geldkapitalisten hier, und dem Staat, den Gemeinden und den reproducirenden Borgern dort; indem die ganze ungeheure Aus- dehnung des Kreditsystems, überhaupt der gesammte Kredit, von ihnen als ihr Privatkapital exploitirt wird. Diese Burschen be- sitzen das Kapital und die Einnahme stets in Geldform oder in direkten Forderungen auf Geld. Die Akkumulation des Vermögens dieser Klasse kann vor sich gehn in sehr verschiedner Richtung mit der wirklichen Akkumulation, beweist aber jedenfalls, dass diese Klasse einen guten Theil von dieser letzteren einsteckt.
Um die vorliegende Frage auf engere Grenzen zurückzuführen: Staatseffekten wie Aktien und andere Werthpapiere aller Art sind Anlagesphären für verleihbares Kapital, für Kapital, das bestimmt
ist zinstragend zu werden. Sie sind Formen es auszuleihen. Aber sie sind nicht selbst das Leihkapital, das in ihnen angelegt wird. Andrerseits, soweit der Kredit direkte Rolle im Reproduktions- process spielt: Was der Industrielle oder Kaufmann braucht, wenn er Wechsel diskontirt haben oder eine Anleihe aufnehmen will, sind weder Aktien noch Staatspapiere. Was er braucht ist Geld. Er versetzt oder verkauft also jene Werthpapiere, wenn er das Geld sich anders nicht beschaffen kann. Es ist die Akkumulation dieses Leihkapitals, von der wir hier zu handeln haben, und zwar speciell von der des leihbaren Geldkapitals. Es handelt sich hier nicht um Anleihen von Häusern, Maschinen, oder andrem fixen Kapital. Es handelt sich auch nicht um die Vorschüsse, die sich Industrielle und Kaufleute unter einander in Waaren und inner- halb des Zirkels des Reproduktionsprocesses machen; obgleich wir auch diesen Punkt vorher noch näher untersuchen müssen; es handelt sich ausschliesslich um die Geldanleihen, die durch die Bankiers, als Vermittler, den Industriellen und Kaufleuten ge- macht werden.
Analysiren wir also zunächst den kommerciellen Kredit, d. h. den Kredit, den die in der Reproduktion beschäftigten Kapitalisten einander geben. Er bildet die Basis des Kreditsystems. Sein Repräsentant ist der Wechsel, Schuldschein mit bestimmtem Zah- lungstermin, document of deferred payment. Jeder gibt Kredit mit der einen Hand und empfängt Kredit mit der andern. Sehn wir zunächst ganz ab vom Bankierkredit, der ein ganz andres, wesentlich verschiednes Moment bildet. Soweit diese Wechsel unter den Kaufleuten selbst wieder als Zahlungsmittel cirkuliren, durch Endossement von einem auf den andern, wo aber der Dis- konto nicht dazwischen kommt, ist es nichts als eine Ueber- tragung der Schuldforderung von A auf B, und ändert absolut nichts am Zusammenhang. Es setzt nur eine Person an die Stelle einer andern. Und selbst in diesem Fall kann die Liquidation ohne Dazwischenkunft von Geld stattfinden. Der Spinner A z. B. hat einen Wechsel zu zahlen an den Baumwollmakler B, dieser an den Importeur C. Wenn C nun ebenfalls Garn exportirt, was oft genug vorkommt, so kann er Garn von A gegen Wechsel kaufen, und der Spinner A den Makler B mit dessen eignem, von C in Zahlung erhaltnen Wechsel decken, wobei höchstens ein Saldo in Geld zu zahlen ist. Die ganze Transaktion vermittelt dann nur den Austausch von Baumwolle und Garn. Der Exporteur reprä-
sentirt nur den Spinner, der Baumwollmakler den Baumwoll- pflanzer.
Es ist nun bei dem Kreislauf dieses rein kommerciellen Kredits zweierlei zu bemerken:
Erstens: Die Saldirung dieser wechselseitigen Schuldforderungen hängt ab vom Rückfluss des Kapitals; d. h. von W—G, das nur vertagt ist. Wenn der Spinner einen Wechsel vom Kattunfabri- kanten erhalten hat, so kann der Kattunfabrikant zahlen, wenn der Kattun, den er auf dem Markt hat, in der Zwischenzeit verkauft ist. Hat der Kornspekulant einen Wechsel auf seinen Faktor ge- geben, so kann der Faktor das Geld zahlen, wenn unterdess das Korn zum erwarteten Preise verkauft ist. Es hängen also diese Zahlungen ab von der Flüssigkeit der Reproduktion, d. h. des Produktions- und Konsumtionsprocesses. Da die Kredite aber wechselseitig sind, hängt die Zahlungsfähigkeit eines jeden zugleich ab von der Zahlungsfähigkeit eines andern; denn beim Ausstellen seines Wechsels kann jener entweder auf den Rückfluss des Ka- pitals in seinem eignen Geschäft, oder auf Rückfluss im Geschäft eines dritten gerechnet haben, der ihm in der Zwischenzeit einen Wechsel zu zahlen hat. Abgesehn von der Aussicht auf Rück- flüsse, kann die Zahlung nur möglich werden durch Reservekapital, worüber der Wechselaussteller verfügt, um seinen Verpflichtungen im Fall verzögerter Rückflüsse nachzukommen.
Zweitens: Dies Kreditsystem beseitigt nicht die Nothwendig- keit baarer Geldzahlungen. Einmal ist ein grosser Theil der Aus- lagen stets baar zu zahlen, Arbeitslohn, Steuern etc. Dann aber z. B. hat B, der von C einen Wechsel an Zahlungsstatt erhaltén, ehe dieser Wechsel fällig, selbst einen fälligen Wechsel an D zu zahlen, und dafür muss er baares Geld haben. Ein so vollständiger Kreislauf der Reproduktion, wie er oben vom Baumwollpflanzer bis Baumwollspinner und umgekehrt vorausgesetzt worden, kann nur eine Ausnahme bilden, und muss stets an vielen Stellen durch- brochen werden. Wir haben beim Reproduktionsprocess (Buch II, Abschn. III.) gesehn, dass die Producenten des konstanten Ka- pitals zum Theil konstantes Kapital mit einander austauschen. Dafür können sich die Wechsel mehr oder weniger ausgleichen. Ebenso in aufsteigender Linie der Produktion, wo der Baumwoll- makler auf den Spinner, der Spinner auf den Kattun-Fabrikanten, dieser auf den Exporteur, dieser auf den Importeur (vielleicht wieder von Baumwolle) zu ziehen hat. Aber es findet nicht zu- gleich Kreislauf der Transaktionen und daher Umbiegung der For-
derungsreihe statt. Die Forderung, z. B. des Spinners an den Weber wird nicht saldirt durch die Forderung des Kohlenlieferanten an den Maschinenbauer; der Spinner hat nie in seinem Geschäft Gegen- forderungen auf den Maschinenbauer zu machen, weil sein Produkt, Garn, nie als Element in dessen Reproduktionsprocess eingeht. Solche Forderungen müssen daher durch Geld ausgeglichen werden.
Die Grenzen für diesen kommerciellen Kredit, für sich betrachtet sind 1) der Reichthum der Industriellen und Kaufleute, d. h. ihre Verfügung über Reservekapital im Fall verzögerter Rückflüsse; 2) diese Rückflüsse selbst. Diese können der Zeit nach verzögert werden, oder die Waarenpreise können in der Zwischenzeit fallen, oder die Waare kann momentan unverkäuflich werden bei Stockung der Märkte. Je langsichtiger die Wechsel, desto grösser muss erstens das Reservekapital sein und desto grösser ist die Möglich- keit einer Schmälerung oder Verspätung des Rückflusses durch Preisfall oder Ueberführung der Märkte. Und ferner sind die Retouren um so unsicherer, je mehr die ursprüngliche Transaktion durch Spekulation auf Steigen oder Fallen der Waarenpreise be- dingt war. Es ist aber klar, dass mit der Entwicklung der Pro- duktivkraft der Arbeit, und daher der Produktion auf grosser Stufenleiter, 1) die Märkte sich ausdehnen und vom Produktions- ort sich entfernen, 2) daher die Kredite sich verlängern müssen, und also 3) das spekulative Element mehr und mehr die Trans- aktionen beherrschen muss. Die Produktion auf grosser Stufenleiter und für entfernte Märkte wirft das Gesammtprodukt in die Hand des Handels; es ist aber unmöglich, dass sich das Kapital der Nation verdopple, sodass der Handel für sich fähig wäre, mit eignem Kapital das gesammte nationale Produkt aufzukaufen und wieder zu verkaufen. Kredit ist hier also unerlässlich; Kredit, dem Umfang nach wachsend mit dem wachsenden Werthumfang der Produktion, und der Zeitdauer nach mit der zunehmenden Ent- fernung der Märkte. Es findet hier Wechselwirkung statt. Die Entwicklung des Produktionsprocesses erweitert den Kredit, und der Kredit führt zur Ausdehnung der industriellen und merkantilen Operationen.
Betrachten wir diesen Kredit, getrennt vom Bankierkredit, so ist klar, dass er wächst mit dem Umfang des industriellen Kapitals selbst. Leihkapital und industrielles Kapital sind hier identisch; die geliehenen Kapitale sind Waarenkapitale, bestimmt entweder für schliessliche individuelle Konsumtion, oder zum Ersatz der konstanten Elemente von produktivem Kapital. Was hier also
als geliehenes Kapital erscheint, ist immer Kapital, das sich in einer bestimmten Phase des Reproduktionsprocesses befindet, aber durch Kauf und Verkauf aus einer Hand in die andre übergeht, während das Aequivalent dafür dem Käufer erst später zu be- dungner Frist gezahlt wird. Z. B. die Baumwolle geht gegen Wechsel in die Hand des Spinners über, das Garn gegen Wechsel in die Hand des Kattunfabrikanten, der Kattun gegen Wechsel in die Hand des Kaufmanns, aus dessen Hand gegen Wechsel in die des Exporteurs, aus der Hand des Exporteurs gegen Wechsel in die eines Kaufmanns in Indien, der ihn verkauft und dafür Indigo kauft u. s. w. Während dieses Uebergangs aus einer Hand in die andre vollzieht die Baumwolle ihre Verwandlung in Kattun, und der Kattun wird schliesslich nach Indien transportirt und aus- getauscht gegen Indigo, der nach Europa verschifft wird und dort wieder in die Reproduktion eingeht. Die verschiednen Phasen des Reproduktionsprocesses sind hier vermittelt durch den Kredit, ohne dass der Spinner die Baumwolle, der Kattunfabrikant das Garn, der Kaufmann den Kattun etc. gezahlt hat. In den ersten Akten des Vorgangs geht die Waare: Baumwolle durch ihre verschiednen Produktionsphasen, und dieser Uebergang wird vermittelt durch den Kredit. Aber sobald die Baumwolle in der Produktion ihre letzte Form als Waare erhalten hat, geht dasselbe Waarenkapital nur noch durch die Hände verschiedner Kaufleute, die den Trans- port zum entlegnen Markt vermitteln, und deren letzter sie schliess- lich an den Konsumenten verkauft und andre Waare dafür ein- kauft, die entweder in die Konsumtion eingeht oder in den Repro- duktionsprocess. Es sind also hier zwei Abschnitte zu unterscheiden: im ersten vermittelt der Kredit die wirklichen successiven Phasen in der Produktion desselben Artikels; im zweiten bloss den Ueber- gang aus der Hand eines Kaufmanns in die des andern, der den Transport einschliesst, also den Akt W—G. Aber auch hier be- findet sich die Waare wenigstens immer im Cirkulationsakt, also in einer Phase des Reproduktionsprocesses.
Was demnach hier verliehen wird, ist nie unbeschäftigtes Kapital, sondern Kapital, das in der Hand seines Besitzers seine Form ändern muss, das in einer Form existirt, worin es für ihn blosses Waarenkapital ist, d. h. Kapital, das rückverwandelt, und zwar wenigstens zunächst in Geld umgesetzt werden muss. Es ist somit die Metamorphose der Waare, die hier durch den Kredit vermittelt wird; nicht nur W—G, sondern auch G—W und der wirkliche Produktionsprocess. Viel Kredit innerhalb des reproduktiven Kreis-
laufs — abgesehn vom Bankierkredit — heisst nicht: viel unbe- schäftigtes Kapital, das zu Anleihen ausgeboten wird und profitliche Anlage sucht, sondern: grosse Beschäftigung von Kapital im Re- produktionsprocess. Der Kredit vermittelt hier also 1) soweit die industriellen Kapitalisten in Betracht kommen, den Uebergang des industriellen Kapitals aus einer Phase in die andre, den Zusammen- hang der zu einander gehörigen und in einander eingreifenden Produktionssphären; 2) soweit die Kaufleute in Betracht kommen, den Transport und den Uebergang der Waaren aus einer Hand in die andre bis zu ihrem definitiven Verkauf für Geld oder ihrem Austausch mit einer andern Waare.
Das Maximum des Kredits ist hier gleich der vollsten Beschäf- tigung des industriellen Kapitals, d. h. der äussersten Anspannung seiner Reproduktionskraft ohne Rücksicht auf die Grenzen der Konsumtion. Diese Grenzen der Konsumtion werden erweitert durch die Anspannung des Reproduktionsprocesses selbst; einerseits vermehrt sie den Verzehr von Revenue durch Arbeiter und Kapita- listen, andrerseits ist sie identisch mit Anspannung der produktiven Konsumtion.
Solange der Reproduktionsprocess flüssig und damit der Rückfluss gesichert bleibt, dauert dieser Kredit und dehnt sich aus, und seine Ausdehnung ist basirt auf die Ausdehnung des Reproduktions- processes selbst. Sobald eine Stockung eintritt, in Folge ver- zögerter Rückflüsse, überführter Märkte, gefallner Preise, ist Ueber- fluss von industriellem Kapital vorhanden, aber in einer Form, worin es seine Funktionen nicht vollziehn kann. Masse von Waarenkapital, aber unverkäuflich. Masse von fixem Kapital, aber durch Stockung der Reproduktion grossentheils unbeschäftigt. Der Kredit kontrahirt sich, 1) weil dies Kapital unbeschäftigt ist, d. h. in einer seiner Reproduktionsphasen stockt, weil es seine Metamorphose nicht vollziehn kann; 2) weil das Vertrauen in die Flüssigkeit des Reproduktionsprocesses gebrochen ist; 3) weil die Nachfrage nach diesem kommerciellen Kredit abnimmt. Der Spinner, der seine Produktion einschränkt, und eine Masse unverkauftes Garn auf Lager hat, braucht keine Baumwolle auf Kredit zu kaufen; der Kaufmann braucht keine Waaren auf Kredit zu kaufen, weil er deren schon mehr als genug hat.
Tritt also Störung in dieser Expansion oder auch nur in der normalen Anspannung des Reproduktionsprocesses ein, so damit auch Kreditmangel; Waaren sind schwerer auf Kredit zu erhalten. Besonders aber ist das Verlangen nach baarer Zahlung und die
Vorsicht im Kreditverkauf charakteristisch für die Phase des in- dustriellen Cyklus, die auf den Krach folgt. In der Krisis selbst, da jeder zu verkaufen hat und nicht verkaufen kann und doch verkaufen muss um zu zahlen, ist die Masse, nicht des unbeschäf- tigten, unterzubringenden Kapitals, sondern die des in seinem Re- produktionsprocess gehemmten Kapitals gerade dann am grössten, wenn auch der Kreditmangel am grössten ist (und daher bei Bankierkredit die Diskontorate am höchsten). Das schon ausgelegte Kapital ist dann in der That massenweis unbeschäftigt, weil der Reproduktionsprocess stockt. Fabriken stehn still, Rohstoffe häufen sich auf, fertige Produkte überfüllen als Waaren den Markt. Es ist also nichts falscher als solchen Zustand einem Mangel an pro- duktivem Kapital zuzuschreiben. Es ist gerade dann Ueberfluss von produktivem Kapital vorhanden, theils in Bezug auf den nor- malen, aber augenblicklich kontrahirten Maßstab der Reproduktion theils in Bezug auf die gelähmte Konsumtion.
Denken wir uns die ganze Gesellschaft bloss aus industriellen Kapitalisten und Lohnarbeitern zusammengesetzt. Sehn wir ferner ab von den Preiswechseln, die grosse Portionen des Gesammt- kapitals hindern, sich in ihren Durchschnittsverhältnissen zu er- setzen, und die, bei dem allgemeinen Zusammenhang des ganzen Reproduktionsprocesses, wie ihn namentlich der Kredit entwickelt, immer zeitweilige allgemeine Stockungen hervorbringen müssen. Sehn wir ab ebenfalls von den Scheingeschäften und spekulativen Umsätzen, die das Kreditwesen fördert. Dann wäre eine Krise nur erklärlich aus Missverhältniss der Produktion in verschiednen Zweigen, und aus einem Missverhältniss, worin der Konsum der Kapitalisten selbst zu ihrer Akkumulation stände. Wie aber die Dinge liegen, hängt der Ersatz der in der Produktion angelegten Kapitale grossentheils ab von der Konsumtionsfähigkeit der nicht produktiven Klassen; während die Konsumtionsfähigkeit der Arbeiter theils durch die Gesetze des Arbeitslohns, theils dadurch beschränkt ist, dass sie nur solange angewandt werden, als sie mit Profit für die Kapitalistenklasse angewandt werden können. Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armuth und Konsumtions- beschränkung der Massen gegenüber dem Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze bilde.
Von wirklichem Mangel an produktivem Kapital, wenigstens bei kapitalistisch entwickelten Nationen, kann nur gesprochen werden
bei allgemeinen Missernten, sei es der Hauptnahrungsmittel, sei es der hauptsächlichsten industriellen Rohstoffe.
Es kommt aber nun zu diesem kommerciellen Kredit der eigent- liche Geldkredit hinzu. Das Vorschiessen der Industriellen und Kaufleute unter einander verquickt sich mit dem Vorschiessen des Geldes an sie seitens der Bankiers und Geldverleiher. Beim Dis- kontiren der Wechsel ist der Vorschuss nur nominell. Ein Fabrikant verkauft sein Produkt gegen Wechsel, und er diskontirt diesen Wechsel bei einem billbroker. In der That schiesst dieser nur den Kredit seines Bankiers vor, der ihm wieder das Geldkapital seiner Depositoren vorschiesst, die gebildet werden von den Indu- striellen und Kaufleuten selbst, aber auch von Arbeitern (ver- mittelst Sparbanken), von Grundrentnern und den sonstigen unpro- duktiven Klassen. So wird für jeden individuellen Fabrikanten oder Kaufmann sowohl die Nothwendigkeit eines starken Reserve- kapitals umgangen, wie die Abhängigkeit von den wirklichen Rückflüssen. Andrerseits aber komplicirt sich theils durch einfache Wechselreiterei, theils durch Waarengeschäfte zum Zweck der blossen Wechselfabrikation der ganze Process so sehr, dass der Schein eines sehr soliden Geschäfts und flotter Rückflüsse noch ruhig fortexistiren kann, nachdem die Rückflüsse in der That schon längst nur noch auf Kosten theils geprellter Geldverleiher, theils geprellter Producenten gemacht worden sind. Daher scheint immer das Geschäft fast übertrieben gesund gerade unmittelbar vor dem Krach. Den besten Beweis liefern z. B. die Reports on Bank Acts von 1857 und 58, wo alle Bankdirektoren, Kaufleute, kurz alle vorgeladnen Sachverständigen, an ihrer Spitze Lord Overstone, sich wechselseitig Glück wünschten über die Blüte und Gesundheit des Geschäfts — genau einen Monat bevor die Krise im August 1857 ausbrach. Und sonderbarer Weise macht Tooke in seiner History of Prices diese Illusion noch einmal als Geschichtsschreiber jeder Krise durch. Das Geschäft ist immer kerngesund und die Kam- pagne im gedeihlichsten Fortgang, bis auf einmal der Zusammen- bruch erfolgt.
Wir kommen jetzt zurück auf die Akkumulation des Geld- kapitals.
Nicht jede Vermehrung des leihbaren Geldkapitals zeigt wirk- liche Kapitalakkumulation oder Erweiterung des Reproduktions- processes an. Dies tritt am klarsten hervor in der Phase des industriellen Cyklus unmittelbar nach überstandner Krisis, wo Leih-
kapital massenhaft brach liegt. In solchen Momenten, wo der Produktionsprocess eingeschränkt ist (die Produktion in den eng- lischen Industriebezirken war nach der Krise von 1847 um ein- drittel verringert), wo die Preise der Waaren auf ihrem niedrigsten Punkt stehn, wo der Unternehmungsgeist gelähmt ist, herrscht niedriger Stand des Zinsfusses, der hier nichts anzeigt als Ver- mehrung des leihbaren Kapitals grade durch Kontraktion und Lähmung des industriellen Kapitals. Dass weniger Cirkulations- mittel erheischt sind mit gefallnen Waarenpreisen, verminderten Umsätzen, und der Kontraktion des in Arbeitslohn ausgelegten Kapitals; dass andrerseits, nach Liquidation der Schulden ans Aus- land theils durch Goldabfluss und theils durch Bankrotte, kein zu- schüssiges Geld für die Funktion als Weltgeld erheischt ist; dass endlich der Umfang des Geschäfts des Wechseldiskontirens mit der Zahl und den Beträgen dieser Wechsel selbst abnimmt, — alles dies ist augenscheinlich. Die Nachfrage nach leihbarem Geld- kapital, sei es für Cirkulationsmittel, sei es für Zahlungsmittel, (von neuer Kapitalanlage ist noch keine Rede) nimmt daher ab, und es wird damit relativ reichlich. Aber auch das Angebot des leihbaren Geldkapitals nimmt unter solchen Umständen positiv zu, wie sich später zeigen wird.
So herrschte nach der Krise von 1847 „eine Einschränkung der Umsätze und ein grosser Ueberfluss an Geld.“ (Comm. Distress, 1847—48, Evid. No. 1664. Der Zinsfuss war sehr niedrig wegen „fast vollständiger Vernichtung des Handels und fast gänzlicher Abwesenheit der Möglichkeit Geld anzulegen.“ (l. c., p. 45. Aus- sage von Hodgson, Direktor der Royal Bank of Liverpool.) Welchen Unsinn diese Herren (und Hodgson ist noch einer der besten) zu- sammenfabeln, um sich dies zu erklären, kann man aus folgender Phrase sehn: „Die Klemme (1847) entsprang aus einer wirklichen Verminderung des Geldkapitals im Lande, verursacht theils durch die Nothwendigkeit, die Einfuhren aus allen Weltgegenden in Gold zu bezahlen, und theils durch die Verwandlung von Cirkulations- kapital (floating capital) in fixes.“ Wie die Verwandlung von Cirkulationskapital in fixes das Geldkapital des Landes vermindern soll, ist nicht abzusehn, da z. B. bei Eisenbahnen, worin haupt- sächlich damals Kapital festgelegt worden, kein Gold oder Papier zu Viadukten und Schienen verbraucht wird, und das Geld für die Eisenbahnaktien, soweit es bloss für Einzahlungen deponirt, ganz wie alles andre bei den Banken deponirte Geld fungirte, und selbst, wie schon oben gezeigt, momentan das leihbare Geldkapital ver-
mehrte; soweit es aber wirklich im Bau verausgabt, roulirte es als Kauf- und Zahlungsmittel im Lande. Nur soweit fixes Kapital kein exportirbarer Artikel ist, also mit der Unmöglichkeit der Ausfuhr auch das disponible Kapital wegfällt, das durch Retouren für ausgeführte Artikel beschafft wird, also auch die Retouren in baar oder Barren, nur soweit könnte das Geldkapital afficirt werden. Aber auch englische Exportartikel lagerten damals massenweise unverkäuflich auf den auswärtigen Märkten. Für die Kaufleute und Fabrikanten in Manchester u. s. w., die einen Theil ihres normalen Geschäftskapitals in Eisenbahnaktien festgeritten, und zur Führung ihres Geschäfts daher von Borgkapital abhingen, hatte sich in der That ihr floating capital fixirt, und dafür mussten sie die Folgen tragen. Es wäre aber dasselbe gewesen, wenn sie das ihrem Geschäft gehörige, aber entzogne Kapital, statt in Eisen- bahnen z. B. in Bergwerken angelegt gehabt hätten, deren Produkt selbst wieder floating capital ist, Eisen, Kohle, Kupfer etc. — Die wirkliche Verminderung des disponiblen Geldkapitals durch Missernte, Korneinfuhr und Goldausfuhr, war natürlich ein Ereig- niss, das mit dem Eisenbahnschwindel nichts zu thun hatte. — „Fast alle kaufmännischen Häuser hatten angefangen ihr Geschäft mehr oder weniger auszuhungern, um das Geld in Eisenbahnen anzulegen.“ — „Die so ausgedehnten Vorschüsse, die an Eisen- bahnen von Handelshäusern gemacht wurden, verleiteten diese, sich viel zu sehr durch Wechseldiskonto auf die Banken zu stützen, und dadurch ihre Handelsgeschäfte weiter zu führen.“ (Derselbe Hodgson, l. c., p. 67.) „In Manchester fanden immense Verluste statt durch die Spekulation in Eisenbahnen.“ (Der in Buch I, Kap. XIII., 3, c, und sonst mehrfach angeführte R. Gardner, Aussagenummer 4877, l. c.)
Eine Hauptursache der Krisis von 1847 war die kolossale Markt- überführung und der grenzenlose Schwindel im ostindischen Waaren- geschäft. Aber auch andre Umstände brachten sehr reiche Häuser dieses Zweigs zu Fall: „Sie hatten reichliche Mittel, aber sie waren nicht flüssig zu machen. Ihr ganzes Kapital lag fest in Grund- besitz in Mauritius, oder Indigo- und Zuckerfabriken. Wenn sie dann Verpflichtungen bis zu 5—600000 £ eingegangen waren, hatten sie keine flüssigen Mittel ihre Wechsel zu zahlen, und schliesslich stellte sich heraus, dass, um ihre Wechsel zu zahlen, sie sich gänzlich auf ihren Kredit verlassen mussten.“ (Ch. Turner, grosser ostindischer Kaufmann in Liverpool, No. 730, l. c.) Ferner Gardner (No. 4872, l. c.): „Gleich nach dem chinesischen Vertrag
wurden dem Lande so grosse Aussichten gemacht auf eine ge- waltige Ausdehnung unsers Handels mit China, dass viele grosse Fabriken express für dies Geschäft gebaut wurden, um die im chinesischen Markt hauptsächlich gangbaren Baumwollengewebe an- zufertigen, und diese kamen zu allen unsern schon bestehenden Fabriken hinzu. — 4874. Wie ist dieses Geschäft abgelaufen? — Höchst ruinirend, sodass es fast jeder Beschreibung spottet; ich glaube nicht dass von den sämmtlichen Verschiffungen von 1844 und 45 nach China, mehr als ⅔ des Betrags je zurückgekommen sind; weil Thee der Hauptartikel des Rückexports ist und weil man uns so grosse Erwartungen gemacht hatte, rechneten wir Fabrikanten mit Sicherheit auf eine grosse Herabsetzung des Thee- zolls.“ Und nun kommt, naiv ausgedrückt, das charakteristische Credo des englischen Fabrikanten: „Unser Handel mit einem aus- wärtigen Markt ist nicht beschränkt durch dessen Fähigkeit die Waaren zu kaufen, aber er ist beschränkt hier im Lande, durch unsre Fähigkeit die Produkte zu konsumiren, die wir als Retouren für unsre Industrieerzeugnisse erhalten.“ (Die relativ armen Länder, womit England handelt, können natürlich jeden nur möglichen Belauf englischer Fabrikate zahlen und konsumiren, leider aber kann das reiche England die Retourprodukte nicht verdauen.) „4876. Ich schickte anfangs einige Waaren hinaus, und diese wurden zu etwa 15 % Verlust verkauft, in der vollen Ueber- zeugung, dass der Preis, zu dem meine Agenten Thee kaufen konnten, beim Wiederverkauf hier einen so grossen Profit ergeben würde, dass dieser Verlust gedeckt wäre; aber statt Profit zu machen, verlor ich manchmal 25 und bis zu 50 %. — 4877. Exportirten die Fabrikanten für eigne Rechnung? — Hauptsäch- lich; die Kaufleute, scheint es, sahn sehr bald, dass nichts bei der Sache herauskam, und sie ermunterten die Fabrikanten mehr zu Konsignationen, als dass sie sich selbst dabei betheiligten.“ — 1857 dagegen fielen Verluste und Bankrotte vorzugsweise auf die Kaufleute, da diesmal die Fabrikanten ihnen die Ueberführung der fremden Märkte „auf eigne Rechnung“ überliessen.
Eine Expansion des Geldkapitals, die daraus entsteht, dass in Folge der Ausbreitung des Bankwesens (siehe das Beispiel von Ipswich weiter unten, wo im Lauf weniger Jahre unmittelbar vor 1857 die Depositen der Pächter sich vervierfachten) das was früher Privatschatz oder Münzreserve war, sich für bestimmte Zeit immer in leihbares Kapital verwandelt, drückt ebensowenig ein
Wachsen des produktiven Kapitals aus, wie die wachsenden Depo- siten bei den Londoner Aktienbanken, sobald diese anfingen, Zinsen auf Depositen zu zahlen. Solange die Produktionsleiter dieselbe bleibt, bewirkt diese Expansion nur Reichlichkeit des leihbaren Geldkapitals gegenüber dem produktiven. Daher niedriger Zinsfuss.
Hat der Reproduktionsprocess wieder den Stand der Blüte er- reicht, der dem der Ueberanspannung vorhergeht, so erreicht der kommercielle Kredit eine sehr grosse Ausdehnung, die dann in der That wieder die „gesunde“ Basis leicht eingehender Rückflüsse und ausgedehnter Produktion hat. In diesem Zustand ist der Zins- fuss immer noch niedrig, wenn er auch über sein Minimum steigt. Es ist dies in der That der einzige Zeitpunkt, wo gesagt werden kann, dass niedriger Zinsfuss, und daher relative Reichlichkeit des verleihbaren Kapitals, zusammenfällt mit wirklicher Ausdehnung des industriellen Kapitals. Die Leichtigkeit und Regelmäßigkeit der Rückflüsse, verknüpft mit einem ausgedehnten kommerciellen Kredit, sichert das Angebot von Leihkapital trotz der gesteigerten Nachfrage, und verhindert das Niveau des Zinsfusses zu steigen. Andrerseits kommen jetzt erst in merklichem Grad die Ritter her- ein, die ohne Reservekapital oder überhaupt ohne Kapital arbeiten, und daher ganz auf den Geldkredit hin operiren. Es kommt jetzt auch hinzu die grosse Ansdehnung des fixen Kapitals in allen Formen, und die massenhafte Eröffnung neuer weitreichender Unter- nehmungen. Der Zins steigt jetzt auf seine Durchschnittshöhe. Sein Maximum erreicht er wieder, sobald die neue Krisis herein- bricht, der Kredit plötzlich aufhört, die Zahlungen stocken, der Reproduktionsprocess gelähmt wird und, mit früher erwähnten Aus- nahmen, neben fast absolutem Mangel von Leihkapital, Ueberfluss von unbeschäftigtem industriellem Kapital eintritt.
Im Ganzen also verläuft die Bewegung des Leihkapitals, wie sie sich im Zinsfuss ausdrückt, in umgekehrter Richtung zu der des industriellen Kapitals. Die Phase, wo der niedrige, aber über dem Minimum stehende Zinsfuss mit der „Besserung“ und dem wach- senden Vertrauen nach der Krise zusammenfällt, und besonders die Phase, wo er seine Durchschnittshöhe erreicht, die Mitte, gleich- weit entfernt von seinem Minimum und Maximum, nur diese beiden Momente drücken das Zusammenfallen von reichlichem Leihkapital mit grosser Expansion des industriellen Kapitals aus. Aber am Anfang des industriellen Cyklus ist der niedrige Zinsfuss zusammen- fallend mit Kontraktion, und am Ende des Cyklus der hohe Zins- fuss mit Ueberreichlichkeit von industriellem Kapital. Der niedrige
Zinsfuss, der die „Besserung“ begleitet, drückt aus, dass der kom- mercielle Kredit nur in geringem Mass des Bankkredits bedarf, indem er noch auf seinen eignen Füssen steht.
Es verhält sich mit diesem industriellen Cyklus so, dass derselbe Kreislauf, nachdem der erste Anstoss einmal gegeben, sich periodisch reproduciren muss.(FN8) Im Zustand der Abspannung sinkt die Pro- duktion unter die Stufe, die sie im vorigen Cyklus erreicht, und wofür jetzt die technische Basis gelegt ist. In der Prosperität — der Mittelperiode — entwickelt sie sich weiter auf dieser Basis. In der Periode der Ueberproduktion und des Schwindels spannt sie die Produktivkräfte aufs höchste an, bis hinaus über die kapi- talistischen Schranken des Produktionsprocesses.
Dass es in der Periode der Krise an Zahlungsmitteln fehlt, ist selbsteinleuchtend. Die Konvertibilität der Wechsel hat sich sub- stituirt der Metamorphose der Waaren selbst, und grade zu solcher Zeit um so mehr, jemehr ein Theil der Geschäftshäuser bloss auf Kredit arbeitet. Unwissende und verkehrte Bankgesetzgebung, wie die von 1844—45, kann diese Geldkrise erschweren. Aber keine Art Bankgesetzgebung kann die Krise beseitigen.
In einem Produktionssystem, wo der ganze Zusammenhang des Reproduktionsprocesses auf dem Kredit beruht, wenn da der Kredit plötzlich aufhört und nur noch baare Zahlung gilt, muss augen- scheinlich eine Krise eintreten, ein gewaltsamer Andrang nach Zahlungsmitteln. Auf den ersten Blick stellt sich daher die ganze Krise nur als Kreditkrise und Geldkrise dar. Und in der That handelt es sich nur um die Konvertibilität der Wechsel in Geld. Aber diese Wechsel repräsentiren der Mehrzahl nach wirkliche Käufe und Verkäufe, deren das gesellschaftliche Bedürfniss weit überschreitende Ausdehnung schliesslich der ganzen Krisis zu Grunde liegt. Daneben aber stellt auch eine ungeheure Masse dieser Wechsel blosse Schwindelgeschäfte vor, die jetzt an’s Tages- licht kommen und platzen; ferner mit fremdem Kapital getriebne, aber verunglückte Spekulationen; endlich Waarenkapitale, die ent- werthet oder gar unverkäuflich sind, oder Rückflüsse, die nie mehr einkommen können. Das ganze künstliche System gewaltsamer Ausdehnung des Reproduktionsprocesses kann natürlich nicht da- durch kurirt werden, dass nun etwa eine Bank, z. B. die Bank von England, in ihrem Papier allen Schwindlern das fehlende Kapital gibt und die sämmtlichen entwertheten Waaren zu ihren alten Nominalwerthen kauft. Uebrigens erscheint hier alles ver- dreht, da in dieser papiernen Welt nirgendswo der reale Preis und seine realen Momente erscheinen, sondern nur Barren, Hartgeld, Noten, Wechsel, Werthpapiere. Namentlich in den Centren, wo das ganze Geldgeschäft des Landes zusammengedrängt, wie London, erscheint diese Verkehrung; der ganze Vorgang wird unbegreiflich; weniger schon in den Centren der Produktion.
Uebrigens ist mit Bezug auf die in den Krisen zu Tage tretende Ueberreichlichkeit des industriellen Kapitals zu bemerken: Das Waarenkapital ist an sich zugleich Geldkapital, d. h. bestimmte Werthsumme, ausgedrückt im Preis der Waare. Als Gebrauchs- werth ist es bestimmtes Quantum bestimmter Gebrauchsgegenstände, und dies ist im Moment der Krise im Ueberfluss vorhanden. Aber als Geldkapital an sich, als potentielles Geldkapital, ist es be- ständiger Expansion und Kontraktion unterworfen. Am Vorabend der Krise und innerhalb derselben ist das Waarenkapital in seiner Eigenschaft als potentielles Geldkapital kontrahirt. Es stellt für seinen Besitzer und dessen Gläubiger (wie auch als Sicherheit für Wechsel und Anleihen) weniger Geldkapital vor, als zur Zeit, wo es eingekauft und wo die auf es begründeten Diskontirungen und Pfandgeschäfte abgeschlossen wurden. Soll dies der Sinn der Be-
hauptung sein, dass das Geldkapital eines Landes in Zeiten der Klemme vermindert ist, so ist dies identisch damit, dass die Preise der Waaren gefallen sind. Ein solcher Zusammenbruch der Preise gleicht übrigens nur ihre frühere Aufblähung aus.
Die Einnahmen der unproduktiven Klassen und derer, die von festem Einkommen leben, bleiben zum grössten Theil stationär während der Preisaufblähung, die mit der Ueberproduktion und Ueberspekulation Hand in Hand geht. Ihre Konsumtionsfähigkeit vermindert sich daher relativ, und damit ihre Fähigkeit, den Theil der Gesammtreproduktion zu ersetzen, der normaliter in ihre Kon- sumtion eingehn müsste. Selbst wenn ihre Nachfrage nominell dieselbe bleibt, nimmt sie in Wirklichkeit ab.
Mit Bezug auf Einfuhr und Ausfuhr ist zu bemerken, dass der Reihe nach alle Länder in die Krisis verwickelt werden und dass es sich dann zeigt, dass sie alle, mit wenigen Ausnahmen, zuviel exportirt und importirt haben, also die Zahlungsbilanz gegen alle ist, die Sache also in der That nicht an der Zahlungsbilanz liegt. Z. B. England laborirt an Goldabfluss. Es hat überimportirt. Aber zugleich sind alle andren Länder mit englischen Waaren überladen. Sie haben also auch überimportirt, oder sind über- importirt worden. (Allerdings tritt ein Unterschied ein zwischen dem Land, das auf Kredit exportirt, und denen, die nicht oder nur wenig gegen Kredit exportiren. Die letzteren importiren dann aber auf Kredit; und dies ist nur dann nicht der Fall, wenn die Waare dorthin auf Konsignation geschickt wird.) Die Krise mag zuerst in England ausbrechen, in dem Lande, das den meisten Kredit gibt und den wenigsten nimmt, weil die Zahlungsbilanz, die Bilanz der fälligen Zahlungen, die sofort liquidirt werden muss, gegen es, obgleich die allgemeine Handelsbilanz für es ist. Dies letztere erklärt sich theils aus dem von ihm gegebnen Kredit, theils aus der Masse ans Ausland verliehner Kapitale, sodass eine Masse Rück- flüsse in Waaren, ausser den eigentlichen Handelsretouren, ihm zu- strömen. (Die Krise brach aber zuweilen auch zuerst in Amerika aus, dem Lande, das den meisten Handels- und Kapitalkredit von England nimmt.) Der Krach in England, eingeleitet und begleitet von Goldabfluss, saldirt Englands Zahlungsbilanz, theils durch den Bankrott seiner Importeurs (worüber weiter unten), theils durch Wegtreiben eines Theils seines Waarenkapitals zu wohlfeilen Preisen ins Ausland, theils durch Verkauf fremder Werthpapiere, Ankauf von englischen etc. Nun kommt die Reihe an ein andres Land. Die Zahlungsbilanz war momentan für es; aber jetzt ist
der in normalen Zeiten geltende Termin zwischen Zahlungsbilanz und Handelsbilanz weggefallen oder doch verkürzt durch die Krise; alle Zahlungen sollen auf einmal erledigt werden. Dieselbe Sache wiederholt sich nun hier. England hat jetzt Goldrückfluss, das andre Land Goldabfluss. Was in dem einen Land als Ueberein- fuhr, erscheint in dem andren als Ueberausfuhr und umgekehrt. Es hat aber Uebereinfuhr und Ueberausfuhr in allen Ländern statt- gefunden (wir sprechen hier nicht von Missernten etc., sondern von allgemeiner Krise); d. h. Ueberproduktion, befördert durch den Kredit und die ihn begleitende allgemeine Aufblähung der Preise.
1857 brach die Krisis in den Vereinigten Staaten aus. Es er- folgte Goldabfluss aus England nach Amerika. Aber sobald die Aufblähung in Amerika geplatzt, erfolgte Krise in England und Goldabfluss von Amerika nach England. Ebenso zwischen Eng- land und dem Kontinent. Die Zahlungsbilanz ist in Zeiten der allgemeinen Krise gegen jede Nation, wenigstens gegen jede kom- merciell entwickelte Nation, aber stets bei einer nach der andern, wie in einem Rottenfeuer, sobald die Reihe der Zahlung an sie kommt; und die einmal, z. B. in England, ausgebrochne Krise drängt die Reihe dieser Termine in eine ganz kurze Periode zu- sammen. Es zeigt sich dann, dass alle diese Nationen gleichzeitig überexportirt (also überproducirt) und überimportirt (also über- handelt) haben, dass in allen die Preise aufgetrieben waren, und der Kredit überspannt. Und bei allen folgt derselbe Zusammen- bruch. Die Erscheinung des Goldabflusses kommt dann an alle der Reihe nach, und zeigt eben durch ihre Allgemeinheit 1) dass der Goldabfluss blosses Phänomen der Krise, nicht ihr Grund ist; 2) dass die Reihenfolge, worin er bei den verschiednen Nationen eintritt, nur anzeigt, wann die Reihe an sie gekommen, ihre Rech- nung mit dem Himmel zu schliessen, wann der Termin der Krise bei ihnen eingetreten und die latenten Elemente derselben bei ihnen zum Ausbruch kommen.
Es ist charakteristisch für die englischen ökonomischen Schrift- steller — und die erwähnenswerthe ökonomische Literatur seit 1830 löst sich hauptsächlich auf in Literatur über currency, Kredit, Krisen — dass sie den Export von Edelmetall, trotz der Wendung der Wechselkurse, in Zeiten der Krise bloss vom Standpunkt von England aus betrachten, als ein rein nationales Phänomen, und ihre Augen resolut gegen die Thatsache verschliessen, dass wenn ihre Bank in Zeiten der Krise den Zinsfuss erhöht, alle andern europäischen Banken dasselbe thun, und dass, wenn heute bei
ihnen der Nothschrei wegen des Goldabflusses ertönt, er morgen in Amerika, übermorgen in Deutschland und Frankreich erschallt.
1847 „war den auf England laufenden Verpflichtungen“ [zum sehr grossen Theil für Korn] „nachzukommen. Unglücklicher- weise kam man ihnen grossentheils nach durch Bankrotte.“ [Das reiche England verschaffte sich Luft durch Bankrott gegenüber dem Kontinent und Amerika.] „Aber soweit man sie nicht durch Bankrott erledigte, kam man ihnen nach durch Ausfuhr von Edel- metallen.“ (Report of Committee on Bank-Acts, 1857.) Soweit also die Krise in England verschärft wird durch die Bankgesetz- gebung, ist diese Gesetzgebung ein Mittel, um in Zeiten der Hungers- noth die kornausführenden Nationen zu prellen, erst um ihr Korn, und dann um das Geld für ihr Korn. Ein Verbot der Kornaus- fuhr in solchen Zeiten für Länder, die selbst mehr oder weniger an Theuerung laboriren, ist also ein sehr rationelles Mittel gegen diesen Plan der Bank von England, „Verpflichtungen nachzu- kommen“ für Korneinfuhr „durch Bankrotte“. Es ist dann viel besser, dass die Kornproducenten und Spekulanten einen Theil ihres Profits zum Besten des Landes verlieren, als ihr Kapital zum Besten Englands.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass das Waarenkapital seine Eigenschaft, potentielles Geldkapital darzustellen, in der Krise und überhaupt in Geschäftsstockungen in grossem Maß verliert. Das- selbe gilt von dem fiktiven Kapital, den zinstragenden Papieren, soweit diese selbst als Geldkapitale auf der Börse cirkuliren. Mit dem steigenden Zins fällt ihr Preis. Er fällt ferner durch den allgemeinen Kreditmangel, der ihre Eigner zwingt, sie massenweis auf dem Markt loszuschlagen, um sich Geld zu verschaffen. Er fällt endlich bei Aktien, theils in Folge der Abnahme der Revenuen, worauf sie Anweisungen sind, theils in Folge des Schwindel- charakters der Unternehmungen, die sie oft genug repräsentiren. Dies fiktive Geldkapital ist in Krisen enorm vermindert, und damit die Macht seiner Eigner, Geld darauf im Markt aufzunehmen. Die Verminderung der Geldnamen dieser Werthpapiere im Kurszettel hat jedoch nichts zu thun mit dem wirklichen Kapital, das sie vor- stellen, dagegen sehr viel mit der Zahlungsfähigkeit seiner Eigner.
(Fortsetzung.)
Wir sind noch immer nicht zu Ende mit der Frage, wie weit die Akkumulation des Kapitals in Form von leihbarem Geldkapital zusammenfällt mit der wirklichen Akkumulation, der Erweiterung des Reproduktionsprocesses.
Die Verwandlung von Geld in leihbares Geldkapital ist eine viel einfachere Geschichte, als die Verwandlung von Geld in pro- duktives Kapital. Aber wir haben hier zweierlei zu unterscheiden.
1) Die blosse Verwandlung von Geld in Leihkapital;
2) die Verwandlung von Kapital oder Revenue in Geld, das in Leihkapital verwandelt wird.
Es ist bloss der letztere Punkt, der eine, mit der wirklichen Akkumulation des industriellen Kapitals zusammenhängende, posi- tive Akkumulation des Leihkapitals einschliessen kann.
Wir haben bereits gesehn, dass eine Anhäufung, eine Ueber- reichlichkeit von Leihkapital stattfinden kann, die nur insofern mit der produktiven Akkumulation zusammenhängt, als sie im um- gekehrten Verhältniss dazu steht. Dies ist in zwei Phasen des indu- striellen Cyklus der Fall, nämlich erstens zur Zeit, wo das indu- strielle Kapital, in den beiden Formen des produktiven und des Waarenkapitals, kontrahirt ist, also am Beginn des Cyklus nach der Krise; und zweitens zur Zeit, wo die Besserung beginnt, aber der kommercielle Kredit den Bankkredit noch wenig in Anspruch nimmt. Im ersten Fall erscheint das Geldkapitel, das früher in Produktion und Handel angewandt war, als unbeschäftigtes Leih- kapital; im zweiten Fall erscheint es in steigendem Maß ange- wandt, aber zu sehr niedrigem Zinsfuss, weil jetzt der industrielle und kommercielle Kapitalist dem Geldkapitalisten die Bedingungen vorschreibt. Der Ueberfluss an Leihkapital drückt im ersten Fall eine Stagnation des industriellen Kapitals aus, und im zweiten relative Unabhängigkeit des kommerciellen Kredits vom Bankkredit, beruhend auf Flüssigkeit des Rückstroms, kurzen Kreditterminen, und vorwiegendem Arbeiten mit eignem Kapital. Die Spekulanten, die auf fremdes Kreditkapital rechnen, sind noch nicht ins Feld gerückt; die Leute, die mit eignem Kapital arbeiten, sind noch weit entfernt von annähernd reinen Kreditoperationen. In der ersteren Phase ist der Ueberfluss an Leihkapital das gerade Gegen-
theil vom Ausdruck der wirklichen Akkumulation. In der zweiten Phase fällt er zusammen mit erneuter Expansion des Reproduktions- processes, begleitet sie, ist aber nicht Ursache davon. Der Ueber- fluss an Leihkapital nimmt schon ab, ist nur noch relativ, im Ver- hältniss zur Nachfrage. In beiden Fällen wird die Ausdehnung des wirklichen Akkumulationsprocesses dadurch gefördert, weil der niedrige Zins, der im ersten Fall mit niedrigen Preisen, im zweiten mit langsam steigenden Preisen zusammenfällt, den Theil des Profits vergrössert, der sich in Unternehmergewinn verwandelt. Noch mehr findet dies statt beim Steigen des Zinses auf seinen Durch- schnitt während der Höhe der Prosperitätszeit, wo er zwar ge- wachsen ist, aber nicht im Verhältniss zum Profit.
Wir haben andrerseits gesehn, dass eine Akkumulation des Leih- kapitals stattfinden kann, ohne alle wirkliche Akkumulation, durch bloss technische Mittel, wie Ausdehnung und Koncentration des Bankwesens, Ersparung der Cirkulationsreserve oder auch der Reservefonds von Zahlungsmitteln der Privaten, die dadurch immer für kurze Zeiten in Leihkapital verwandelt werden. Obgleich dies Leihkapital, was daher auch schwebendes Kapital (floating capital) genannt wird, stets nur für kurze Perioden die Form von Leih- kapital behält (wie ja auch nur für kurze Perioden diskontirt werden soll) so fliesst es beständig zu und ab. Zieht der eine es weg, so bringt der andre es hin. Die Masse des leihbaren Geld- kapitals (wir sprechen hier überhaupt nicht von Anleihen auf Jahre, sondern nur von kurzlebigen gegen Wechsel und Depôt) wächst so in der That ganz unabhängig von der wirklichen Akku- mulation.
B. C. 1857. Frage 501. „Was verstehn Sie unter floating capital?“ [Herr Weguelin, Gouverneur der Bank von England:] „Es ist Kapital, verwendbar für Geldanleihen auf kurze Zeit … (502.) Noten der Bank von England … der Provinzialbanken, und der Betrag des im Land vorhandnen Geldes. — [Frage:] Es scheint nicht, nach den dem Ausschuss vorliegenden Ausweisen, dass, wenn Sie unter floating capital die aktive Cirkulation“ [nämlich der Noten der Bank von England] „verstehn, in dieser aktiven Cirku- lation irgend welche sehr bedeutende Schwankung vorkommt? [Es ist aber ein sehr grosser Unterschied, durch wen die aktive Cirkulation vorgeschossen ist, ob durch den Geldverleiher, oder durch den reproduktiven Kapitalisten selbst. — Antwort Weguelin’s:] Ich schliesse in das floating capital die Reserven der Bankiers ein, in denen bedeutende Schwankung ist.“ D. h. also, bedeutende
Schwankung findet statt in dem Theil der Depositen, den die Bankiers nicht wieder verliehen haben, sondern der als ihre Reserve, grossentheils aber auch als die Reserve der Bank von England figurirt, bei der sie deponirt sind. Zuletzt sagt derselbe Herr: floating capital sei — bullion, d. h. Barren und Hartgeld. (503). Es ist überhaupt wundervoll, wie in diesem Kreditkauderwelsch des Geldmarkts alle Kategorien der politischen Oekonomie einen andern Sinn und eine andre Form erhalten. Floating capital ist dort der Ausdruck für circulating capital, was natürlich etwas ganz andres ist, und money ist capital und bullion ist capital und Banknoten sind circulation, und Kapital ist a commodity und Schulden sind commodities und fixed capital ist Geld, das in schwer verkäuflichen Papieren angelegt ist!
„Die Aktienbanken von London … haben ihre Depositen ver- mehrt von 8850774 £ in 1847 auf 43100724 £ in 1857 … Die dem Ausschuss vorgelegten Nachweise und Aussagen lassen schliessen, dass von diesem ungeheuren Betrage ein grosser Theil aus Quellen abgeleitet ist, die früher für diesen Zweck nicht be- nutzbar waren; und dass die Gewohnheit eine Rechnung beim Bankier zu eröffnen und Geld bei ihm zu deponiren, sich aus- gedehnt hat auf zahlreiche Quellen, die früher für diesen Zweck nicht benutzbar waren; und dass die Gewohnheit Rechnung beim Bankier zu eröffnen und Geld bei ihm zu deponiren sich ausge- breitet hat auf zahlreiche Klassen, die früher ihr Kapital (!) nicht in dieser Weise anlegten, Herr Rodwell, Präsident der Association der Provinzial-Privatbanken“ [im Unterschied von Aktienbanken] „und delegirt von ihr, um vor dem Ausschuss auszusagen, gibt an, dass in der Gegend von Ipswich diese Gewohnheit neuerdings sich um’s vierfache vermehrt hat unter den Pächtern und Klein- händlern jenes Bezirks; dass fast alle Pächter, selbst die nur 50 £ jährliche Pacht zahlen, jetzt bei Banken Depositen halten. Die Masse dieser Depositen findet natürlich ihren Weg zur Verwendung im Geschäft, und gravitirt namentlich nach London, dem Centrum der kommerciellen Thätigkeit, wo sie zunächst Verwendung findet im Wechseldiskonto und in andren Vorschüssen an die Kunden der Londoner Bankiers. Ein grosser Theil jedoch, wofür die Bankiers selbst keine unmittelbare Nachfrage haben, geht in die Hände der billbrokers, die den Bankiers dagegen Handelswechsel geben, welche sie schon einmal für Leute in London und in den Provinzen diskontirt haben.“ (B. C. 1858, p. 8.)
Indem der Bankier auf die Wechsel, die der billbroker bereits
einmal diskontirt hat, diesem billbroker Vorschüsse macht, redis- kontirt er sie thatsächlich noch einmal; aber in Wirklichkeit sind sehr viele dieser Wechsel bereits vom billbroker rediskontirt worden, und mit demselben Geld, womit der Bankier die Wechsel des billbroker’s rediskontirt, rediskontirt dieser neue Wechsel. Wozu dies führt: „Ausgedehnte fiktive Kredite sind geschaffen worden durch Akkomodationswechsel und Blankokredite, was sehr erleichtert wurde durch das Verfahren der provinziellen Aktienbanken, die solche Wechsel diskontirten und sie dann bei billbrokers im Lon- doner Markt rediskontiren liessen, und zwar allein auf den Kredit der Bank hin, ohne Rücksicht auf die sonstige Qualität der Wechsel.“ (l. c.)
Ueber dies Rediskontiren und über den Vorschub, die diese bloss technische Vermehrung des leihbaren Geldkapitals bei Kredit- schwindeleien leistet, ist folgende Stelle aus dem Economist inter- essant: „Während vieler Jahre akkumulirte sich das Kapital“ [nämlich das leihbare Geldkapital] „in einigen Distrikten des Landes rascher als es angewandt werden konnte, während in andren die Mittel seiner Anlage rascher wuchsen als das Kapital selbst. Während so die Bankiers in den Ackerbaudistrikten keine Gelegen- heit fanden ihre Depositen profitlich und sicher in ihrer eignen Gegend anzulegen, hatten diejenigen in den Industriebezirken und den Handelsstädten mehr Nachfrage nach Kapital als sie liefern konnten. Die Wirkung dieser verschiednen Lagen in den ver- schiednen Distrikten hat in den letzten Jahren zur Entstehung und reissend schnellen Ausdehnung einer neuen, in der Vertheilung des Kapitals beschäftigten Klasse von Häusern geführt, die, obgleich gewöhnlich billbrokers genannt, in Wirklichkeit Bankiers auf dem allergrössten Maßstabe sind. Das Geschäft dieser Häuser ist, für bestimmt abgemachte Perioden und zu bestimmt abgemachten Zinsen das Surplus-Kapital zu übernehmen von den Banken der Distrikte, wo es nicht verwandt werden konnte, ebenso wie die zeitweis brachliegenden Mittel von Aktiengesellschaften und grossen kauf- männischen Häusern, und dies Geld vorzuschiessen, zu höherem Zinsfuss, an die Banken der Distrikte, wo Kapital mehr gefragt wird; in der Regel durch Rediskontiren der Wechsel von ihren Kunden … So wurde Lombardstreet das grosse Centrum, wo die Uebertragung von brachliegendem Kapital erfolgt von einem Theil des Landes, wo es nicht nützlich verwandt werden kann, zu einem andern, wo Nachfrage darnach; und dies sowohl für die ver- schiednen Landestheile, wie auch für ähnlich gestellte Individuen.
Ursprünglich waren diese Geschäfte fast ausschliesslich beschränkt auf Borgen und auf Leihen gegen bankmäßiges Unterpfand. Aber im Verhältniss wie das Kapital des Landes rasch anwuchs und durch Errichtung von Banken immer mehr ökonomisirt wurde, wurden die Fonds zur Verfügung dieser Diskontohäuser so gross, dass sie dazu übergingen, Vorschüsse zu machen, zuerst auf dock warrants (Lagerscheine auf Waaren in den Docks) und dann auch auf Ladescheine, die noch gar nicht angekommene Produkte reprä- sentirten, obgleich manchmal, wenn nicht regelmäßig, schon Wechsel darauf auf den Waarenmakler gezogen waren. Diese Praxis änderte bald den ganzen Charakter des englischen Geschäfts. Die so in Lombardstreet gebotnen Erleichterungen gaben den Waarenmaklern in Mincing Lane eine sehr verstärkte Stellung; diese gaben ihrerseits wieder den ganzen Vortheil den importirenden Kaufleuten; diese letzteren nahmen so sehr Theil daran, dass, während 25 Jahre vorher Kreditnahme auf seine Ladescheine oder selbst seine dock warrants den Kredit eines Kaufmanns ruinirt hätte, in den letzten Jahren diese Praxis so allgemein wurde, dass man sie als die Regel betrachten kann, und nicht mehr, wie vor 25 Jahren, als seltne Ausnahme. Ja dies System ist soweit aus- gedehnt worden, dass grosse Summen in Lombard Street aufge- nommen worden sind auf Wechsel, gezogen gegen die noch wachsende Ernte entlegner Kolonien. Die Folge solcher Er- leichterungen war, dass die Importkaufleute ihre auswärtigen Ge- schäfte erweiterten, und ihr schwebendes (floating) Kapital, womit ihr Geschäft bisher geführt worden, festlegten in der verwerflichsten aller Anlagen, in Kolonialplantagen, worüber sie wenig oder gar keine Kontrolle ausüben konnten. So sehn wir die direkte Ver- kettung der Kredite. Das Kapital des Landes, das in unsern Ackerbaudistrikten angesammelt, wird in kleinen Beträgen als Depositen in Landbanken niedergelegt, nnd zur Verwendung in Lombard Street centralisirt. Aber nutzbar gemacht worden ist es erstens zur Ausdehnung des Geschäfts in unsern Bergwerks- und Industriebezirken vermittelst Rediskontiren von Wechseln an dortige Banken; sodann aber auch zur Gewährung grössrer Erleichterungen an Importeure auswärtiger Produkte durch Vorschüsse auf dock warrants und Ladescheine, wodurch das „legitime“ Kaufmanns- kapital von Häusern im auswärtigen und Kolonialgeschäft freige- setzt und so zu den verwerflichsten Anlagearten in überseeischen Plantagen verwandt werden konnte.“ (Economist, 1847, p. 1334.) Es ist dies die „schöne“ Verschlingung der Kredite. Der länd-
liche Depositor bildet sich ein, nur bei seinem Bankier zu depo- niren, und bildet sich ferner ein, dass wenn der Bankier ausleiht, dies an diesem bekannte Privatpersonen geschieht. Er hat nicht die entfernteste Ahnung, dass dieser Bankier sein Depositum zur Verfügung eines Londoner billbrokers stellt, über dessen Operationen sie beide nicht die geringste Kontrolle haben.
Wie grosse öffentliche Unternehmungen, z. B. Eisenbahnbau, momentan das Leihkapital vermehren können, indem die eingezahlten Beträge bis zu ihrer wirklichen Verwendung immer während einer gewissen Zeit in den Händen der Banken disponibel bleiben, haben wir bereits gesehn.
Die Masse des Leihkapitals ist übrigens durchaus verschieden von der Quantität der Cirkulation. Unter Quantität der Cirkulation verstehn wir hier die Summe aller in einem Lande befindlichen, cirkulirenden Banknoten und alles Hartgeldes, incl. der Barren von Edelmetall. Ein Theil dieser Quantität bildet die ihrer Grösse nach stets wechselnde Reserve der Banken.
„Am 12. Nov. 1857“ [dem Datum der Suspension des Bankakts von 1844] „betrug die Gesammtreserve der Bank von England, alle Zweigbanken einbegriffen, nur 580751 £; die Summe der Depo- siten betrug gleichzeitig 22½ Millionen £, wovon nahe an 6½ Millionen den Londoner Bankiers gehörten.“ (B. A. 1858. p. LVII.)
Die Variationen des Zinsfusses (abgesehn von den in längern Perioden erfolgenden, oder von dem Unterschied des Zinsfusses in verschiednen Ländern; die erstern sind bedingt durch Variationen in der allgemeinen Profitrate, die zweiten durch Differenzen in den Profitraten und in der Entwicklung des Kredits) hängen ab vom Angebot des Leihkapitals (alle andern Umstände, Stand des Ver- trauens etc., gleichgesetzt), d. h. des Kapitals, das in Form von Geld, Hartgeld und Noten, verliehen wird; im Unterschied zum in- dustriellen Kapital, das als solches, in Waarenform, vermittelst des kommerciellen Kredits, unter den reproduktiven Agenten selbst ver- liehen wird.
Aber dennoch ist die Masse dieses leihbaren Geldkapitals ver- schieden und unabhängig von der Masse des cirkulirenden Geldes.
Wenn 20 £ z. B. fünfmal per Tag verliehen würden, so würde ein Geldkapital von 100 £ verliehen, und dies würde zugleich ein- schliessen, dass diese 20 £ ausserdem wenigstens viermal als Kauf- oder Zahlungsmittel fungirt hätten; denn wäre es ohne Ver- mittlung von Kauf und Zahlung, sodass es nicht wenigstens viermal
die verwandelte Form von Kapital (Waare, darunter auch Arbeits- kraft eingeschlossen) vorgestellt hätte, würde es nicht ein Kapital von 100 £, sondern nur fünf Forderungen auf je 20 £ konstituiren.
In Ländern von entwickeltem Kredit können wir annehmen, dass alles zur Verleihung disponible Geldkapital in der Form von Depositen bei Banken und Geldverleihern existirt. Dies gilt wenigstens für das Geschäft im Ganzen und Grossen. Zudem wird in guten Geschäftszeiten, ehe die eigentliche Spekulation losgelassen wird, bei leichtem Kredit und wachsendem Vertrauen der grösste Theil der Cirkulationsfunktionen durch einfache Kreditübertragung erledigt, ohne Dazwischenkunft von Metall- oder papiernem Geld.
Die blosse Möglichkeit grosser Depositenbeträge, bei relativ ge- ringem Quantum von Cirkulationsmitteln, hängt einzig ab:
1) von der Anzahl der Käufe und Zahlungen, die dasselbe Geld- stück verrichtet;
2) der Anzahl seiner Rückwanderungen, worin es als Depositum zu den Banken zurückkehrt, sodass seine wiederholte Funktion als Kauf- und Zahlungsmittel vermittelt ist durch seine erneuerte Ver- wandlung in Depositum. Z. B. ein Kleinhändler deponire wöchent- lich beim Bankier 100 £ in Geld; der Bankier zahlt damit einen Theil des Depositums des Fabrikanten aus; dieser zahlt es weg an die Arbeiter; diese zahlen damit beim Kleinhändler, der es aufs neue bei der Bank deponirt. Die vom Kleinhändler deponirten 100 £ haben also gedient, erstens ein Depositum des Fabrikanten auszuzahlen, zweitens die Arbeiter zu zahlen, drittens den Klein- händler selbst zu zahlen, viertens einen ferneren Theil des Geld- kapitals desselben Kleinhändlers zu deponiren; denn am Schluss von 20 Wochen, wenn er selbst nicht gegen dies Geld zu ziehn hätte, hätte er so mit denselben 100 £ 2000 £ beim Bankier deponirt.
Wie weit dies Geldkapital unbeschäftigt ist, zeigt sich nur im Ab- und Zufluss der Reservefonds der Banken. Daher schliesst Herr Weguelin, 1857 Gouverneur der Bank von England, dass das Gold in der Bank von England das „einzige“ Reservekapital ist: „1258. Nach meiner Ansicht wird die Diskontrate thatsächlich bestimmt durch den Belauf des unbeschäftigten Kapitals, das im Land vorhanden ist. Der Betrag des unbeschäftigten Kapitals wird repräsentirt durch die Reserve der Bank von England, die that- sächlich eine Goldreserve ist. Wenn also das Gold abfliesst, so vermindert dies den Betrag des unbeschäftigten Kapitals im Lande, und steigert deshalb den Werth des noch übrigen Theils. — 1364.
Die Goldreserve der Bank von England ist in Wahrheit die Central- reserve oder der Baarschatz, auf Grundlage wovon das ganze Geschäft des Landes bewirkt wird … Es ist dieser Schatz oder dies Reservoir, worauf die Wirkung der auswärtigen Wechselkurse immer fällt.“ (Report on Bank Acts 1857.)
Für die Akkumulation des wirklichen, d.h. produktiven und Waaren- kapitals gibt einen Maßstab die Statistik der Ausfuhr und Einfuhr. Und da zeigt sich stets, dass für die in zehnjährigen Cyklen sich be- wegende Entwicklungsperiode der englischen Industrie (1815—1870) jedesmal das Maximum der letzten Prosperitätszeit vor der Krise als Minimum der nächstfolgenden Prosperitätszeit wieder erscheint, um dann zu einem weit höheren neuen Maximum zu steigen.
Der wirkliche oder deklarirte Werth der ausgeführten Produkte von Grossbritannien und Irland im Prosperitätsjahr 1824 war 40396300 £. Der Betrag der Ausfuhr fällt dann mit der Krisis von 1825 unter diese Summe und schwankt zwischen 35 und 39 Millionen jährlich. Mit der wiederkehrenden Prosperität 1834 steigt er über das frühere höchste Niveau auf 41649191 £, und erreicht 1836 das neue Maximum von 53368571 £. Mit 1837 fällt er wieder auf 42 Millionen, sodass das neue Minimum bereits höher steht als das alte Maximum, und schwankt dann zwischen 50 und 53 Millionen. Die Rückkehr der Prosperität hebt den Ausfuhrbetrag 1844 auf 58½ Millionen, wo das Maximum von 1836 schon wieder weit übertroffen ist. 1845 erreicht er 60111082 £; fällt dann auf über 57 Millionen 1846, 1847 beinahe 59 Millionen, 1848 beinahe 53 Millionen, steigt 1849 auf 63½ Millionen, 1853 beinahe 99 Millionen, 1854 97 Millionen, 1855 94½ Millionen, 1856 beinahe 116 Millionen und erreicht das Maximum 1857 mit 122 Millionen. Er fällt 1858 auf 116 Millionen, steigt aber schon 1859 auf 130 Millionen, 1860 beinahe 136 Millionen, 1861 nur 125 Millionen (hier wieder das neue Minimum höher als das frühere Maximum), 1863 146½ Millionen.
Dasselbe könnte natürlich auch nachgewiesen werden für die Einfuhr, die die Ausdehnung des Markts zeigt; hier haben wir es nur mit der Stufenleiter der Produktion zu thun. [Dies gilt für England selbstverständlich nur für die Zeit des thatsächlichen in- dustriellen Monopols; es gilt aber überhaupt für die Gesammtheit der Länder mit moderner grosser Industrie, solange der Weltmarkt sich noch expandirt. — F. E.]
Wir betrachten hier die Akkumulation des Geldkapitals, soweit sie nicht Ausdruck ist entweder einer Stockung im Fluss des kommerciellen Kredits, oder aber einer Oekonomisirung, sei es des wirklich umlaufenden Mittels, sei es des Reservekapitals der in der Reproduktion beschäftigten Agenten.
Ausser diesen beiden Fällen kann Akkumulation von Geldkapital entstehn durch aussergewöhnlichen Goldzufluss, wie 1852 und 53 in Folge der australischen und kalifornischen neuen Goldminen. Solches Gold wurde in der Bank von England deponirt. Die Depositoren nahmen Noten dagegen, die sie nicht wieder direkt bei Bankiers deponirten. Dadurch wurde das cirkulirende Mittel aussergewöhnlich vermehrt. (Aussage von Weguelin, B. C. 1857, No. 1329.) Die Bank suchte diese Depositen zu verwerthen durch Erniedrigung des Discontos auf 2 %. Die in der Bank aufgehäufte Goldmasse stieg während sechs Monaten von 1853 auf 22—23 Mill.
Die Akkumulation aller Geld verleihenden Kapitalisten geschieht selbstredend stets unmittelbar in der Geldform, während wir gesehn haben, dass die wirkliche Akkumulation der industriellen Kapi- talisten in der Regel durch Vermehrung der Elemente des reproduk- tiven Kapitals selbst sich vollzieht. Die Entwicklung des Kredit- wesens und die ungeheure Koncentration des Geld verleihenden Geschäfts in den Händen grosser Banken muss also an und für sich schon die Akkumulation des leihbaren Kapitals beschleunigen als eine von der wirklichen Akkumulation verschiedne Form. Diese rasche Entwicklung des Leihkapitals ist daher ein Resultat der wirklichen Akkumulation, denn sie ist die Folge der Ent- wicklung des Reproduktionsprocesses, und der Profit, der die Akku- mulationsquelle dieser Geldkapitalisten bildet, ist nur ein Abzug von dem Mehrwerth, den die Reproduktiven herausschlagen (zu- gleich Aneignung eines Theils des Zinses von fremden Ersparungen). Das Leihkapital akkumulirt auf Kosten zugleich der Industriellen und Kommerciellen. Wir haben gesehn, wie in den ungünstigen Phasen des industriellen Cyklus der Zinsfuss so hoch steigen kann, dass er für einzelne, besonders nachtheilig gestellte Geschäftszweige den Profit zeitweilig ganz verschlingt. Gleichzeitig fallen die Preise der Staatseffekten und andren Werthpapiere. Dies ist der Moment, wo die Geldkapitalisten diese entwertheten Papiere massenhaft auf- kaufen, die in den spätern Phasen bald wieder auf und über ihre normale Höhe steigen. Dann werden sie losgeschlagen und so ein
Theil des Geldkapitals des Publikums angeeignet. Der Theil, der nicht losgeschlagen wird, wirft höhere Zinsen ab, weil unter dem Preis gekauft. Allen Profit aber, den die Geldkapitalisten machen, und den sie in Kapital rückverwandeln, verwandeln sie zunächst in leihbares Geldkapital. Die Akkumulation des letzteren, als unter- schieden von der wirklichen Akkumulation, obgleich deren Spröss- ling, folgt also schon, wenn wir nur die Geldkapitalisten, Bankiers etc. selbst betrachten, als Akkumulation dieser besonderen Klasse von Kapitalisten. Und sie muss wachsen mit jeder Ausdehnung des Kreditwesens, wie es die wirkliche Erweiterung des Reproduk- tionsprocesses begleitet.
Steht der Zinsfuss niedrig, so fällt diese Entwerthung des Geldkapitals hauptsächlich auf die Depositoren, nicht auf die Banken. Vor der Entwicklung der Aktienbanken lagen in Eng- land ¾ aller Depositen bei den Banken unverzinst. Wo jetzt Zins dafür gezahlt wird, beträgt dieser mindestens 1 % weniger als der Tageszinsfuss.
Was die Geldakkumulation der übrigen Klassen von Kapitalisten anbetrifft, so sehn wir ab von dem Theil, der in zinstragenden Papieren angelegt wird und in dieser Form akkumulirt. Wir be- trachten bloss den Theil, der als leihbares Geldkapital auf den Markt geworfen wird.
Wir haben hier erstens den Theil des Profits, der nicht als Revenue verausgabt, sondern zur Akkumulation bestimmt wird, wofür aber die industriellen Kapitalisten zunächst keine Verwendung in ihrem eignen Geschäft haben. Unmittelbar existirt dieser Profit im Waarenkapital, von dessen Werth er einen Theil ausmacht, und wird mit diesem in Geld realisirt. Wird er nun nicht (wir sehn zunächst vom Kaufmann ab, von dem wir besonders sprechen werden) rückverwandelt in die Produktionselemente des Waaren- kapitals, so muss er eine zeitlang in Form des Geldes verharren. Diese Masse steigt mit der Masse des Kapitals selbst, auch bei abnehmender Profitrate. Der Theil, der als Revenue verausgabt werden soll, wird nach und nach verzehrt, bildet aber in der Zwischenzeit als Depositum Leihkapital beim Bankier. Also selbst das Wachsen des als Revenue verausgabten Theils des Profits drückt sich aus in einer allmäligen sich beständig wiederholenden Akkumulation von Leihkapital. Und ebenso der andre Theil, der zur Akkumulation bestimmt ist. Mit Entwicklung des Kredit- wesens und seiner Organisation drückt sich also selbst das Steigen der Revenue, d. h. der Konsumtion der industriellen und kommer-
ciellen Kapitalisten aus als Akkumulation von Leihkapital. Und dies gilt von allen Revenuen, soweit sie nach und nach verzehrt werden, also von Grundrente, Arbeitslohn in seinen höhern Formen, Einnahme der unproduktiven Klassen etc. Sie alle nehmen für eine gewisse Zeit die Form der Geldrevenue an, und sind daher verwandelbar in Depositen und damit in Leihkapital. Es gilt von aller Revenue, ob zur Konsumtion oder zur Akkumulation bestimmt, sobald sie in irgend welcher Geldform existirt, dass sie ein in Geld verwandelter Werththeil des Waarenkapitals ist, und daher Aus- druck und Resultat der wirklichen Akkumulation, aber nicht das produktive Kapital selbst. Wenn ein Spinner sein Garn ausge- tauscht hat gegen Baumwolle, den Theil aber, der Revenue bildet, gegen Geld, so ist das wirkliche Dasein seines industriellen Kapitals das Garn, das in die Hand des Webers oder auch etwa des Privat- konsumenten übergegangen, und zwar ist das Garn das Dasein — sei es für Reproduktion, sei es für Konsumtion — sowohl des Kapitalwerths wie des Mehrwerths, der in ihm steckt. Die Grösse des in Geld verwandelten Mehrwerths hängt ab von der Grösse des im Garn steckenden Mehrwerths. Sobald es aber in Geld verwandelt, ist dies Geld nur das Werthdasein dieses Mehrwerths. Und als solches wird es Moment des Leihkapitals. Dazu ist nichts nöthig, als dass es sich in Depositum verwandelt, wenn nicht schon durch seinen Eigner selbst ausgeliehn. Um in produktives Kapital rückverwandelt zu werden, muss es dagegen schon eine bestimmte Minimalgrenze erreicht haben.
(Schluss.)
Die Masse des so in Kapital rückzuverwandelnden Geldes ist Resultat des massenhaften Reproduktionsprocesses, aber für sich betrachtet, als leihbares Geldkapital, ist sie nicht selbst Masse von reproduktivem Kapital.
Das Wichtigste von dem bisher Entwickelten ist, dass die Aus- dehnung des Theils der Revenue, der zur Konsumtion bestimmt ist (wobei vom Arbeiter abgesehn wird, weil seine Revenue = dem variablen Kapital), zunächst als Akkumulation von Geldkapital sich darstellt. Es geht also ein Moment in die Akkumulation des Geldkapitals ein, das wesentlich verschieden ist von der wirklichen
Akkumulation des industriellen Kapitals; denn der zur Konsumtion bestimmte Theil des jährlichen Produkts wird in keiner Weise Kapital. Ein Theil davon ersetzt Kapital, d. h. das konstante Kapital der Producenten von Konsumtionsmitteln, aber, soweit er wirklich sich in Kapital verwandelt, existirt er in der Naturalform der Revenue der Producenten dieses konstanten Kapitals. Dasselbe Geld, das die Revenue repräsentirt, das als blosser Vermittler der Konsumtion dient, verwandelt sich regelmäßig für eine Zeitlang, in leihbares Geldkapital. Soweit dies Geld Arbeitslohn darstellt, ist es zugleich die Geldform des variablen Kapitals; und soweit es das konstante Kapital der Producenten von Konsumtionsmitteln ersetzt, ist es die Geldform, die ihr konstantes Kapital momentan annimmt, und dient zum Ankauf der Naturalelemente ihres zu er- setzenden konstanten Kapitals. Weder in der einen noch in der andern Form drückt es an sich Akkumulation aus, obgleich seine Masse wächst mit dem Umfang des Reproduktionsprocesses. Aber es verrichtet zeitweilig die Funktion von ausleihbarem Geld, also von Geldkapital. Nach dieser Seite hin muss also die Akkumu- lation des Geldkapitals immer eine grössere Akkumulation von Kapital wiederspiegeln, als wirklich vorhanden ist, indem die Aus- dehnung der individuellen Konsumtion, weil vermittelt durch Geld, als Akkumulation von Geldkapital erscheint, weil sie die Geldform liefert für wirkliche Akkumulation, für Geld, das neue Kapital- anlagen eröffnet.
Die Akkumulation des leihbaren Geldkapitals drückt also zum Theil nichts aus als die Thatsache, dass alles Geld, worin das in- dustrielle Kapital im Process seines Kreislaufs sich verwandelt, die Form annimmt, nicht von Geld, das die Reproduktiven vor- schiessen, sondern von Geld, das sie borgen; sodass in der That der Vorschuss des Geldes, der im Reproduktionsprocess geschehn muss, als Vorschuss von geliehenem Geld erscheint. In der That leiht auf Grundlage des kommerciellen Kredits der eine dem andern das Geld, das er im Reproduktionsprocess braucht. Dies nimmt nun aber die Form an, dass der Bankier, dem ein Theil der Re- produktiven es leiht, es dem andern Theil der Reproduktiven leiht, wobei dann der Bankier als der Segenspender erscheint; und zu- gleich, dass die Verfügung über dies Kapital ganz in die Hände der Bankiers als Mittelspersonen geräth.
Es sind nun noch einige besondre Formen der Akkumulation von Geldkapital anzuführen. Es wird Kapital freigesetzt, z. B. durch Fall im Preis der Produktionselemente, Rohstoffe etc. Kann
der Industrielle nicht unmittelbar seinen Reproduktionsprocess aus- dehnen, so wird ein Theil seines Geldkapitals als überschüssig aus dem Kreislauf abgestossen, und verwandelt sich in leihbares Geld- kapital. Zweitens aber wird Kapital in Geldform freigesetzt, nament- lich beim Kaufmann, sobald Unterbrechungen im Geschäft ein- treten. Hat der Kaufmann eine Reihe von Geschäften erledigt, und kann in Folge solcher Unterbrechungen die neue Reihe erst später beginnen, so repräsentirt das realisirte Geld für ihn nur Schatz, überschüssiges Kapital. Aber zugleich stellt es unmittelbar Akkumulation von leihbarem Geldkapital dar. Im ersten Fall drückt die Akkumulation des Geldkapitals Wiederholung des Re- produktionsprocesses unter günstigern Bedingungen aus, wirkliches Freiwerden eines Theils des früher gebundnen Kapitals, also Be- fähigung zur Erweiterung des Reproduktionsprocesses mit denselben Geldmitteln. Im andern Fall dagegen blosse Unterbrechung des Flusses der Transaktionen. Aber in beiden Fällen verwandelt es sich in leihbares Geldkapital, stellt Akkumulation desselben dar, wirkt gleichmäßig auf Geldmarkt und Zinsfuss, obgleich es hier Beförderung, dort Hemmung des wirklichen Akkumulationsprocesses ausdrückt. Endlich wird Akkumulation von Geldkapital bewirkt durch die Anzahl von Leuten, die ihr Schäfchen ins Trockne ge- bracht, und die sich von der Reproduktion zurückziehn. Jemehr Profite im Lauf des industriellen Cyklus gemacht worden, desto grösser ihre Anzahl. Hier drückt die Akkumulation des leihbaren Geldkapitals einerseits wirkliche Akkumulation aus (ihrem relativen Umfang nach); andrerseits bloss den Umfang der Verwandlung industrieller Kapitalisten in blosse Geldkapitalisten.
Was nun den andern Theil des Profits angeht, der nicht be- stimmt ist als Revenue konsumirt zu werden, so verwandelt er sich nur in Geldkapital, wenn nicht unmittelbar anwendbar zur Erweiterung des Geschäfts in der Produktionssphäre, worin er ge- macht ist. Dies kann aus zwei Gründen herrühren. Entweder weil diese Sphäre mit Kapital gesättigt ist. Oder weil die Akku- mulation, um als Kapital fungiren zu können, erst einen gewissen Umfang erreicht haben muss, je nach den Maßverhältnissen der Anlage von neuem Kapital in diesem bestimmten Geschäft. Sie verwandelt sich also zunächst in leihbares Geldkapital und dient zur Erweiterung der Produktion in andren Sphären. Alle andren Umstände als gleichbleibend angenommen, wird die Masse des zur Rückverwandlung in Kapital bestimmten Profits abhängen von der Masse des gemachten Profits, und daher von der Ausdehnung des
Reproduktionsprocesses selbst. Stösst aber diese neue Akkumulation in ihrer Anwendung auf Schwierigkeiten, auf Mangel an Anlage- sphären, findet also Ueberfüllung der Produktionszweige und Ueber- angebot von Leihkapital statt, so beweist diese Plethora des leih- baren Geldkapitals nichts als die Schranken der kapitalistischen Produktion. Der nachfolgende Kreditschwindel beweist, dass kein positives Hinderniss der Anwendung dieses überflüssigen Kapitals besteht. Wohl aber ein Hinderniss vermöge seiner Verwerthungs- gesetze, vermöge der Schranken, worin sich das Kapital als Kapital verwerthen kann. Plethora von Geldkapital als solchem drückt nicht nothwendig Ueberproduktion aus, noch auch nur Mangel an Verwendungssphären für Kapital.
Die Akkumulation des Leihkapitals besteht einfach darin, dass Geld sich als verleihbares Geld niederschlägt. Dieser Process ist sehr verschieden von der wirklichen Verwandlung in Kapital; es ist nur die Akkumulation von Geld in einer Form, worin es in Kapital verwandelt werden kann. Diese Akkumulation kann aber, wie nachgewiesen, Momente ausdrücken, die von der wirklichen Akkumulation sehr verschieden sind. Bei beständiger Erweiterung der wirklichen Akkumulation, kann diese erweiterte Akkumulation von Geldkapital theils ihr Resultat sein, theils das Resultat von Momenten, die sie begleiten, aber ganz von ihr verschieden sind, theils endlich auch das Resultat sogar von Stockungen der wirk- lichen Akkumulation. Schon weil die Akkumulation von Leih- kapital angeschwellt wird durch solche, von der wirklichen Akku- mulation unabhängige, aber dennoch sie begleitende Momente, muss in bestimmten Phasen des Cyklus beständig Plethora von Geldkapital stattfinden, und diese Plethora mit der Ausbildung des Kredits sich entwickeln. Mit ihr muss sich also zugleich die Nothwendigkeit entwickeln, den Productionsprocess über seine kapitalistischen Schranken hinauszutreiben: Ueberhandel, Ueber- produktion, Ueberkredit. Gleichzeitig muss dies stets in Formen geschehn, die einen Rückschlag hervorrufen.
Was die Akkumulation des Geldkapitals aus Grundrente, Arbeits- lohn etc. angeht, so ist es überflüssig hier darauf einzugehn. Nur dies Moment ist hervorzuheben, dass das Geschäft des wirk- lichen Sparens und Entsagens (durch Schatzbildner), soweit es Elemente der Akkumulation liefert, durch die Theilung der Arbeit im Fortschritt der kapitalistischen Produktion denen überlassen wird, die das Minimum solcher Elemente beziehn, und oft genug noch ihr Erspartes verlieren, wie die Arbeiter bei Falliten von
Banken. Einerseits wird das Kapital des industriellen Kapitalisten nicht von ihm selbst „erspart“, sondern im Verhältniss zur Grösse seines Kapitals verfügt er über fremde Ersparungen; andrerseits macht der Geldkapitalist die fremden Ersparungen zu seinem Kapital, und den Kredit, den sich die reproduktiven Kapitalisten unter einander geben, und den ihnen das Publikum gibt, zu seiner privaten Bereicherungsquelle. Die letzte Illusion des kapitalistischen Systems, als ob Kapital der Sprössling eigner Arbeit und Er- sparung wäre, geht damit in die Brüche. Nicht nur besteht der Profit in Aneignung fremder Arbeit, sondern das Kapital, womit diese fremde Arbeit in Bewegung gesetzt und ausgebeutet wird, besteht aus fremdem Eigenthum, das der Geldkapitalist den indu- striellen Kapitalisten zur Verfügung stellt, und wofür er diesen seinerseits exploitirt.
Es ist noch Einiges über das Kreditkapital zu bemerken.
Wie oft dasselbe Geldstück als Leihkapital figuriren kann, hängt, wie schon oben entwickelt, ganz davon ab
1) wie oft es Waarenwerthe in Verkauf oder in Zahlung realisirt, also Kapital überträgt, und ferner davon, wie oft es Revenue realisirt. Wie oft es in andre Hand kommt als realisirter Werth, sei es von Kapital oder Revenue, hängt daher offenbar ab von Umfang und Masse der wirklichen Umsätze;
2) hängt dies ab von der Oekonomie der Zahlungen, und von der Entwicklung und Organisation des Kreditwesens.
3) Endlich von der Verkettung und Aktionsgeschwindigkeit der Kredite, sodass wenn es an einem Punkt als Depositum niederfällt, es auf dem andern sofort wieder als Anleihe hinausgeht.
Selbst gesetzt die Form, worin das Leihkapitel existirt, sei bloss die des wirklichen Geldes, Goldes oder Silbers, der Waare, deren Stoff als Maß der Werthe dient, so ist nothwendig stets ein grosser Theil dieses Geldkapitals bloss fiktiv, d. h. Titel auf Werth, ganz wie die Werthzeichen. Soweit Geld fungirt im Kreislauf des Kapitals, bildet es zwar für einen Moment Geldkapital; aber es verwandelt sich nicht in leihbares Geldkapital, sondern wird ent- weder ausgetauscht gegen die Elemente des produktiven Kapitals, oder bei Realisirung der Revenue als Umlaufsmittel weggezahlt, und kann sich also nicht für seinen Besitzer in Leihkapital ver- wandeln. Soweit es sich aber in Leihkapital verwandelt, und das- selbe Geld wiederholt Leihkapital vorstellt, ist klar, dass es nur an Einem Punkt als metallisches Geld existirt; an allen andern Punkten existirt es nur in der Form von Anspruch auf Kapital.
Die Akkumulation dieser Ansprüche, nach der Voraussetzung, ent- springt aus der wirklichen Akkumulation, d. h. aus der Verwandlung des Werths des Waarenkapitals etc. in Geld; aber dennoch ist die Akkumulation dieser Ansprüche oder Titel als solche verschieden, sowohl von der wirklichen Akkumulation, der sie entspringt, wie von der zukünftigen Akkumulation (dem neuen Produktionsprocess), welche durch das Ausleihen des Geldes vermittelt wird.
Prima facie existirt das Leihkapital immer in der Form des Geldes(FN9), später als Anspruch auf Geld, indem das Geld, worin es ursprünglich existirt, nun in der Hand des Borgers in wirklicher Geldform vorhanden ist. Für den Verleiher hat es sich in Anspruch auf Geld, in einen Eigenthumstitel verwandelt. Dieselbe Masse wirkliches Geld kann daher sehr verschiedene Massen von Geld- kapital vorstellen. Blosses Geld, ob es realisirtes Kapital oder realisirte Revenue vorstellt, wird Leihkapital durch den blossen Akt des Ausleihens, durch seine Verwandlung in Depositum, wenn wir die allgemeine Form bei entwickeltem Kreditsystem betrachten. Das Depositum ist Geldkapital für den Depositor. Es mag aber in der Hand des Bankiers nur potentielles Geldkapital sein, das in seiner Kasse brach liegt statt in der seines Eigenthümers(FN10).
Mit dem Wachsthum des stofflichen Reichthums wächst die Klasse der Geldkapitalisten; es vermehrt sich einerseits die Zahl und der Reichthum der sich zurückziehenden Kapitalisten, der Rentiers; und zweitens wird die Entwicklung des Kreditsystems gefördert und damit die Zahl der Bankiers, Geldverleiher, Finan- ciers etc. vermehrt. — Mit der Entwicklung des disponiblen Geld- kapitals entwickelt sich die Masse der zinstragenden Papiere, Staatspapiere, Aktien etc., wie früher entwickelt. Aber damit zu- gleich die Nachfrage nach disponiblem Geldkapital, indem die Jobbers, die in diesen Papieren Spekulationsgeschäfte machen, eine Hauptrolle im Geldmarkt spielen. Wären alle Käufe und Verkäufe dieser Papiere nur der Ausdruck wirklicher Kapitalanlage, so wäre es richtig zu sagen, dass sie nicht auf die Nachfrage nach Leih- kapital wirken können, indem, wenn A sein Papier verkauft, er gerade soviel Geld herauszieht, wie B in das Papier steckt. Indess selbst dann, da das Papier zwar existirt, aber nicht das Kapital (wenigstens nicht als Geldkapital), das es ursprünglich vorstellt, erzeugt es immer pro tanto neue Nachfrage für solches Geldkapital.
Aber jedenfalls ist es dann Geldkapital, worüber früher B, jetzt A disponirt.
B. A. 1857. No. 4886: „Ist es nach Ihrer Ansicht eine richtige Angabe der Ursachen, die die Diskontorate bestimmen, wenn ich sage, dass sie geregelt wird durch die Menge des im Markt be- findlichen Kapitals, das verwendbar ist für den Diskonto von Handelswechseln, im Unterschied von andern Arten von Werth- papieren? — [Chapman:] Nein; ich halte dafür, dass der Zinsfuss afficirt wird durch alle leichtkonvertiblen Werthpapiere (all con- vertible securities of a current character); es würde unrecht sein, die Frage einfach auf den Wechseldiskonto zu beschränken; denn wenn grosse Nachfrage für Geld besteht auf [Depôt von] Konsols, oder selbst Schatzscheine, wie das neuerdings stark der Fall war, und zu einem viel höhern als dem kommerciellen Zinsfuss, so wäre es absurd zu sagen, dass unsre Handelswelt nicht davon berührt würde; sie wird sehr wesentlich davon berührt. — 4890. Wenn gute und gangbare Werthpapiere, wie Bankiers sie als solche an- erkennen, im Markt sind, und die Eigner Geld darauf aufnehmen wollen, so hat das ganz sicher seine Wirkung auf Handelswechsel; ich kann z. B. nicht erwarten, dass ein Mann mir sein Geld zu 5 % auf Handelswechsel gibt, wenn er dies Geld gleichzeitig zu 6 % auf Konsols u. s. w. ausleihen kann; es afficirt uns in der- selben Weise; Niemand kann von mir verlangen, dass ich seine Wechsel zu 5½ % diskontire, wenn ich mein Geld zu 6 % ausleihen kann. — 4892. Von Leuten, die für 2000 £ oder 5000 £ oder 10000 £ Werthpapiere als feste Kapitalanlagen kaufen, sprechen wir nicht, als ob sie wesentlich auf den Geldmarkt einwirken. Wenn Sie mich fragen nach dem Zinsfuss auf [Depôt von] Konsols, so spreche ich von Leuten, die Geschäfte zum Betrag von Hundert- tausenden machen, von so genannten Jobbers, die grosse Beträge öffentlicher Anleihen zeichnen, oder im Markt kaufen, und die dann diese Papiere halten müssen, bis sie sie mit einem Profit loswerden können; diese Leute müssen zu diesem Zweck Geld aufnehmen.“
Mit der Entwicklung des Kreditwesens werden grosse koncentrirte Geldmärkte geschaffen, wie London, die zugleich Hauptsitze des Handels in diesen Papieren sind. Die Bankiers stellen dem Ge- lichter dieser Händler das Geldkapital des Publikums massenhaft zur Verfügung, und so wächst diese Brut von Spielern. „Geld ist auf der Effektenbörse gewöhnlich wohlfeiler als irgendwo anders,“ sagt 1848 der damalige Gouverneur der Bank v. E.
vor dem geheimen Komité der Lords, C. D. 1848, printed 1857, No. 219.)
Es ist bereits bei Betrachtung des zinstragenden Kapitals dar- gestellt worden, dass der Durchschnittszins für eine längere Reihe von Jahren, bei sonst gleichbleibenden Umständen, bestimmt wird durch die Durchschnittsrate des Profits; nicht des Unternehmer- gewinns, der selbst nichts ist als der Profit minus den Zins.
Dass auch für die Variationen des kommerciellen Zinses — des Zinses, der für Diskontirungen und Anleihen innerhalb des Kreises der Handelswelt von den Geldverleihern berechnet wird — im Verlauf des industriellen Cyklus eine Phase eintritt, wo der Zinsfuss sein Minimum übersteigt und die mittlere Durchschnittshöhe er- reicht (die er dann später überschreitet), und wo diese Bewegung Folge des Steigens des Profits ist — auch dies ist bereits erwähnt und wird noch weiter untersucht werden.
Indess ist hier zweierlei zu bemerken:
Erstens: Wenn der Zinsfuss sich für längere Zeit hochhält (wir sprechen hier vom Zinsfuss in einem gegebnen Land wie England, wo der mittlere Zinsfuss für längere Zeit gegeben ist, und sich auch darstellt in dem für Anleihen auf längere Perioden be- zahlten Zins, was man Privatzins nennen kann), so ist dies prima facie Beweis, dass während dieser Zeit die Rate des Profits hoch ist, beweist aber nicht nothwendig, dass die Rate des Unternehmer- gewinns hoch ist. Dieser letztere Unterschied fällt mehr oder we- niger weg für Kapitalisten, die vorwiegend mit eignem Kapital arbeiten; sie realisiren die hohe Rate des Profits, da sie sich den Zins selbst zahlen. Die Möglichkeit länger dauernden hohen Zins- fusses — wir sprechen hier nicht von der Phase der eigentlichen Klemme — ist gegeben mit hoher Rate des Profits. Es ist aber möglich, dass diese hohe Profitrate, nach Abzug der hohen Zins- rate, nur eine niedrige Rate des Unternehmergewinns übrig lässt. Diese letztere mag einschrumpfen, während die hohe Profitrate fortdauert. Es ist dies möglich, weil die einmal in Angriff ge- nommenen Unternehmungen fortgeführt werden müssen. In dieser Phase wird stark mit blossem Kreditkapital (fremdem Kapital) gearbeitet; und die hohe Profitrate kann stellenweise spekulativ, prospektiv sein. Hohe Zinsrate kann gezahlt werden mit hoher Profitrate, aber abnehmendem Unternehmergewinn. Sie kann ge- zahlt werden — und dies ist z. Th. der Fall in Zeiten der Speku- lation — nicht aus dem Profit, sondern aus dem geborgten fremden Kapital selbst, und dies kann eine Zeit lang fortdauern.
Zweitens: Der Ausdruck, dass die Nachfrage nach Geldkapital und daher die Zinsrate wächst, weil die Profitrate hoch, ist nicht identisch damit, dass die Nachfrage nach industriellem Kapital wächst, und daher die Zinsrate hoch ist.
In Zeiten der Krise erreicht die Nachfrage nach Leihkapital und damit die Zinsrate ihr Maximum; die Profitrate und mit ihr die Nachfrage nach industriellem Kapital ist sogut wie verschwunden. In solchen Zeiten borgt jeder nur um zu zahlen, um bereits ein- gegangne Verpflichtungen abzuwickeln. Dagegen in Zeiten der Wiederbelebung nach der Krise wird Leihkapital verlangt um zu kaufen, und um das Geldkapital in produktives oder kommercielles Kapital zu verwandeln. Und dann wird es verlangt entweder vom industriellen Kapitalisten oder vom Kaufmann. Der industrielle Kapitalist legt es aus in Produktionsmitteln und in Arbeitskraft.
Die steigende Nachfrage nach Arbeitskraft kann an sich nie Grund sein für steigenden Zinsfuss, soweit er durch die Profitrate bestimmt wird. Höherer Arbeitslohn ist nie Grund eines höhern Profits, obgleich er, besondre Phasen des industriellen Cyklus be- trachtet, eine seiner Folgen sein kann.
Es kann die Nachfrage nach Arbeitskraft zunehmen, weil die Exploitation der Arbeit unter besonders günstigen Umständen vor sich geht, aber die steigende Nachfrage nach Arbeitskraft und daher nach variablem Kapital vermehrt an und für sich nicht den Profit, sondern schmälert ihn pro tanto. Dennoch kann aber damit die Nachfrage nach variablem Kapital zunehmen, also auch die Nach- frage nach Geldkapital, und dies den Zinsfuss erhöhen. Der Markt- preis der Arbeitskraft steigt dann über seinen Durchschnitt, es wird eine mehr als die durchschnittliche Zahl von Arbeitern be- schäftigt, und gleichzeitig steigt der Zinsfuss, weil mit jenen Um- ständen die Nachfrage nach Geldkapital die steigende Nachfrage nach Arbeitskraft vertheuert. Diese Waare wie jede andre steigert ihren Preis, aber nicht den Profit, der hauptsächlich auf der rela- tiven Wohlfeilheit gerade dieser Waare beruht. Sie erhöht aber zugleich — unter den vorausgesetzten Umständen — die Zinsrate, weil sie die Nachfrage nach Geldkapital erhöht. Verwandelte sich der Geldkapitalist, statt das Geld auszuleihen, in einen Industriellen, so würde der Umstand, dass er die Arbeit theurer zu zahlen hat, an und für sich seinen Profit nicht erhöhen, sondern pro tanto ver- mindern. Die Konjunktur der Umstände mag so sein, dass trotzdem sein Profit steigt, aber nie weil er die Arbeit theurer zahlt. Der letztre Umstand, soweit er die Nachfrage nach Geldkapital ver-
mehrt, ist aber hinreichend um die Zinsrate zu erhöhen. Stiege aus irgend welchen Ursachen der Arbeitslohn, bei sonst ungünstigen Konjunkturen, so würde das Steigen des Arbeitslohns die Profitrate senken, aber die Zinsrate steigern in dem Maß, wie es die Nach- frage nach Geldkapital vermehrte.
Von der Arbeit abgesehn, besteht das was Overstone die „Nach- frage nach Kapital“ nennt, nur in Nachfrage nach Waaren. Die Nachfrage nach Waaren steigert ihren Preis, sei es, dass sie über den Durchschnitt steigt, oder dass die Zufuhr unter den Durch- schnitt fällt. Wenn der industrielle Kapitalist oder Kaufmann jetzt z. B. 150 £ für dieselbe Waarenmasse zu zahlen hat, wofür er früher 100 £ zahlte, so hätte er 150 £ anzuleihen, wo sonst 100 £, und hätte daher bei 5 % Zins 7½ £ zu zahlen, wo er sonst 5 £ zahlte. Die Masse des von ihm zu zahlenden Zinses würde steigen, weil die Masse des geborgten Kapitals.
Der ganze Versuch des Herrn Overstone besteht darin, die In- teressen des Leihkapitals und des industriellen Kapitals als iden- tisch darzustellen, während sein Bankakt gerade darauf berechnet ist, die Differenz dieser Interessen zum Vortheil des Geldkapi- tals auszubeuten.
Es ist möglich, dass die Nachfrage nach Waaren, im Fall ihre Zufuhr unter den Durchschnitt gefallen, nicht mehr Geldkapital absorbirt als früher. Es ist dieselbe Summe, vielleicht eine klei- nere, zu zahlen für ihren Gesammtwerth, aber für dieselbe Summe wird ein kleineres Quantum von Gebrauchswerthen erhalten. In diesem Falle wird die Nachfrage nach leihbarem Geldkapital die- selbe bleiben, also der Zinsfuss nicht steigen, obgleich die Nach- frage nach der Waare im Verhältniss zu ihrer Zufuhr, und daher der Preis der Waare gestiegen wäre. Der Zinsfuss kann nur berührt werden, sobald die Gesammtnachfrage nach Leihkapital wächst, und dies ist unter obigen Voraussetzungen nicht der Fall.
Die Zufuhr eines Artikels kann aber auch unter den Durchschnitt fallen, wie bei Missernte in Korn, Baumwolle etc., und die Nach- frage nach Leihkapital wachsen, weil darauf spekulirt wird, dass die Preise noch höher steigen, und das nächste Mittel sie steigen zu machen, darin besteht, einen Theil der Zufuhr dem Markt zeit- weilig zu entziehn. Um aber die gekaufte Waare zu bezahlen ohne sie zu verkaufen, wird vermittelst der kommerciellen „Wechsel- wirthschaft“ Geld verschafft. In diesem Fall wächst die Nachfrage nach Leihkapital, und der Zinsfuss kann steigen in Folge dieses Versuchs, die Zufuhr der Waare zum Markt künstlich zu ver-
hindern. Der höhere Zinsfuss drückt dann eine künstliche Ver- minderung der Zufuhr des Waarenkapitals aus.
Andrerseits kann die Nachfrage nach einem Artikel wachsen, weil seine Zufuhr gewachsen ist und der Artikel unter seinem Durchschnittspreis steht.
In diesem Fall kann die Nachfrage nach Leihkapital dieselbe bleiben oder selbst fallen, weil mit derselben Geldsumme mehr Waaren zu haben sind. Es könnte aber auch spekulative Vorrath- bildung eintreten, theils zur Benutzung des günstigen Moments für Produktionszwecke, theils in Erwartung späterer Preissteigerung. In diesem Fall könnte die Nachfrage nach Leihkapital wachsen, und der erhöhte Zinsfuss wäre so Ausdruck von Kapitalanlage in überschüssiger Vorrathbildung von Elementen des produktiven Ka- pitals. Wir betrachten hier nur die Nachfrage nach Leihkapital, wie sie beeinflusst wird durch die Nachfrage und Zufuhr des Waarenkapitals. Es ist schon früher auseinandergesetzt, wie der wechselnde Stand des Reproduktionsprocesses in den Phasen des industriellen Cyklus auf das Angebot von Leihkapital wirkt. Den trivialen Satz, dass die Marktrate des Zinsfusses bestimmt ist durch Zufuhr und Nachfrage von (Leih-) Kapital, wirft Overstone schlauer- weise zusammen mit seiner eignen Annahme, wonach Leihkapital identisch ist mit Kapital überhaupt, und sucht dadurch den Wucherer in den einzigen Kapitalisten und sein Kapital in das einzige Kapital zu verwandeln.
In Zeiten der Klemme ist die Nachfrage nach Leihkapital Nach- frage nach Zahlungsmittel und weiter gar nichts; keineswegs Nach- frage nach Geld als Kaufmittel. Der Zinsfuss kann dabei sehr hoch gehn, einerlei ob reales Kapital — produktives und Waarenkapital — im Uebermaß vorhanden oder knapp. Die Nachfrage nach Zahlungsmitteln ist blosse Nachfrage nach Umsetzbarkeit in Geld, soweit die Kaufleute und Producenten gute Sicherheiten bieten können; sie ist Nachfrage nach Geldkapital, soweit dies nicht der Fall ist, soweit also ein Vorschuss von Zahlungsmitteln ihnen nicht nur die Geldform gibt, sondern das ihnen mangelnde Aequivalent, in welcher Form es sei, zum Zahlen. Dies ist der Punkt, wo beide Seiten der landläufigen Theorie bei Beurtheilung der Krisen Recht und Unrecht haben. Die da sagen, dass bloss Mangel an Zahlungsmitteln existirt, haben entweder bloss die Be- sitzer von bona fide Sicherheiten im Auge, oder sind Narren, die glauben, es sei die Pflicht und in der Macht einer Bank, durch Papierzettel alle bankrotten Schwindler in zahlungsfähige solide
Kapitalisten zu verwandeln. Die da sagen, dass bloss Mangel an Kapital existirt, machen entweder blosse Wortklauberei, da ja in solchen Zeiten das inkonvertible Kapital in Folge von Ueber- einfuhr und Ueberproduktion massenhaft vorhanden ist, oder sie sprechen bloss von jenen Kreditrittern, die nun in der That in Umstände gesetzt sind, wo sie nicht länger fremdes Kapital er- halten um damit zu wirthschaften, und nun verlangen, die Bank solle ihnen nicht nur das verlorne Kapital zahlen helfen, sondern sie auch noch zur Fortsetzung des Schwindels befähigen.
Es ist Grundlage der kapitalistischen Produktion, dass das Geld, als selbständige Form des Werths, der Waare gegenübertritt, oder dass der Tauschwerth selbstständige Form im Geld erhalten muss, und dies ist nur möglich, indem eine bestimmte Waare das Material wird, in deren Werth sich alle andern Waaren messen, dass sie eben dadurch die allgemeine Waare, die Waare par excellence im Gegensatz zu allen andern Waaren wird. Dies muss sich in doppelter Hinsicht zeigen, und namentlich bei kapitalistisch entwickelten Nationen, die das Geld in grossem Maß ersetzen, einerseits durch Kreditoperationen, andrerseits durch Kreditgeld. In Zeiten der Klemme, wo der Kredit einschrumpft oder ganz auf- hört, tritt plötzlich Geld als einziges Zahlungsmittel und wahres Dasein des Werths absolut den Waaren gegenüber. Daher die allgemeine Entwerthung der Waaren, die Schwierigkeit, ja die Unmöglichkeit, sie in Geld zu verwandeln, d. h. in ihre eigne rein phantastische Form. Zweitens aber: das Kreditgeld selbst ist nur Geld, soweit es im Betrage seines Nominalwerths absolut das wirk- liche Geld vertritt. Mit dem Goldabfluss wird seine Konvertibilität in Geld problematisch, d. h. seine Identität mit wirklichem Gold. Daher Zwangsmaßregeln, Heraufsetzung des Zinsfusses etc., um die Bedingungen dieser Konvertibilität zu sichern. Dies kann mehr oder minder auf die Spitze getrieben werden durch falsche Gesetz- gebung, beruhend auf falschen Theorien vom Geld, und der Nation aufgedrängt durch das Interesse der Geldhändler, der Overstone und Konsorten. Die Grundlage aber ist gegeben mit der Grund- lage der Produktionsweise selbst. Eine Entwerthung des Kredit- geldes (gar nicht zu sprechen von einer übrigens nur imaginären Entgeldung desselben) würde alle bestehenden Verhältnisse er- schüttern. Der Werth der Waaren wird daher geopfert, um das phantastische und selbständige Dasein dieses Werths im Geld zu sichern. Als Geldwerth ist er überhaupt nur gesichert, so lange das Geld gesichert ist. Für ein paar Millionen Geld müssen daher
viele Millionen Waaren zum Opfer gebracht werden. Dies ist un- vermeidlich in der kapitalistischen Produktion und bildet eine ihrer Schönheiten. In frühern Produktionsweisen kommt dies nicht vor, weil bei der engen Basis, auf der sie sich bewegen, weder der Kredit noch das Kreditgeld zur Entwicklung kommt. Solange der gesellschaftliche Charakter der Arbeit als das Gelddasein der Waare, und daher als ein Ding ausser der wirklichen Pro- duktion erscheint, sind Geldkrisen, unabhängig oder als Verschärfung wirklicher Krisen, unvermeidlich. Es ist andrerseits klar, dass, so- lange der Kredit einer Bank nicht erschüttert ist, sie durch Ver- mehrung des Kreditgelds in solchen Fällen die Panik lindert, durch dessen Einziehung sie aber vermehrt. Alle Geschichte der modernen Industrie zeigt, dass Metall in der That nur erheischt wäre zur Saldirung des internationalen Handels, sobald dessen Gleichgewicht momentan verschoben ist, wenn die inländische Produktion orga- nisirt wäre. Dass das Inland schon jetzt kein Metallgeld bedarf, beweist die Suspension der Baarzahlungen der sog. Nationalbanken, zu der, als zum einzigen Hülfsmittel, in allen extremen Fällen gegriffen wird.
Bei zwei Individuen wäre es lächerlich zu sagen, dass im Ver- kehr unter einander beide die Zahlungsbilanz gegen sich haben. Wenn sie wechselseitig Schuldner und Gläubiger von einander sind, ist es klar dass, wenn ihre Forderungen sich nicht ausgleichen, für den Rest der eine der Schuldner des andern sein muss. Bei Nationen ist dies keineswegs der Fall. Und dass es nicht der Fall ist, ist von allen Oekonomen in dem Satz anerkannt, dass die Zahlungsbilanz für oder gegen eine Nation sein kann, obwohl ihre Handelsbilanz sich schliesslich ausgleichen muss. Die Zahlungs- bilanz unterscheidet sich dadurch von der Handelsbilanz, dass sie eine in einer bestimmten Zeit fällige Handelsbilanz ist. Was nun die Krisen thun, ist, dass sie die Differenz zwischen der Zahlungs- bilanz und der Handelsbilanz in eine kurze Zeit zusammendrängen; und die bestimmten Zustände, die sich bei der Nation entwickeln, bei der die Krise ist, bei der daher jetzt der Zahlungstermin ein- tritt, — diese Zustände bringen schon eine solche Kontraktion der Ausgleichungszeit mit sich. Erstens das Wegsenden von Edel- metallen; dann das Losschlagen konsignirter Waaren; das Expor- tiren von Waaren, um sie loszuschlagen, oder um im Inland Geld- vorschüsse darauf aufzutreiben; das Steigen des Zinsfusses, das Aufkündigen der Kredite, das Fallen der Werthpapiere, das Los- schlagen fremder Werthpapiere, die Attraktion von fremdem Kapital
zur Anlage in diesen entwertheten Werthpapieren, endlich der Bankrott, der eine Masse Forderungen ausgleicht. Es wird dabei oft noch Metall versandt nach dem Land, wo die Krise ausgebrochen, weil die Wechsel darauf unsicher, also die Zahlung am sichersten in Metall erfolgt. Es kommt dazu der Umstand, dass mit Bezug auf Asien alle kapitalistischen Nationen meist gleichzeitig, direkt oder indirekt, seine Schuldner sind. Sobald diese verschiednen Umstände auf die andre betheiligte Nation ihre volle Wirkung üben, tritt auch bei ihr Gold- oder Silberexport, kurz der Zahlungs- termin ein, und dieselben Phänomene wiederholen sich.
Bei dem kommerciellen Kredit geht der Zins, als Unterschied des Kreditpreises vom Baarpreise, nur soweit in den Waarenpreis ein, als die Wechsel längre als gewöhnliche Laufzeit haben. Andernfalls nicht. Und dies erklärt sich daraus, dass jeder mit der einen Hand diesen Kredit nimmt und ihn mit der andern gibt. [Dies stimmt nicht mit meiner Erfahrung. F. E.] Soweit aber der Diskonto in dieser Form hier eingeht, ist er nicht durch diesen kommerciellen Kredit, sondern durch den Geldmarkt geregelt.
Wären Nachfrage und Angebot von Geldkapital, die den Zins- fuss bestimmten, identisch mit Nachfrage und Angebot von wirk- lichem Kapital, wie Overstone behauptet, so müsste, je nachdem man verschiedne Waaren, oder dieselbe Waare in verschiednen Stadien (Rohstoff, Halbfabrikat, fertiges Produkt) betrachtet, der Zins gleichzeitig niedrig und hoch sein. 1844 schwankte der Zinsfuss der B. v. E. zwischen 4 % (von Januar bis September) und 2½ und 3 % von November bis Jahresschluss. 1845 war er 2½, 2¾, 3 %, von Januar bis Oktober, zwischen 3 und 5 % in den letzten Monaten. Der Durchschnittspreis von fair Orleans Baumwolle war 1844 6¼ d. und 1845 4⅞ d. Am 3. März 1844 war der Baumwollvorrath in Liverpool 627042 Ballen, und am 3. März 1845: 773800 Ballen. Nach dem niedrigen Preis der Baumwolle zu schliessen musste der Zinsfuss 1845 niedrig sein, was er in der That während des grössten Theils dieser Zeit war. Aber nach den Garn zu schliessen, hätte er hoch sein müssen, denn die Preise waren relativ, und die Profite absolut, hoch. Aus Baumwolle zu 4 d. das Pfund konnte 1845 mit 4 d. Spinnkosten ein Garn gesponnen werden (No. 40 gut secunda mule twist), das dem Spinner also 8 d. kostete und das er September und Oktober 1845 zu 10½ oder 11½ d. per Pfund verkaufen konnte. (S. Aus- sage von Wylie weiter unten.)
Die ganze Sache kann dadurch zur Entscheidung gebracht werden:
Nachfrage und Angebot von Leihkapital wäre identisch mit Nach- frage und Angebot von Kapital überhaupt (obgleich diese letztere Phrase absurd ist; für den Industriellen oder Kaufmann ist die Waare eine Form seines Kapitals, aber er verlangt doch nie Kapital als solches, sondern stets nur diese specielle Waare als solche, kauft und zahlt sie als Waare, Korn oder Baumwolle, unab- hängig von der Rolle, die sie im Kreislauf seines Kapitals einzu- nehmen hat), wenn es keine Geldverleiher gäbe, und statt deren die verleihenden Kapitalisten im Besitz von Maschinerie, Roh- stoff etc. wären, und sie diese ausliehen oder vermietheten, wie jetzt Häuser, an die industriellen Kapitalisten, die selbst Eigner eines Theils dieser Gegenstände sind. Unter solchen Umständen wäre die Zufuhr von Leihkapital identisch mit Zufuhr von Produk- tionselementen für den industriellen Kapitalisten, von Waaren für den Kaufmann. Es ist aber klar, dass dann die Theilung des Profits zwischen Leiher und Borger zunächst ganz abhängen würde von dem Verhältniss, worin dies Kapital geliehen ist, und worin es Eigenthum dessen, der es anwendet.
Nach Herrn Weguelin (B. A. 1857) ist der Zinsfuss bestimmt durch „die Masse des unbeschäftigten Kapitals;“ (252); ist „nur ein Index der Masse des unbeschäftigten Kapitals, das Anlage sucht“ (271); später heisst dies unbeschäftigte Kapital „floating capital“ (485) und darunter versteht er „Noten der Bank von England und andre Cirkulationsmittel im Lande; z. B. die Noten der Provinzialbanken und die im Lande vorhandne Münze … ich schliesse unter floating capital auch die Reserven der Banken ein“ (502, 503), und später auch Barrengold (503). So sagt derselbe Weguelin, dass die Bank von England grossen Einfluss auf den Zinsfuss hat zu Zeiten „wo wir“ [die B. v. E.] thatsächlich den grössten Theil des unbeschäftigten Kapitals in unsrer Hand haben (1198), während nach obigen Aussagen des Herrn Overstone die Bank von England „kein Platz für Kapital ist.“ Ferner sagt Weguelin: „Nach meiner Ansicht wird die Diskontorate regulirt durch die Menge des unbeschäftigten Kapitals im Lande. Die Menge des unbeschäftigten Kapitals ist repräsentirt durch die Re- serve der B. v. E., die thatsächlich eine Metallreserve ist. Wenn also der Metallschatz vermindert wird, vermindert dies die Menge des unbeschäftigten Kapitals im Lande und steigert also den Werth des noch vorhandnen Rests.“ (1258.) J. Stuart Mill sagt 1102: „Die Bank ist genöthigt, um ihr banking department solvent zu erhalten, ihr Möglichstes zu thun, die Reserve dieses Departements
zu füllen; sobald sie also findet, dass ein Abfluss eintritt, muss sie sich eine Reserve sichern und entweder ihre Diskontirungen einschränken oder Werthpapiere verkaufen.“ — Die Reserve, so- weit bloss das banking department betrachtet wird, ist Reserve nur für die Depositen. Nach den Overstones soll das banking department bloss als Bankier handeln, ohne Rücksicht auf die „automatische“ Notenausgabe. Aber in Zeiten wirklicher Klemme hat das Institut, unabhängig von der Reserve des banking depart- ment, die nur aus Noten besteht, ein sehr scharfes Auge auf den Metallschatz, und muss es haben, wenn es nicht falliren will. Denn im selben Maß wie der Metallschatz schwindet, schwindet auch die Reserve von Banknoten, und niemand sollte dies besser wissen als Herr Overstone, der dies eben durch seinen Bankakt von 1844 so weise eingerichtet hat.
„Der grosse Regulator der Geschwindigkeit der Cirkulation ist der Kredit. Daher erklärt sich, warum eine scharfe Klemme im Geldmarkt gewöhnlich zusammenfällt mit einer gefüllten Cirku- lation.“ (The Currency Question Reviewed. p. 65.) Dies ist doppelt zu verstehn. Einerseits sind alle Methoden, die Cirkulationsmittel ersparen, begründet auf den Kredit. Zweitens aber: nimm z. B. eine 500 £ Note. A gibt sie heute in Zahlung eines Wechsels an B; B deponirt sie denselben Tag bei seinem Bankier; dieser diskontirt noch selben Tags einen Wechsel damit für C; C zahlt sie an seine Bank, die Bank gibt sie dem billbroker auf Vor- schuss etc. Die Geschwindigkeit, mit der die Note hier cirkulirt, zu Käufen oder Zahlungen dient, ist vermittelt durch die Ge- schwindigkeit, womit sie immer wieder in der Form des Depositums zu jemandem zurückkehrt, und in der Form des Anlehens wieder zu jemand anders übergeht. Das blosse Oekonomisiren des Cir- kulationsmittels erscheint am höchsten entwickelt im Clearing House, dem blossen Austausch von fälligen Wechseln, und der vorwiegenden Funktion des Geldes als Zahlungsmittel zum Aus- gleich blosser Ueberschüsse. Aber das Dasein dieser Wechsel be- ruht selbst wieder auf dem Kredit, den sich die Industriellen und Kaufleute unter einander geben. Nimmt dieser Kredit ab, so nimmt die Zahl der Wechsel ab, namentlich der langsichtigen,
also auch die Wirksamkeit dieser Methode der Ausgleichungen. Und diese Oekonomie, die in der Beseitigung des Geldes aus den Umsätzen besteht, und die ganz auf der Funktion des Geldes als Zahlungsmittel beruht, welche wieder auf dem Kredit beruht, kann (abgesehn von der mehr oder minder entwickelten Technik in der Koncentration dieser Zahlungen) nur zweierlei Art sein: Wechsel- seitige Schuldforderungen, repräsentirt durch Wechsel oder Cheques, gleichen sich aus entweder bei demselben Bankier, der nur die Forderung vom Konto des einen auf das des andern überschreibt; oder die verschiednen Bankiers gleichen unter einander aus.(FN11) Die Koncentration von 8—10 Millionen Wechseln in der Hand eines billbrokers, wie z. B. der Firma Overend, Gurney & Co., war eins der Hauptmittel, die Stufenleiter dieser Ausgleichung lokal zu erweitern. Durch diese Oekonomisirung wird die Wirksamkeit des Umlaufsmittels erhöht, soweit ein geringres Quantum davon erfordert wird zur blossen Saldirung der Bilanz. Andrerseits hängt die Geschwindigkeit des als Cirkulationsmittel umlaufenden Geldes (wodurch es auch ökonomisirt wird) ganz ab von dem Fluss der Käufe und Verkäufe, oder auch von der Verkettung der Zahlungen, soweit sie nacheinander in Geld erfolgen. Aber der Kredit ver- mittelt, und erhöht dadurch die Geschwindigkeit der Cirkulation. Das einzelne Geldstück kann z. B. nur fünf Umläufe bewirken und bleibt länger in jeder einzelnen Hand ruhen — als blosses Cirkulationsmittel ohne Dazwischenkunft des Kredits — wenn A, sein ursprünglicher Besitzer, von B, B von C, C von D, D von E, E von F kauft, also sein Uebergang von einer Hand in die andre nur durch wirkliche Käufe und Verkäufe vermittelt ist. Wenn aber B das von A in Zahlung erhaltne Geld bei seinem Bankier deponirt und dieser es ausgibt in Wechseldiskont an C, dieser von D kauft, D es bei seinem Bankier deponirt und dieser es an E leiht, der von F kauft, so ist selbst seine Geschwindigkeit
als blosses Cirkulationsmittel (Kaufmittel) vermittelt durch mehrere Kreditoperationen: das Deponiren des B bei seinem Bankier und dessen Diskontiren für C, das Deponiren des D bei seinem Bankier und dessen Diskontiren für E; also durch vier Kreditoperationen. Ohne diese Kreditoperationen hätte dasselbe Geldstück nicht fünf Käufe nach einander im gegebnen Zeitraum verrichtet. Dass es ohne Vermittlung von wirklichem Kauf und Verkauf — als Depo- situm und im Diskonto — die Hände wechselte, hat hier seinen Händewechsel in der Reihe wirklicher Absätze beschleunigt.
Es hat sich vorhin gezeigt, wie eine und dieselbe Banknote Depositen bei verschiednen Bankiers bilden kann. Ebenso kann sie verschiedne Depositen bei demselben Bankier bilden. Er dis- kontirt mit der Note, die A deponirt hat, den Wechsel von B, B zahlt an C, C deponirt dieselbe Note bei demselben Bankier der sie verausgabt.
Es ist bereits bei Betrachtung der einfachen Geldcirkulation (Buch I, Kap. III, 2) nachgewiesen worden, dass die Masse des wirklich cirkulirenden Geldes, Geschwindigkeit der Cirkulation und Oekonomie der Zahlungen als gegeben vorausgesetzt, bestimmt ist durch die Preise der Waaren und die Masse der Transaktionen. Dasselbe Gesetz herrscht bei der Notencirkulation.
In der folgenden Tabelle sind für jedes Jahr die Jahresdurch- schnitte der Noten der Bank von England, soweit sich solche in der Hand des Publikums befanden, verzeichnet, und zwar die Be- träge der 5 und 10 Pfundnoten, die der Noten von 20—100 £ und die der höheren Noten von £ 200—1000; sowie der Procent- satz der Gesammtcirkulation, den jede dieser Rubriken liefert. Die Beträge sind in Tausenden, unter Streichung der drei letzten Stellen.
(B. A. 1858, p. I. II.). Die Gesammtsumme der cirkulirenden Bank- noten hat also von 1844 bis 1857 positiv abgenommen, obgleich der durch Ausfuhr und Einfuhr nachgewiesene Geschäftsverkehr sich mehr als verdoppelt hatte. Die kleinern Banknoten von 5 £ und 10 £ nahmen zu, wie die Liste zeigt, von £ 9263000 in 1844 auf £ 10659000 in 1857. Und dies gleichzeitig mit der gerade damals so starken Vermehrung der Goldcirkulation. Dagegen Abnahme der Noten von höhern Beträgen (von 200—1000 £) von £ 5865000 in 1852, auf £ 3241000 in 1857. Also Abnahme von mehr als 2½ Mill. £. Dies wird erklärt wie folgt: „Am 8. Juni 1854 liessen die Privat- bankiers von London die Aktienbanken an der Einrichtung des Clearing House theilnehmen, und bald darauf wurde das schliess- liche clearing in der Bank von England eingerichtet. Die täg- lichen Saldirungen werden erledigt durch Ueberschreibung auf den Kontos, die die verschiednen Banken in der Bank von England halten. Durch Einführung dieses Systems sind die Noten von hohem Betrag, deren sich die Banken früher zur Ausgleichung ihrer gegenseitigen Rechnungen bedienten, überflüssig geworden.“ (B. A. 1858, p. V.)
Wie sehr der Gebrauch des Geldes im Grosshandel auf ein ge- ringes Minimum reducirt ist, darüber vgl. die Tabelle, die Buch I, Kap. III, Note 103 abgedruckt, und die dem Bankausschuss ge- liefert wurde von Morrison Dillon & Co., einem der grössten der- jenigen Londoner Häuser, wo ein Kleinhändler seinen ganzen Vor- rath von Waaren aller Art einkaufen kann.
Nach der Aussage vou W. Newmarch vor dem B. A. 1857 No. 1741 trugen auch noch andre Umstände zur Ersparung von Cirkulationsmitteln bei: das Penny-Briefporto, die Eisenbahnen, die Telegraphen, kurz die verbesserten Verkehrsmittel; sodass England jetzt bei ungefähr derselben Banknotencirkulation ein fünf bis sechsmal so grosses Geschäft machen kann. Dies sei aber auch wesentlich der Ausschaltung der Noten von mehr als £ 10.
aus der Cirkulation geschuldet. Dies scheint ihm eine natürliche Erklärung dafür, dass in Schottland und Irland, wo auch 1 £ Noten cirkuliren, die Notencirkulation um ungefähr 31 % gestiegen ist. (1747.) Die Gesammtcirkulation von Banknoten im Vereinigten Königreich, mit Einschluss der 1 £ Noten, sei 39 Mill. £. (1749.) Die Goldcirkulation = 70 Mill. £. (1750.) In Schottland war die Notencirkulation 1834 — 3120000 £; 1844 — 3020000 £; 1854 — 4050000 £. (1752.)
Schon hieraus geht hervor, dass es keineswegs in der Hand der Noten ausgebenden Banken steht, die Zahl der cirkulirenden Noten zu vermehren, so lange diese Noten jederzeit gegen Geld aus- tauschbar sind. [Von inkonvertiblem Papiergeld ist hier überhaupt nicht die Rede; inkonvertible Banknoten können nur da allge- meines Cirkulationsmittel werden, wo sie thatsächlich durch Staats- kredit gestützt werden, wie z. B. gegenwärtig in Russland. Sie fallen damit unter die Gesetze des inkonvertiblen Staatspapiergelds, die schon entwickelt sind (Buch I, Kap. III, 2, c: die Münze, das Werthzeichen.) — F. E.]
Die Menge der cirkulirenden Noten richtet sich nach den Be- dürfnissen des Verkehrs, und jede überflüssige Note wandert sofort zurück zu ihrem Ausgeber. Da in England nur die Noten der Bank von England als gesetzliches Zahlungsmittel allgemein um- laufen, können wir die unbedeutende und nur lokale Notencirku- lation der Provinzialbanken hier vernachlässigen.
Vor dem B. A. 1858 sagt Herr Neave, Gouverneur der Bank von England aus: „No. 947. (Frage:) Welche Maßregeln auch immer Sie ergreifen, der Notenbetrag in den Händen des Publikums, sagen Sie, bleibt derselbe; d. h. ungefähr 20 Mill. £? — In ge- wöhnlichen Zeiten scheint der Gebrauch des Publikums ungefähr 20 Mill. zu erfordern. Zu gewissen periodisch wiederkehrenden Zeiten im Jahr steigen sie um 1 oder 1½ Mill. Wenn das Publikum mehr braucht, so kann es sie, wie ich sagte, stets bei der Bank von England bekommen. — 948. Sie sagten, dass während der Panik das Publikum Ihnen nicht erlauben wollte den Notenbetrag zu vermindern; wollen Sie das begründen? — In Zeiten der Panik hat das Publikum, wie mir scheint, volle Macht sich Noten zu verschaffen; und natürlich, so lange die Bank eine Verpflichtung hat, kann das Publikum auf diese Verpflichtung hin die Noten von der Bank entnehmen. — 949. Es scheinen also jederzeit ungefähr 20 Mill. Noten der B. v. E. erforderlich zu sein? — 20 Mill. Noten in der Hand des Publikums; es wechselt.
Es sind 18½, 19, 20 Mill. u. s. w.; aber im Durchschnitt können Sie sagen 19—20 Millionen.“
Aussage von Thomas Tooke vor dem Ausschuss der Lords über Commercial Distress (C. D. 1848/57); No. 3094: „Die Bank hat keine Macht, nach eignem Willen den Betrag der Noten in der Hand des Publikums zu erweitern; sie hat die Macht, den Noten- betrag in der Hand des Publikums zu vermindern, aber nur ver- mittelst einer sehr gewaltsamen Operation.“
J. C. Wright, seit 30 Jahren Bankier in Nottingham, nachdem er ausführlich die Unmöglichkeit auseinander gesetzt, dass die- Provinzialbanken jemals mehr Noten in Umlauf erhalten könnten als das Publikum braucht und will, sagt von den Noten der Bank von England (C. D. 1848/57) No. 2844: „Ich weiss von keiner Schranke“ (der Notenausgabe) „für die B. von E., aber jeder Ueber- schuss der Cirkulation wird in die Depositen übergehn und so eine- andre Form annehmen.“
Dasselbe gilt für Schottland, wo fast nur Papier cirkulirt, weil dort wie in Irland auch Einpfundnoten gestattet sind und „the scotch hate gold.“ Kennedy, Dirigent einer schottischen Bank, er- klärt, die Banken könnten ihre Notencirkulation nicht einmal ver- mindern, und ist „der Ansicht, dass, so lange inländische Geschäfts- abschlüsse Noten oder Gold erfordern, um zu stande zu kommen, die Bankiers soviel Umlaufsmittel liefern müssen, wie diese Ge- schäfte erfordern — sei es auf Verlangen ihrer Depositoren oder sonstwie. … Die schottischen Banken können ihre Geschäfte ein- schränken, aber sie können keine Kontrole ausüben über ihre Noten- ausgabe.“ (ib. No. 3446—48.) Desgleichen Anderson, Dirigent der Union Bank of Scotland, ib. No. 3578: „Verhindert das System des gegenseitigen Notenaustausches [zwischen den schottischen Banken] „eine Ueberausgabe von Noten von Seiten einer einzelnen Bank? — Jawohl; wir haben aber ein wirksameres Mittel als den Notenaustausch“ [der in der That gar nichts damit zu thun hat, wohl aber die Umlaufsfähigkeit der Noten jeder Bank über ganz Schottland sichert] „und dies ist der allgemeine Gebrauch in Schottland ein Bankkonto zu halten; jedermann der irgendwie Geld hat, hat auch ein Konto bei einer Bank und zahlt tagtäglich alles Geld ein, das er nicht unmittelbar selbst nöthig hat, sodass am Schluss eines jeden Geschäftstags alles Geld in den Banken ist, ausgenommen was jeder in der Tasche hat.“
Ebenso für Irland, s. die Aussagen des Gouverneurs der Bank
von Irland MacDonnell und des Dirigenten der Provincial Bank of Ireland, Murray, vor demselben Ausschuss.
Ebenso unabhängig wie vom Willen der Bank von England, ist die Notencirkulation vom Stand des Goldschatzes in den Kellern der Bank, der die Konvertibilität dieser Noten sichert. „Am 18. September 1846 war die Notencirkulation der Bank von Eng- land 20900000 £ und ihr Metallschatz 16273000 £; am 5. April 1847 die Cirkulation 20815000 £ und der Metallschatz 10246000 £. Also fand trotz des Exports der 6 Millionen £ Edelmetall keine Einschrumpfung der Cirkulation statt.“ (J. G. Kinnear, The Crisis and the Currency, Ld. 1847, p. 5.) Es versteht sich jedoch, dass dies nur gilt unter den in England heute herrschenden Verhält- nissen, und auch da nur, soweit nicht die Gesetzgebung über das Verhältniss von Notenausgabe und Metallschatz ein anderes befiehlt.
Es sind also nur die Bedürfnisse des Geschäfts selbst, die einen Einfluss auf die Quantität des cirkulirenden Geldes — Noten und Gold — ausüben. Hier kommen zunächst die periodischen Schwan- kungen in Betracht, die sich jedes Jahr wiederholen, was auch die allgemeine Geschäftslage sein mag, sodass seit 20 Jahren „in einem bestimmten Monat die Cirkulation hoch, in einem andern niedrig ist, und in einem dritten bestimmten Monat ein mittlerer Punkt vorkommt.“ (Newmarch, B. A. 1857, No. 1650.)
So gehn im August jedes Jahres einige Millionen, meist in Gold, aus der B. von E. in die inländische Cirkulation, um die Kosten der Ernte zu zahlen; da es sich in der Hauptsache um Zahlung von Arbeitslöhnen handelt, sind Banknoten hier für England weniger zu gebrauchen. Bis Jahresschluss ist dies Geld der Bank dann wieder zurückgeströmt. In Schottland gibt es statt Sovereigns fast nur Pfundnoten; hier dehnt sich daher im entsprechenden Fall die Notencirkulation aus, und zwar zweimal im Jahr, im Mai und November, von 3 auf 4 Millionen; nach 14 Tagen stellt sich be- reits der Rückfluss ein, in einem Monat ist er fast vollendet. (Anderson, l. c. No. 3595—3600).
Die Notencirkulation der Bank von England erfährt auch viertel- jährlich eine momentane Schwankung infolge der vierteljährlichen Zahlung der „Dividenden“, d. h. der Zinsen der Staatsschuld, wo- durch zuerst Banknoten der Cirkulation entzogen und dann wieder unter das Publikum geworfen werden; sie fliessen aber sehr bald wieder zurück. Weguelin (B. A. 1857 No. 38) gibt den Betrag der hierdurch verursachten Schwankung der Notencirkulation auf 2½ Millionen an. Dagegen berechnet Herr Chapman von der
notorischen Firma Overend Gurney & Co. den Betrag der hierdurch auf dem Geldmarkt hervorgerufenen Störung weit höher. „Wenn Sie aus der Cirkulation 6 oder 7 Millionen für Steuern heraus- nehmen, um damit die Dividenden zu zahlen, so muss irgend jemand da sein, der diesen Betrag in der Zwischenzeit zur Verfügung stellt.“ (B. A. 1857, No. 5196.)
Viel bedeutender und nachhaltiger sind die Schwankungen im Betrag des umlaufenden Mittels, die den verschiednen Phasen des industriellen Cyklus entsprechen. Hören wir hierüber einen andern Associé jener Firma, den würdigen Quäker Samuel Gurney (C. D. 1848/57, No. 2645): „Ende Oktober (1847) waren 20800000 £ Noten in den Händen des Publikums. Zu jener Zeit herrschte eine grosse Schwierigkeit, Banknoten im Geldmarkt zu bekommen. Dies entstand aus der allgemeinen Befürchtung, man werde in Folge der Beschränkung des Bankakts von 1844 nicht im Stande sein sie sich zu verschaffen. Gegenwärtig [März 1848] ist der Betrag der Banknoten in Händen des Publikums … 17700000 £, aber da jetzt keinerlei kommercieller Alarm herrscht, ist dies viel mehr als was gebraucht wird. Es gibt keinen Bankier oder keinen Geldhändler in London, der nicht mehr Banknoten hat als er gebrauchen kann. — 2650. Der Belauf der Banknoten … ausserhalb des Gewahrsams der Bank von England bildet einen total ungenügenden Exponenten des aktiven Standes der Cirkulation, wenn man nicht ebenfalls gleichzeitig in Erwägung zieht … den Stand der Handelswelt und des Kredits. — 2651. Das Gefühl, dass wir bei dem gegenwärtigen Belauf der Cirkulation in den Händen des Publikums einen Ueberschuss haben, entspringt in hohem Grad aus unsrer gegenwärtigen Lage grosser Stagnation. Bei hohen Preisen und aufgeregtem Geschäft würden uns 17700000 £ ein Gefühl der Knappheit verursachen.“
[So lange die Geschäftslage derart ist, dass die Rückflüsse für die gemachten Vorschüsse regelmäßig eingehn und also der Kredit unerschüttert bleibt, richtet sich die Ausdehnung und Zusammen- ziehung der Cirkulation einfach nach den Bedürfnissen der Indu- striellen und Kaufleute. Da wenigstens in England Gold für den Grosshandel nicht in Betracht kommt und die Goldcirkulation, ab- gesehn von den jahreszeitlichen Schwankungen, als eine für längere Zeit ziemlich konstante Grösse angesehn werden kann, so bildet die Notencirkulation der B. von E. den hinreichend genauen Grad- messer dieser Veränderungen. In der stillen Zeit nach der Krise läuft am wenigsten um, mit der Wiederbelebung der Nachfrage
tritt auch grösserer Bedarf an Umlaufsmitteln ein, der sich steigert mit der steigenden Prosperität; den Höhepunkt erreicht die Menge des Umlaufsmittels in der Periode der Ueberspannung und Ueber- spekulation — da bricht die Krise herein und über Nacht sind die gestern noch so reichlichen Banknoten vom Markt verschwunden, und mit ihnen die Diskontirer von Wechseln, die Vorschussleister auf Werthpapiere, die Käufer von Waaren. Die Bank von Eng- land soll helfen — aber auch ihre Kräfte sind bald erschöpft, der Bankakt von 1844 zwingt sie ihre Notencirkulation einzuschränken grade im Moment, wo alle Welt nach Banknoten schreit, wo die Waarenbesitzer nicht verkaufen können und doch zahlen sollen und jedes Opfer zu bringen bereit sind, wenn sie nur Banknoten erhalten. „Während des Alarms,“ sagt der obenerwähnte Bankier Wright l. c. No. 2930, „gebraucht das Land zweimal soviel Cirku- lation wie in gewöhnlichen Zeiten, weil das Umlaufsmittel von Bankiers und andern aufgespeichert wird.“
Sowie die Krise hereinbricht, handelt es sich nur noch um Zahlungsmittel. Da aber jeder vom andern abhängig ist für den Eingang dieser Zahlungsmittel und keiner weiss, ob der andre im- stand sein wird, am Verfalltag zu zahlen, tritt ein vollständiges Kirchthurmrennen ein um die im Markt befindlichen Zahlungs- mittel, d. h. für Banknoten. Jeder schatzt davon auf, so viele er erhalten kann, und so verschwinden die Noten aus der Cirkulation am selben Tag, wo man sie am nöthigsten braucht. Samuel Gurney (C. D. 1848/57, No. 1116) gibt die Zahl der so im Moment des Schreckens unter Schloss und Riegel gebrachten Banknoten für Oktober 1847 auf 4—5 Millionen £ an. — F. E.]
In dieser Beziehung ist besonders interessant das Verhör des Associés von Gurney, des bereits erwähnten Chapman, vor dem B. A. von 1857. Ich gebe hier den Hauptinhalt desselben im Zusammenhang, obwohl auch einige Punkte darin behandelt werden, die wir erst später untersuchen.
Herr Chapman lässt sich vernehmen wie folgt.
„4963. Ich nehme auch keinen Anstand zu sagen, dass ich es nicht für in der Ordnung halte, dass der Geldmarkt unter der Macht eines beliebigen individuellen Kapitalisten stehn sollte, (wie es in London deren gibt), der einen ungeheuren Geldmangel und eine Klemme erzeugen kann, wenn die Cirkulation grade sehr niedrig steht. . . . Das ist möglich … es gibt mehr als einen Kapitalisten, der aus dem Cirkulationsmittel 1 oder 2 Mill. £ Noten herausnehmen kann, wenn er einen Zweck dadurch erreicht.“ 4995.
Ein grosser Spekulant kann für 1 oder 2 Mill. Konsols verkaufen und so das Geld aus dem Markt nehmen. Etwas Aehnliches ist vor ganz kurzem geschehn, „es erzeugt eine äusserst heftige Klemme.“ —
4967. Die Noten sind dann allerdings unproduktiv. „Aber das ist nichts, wenn es einen grossen Zweck bewirkt; sein grosser Zweck ist die Fondspreise zu werfen, eine Geldklemme zu schaffen, und das zu thun, hat er vollständig in seiner Gewalt.“ Ein Bei- spiel: Eines Morgens war grosse Geldnachfrage auf der Fondsbörse; niemand kannte die Ursache; jemand bot Chapman an, dieser solle ihm 50000 £ zu 7 % leihen. Chapman war erstaunt, sein Zins- fuss stand viel niedriger; er griff zu. Gleich darauf kam der Mann wieder, nahm weitre 50000 £ zu 7½ %, dann 100000 £ zu 8 %, und wollte noch mehr haben zu 8½ %. Da bekam aber selbst Chapmann Angst. Es stellte sich nachher heraus, dass plötzlich eine bedeutende Summe Geldes dem Markt entzogen worden war. Aber, sagt Chapman, „ich habe doch eine bedeutende Summe zu 8 % ausgeliehen; weiter zu gehn hatte ich Angst; ich wusste nicht, was kommen würde.“
Man muss nie vergessen, dass obgleich ziemlich beständig 19 bis 20 Mill. Noten angeblich in der Hand des Publikums sind, doch einerseits der Theil dieser Noten, der wirklich cirkulirt, und andrer- seits der, der unbeschäftigt als Reserve bei den Banken liegt, gegeneinander beständig und bedeutend variirt. Ist diese Reserve gross, also die wirkliche Cirkulation niedrig, so heisst das vom Standpunkt des Geldmarkts, dass die Cirkulation voll (the circu- lation is full, money is plentiful) ist; ist die Reserve klein, also die wirkliche Cirkulation voll, so nennt der Geldmarkt sie niedrig; (the circulation is low, money is scarce) nämlich der Theil hat einen niedrigen Betrag, der unbeschäftigtes Leihkapital vorstellt. Wirkliche, von den Phasen des industriellen Cyklus unabhängige Expansion oder Kontraktion der Cirkulation — sodass aber der Betrag, den das Publikum braucht, derselbe bleibt — findet nur aus technischen Gründen statt, z. B. an den Zahlungsterminen der Steuern oder der Zinsen der Staatsschuld. Bei Steuerzahlung fliessen Noten und Gold in die Bank von England über das ge- wöhnliche Maß, und kontrahiren faktisch die Cirkulation, ohne Rücksicht auf das Bedürfniss für letztre. Umgekehrt wenn die Dividenden der Staatsschuld ausgezahlt werden. Im ersten Fall werden Anleihen bei der Bank gemacht um Cirkulationsmittel zu erhalten. Im letztren Fall sinkt der Zinsfuss bei den Privatbanken wegen des momentanen Wachsens ihrer Reserven. Es hat dies
mit der absoluten Masse der Umlaufsmittel nichts zu thun, sondern nur mit der Bankfirma, die diese Umlaufsmittel in Cirkulation setzt, und für die sich dieser Process als Veräusserung von Leihkapital darstellt, und die daher den Profit davon in die Tasche steckt.
In dem einen Fall findet bloss temporäres Deplacement des cir- kulirenden Mediums statt, das die B. v. E. dadurch ausgleicht, dass sie kurz vor Verfall der vierteljährlichen Steuern und der eben- falls vierteljährlichen Dividenden kurze Vorschüsse zu niedrigen Zinsen macht; diese so ausgegebnen überzähligen Noten füllen, nun zuerst die Lücke aus, die das Zahlen der Steuern verursacht während ihre Rückzahlung an die Bank gleich darauf den Noten- überfluss zurückbringt, den das Ausszahlen der Dividenden ins Publikum geworfen.
In dem andern Fall ist niedrige oder volle Cirkulation immer nur andre Vertheilung derselben Masse Umlaufsmittel in aktive Circulation und Depositen, d. h. Instrument von Anleihen.
Andrerseits, wenn z. B. durch Goldzufluss zur Bank von Eng- land die Zahl der dagegen ausgegebnen Noten vermehrt wird, so helfen diese zum Diskontiren ausserhalb der Bank, und fliessen zurück in Abzahlung von Anleihen, sodass die absolute Masse der cirkulirenden Noten nur momentan vermehrt wird.
Ist die Cirkulation voll, wegen Ausdehnung des Geschäfts (was auch bei relativ niedrigen Preisen möglich), so kann der Zinsfuss relativ hoch sein wegen Nachfrage nach Leihkapital in Folge steigender Profite und vermehrter Neuanlagen. Ist sie niedrig, wegen Kontraktion des Geschäfts oder auch wegen grosser Flüssig- keit des Kredits, so kann der Zinsfuss niedrig sein auch bei hohen Preisen. (Siehe Hubbard.)
Die absolute Quantität der Cirkulation wirkt bestimmend auf den Zinsfuss nur in Zeiten der Klemme. Entweder drückt hier die Nachfrage nach voller Cirkulation nur Nachfrage für Mittel der Schatzbildung aus (abgesehn von der verminderten Geschwin- digkeit, womit das Geld cirkulirt, und womit dieselben identischen Geldstücke sich beständig in Leihkapital umsetzen) wegen der Kreditlosigkeit, wie 1847, wo die Suspension des Bankakts keine Expansion der Cirkulation veranlasste, aber hinreichte die aufge- schatzten Noten wieder ans Licht zu ziehen und in die Cirkulation zn werfen. Oder es kann wirklich unter den Umständen mehr Cirkulationsmittel erheischt sein, wie 1857 die Cirkulation nach der Suspension des Bankakts für einige Zeit wirklich wuchs.
Sonst wirkt die absolute Masse der Cirkulation nicht auf den
Zinsfuss, da sie — Oekonomie und Geschwindigkeit des Umlaufs als konstant vorausgesetzt — erstens bestimmt ist durch die Preise der Waaren und die Masse der Transaktionen (wobei meist ein Moment die Wirkung des andern paralysirt), und endlich durch den Stand des Kredits, während sie keineswegs umgekehrt den letztren bestimmt; und da zweitens Waarenpreise und Zins in keinem nothwendigen Zusammenhang stehn.
Während des Bank Restriction Act (1797—1820) fand ein Ueber- fluss an currency statt, der Zinsfuss war stets viel höher als seit Wiederaufnahme der Baarzahlungen. Er fiel später rasch mit Ein- schränkung der Notenausgabe und steigenden Wechselkursen. 1822, 1823, 1832 war die allgemeine Cirkulation niedrig, der Zinsfuss ebenfalls niedrig. 1824, 1825, 1836 war die Cirkulation hoch, der Zinsfuss stieg. Sommer 1830 war die Cirkulation hoch, der Zinsfuss niedrig. Seit den Goldentdeckungen hat sich der Geld- umlauf in ganz Europa expandirt, der Zinsfuss stieg. Der Zins- fuss hängt also nicht ab von der Menge des umlaufenden Geldes.
Der Unterschied zwischen Ausgabe von Umlaufsmittel und Aus- leihen von Kapital zeigt sich am besten beim wirklichen Repro- duktionsprocess. Wir haben dort (Buch II, Abschnitt III) gesehn, wie sich die verschiednen Bestandtheile der Produktion austauschen. Z. B. das variable Kapital besteht sachlich in den Lebensmitteln der Arbeiter, einem Theil ihres eignen Produkts. Es ist ihnen aber stückweise ausgezahlt worden in Geld. Dies muss der Kapi- talist vorschiessen, und es hängt sehr ab von der Organisation des Kreditwesens, ob er die nächste Woche das neue variable Kapital wieder auszahlen kann mit dem alten Geld, das er vorige Woche auszahlte. Ebenso in den Austauschakten zwischen den verschiednen Bestandtheilen eines gesellschaftlichen Gesammtkapitals, z. B. zwischen Konsumtionsmitteln und den Produktionsmitteln von Konsumtions- mitteln. Das Geld zu ihrer Cirkulation muss, wie wir gesehn haben, von einem oder beiden der Austauschenden vorgeschossen werden. Es bleibt dann in Cirkulation, kehrt aber nach voll- endetem Austausch immer wieder zu dem zurück, der es vorschoss, da es von ihm über sein wirklich beschäftigtes industrielles Kapital hinaus vorgeschossen worden war (s. Buch II, 20. Kapitel). Bei entwickeltem Kreditwesen, wo sich das Geld in den Händen der Banken koncentrirt, sind sie es, wenigstens nominell, die es vor- schiessen. Dieser Vorschuss bezieht sich nur auf das in Cirku- lation befindliche Geld. Es ist Vorschuss von Cirkulation, nicht Vorschuss der Kapitale, die es cirkulirt.
Chapman: „5062. Es können Zeiten vorkommen, wo die Bank- noten in der Hand des Publikums einen sehr grossen Betrag aus- machen, und dennoch keine zu haben sind.“ Geld ist auch während der Panik da; aber jeder hütet sich wohl, es in leihbares Kapital, in leihbares Geld zu verwandeln; jeder hält es fest für wirkliches Zahlungsbedürfniss.
„5099. Die Banken in den ländlichen Bezirken schicken ihre unbeschäftigten Ueberschüsse an Sie und andre Londoner Häuser? — Jawohl. — 5100. Auf der andren Seite lassen die Fabrik- distrikte von Lancashire und Yorkshire Wechsel bei Ihnen dis- kontiren für ihre Geschäftszwecke? — Jawohl. — 5101. Sodass auf diesem Wege das überschüssige Geld eines Landestheils nutzbar gemacht wird für die Anforderungen eines andern Landestheils? — Ganz richtig.“
Chapman sagt, die Sitte der Banken, ihr überschüssiges Geld- kapital für kürzere Zeit im Ankauf von Konsols und Schatz- scheinen anzulegen, habe in der letzten Zeit sehr abgenommen, seitdem es Gebrauch geworden sei, dies Geld at call (von Tag zu Tag, jederzeit rückforderbar) auszuleihn. Er selbst hält den An- kauf solcher Papiere für sein Geschäft für höchst unzweckmäßig. Er legt es desshalb in guten Wechseln an, von denen täglich ein Theil verfällt, sodass er stets weiss auf wieviel flüssiges Geld er jeden Tag zu rechnen hat. [5001—5005.] —
Selbst das Wachsen der Ausfuhr stellt sich mehr oder weniger für jedes Land, zumeist aber für das Land, das Kredit gibt, als wachsende Anforderung auf den inländischen Geldmarkt dar, die aber erst in Zeiten der Klemme als solche gefühlt wird. In Zeiten wo die Ausfuhr zunimmt, werden gegen Konsignationen brittischer Fabrikate in der Regel langsichtige Wechsel von Fabrikanten auf den Exportkaufmann gezogen. (5126.) „5127. Ist es nicht häufig der Fall, dass ein Uebereinkommen existirt, dass diese Wechsel von Zeit zu Zeit erneuert werden? — [Chapman.] Dies ist eine Sache, die sie uns geheimhalten; wir würden keinen Wechsel derart zulassen. … Es mag sicherlich geschehn, aber ich kann über etwas derartiges nichts sagen.“ [Der unschuldige Chapman.] — „5123. Wenn eine grosse Zunahme der Ausfuhr stattfindet, wie allein im letzten Jahr von 20 Mill. £, führt das nicht von selbst zu einer grossen Nachfrage nach Kapital für den Diskonto von Wechseln, die diese Ausfuhren vorstellen? — Unzweifelhaft. — 5130. Da England in der Regel dem Ausland für alle seine Aus- fuhren Kredit gibt, würde das nicht die Absorption eines ent-
sprechenden Zusatzkapitals bedingen, für die Zeit wo dies dauert? — England gibt einen ungeheuren Kredit; aber dagegen nimmt es Kredit für seine Rohstoffe. Man zieht auf uns von Amerika immer auf 60 Tage, und von andern Gegenden auf 90 Tage. Auf der andern Seite geben wir Kredit; wenn wir Waaren nach Deutsch- land schicken, geben wir 2 oder 3 Monate.“
Wilson fragt Chapman (5131), ob gegen diese importirten Roh- stoffe und Kolonialwaaren nicht gleichzeitig mit deren Verladung bereits Wechsel auf England gezogen werden, und ob sie nicht schon selbst gleichzeitig mit den Ladescheinen ankommen? Chap- man glaubt so, weiss nichts von diesen „kaufmännischen“ Ge- schäften, man solle kundigere Leute fragen. — Im Export nach Amerika, sagt Chapman, würden „die Waaren im Transit symbo- lisirt“; dies Kauderwelsch soll heissen, dass der englische Export- kaufmann gegen die Waaren auf eins der grossen amerikanischen Bankhäuser in London Viermonatswechsel zieht, und das Bankhaus von Amerika Deckung erhält.
„5136. Werden nicht in der Regel die Geschäfte nach weit entlegnen Ländern durch den Kaufmann geführt, der auf sein Kapital wartet, bis die Waaren verkauft sind? — Es mag Häuser von grossem Privatreichthum geben, die im Stande sind ihr eignes Kapital auszulegen, ohne Vorschüsse auf die Waaren zu nehmen; aber diese Waaren werden meistens in Vorschüsse verwandelt durch die Accepte wohlbekannter Firmen. — 5137. Diese Häuser sind etablirt … in London, Liverpool und anderswo. — 5138. Es macht also keinen Unterschied, ob der Fabrikant sein eignes Geld hergeben muss, oder ob er einen Kaufmann in London oder Liverpool bekommt, der es vorschiesst; es bleibt immer ein in England gemachter Vorschuss? — Ganz richtig. Der Fabrikant hat nur in wenigen Fällen etwas damit zu thun“ [dagegen 1847 in fast allen Fällen]. „Ein Händler in Fabrikaten, z. B. in Man- chester, kauft Waaren und verschifft sie durch ein respektables Haus in London; sobald das Londoner Haus sich überzeugt hat, dass alles nach Uebereinkunft verpackt ist, zieht er Sechsmonats- wechsel auf das Londoner Haus gegen diese nach Indien, China, oder sonst wohin gehenden Waaren; dann kommt die Bankwelt herein und diskontirt ihm diese Wechsel; sodass um die Zeit, wo er für diese Waaren zu zahlen hat, er das Geld bereit liegen hat vermöge der Diskontirung jener Wechsel. — 5139. Aber wenn jener auch das Geld hat, so hat der Bankier es doch vorschiessen müssen? — Der Bankier hat den Wechsel; der Bankier
hat den Wechsel gekauft; er verwendet sein Bankkapital in dieser Form, nämlich im Diskontiren von Handelswechseln.“. [Also auch Chapman sieht das Diskontiren von Wechseln nicht als Vor- schuss an, sondern als Waarenkauf. — F. E.] — „5140. Aber das bildet doch immer einen Theil der Anforderungen an den Geldmarkt in London? — Unzweifelhaft; es ist das die wesent- liche Beschäftigung des Geldmarkts und der Bank von England. Die Bank von England ist ebenso froh diese Wechsel zu bekommen wie wir, sie weiss, dass sie eine gute Anlage sind. — 5141. Auf die Weise, wie das Exportgeschäft wächst, wächst auch die Nach- frage im Geldmarkt? — Im Maß wie die Prosperität des Landes wächst, nehmen wir“ [die Chapman’s] „mit Theil daran. — 5142. Wenn also diese verschiednen Felder der Kapitalanlage sich plötz- lich ausdehnen, so ist die natürliche Folge ein Steigen des Zins- fusses? — Kein Zweifel daran.“
5143 kann Chapman „nicht ganz begreifen, dass bei unsern grossen Ausfuhren wir so viel Verwendung für Gold hatten.“
5144 fragt der würdige Wilson: „Kann es nicht sein, dass wir grössre Kredite auf unsre Ausfuhr geben als wir auf unsre Ein- fuhr nehmen? — Ich selbst möchte diesen Punkt bezweifeln. Wenn jemand gegen seine nach Indien gesandten Manchester- Waaren acceptiren lässt, so können Sie nicht für weniger als 10 Monate acceptiren. Wir haben, und das ist ganz sicher, Amerika für seine Baumwolle bezahlen müssen, einige Zeit ehe Indien uns bezahlt; aber wie das wirkt, das zu untersuchen, ist ein ziemlich feiner Punkt. — 5145. Wenn wir, wie im vorigen Jahr, eine Zunahme der Ausfuhr von Manufakturwaaren von 20 Mill. £ hatten, so müssen wir doch vorher schon eine sehr be- deutende Zunahme der Einfuhr von Rohstoffen gehabt haben“ [und schon in dieser Weise ist Ueberexport identisch mit Ueber- import, und Ueberproduktion mit Ueberhandel] „um diese ver- mehrte Quantität von Waaren zu produciren? — Unzweifelhaft; wir müssen eine sehr beträchtliche Bilanz zu zahlen gehabt haben; d. h. die Bilanz muss während der Zeit gegen uns gewesen sein, aber auf die Dauer ist der Wechselkurs mit Amerika für uns, und wir haben seit längrer Zeit bedeutende Zufuhren vou Edelmetall von Amerika erhalten.“
5148 fragt Wilson den Erzwucherer Chapman, ob er seine hohen Zinsen nicht als Zeichen grosser Prosperität und hoher Profite betrachte. Chapman, offenbar erstaunt über die Naivität dieses Sykophanten, bejaht dies natürlich, ist jedoch aufrichtig genug,
folgende Klausel zu machen: „Es gibt einige, die sich nicht anders helfen können; sie haben Verpflichtungen zu erfüllen, und sie müssen sie erfüllen, ob es profitlich ist oder nicht; aber wenn er dauert“ [der hohe Zinsfuss] „würde er Prosperität anzeigen.“ Beide vergessen, dass er auch anzeigen kann, wie 1857 der Fall war, dass die fahrenden Ritter des Kredits das Land unsicher machen, die hohen Zins zahlen können, weil sie ihn aus fremder Tasche zahlen (dabei aber den Zinsfuss für alle bestimmen helfen) und inzwischen flott auf anticipirte Profite leben. Gleichzeitig kann grade dies übrigens für Fabrikanten u. s. w. ein wirklich sehr profitables Geschäft abwerfen. Die Rückflüsse werden durch das Vorschusssystem vollständig trügerisch. Dies erklärt auch folgendes, was mit Bezug auf die Bank v. E. keiner Erklärung bedarf, weil sie bei hohem Zinsfuss niedriger diskontirt als die andern.
„5156. Ich kann wohl sagen, sagt Chapman, dass unsre Dis- kontobeträge im gegenwärtigen Augenblick, wo wir für so lange Zeit einen hohen Zinsfuss hatten, auf ihrem Maximum sind.“ [Dies sagte Chapman am 21. Juli 1857, ein paar Monate vor dem Krach.] „5157. 1852“ [wo der Zins niedrig] „waren sie bei weitem nicht so gross.“ Weil in der That damals das Geschäft noch viel ge- sunder war.
„5159. Wenn eine grosse Geldüberflutung auf dem Markt wäre … und der Bankdiskonto niedrig, würden wir eine Abnahme von Wechseln haben … 1852 waren wir in einer ganz andern Phase. Die Ausfuhren und Einfuhren des Landes waren damals gar nichts verglichen mit heute. — 5161. Unter dieser hohen Dis- kontorate sind unsre Diskontirungen ebenso gross wie 1854.“ [Wo der Zins 5—5½ %.]
Höchst amüsant ist im Zeugenverhör des Chapman, wie diese Leute in der That das Geld des Publikums als ihr Eigenthum betrachten, und ein Recht zu haben glauben auf stete Konver- tibilität der von ihnen diskontirten Wechsel. Die Naivetät in den Fragen und Antworten ist gross. Es wird Pflicht der Gesetz- gebung, die von grossen Häusern acceptirten Wechsel immer kon- vertibel zu machen; dafür zu sorgen, dass die Bank von England sie unter allen Umständen den billbrokers wieder weiter diskontirt. Und dabei fallirten 1857 drei solcher billbrokers mit ungefähr 8 Millionen, und einem gegen diese Schulden verschwindenden eignen Kapital. — „5177. Wollen Sie damit sagen, dass nach Ihrer Meinung sie [Accepte von Barings oder Loyds] zwangsmäßig dis- kontirbar sein sollten, in der Art wie eine Note der Bank von
England jetzt zwangsmäßig gegen Gold einwechselbar ist? — Ich bin der Ansicht, dass es eine sehr beklagenswerthe Sache sein würde, wenn sie nicht diskontirbar wären; eine höchst ausserordent- liche Lage, dass ein Mann die Zahlungen einstellen müsste, weil er Accepte von Smith, Payne & Co. oder Jones, Loyd & Co. besitzt und sie nicht diskontiren kann. — 5178. Ist nicht das Accept von Baring’s eine Verpflichtung, eine gewisse Summe Geldes zu zahlen, wenn der Wechsel verfällt? — Das ist ganz richtig; aber die Herren Baring, wenn sie eine solche Verpflichtung übernehmen, wie jeder Kaufmann, wenn er eine solche Verpflichtung übernimmt, denken nicht im Traum daran, dass sie das werden in Sovereigns bezahlen müssen; sie rechnen darauf, dass sie es im Clearing House bezahlen werden. — 5180. Meinen Sie dann, es müsse eine Art Maschinerie erdacht werden, vermittelst deren das Publikum ein Recht hätte, Geld zu empfangen vor Verfall des Wechsels dadurch dass jemand anders ihn diskontiren müsste? — Nein, nicht vom Acceptanten; aber wenn Sie damit meinen, dass wir nicht die Möglichkeit haben sollen, kommercielle Wechsel dis- kontirt zu bekommen, dann müssen wir die ganze Verfassung der Dinge ändern. — 5182. Sie glauben also er [ein Handelswechsel] müsste in Geld konvertibel sein, genau so wie eine Note der Bank von England in Gold konvertibel sein muss? — Ganz entschieden, unter gewissen Umständen. — 5184. Sie glauben also, dass die Einrichtungen der currency so gestaltet werden müssten, dass ein Handelswechsel von unbezweifelter Solidität zu allen Zeiten ebenso leicht gegen Geld umwechselbar wäre wie eine Banknote? — Das glaube ich. — 5185. Sie gehn nicht soweit zu sagen, dass, sei es die Bank von England, sei es irgend jemand anders, gesetzlich gezwungen werden sollte ihn einzuwechseln? — Ich gehe aller- dings soweit zu sagen, dass wenn wir ein Gesetz zur Regelung der currency machen, wir Vorkehrungen treffen sollten die Mög- lichkeit zu verhindern, dass eine Inkonvertibilität der inländischen Handelswechsel eintritt, soweit diese Wechsel unbezweifelt solid und legitim sind.“ — Dies ist die Konvertibilität des Handels- wechsels gegen die Konvertibilität der Banknote.
„5189. Die Geldhändler des Landes repräsentiren thatsächlich nur das Publikum“ — wie Herr Chapman später vor den Assisen im Fall Davison. Siehe die Great City Frauds.
„5196. Während der Quartalzeiten“ [wenn die Dividenden ge- zahlt werden] „ist es … absolut nöthig, dass wir uns an die Bank von England wenden. Wenn Sie aus der Cirkulation 6 oder
7 Millionen Staatseinkommen in Anticipation der Dividenden her- ausnehmen, so muss irgend jemand da sein, der diesen Betrag in der Zwischenzeit zur Verfügung stellt.“ — [In diesem Fall handelt es sich also um Zufuhr von Geld, nicht von Kapital oder Leihkapital.]
„5169. Jeder der unsre Handelswelt kennt, muss wissen, dass wenn wir in einer solchen Lage sind, dass Schatzscheine unver- käuflich werden, dass Obligationen der ostindischen Kompagnie vollkommen nutzlos sind, dass man die besten Handelswechsel nicht diskontiren kann, eine grosse Besorgniss herrschen muss bei denen, deren Geschäft sie in den Fall bringt, auf einfaches Ver- langen augenblicklich Zahlungen im landesüblichen Cirkulations- mittel zu machen, und dies ist der Fall mit allen Bankiers. Die Wirkung davon ist dann, dass jedermann seine Reserve verdoppelt. Nun sehn Sie mal, was die Wirkung davon im ganzen Lande ist, wenn jeder Landbankier, deren es ungefähr 500 gibt, seinen Lon- doner Korrespondenten zu beauftragen hat, ihm 5000 £ in Bank- noten zu remittiren. Selbst wenn wir eine so kleine Summe als Durchschnitt nehmen, was schon ganz absurd ist, kommen wir auf 2½ Mill. £, die der Cirkulation entzogen werden. Wie sollen die ersetzt werden?“
Andrerseits wollen die Privatkapitalisten etc., die Geld haben, es zu keinem Zins hergeben, denn sie sagen nach Chapman: „5194. Wir wollen lieber gar keine Zinsen haben, als im Zweifel sein, ob wir das Geld bekommen können, falls wir es brauchen.“
„5173. Unser System ist dies: Wir haben 300 Mill. £ Ver- pflichtungen, deren Bezahlung in laufender Landesmünze in einem einzigen gegebnen Moment verlangt werden kann; und diese Landes- münze, wenn wir sie alle darauf verwenden, beträgt 23 Mill. £, oder wie viel es sein mag; ist das nicht ein Zustand, der uns jeden Augenblick in Konvulsionen werfen kann?“ Daher in den Krisen der plötzliche Umschlag des Kreditsystems in das Monetarsystem.
Abgesehn von der inländischen Panik in den Krisen, kann von Quantität des Geldes nur die Rede sein, soweit es Metall betrifft, das Weltgeld. Und grade dies schliesst Chapman aus, er spricht nur von 23 Mill. Banknoten.
Derselbe Chapman: „5218. Die ursprüngliche Ursache der Störung im Geldmarkt“ [April und später Oktober 1847] „war unbezweifelt in der Menge des Geldes, das erforderlich war um die Wechselkurse zu reguliren, in Folge der ausserordentlichen Ein- fuhren des Jahres.“
Erstens war dieser Schatz des Weltmarktsgeldes damals auf sein
Minimum reducirt. Zweitens diente er zugleich als Sicherheit für die Konvertibilität des Kreditgeldes, der Banknoten. Er vereinigte so zwei ganz verschiedne Funktionen, die aber beide aus der Natur des Geldes hervorgehn, da das wirkliche Geld stets Weltmarkts- geld ist, und das Kreditgeld stets auf dem Weltmarktsgeld beruht.
1847, ohne Suspension des Bankakts von 1844, „hätten die Clearing Houses ihre Geschäfte nicht erledigen können.“ (5221.)
Dass Chapman doch eine Ahnung der bevorstehenden Krise hatte: „5236. Es gibt gewisse Lagen des Geldmarktes (und die gegenwärtige ist nicht sehr entfernt davon), wo Geld sehr schwierig ist, und man zur Bank seine Zuflucht nehmen muss.
„5239. Was die Summen angeht, die wir von der Bank ent- nahmen am Freitag, Samstag und Montag, den 19., 20. und 22. Oktober 1847, so wären wir nur zu dankbar gewesen am folgenden Mittwoch, hätten wir die Wechsel zurückbekommen können; das Geld floss augenblicklich zu uns zurück, sobald die Panik vorüber war.“ — Am Dienstag 23. Oktober wurde nämlich der Bankakt suspendirt und die Krise war damit gebrochen.
Chapman glaubt 5274, dass die gleichzeitig auf London schwe- benden Wechsel 100—120 Mill. £ betragen. Dies begreift nicht die Lokalwechsel auf Provinzialplätze.
„5287. Während im Oktober 1856 der Notenbetrag in den Händen des Publikums auf 21155000 £ stieg, war doch eine ganz ausserordentliche Schwierigkeit Geld zu bekommen; trotzdem dass das Publikum so viel in der Hand hatte, konnten wir es nicht in die Finger bekommen.“ Nämlich in Folge der Besorgnisse, er- zeugt durch die Klemme, in der sich die Eastern Bank eine Zeit lang (März 1856) befunden hatte.
5190—92. Sobald die Panik einmal vorüber, „fangen alle Ban- kiers, die ihren Profit aus dem Zins machen, sofort an ihr Geld zu beschäftigen.“
5302. Chapman erklärt die Beunruhigung bei Abnahme der Bankreserve nicht aus Furcht wegen der Depositen, sondern weil alle diejenigen, die grosse Geldsummen plötzlich zu zahlen in den Fall kommen können, sehr wohl wissen, dass sie zur Bank als letzter Hülfsquelle bei Klemme im Geldmarkt getrieben werden können; und „wenn die Bank eine sehr kleine Reserve hat, ist sie nicht erfreut, uns zu empfangen, im Gegentheil.“
Es ist übrigens schön, wie die Reserve als faktische Grösse ver- schwindet. Die Bankiers halten ein Minimum für ihr laufendes Geschäft theils bei sich, theils bei der Bank von England. Die
billbrokers halten das „lose Bankgeld des Landes“ ohne Reserve. Und die Bank v. E. hat gegen ihre Depositenschulden nur die Reserve der Bankiers und anderer, nebst public deposits etc., die sie auf den niedrigsten Punkt kommen lässt, z. B. bis auf 2 Mill. Ausser diesen 2 Mill. Papier hat daher dieser ganze Schwindel, in Zeiten der Klemme (und diese vermindert die Reserve, weil die Noten, die gegen abfliessendes Metall eingehn, annullirt werden müssen) absolut keine andre Reserve als den Metallschatz, und daher steigert jede Verminderung desselben durch Goldabfluss die Krise.
„5306. Wenn kein Geld vorhanden wäre, um die Ausgleichungen im Clearing House zu erledigen, so sehe ich nicht, dass uns etwas andres übrig bliebe als zusammen zu kommen, und unsre Zah- lungen in Primawechseln zu machen, Wechseln auf das Schatzamt, Smith, Payne & Co. etc. — 5307. Also, falls die Regierung er- mangelte, Sie mit Cirkulationsmittel zu versehn, würden Sie eins für sich selbst schaffen? — Was können wir thun? Das Publikum kommt herein und nimmt uns das Cirkulationsmittel aus der Hand; es existirt nicht. — 5308. Sie würden also bloss das in London thun, was man in Manchester jeden Tag thut? — Jawohl.“
Sehr gut ist die Antwort Chapman’s auf die Frage, die Cayley (Birmingham-man der Attwoodschen Schule) mit Bezug auf Over- stone’s Vorstellung von Kapital stellt: „5315. Es ist vor dem Komité ausgesagt worden, dass in einer Klemme wie die von 1847, man sich nicht nach Geld umsieht, sondern nach Kapital; was ist Ihre Meinung darüber? — Ich verstehe Sie nicht; wir handeln nur in Geld; ich verstehe nicht, was Sie damit meinen. — 5316. Wenn Sie darunter“ [kommercielles Kapital] „die Menge des ihm selbst gehörigen Geldes verstehn, das ein Mann in seinem Geschäft hat, wenn Sie das Kapital nennen, so bildet das meistens einen sehr geringen Theil des Geldes, womit er in seinen Ge- schäften wirthschaftet, vermittelst des Kredits, den ihm das Publikum gibt“ — durch die Vermittlung der Chapmans.
„5339. Ist es Mangel an Reichthum, dass wir unsre Baar- zahlungen suspendiren? — Keineswegs; … wir haben keinen Mangel an Reichthum, sondern wir bewegen uns unter einem höchst künstlichen System, und wenn wir eine ungeheure drohende (super- incumbent) Nachfrage nach unserm Cirkulationsmittel haben, so mögen Umstände eintreten, die uns verhindern, dieses Cirkulations- mittels habhaft zu werden. Soll deswegen die ganze kommercielle Industrie des Landes lahmgelegt werden? Sollen wir alle Zugänge der Beschäftigung zuschliessen? — 5338. Sollten wir vor die
Frage gestellt werden, was wir aufrecht erhalten wollen, die Baar- zahlungen oder die Industrie des Landes, so weiss ich, welches von beiden ich fallen liesse.“
Ueber Aufschatzung von Banknoten „mit der Absicht die Klemme zu verschärfen, und von den Folgen Nutzen zu ziehn“ [5358] sagt er, dass dies sehr leicht geschehn kann. Drei grosse Banken würden dazu hinreichen. „5383. Muss es Ihnen nicht bekannt sein, als einem mit den grossen Geschäften unsrer Hauptstadt vertrauten Mann, dass Kapitalisten diese Krisen benutzen, um enorme Profite zu machen aus dem Ruin derjenigen, die zum Opfer fallen? — Daran kann kein Zweifel sein.“ Und Herrn Chapman dürfen wir dies glauben, obwohl er schliesslich über dem Versuch „aus dem Ruin der Opfer enorme Profite zu machen,“ kommerciell den Hals gebrochen hat. Denn wenn sein Associé Gurney sagt: jede Aen- derung im Geschäft ist vortheilhaft für den, der Bescheid weiss, so sagt Chapman: „Der eine Theil der Gesellschaft weiss nichts vom andern; da ist z. B. der Fabrikant, der nach dem Kontinent exportirt, oder seinen Rohstoff importirt, er weiss nichts von dem andern, der in Goldbarren macht.“ (5046). Und so geschah es, dass eines Tags Gurney und Chapman selbst nicht „Bescheid wussten“ und einen berüchtigten Bankerott machten.
Wir sahen schon oben, dass Ausgabe von Noten nicht in allen Fällen Vorschuss von Kapital bedeutet. Die jetzt folgende Aus- sage von Tooke vor dem C. D. Ausschuss der Lords 1848 beweist nur, dass Kapitalvorschuss, selbst wenn von der Bank durch Aus- gabe neuer Noten bewerkstelligt, nicht ohne weiteres eine Ver- mehrung der Menge der umlaufenden Noten bedeutet:
„3099. Glauben Sie, dass die B. v. E. z. B. ihre Vorschüsse bedeutend erweitern könne, ohne dass dies zu vermehrter Noten- ausgabe führte? — Es liegen Thatsachen im Ueberfluss vor, die dies beweisen. Eins der schlagendsten Beispiele war 1835, wo die Bank von den westindischen Depositen und von der Anleihe bei der ostindischen Kompagnie Gebrauch machte zu vermehrten Vor- schüssen ans Publikum; da nahm zur selben Zeit der Notenbetrag in den Händen des Publikums thatsächlich etwas ab. … Etwas ähnliches ist bemerkbar 1846 zur Zeit der Einzahlungen der Eisen- bahndepositen in die Bank; die Werthpapiere [in Diskonto und Depôt] stiegen auf ungefähr 30 Mill., während keine merkliche Wirkung eintrat auf den Notenbetrag in der Hand des Publikums.“
Neben den Banknoten aber hat der Grosshandel ein zweites und für ihn weit wichtigeres Cirkulationsmittel: die Wechsel. Herr
Chapman hat uns gezeigt, wie wesentlich es ist für einen regel- mäßigen Geschäftsgang, dass gute Wechsel überall und unter allen Umständen in Zahlung genommen werden: gilt nicht mehr der Tausves Jontof, was soll gelten, Zeter, Zeter! Wie verhalten sich nun diese beiden Umlaufsmittel zu einander?
Gilbart sagt hierüber: „Die Beschränkung des Betrags der Noten- cirkulation vermehrt regelmäßig den Betrag der Wechselcirkulation. Die Wechsel sind zweierlei Art — Handelswechsel und Bankier- wechsel — … wird das Geld selten, so sagen die Geldverleiher: „Ziehen Sie auf uns und wir werden acceptiren,“ und wenn ein Provinzialbankier einem Kunden einen Wechsel diskontirt, so gibt er ihm nicht baares Geld, sondern seine eigne Tratte für 21 Tage auf seinen Londoner Agenten. Diese Wechsel dienen als ein Cir- kulationsmittel.“ (G. W. Gilbart, An Inquiry into the Causes of the Pressure etc. p. 31.)
Dies wird, in etwas modificirter Form, bestätigt durch Newmarch, B. A. 1857, No. 1426:
„Es besteht kein Zusammenhang zwischen den Schwankungen im Betrag der cirkulirenden Wechsel und denen in den cirku- lirenden Banknoten … das einzige ziemlich gleichmäßige Resultat ist … dass sobald die geringste Klemme im Geldmarkt eintritt, wie eine Steigerung der Diskontrate sie anzeigt, der Umfang der Wechselcirkulation bedeutend vermehrt wird und umgekehrt.“
Die in solchen Zeiten gezognen Wechsel sind aber keineswegs nur die kurzen Bankwechsel, die Gilbart erwähnt. Im Gegentheil; es sind zum grossen Theil Akkommodationswechsel, die gar kein wirkliches Geschäft repräsentiren oder nur Geschäfte, die bloss ein- geleitet wurden um darauf hin Wechsel ziehen zu können; von beidem haben wir Beispiele genug gegeben. Daher sagt der Economist (Wilson), die Sicherheit solcher Wechsel vergleichend mit der der Banknoten: „Bei Vorzeigung zahlbare Banknoten können nie im Uebermass draussen bleiben, weil das Uebermaß immer zur Bank zur Auswechslung zurückfliessen würde, während Zweimonats-Wechsel in grossem Uebermaß ausgegeben werden können, da es kein Mittel gibt, die Ausgabe zu kontroliren, bis sie verfallen, wo sie dann vielleicht schon wieder durch andre er- setzt sind. Dass eine Nation die Sicherheit der Cirkulation von Wechseln, zahlbar an einem künftigen Termin, zugeben, dagegen aber Bedenken erheben sollte gegen eine Cirkulation von Papier- geld, zahlbar bei Vorzeigung, ist für uns vollständig unbegreiflich“. (Economist, 1847. p. 572.)
Die Menge der cirkulirenden Wechsel ist also, wie die der Banknoten, lediglich bestimmt durch die Bedürfnisse des Verkehrs; in gewöhnlichen Zeiten cirkulirten in den fünfziger Jahren im Ver- einigten Königreich neben 39 Mill. Banknoten ungefähr 300 Mill. Wechsel, davon 100—120 Mill. auf London allein. Der Umfang, worin die Wechsel cirkuliren, hat keinen Einfluss auf den Umfang der Notencirkulation, und wird von diesem letzteren beeinflusst nur in Zeiten der Geldknappheit, wo die Quantität der Wechsel zu- nimmt und ihre Qualität sich verschlechtert. Endlich, im Moment der Krise, versagt die Wechselcirkulation gänzlich; kein Mensch kann Zahlungsversprechen brauchen, da jeder nur Baarzahlung nehmen will; nur die Banknote bewahrt, wenigstens bis jetzt in England, die Umlaufsfähigkeit, da die Nation mit ihrem Gesammt- reichthum hinter der Bank von England steht.
Wir haben gesehn, wie selbst Herr Chapman, der doch 1857 selbst ein Magnat auf dem Geldmarkt war, sich bitter darüber be- klagt, dass es in London mehrere grosse Geldkapitalisten gebe, stark genug um in einem gegebnen Moment den ganzen Geldmarkt in Unordnung zu bringen und dadurch die kleineren Geldhändler schmählichst zu schröpfen. So gebe es mehrere solche grosse Haifische, die eine Klemme bedeutend verschärfen könnten, indem sie 1—2 Millionen Konsols verkauften und dadurch einen gleichen Betrag von Banknoten (und gleichzeitig von disponiblem Leih- kapital) aus dem Markt nähmen. Durch ein gleiches Manöver eine Klemme in eine Panik zu verwandeln, dazu würde das Zu- sammenwirken dreier grosser Banken hinreichen.
Die grösste Kapitalmacht in London ist natürlich die Bank von England, die aber durch ihre Stellung als halbes Staatsinstitut in die Unmöglichkeit versetzt ist, ihre Herrschaft in so brutaler Weise kund zu thun. Trotzdem weiss auch sie Mittel und Wege genug — namentlich seit dem Bankakt von 1844 — wie sie ihr Schäfchen ins Trockne bringt.
Die Bank von England hat ein Kapital von 14553000 £, und verfügt ausserdem über circa 3 Millionen £ „Rest“, d. h. unver- theilte Profite, sowie über alle bei der Regierung für Steuern etc. eingehenden Gelder, die bei ihr deponirt werden müssen, bis sie gebraucht werden. Rechnet man hierzu noch die Summe der sonstigen Depositengelder (in gewöhnlichen Zeiten etwa 30 Mill. £) und der ungedeckt ausgegebnen Banknoten, so wird man Newmarch’s Schätzung noch ziemlich mäßig finden, wenn dieser (B. A. 1857
No. 1889) sagt: „ich habe mich überzeugt, dass die Gesammt- summe der fortwährend im [Londoner] Geldmarkt beschäftigten Fonds auf ungefähr 120 Mill. £ angeschlagen werden kann; und von diesen 120 Millionen verfügt die Bank v. E. über einen sehr bedeutenden Theil, gegen 15—20 %.“
Soweit die Bank Noten ausgibt, die nicht durch den Metall- schatz in ihren Gewölben gedeckt sind, kreirt sie Werthzeichen, die nicht nur Umlaufsmittel, sondern auch zusätzliches — wenn auch fiktives — Kapital für sie bilden zum Nominalbetrag dieser ungedeckten Noten. Und dies Zusatzkapital wirft ihr einen zusätzlichen Profit ab. — B. A. 1857, fragt Wilson den Newmarch: „1563. Die Cirkulation der eignen Banknoten einer Bank, d. h. der durchschnittlich in den Händen des Publikums verbleibende Betrag, bildet einen Zusatz zum effektiven Kapital jener Bank, nicht wahr? — Ganz gewiss. — 1564. Aller Profit also, den die Bank aus dieser Cirkulation zieht, ist ein Profit; der vom Kredit, und nicht von einem von ihr wirklich besessenen Kapital herstammt? — Ganz gewiss.“
Dasselbe gilt natürlich auch für die Noten ausgebenden Privat- banken. In seinen Antworten No. 1866—68 betrachtet Newmarch zweidrittel aller von diesen ausgegebnen Banknoten (für das letzte Drittel müssen diese Banken Metallreserve halten) als „Schöpfung von so viel Kapital“ weil Hartgeld zu diesem Betrag erspart wird. Der Profit des Bankiers mag deshalb nicht grösser sein als der Profit andrer Kapitalisten. Die Thatsache bleibt, dass er den Profit zieht aus dieser nationalen Ersparung von Hartgeld. Dass eine nationale Ersparung als Privatprofit erscheint, choquirt gar nicht den bürgerlichen Oekonomen, da der Profit überhaupt Aneignung nationaler Arbeit ist. Gibt es etwas Verrückteres als z. B. die Bank von England 1797—1817, deren Noten nur durch den Staat Kredit haben, und die sich dann vom Staat, also vom Publikum, in der Form von Zinsen für Staatsanleihen, bezahlen lässt für die Macht, die der Staat ihr gibt, diese selben Noten aus Papier in Geld zu verwandeln und sie dann dem Staat zu leihen?
Die Banken haben übrigens noch andre Mittel Kapital zu kreiren. Nach demselben Newmarch haben die Provinzialbanken, wie schon oben erwähnt, die Gepflogenheit, ihre überflüssigen Fonds (d. h. Noten der B. v. E.) an Londoner billbrokers zu schicken, die ihnen dagegen diskontirte Wechsel zurückschicken. Mit diesen Wechseln bedient die Bank ihre Kunden, da es Regel für sie ist, die von
ihren Lokalkunden empfangnen Wechsel nicht wieder auszugeben, damit nicht die Geschäftsoperationen dieser Kunden in ihrer eignen Nachbarschaft bekannt werden. Diese von London erhaltnen Wechsel dienen nicht nur dazu, an Kunden ausgegeben zu werden, die direkt Zahlungen in London zu machen haben, falls diese nicht vorziehn sich von der Bank eine eigne Anweisung auf London ausstellen zu lassen; sie dienen auch zur Erledigung von Zahlungen in der Provinz, denn das Endossement des Bankiers sichert ihnen den lokalen Kredit. Sie haben so, z. B. in Lancashire, alle eignen Noten von Lokalbanken und einen grossen Theil der Bank v. E. Noten aus der Cirkulation verdrängt. (ibidem, 1568—74.)
Wir sehn hier also, wie die Banken Kredit und Kapital kreiren: 1) durch Ausgabe eigner Banknoten; 2) durch Ausstellung von An- weisungen auf London mit bis zu 21 Tagen Laufzeit, die ihnen aber bei Ausstellung gleich baar bezahlt werden; 3) durch Wegzahlung diskontirter Wechsel, deren Kreditfähigkeit zunächst und wesentlich, wenigstens für den betreffenden Lokalbezirk, durch das Endossement der Bank hergestellt wurde.
Die Macht der Bank von England zeigt sich in ihrer Regu- lirung der Marktrate des Zinsfusses. In Zeiten normalen Geschäfts- verlaufs kann es vorkommen, dass die Bank v. E. einem mäßigen Goldabfluss aus ihrem Metallschatz nicht durch Erhöhung der Dis- kontorate(FN12) einen Riegel vorschieben kann, weil der Bedarf an Zahlungsmitteln durch die Privat- und Aktienbanken und bill- brokers, die in den letzten dreissig Jahren bedeutend an Kapital- macht gewonnen, befriedigt wird. Sie hat dann andre Mittel an- zuwenden. Aber für kritische Momente gilt noch immer, was der Bankier Glyn (von Glyn, Mills, Currie & Co.) von dem C. D. 1848/57 aussagte: „1709. In Zeiten grosser Klemme im Lande komman- dirt die Bank v. E. den Zinsfuss. — 1710. In Zeiten ausseror- dentlicher Klemme … wenn die Diskontirungen der Privatbankiers oder Brokers verhältnissmäßig eingeschränkt werden, fallen sie auf
die Bank v. E., und dann hat sie die Macht, die Marktrate des Zinsfusses festzustellen.“
Allerdings darf sie, als öffentliches Institut unter Staatsschutz und mit Staatsprivilegien, diese ihre Macht nicht schonungslos aus- nutzen, wie die Privatgeschäfte sich dies erlauben dürfen. Desshalb sagt auch Hubbard vor dem Bankkomité B. A. 1857: „2844. [Frage:] Ist es nicht der Fall, dass wenn die Diskontorate am höchsten, dann die Bank von England am wohlfeilsten bedient, und wenn am niedrigsten, dann die Brokers am wohlfeilsten? — [Hubbard:] Das wird immer der Fall sein, denn die Bank v. E. geht nie so sehr herunter wie ihre Konkurrenten, und wenn die Rate am höchsten, geht sie nie ganz so hoch hinauf.“
Trotzdem aber ist es ein ernsthaftes Ereigniss im Geschäftsleben, wenn die Bank in Zeiten der Klemme, nach dem landläufigen Aus- druck, die Schraube anzieht, d. h. den schon über dem Durchschnitt stehenden Zinsfuss noch höher setzt. „Sobald die Bank v. E. die Schraube anzieht, hören alle Einkäufe für Ausfuhr ins Ausland auf … die Exporteure warten, bis die Depression der Preise den niedrigsten Punkt erreicht hat, und erst dann und nicht früher kaufen sie ein. Aber wenn dieser Punkt erreicht ist, sind die Kurse schon wieder geregelt — Gold hört auf exportirt zu werden, ehe dieser niedrigste Punkt der Depression erreicht ist. Waaren- käufe für Export können möglicherweise einen Theil des auswärts gesandten Goldes zurückbringen, aber sie kommen zu spät, den Abfluss zu verhindern.“ (G. W. Gilbart, An Inquiry into the Causes of the Pressure on the Money Market. London 1840. p. 37.) „Eine andre Wirkung der Regulirung des Cirkulationsmittels ver- mittelst der auswärtigen Wechselkurse ist, dass sie in Zeiten der Klemme einen enormen Zinsfuss herbeiführt.“ (l. c., p. 40.) „Die Kosten, die aus der Wiederherstellung der Wechselkurse entstehn, fallen auf die produktive Industrie des Landes, während im Ver- lauf dieses Processes der Profit der Bank v. E. positiv dadurch gesteigert wird, dass sie ihr Geschäft mit einem geringern Betrag von Edelmetall fortführt.“ (l. c., p. 52.)
Aber, sagt Freund Samuel Gurney, „diese grossen Schwankungen des Zinsfusses sind den Bankiers und Geldhändlern vortheilhaft — alle Schwankungen im Geschäft sind vortheilhaft für den, der Bescheid weiss.“ Und wenn auch die Gurneys den Rahm der rücksichtslosen Ausbeutung der Geschäftsnothlage abschöpfen, während die Bank v. E. sich dies nicht mit derselben Freiheit er- lauben darf, so fallen auch für sie ganz hübsche Profite ab —
von den Privatprofiten nicht zu sprechen, die den Herren Direk- toren, in Folge ihrer ausnahmsweisen Gelegenheit zur Kenntniss- nahme der allgemeinen Geschäftslage, von selbst in den Schooss fallen. Nach Angabe vor dem Lord’s Committee 1817 bei Wieder- aufnahme der Baarzahlungen, betrugen diese Profite der Bank von England für die gesammte Zeit von 1797—1817:
auf ein Kapital von 11642100 £ in 19 Jahren. (D. Hardcastle Banks and Bankers. 2nd ed. London 1843, p. 120.) Schätzen wir den Totalgewinn der Bank von Irland, die auch 1797 die Baar- zahlungen suspendirte, nach demselben Princip, so erhalten wir folgendes Resultat:
auf ein Kapital von 3 Mill. £ (ibidem, p. 163.)
Man spreche noch von Centralisation! Das Kreditsystem, das seinen Mittelpunkt hat in den angeblichen Nationalbanken und den grossen Geldverleihern und Wucherern um sie herum, ist eine enorme Centralisation, und gibt dieser Parasitenklasse eine fabel- hafte Macht, nicht nur die industriellen Kapitalisten periodisch zu decimiren, sondern auf die gefährlichste Weise in die wirkliche Produktion einzugreifen — und diese Bande weiss nichts von der Produktion und hat nichts mit ihr zu thun. Die Akte von 1844 und 45 sind Beweise der wachsenden Macht dieser Banditen, an die sich die Financiers und stockjobbers anschliessen.
Wenn aber noch jemand zweifelt, dass diese ehrbaren Banditen die nationale und internationale Produktion ausbeuten nur im In- teresse der Produktion und der Ausgebeuteten selbst, der wird sicher eines Bessern belehrt durch folgenden Exkurs über die hohe sittliche Würde des Bankiers: „Die Banketablissements sind religiöse und moralische Institutionen. Wie oft hat die Furcht, durch das wachsame und missbilligende Auge seines Bankiers gesehn zu werden, den jungen Handelsmann abgeschreckt von der Gesell- schaft lärmender und ausschweifender Freunde? Welche Angst
hat er, gut in der Achtung des Bankiers zu stehn, immer respek- tabel zu erscheinen! Das Stirnrunzeln des Bankiers hat mehr Ein- fluss auf ihn, als die Moralpredigten seiner Freunde; zittert er nicht im Verdacht zu stehn, sich einer Täuschung oder der kleinsten unrichtigen Aussage schuldig gemacht zu haben, aus Furcht, dies könne Verdacht erregen, und in Folge dessen könne seine Bank- akkomodation beschränkt oder gekündigt werden! Der Rath des Bankiers ist ihm wichtiger als der des Geistlichen.“ (G. M. Bell, schottischer Bankdirigent, The Philosophy of Joint Stock Banking. London 1840, p. 46, 47.)
[In einer frühern Schrift(FN13) ist die Theorie Ricardo’s über den Werth des Geldes im Verhältniss zu den Preisen der Waaren untersucht worden; wir können uns daher hier auf das Nöthigste beschränken. Nach Ricardo wird der Werth des — metallischen — Geldes bestimmt durch die in ihm vergegenständlichte Arbeitszeit, aber nur solange die Quantität des Geldes im richtigen Verhältniss steht zu Menge und Preis der umzusetzenden Waaren. Steigt die Quantität des Geldes über dies Verhältniss, so sinkt sein Werth, die Waarenpreise steigen; fällt sie unter das richtige Verhältniss, so steigt sein Werth, und die Waarenpreise fallen — bei sonst gleichbleibenden Umständen. Im ersten Fall wird das Land, wo dieser Ueberschuss von Gold besteht, das unter seinen Werth ge- sunkene Gold ausführen und Waaren einführen; im zweiten wird Gold hinströmen zu den Ländern, wo es über seinen Werth ge- schätzt wird, während die unterschätzten Waaren von dort zu andern Märkten fliessen, wo sie normale Preise erzielen können. Da unter diesen Voraussetzungen „das Gold selbst, sei es als Münze, sei es als Barre, Werthzeichen von grösserem oder ge- ringerem Metallwerth als seinem eignen werden kann, so versteht es sich, dass etwa cirkulirende konvertible Banknoten dasselbe Schicksal theilen. Obgleich die Banknoten konvertibel sind, also ihr Realwerth ihrem Nominalwerth entspricht, kann die Gesammt- masse des cirkulirenden Geldes, Gold und Noten (the aggregate
currency consisting of metal and of convertible notes) appreciirt oder depreciirt werden, je nachdem ihre Gesammtquantität, aus den vorher entwickelten Gründen, über oder unter das Niveau steigt oder fällt, das durch den Tauschwerth der cirkulirenden Waaren und den Metallwerth des Goldes bestimmt ist … Diese Depre- ciation, nicht des Papiers gegen Gold, sondern des Goldes und Papiers zusammengenommen, oder der gesammten Masse der Cir- kulationsmittel eines Landes, ist eine der Haupterfindungen Ricardo’s, die Lord Overstone & Co. in ihren Dienst pressten und zu einem Fundamentalprincip von Sir Robert Peel’s Bankgesetzgebung von 1844 und 1845 machten.“ (l. c. p. 155.)
Den an derselben Stelle geführten Nachweis von der Verkehrt- heit dieser Ricardoschen Theorie brauchen wir hier nicht zu wieder- holen. Uns interessirt nur die Art und Weise, wie Ricardo’s Lehr- sätze verarbeitet wurden von der Schule von Banktheoretikern, die die obigen Peelschen Bankakte diktirte.
„Die Handelskrisen während des 19. Jahrhunderts, namentlich die grossen Krisen von 1825 und 1836, riefen keine Fortentwick- lung, wohl aber neue Nutzanwendung der Ricardoschen Geldtheorie hervor. Es waren nicht mehr einzelne ökonomische Phänomene, wie bei Hume die Depreciation der edlen Metalle im 16. und 17. Jahrhundert, oder wie bei Ricardo die Depreciation des Papier- gelds während des 18. und im Anfang des 19. Jahrhunderts, sondern die grossen Weltmarktsungewitter, worin der Widerstreit aller Elemente des bürgerlichen Produktionsprocesses sich entladet, deren Ursprung und Abwehr innerhalb der oberflächlichsten und abstraktesten Sphäre dieses Processes, der Sphäre der Geldcirku- lation, gesucht wurden. Die eigentlich theoretische Voraussetzung, wovon die Schule der ökonomischen Wetterkünstler ausgeht, be- steht in der That in nichts andrem als dem Dogma, dass Ricardo die Gesetze der rein metallischen Cirkulation entdeckt hat. Was ihnen zu thun übrig blieb, war die Unterwerfung der Kredit- oder Banknotencirkulation unter diese Gesetze.
„Das allgemeinste und sinnfälligste Phänomen der Handelskrisen ist plötzlicher, allgemeiner Fall der Waarenpreise, folgend auf ein längeres, allgemeines Steigen derselben. Allgemeiner Fall der Waarenpreise kann ausgedrückt werden als Steigen im relativen Werth des Geldes, verglichen mit allen Waaren, und allgemeines Steigen der Preise umgekehrt als Fallen des relativen Werths des Geldes. In beiden Ausdrucksweisen ist das Phänomen ausgesprochen, nicht erklärt. … Die verschiedene Phraseologie lässt die Aufgabe
ebenso unverändert. wie es ihre Uebersetzung aus der deutschen in die englische Sprache thun würde. Ricardo’s Geldtheorie kam daher ungemein gelegen, da sie einer Tautologie den Schein eines Kausalverhältnisses gibt. Woher das periodische allgemeine Fallen der Waarenpreise? Vom periodischen Steigen des relativen Werths des Geldes. Woher umgekehrt das periodische, allgemeine Steigen der Waarenpreise? Von einem periodischen Fall im relativen Werth des Geldes. Es könnte ebenso richtig gesagt werden, dass das periodische Steigen und Fallen der Preise von ihrem periodischen Steigen und Fallen herrührt … Die Verwandlung der Tautologie in ein Kausalverhältniss einmal zugegeben ergibt sich alles andre mit Leichtigkeit. Das Steigen der Waarenpreise entspringt aus dem Fallen des Werths des Geldes. Das Fallen des Geldwerths aber, wie wir von Ricardo wissen, aus übervoller Cirkulation, d. h. daher dass die Masse des cirkulirenden Geldes über das, durch seinen eignen immanenten Werth und die immanenten Werthe der Waaren bestimmte Niveau steigt. Ebenso umgekehrt das all- gemeine Fallen der Waarenpreise aus dem Steigen des Geldwerths über seinen immanenten Werth in Folge einer untervollen Cirku- lation. Die Preise steigen und fallen also periodisch, weil periodisch zu viel oder zu wenig Geld cirkulirt. Wird nun etwa nachge- wiesen, dass das Steigen der Preise mit einer verminderten Geld- cirkulation, und das Fallen der Preise mit einer vermehrten Cir- kulation zusammenfiel, so kann trotzdem behauptet werden, in Folge irgend einer, wenn auch statistisch durchaus unnachweis- baren, Verminderung oder Vermehrung der cirkulirenden Waaren- masse sei die Quantität des cirkulirenden Geldes, obgleich nicht absolut, doch relativ vermehrt oder vermindert worden. Wir sahen nun, dass nach Ricardo diese allgemeinen Schwankungen der Preise auch bei einer rein metallischen Cirkulation stattfinden müssen, sich aber durch ihre Abwechslung ausgleichen, indem z. B. unter- volle Cirkulation das Fallen der Waarenpreise, Ausfuhr der Waaren ins Ausland, diese Ausfuhr aber Einfuhr von Gold ins Inland, dieser Einfluss von Geld aber wieder Steigen der Waarenpreise hervorruft. Umgekehrt bei einer übervollen Cirkulation, wo Waaren importirt und Gold exportirt werden. Da nun trotz dieser, aus der Natur der Ricardoschen Metallcirkulation selbst entsprin- genden, allgemeinen Preisschwankungen ihre heftige und gewalt- same Form, ihre Krisenform, den Perioden entwickelten Kredit- wesens angehört, so wird es sonnenklar, dass die Ausgabe von Banknoten nicht exakt nach den Gesetzen der metallischen Cirku-
lation regulirt wird. Die metallische Cirkulation besitzt ihr Heil- mittel im Import und Export der edlen Metalle, die sofort als Münze in Umlauf treten, und so durch ihren Einfluss oder Aus- fluss die Waarenpreise fallen oder steigen machen. Dieselbe Wirkung auf die Waarenpreise muss nun künstlich durch Nach- ahmung der Gesetze der Metallcirkulation von den Banken her- vorgebracht werden. Fliesst Geld vom Ausland ein, so ist das ein Beweis, dass die Cirkulation untervoll ist, der Geldwerth zu hoch und die Waarenpreise zu niedrig stehn, und folglich Bank- noten im Verhältniss zu dem neu importirten Gold in Cirkulation geworfen werden müssen. Sie müssen umgekehrt der Cirkulation entzogen werden, im Verhältniss wie Gold aus dem Land aus- strömt. In andern Worten, die Ausgabe von Banknoten muss regulirt werden nach dem Import und Export der edlen Metalle oder nach dem Wechselkurs. Ricardo’s falsche Voraussetzung, dass Gold nur Münze ist, daher alles importirte Gold das um- laufende Geld vermehrt, und darum die Preise steigen macht, alles exportirte Gold die Münze vermindert und darum die Preise fallen macht, diese theoretische Voraussetzung wird hier zum prak- tischen Experiment, soviel Münze cirkuliren zu machen als jedesmal Gold vorhanden ist. Lord Overstone (Banquier Jones Loyd), Oberst Torrens, Norman, Clay, Arbuthnot und eine Anzahl andrer Schriftsteller, in England bekannt unter dem Namen der Schule des „Currency Principle“, haben diese Doktrin nicht nur gepredigt, sondern vermittelst Sir R. Peel’s Bankakten von 1844 und 1845 zur Grundlage der englischen und schottischen Bankgesetzgebung gemacht. Ihr schmähliches Fiasko theoretisch wie praktisch, nach Experimenten auf der grössten nationalen Stufenleiter, kann erst in der Lehre vom Kredit dargestellt werden.“ (l. c. p. 165—168.)
Die Kritik dieser Schule wurde geliefert von Thomas Tooke, James Wilson (im Economist von 1844—47) und John Fullarton. Wie mangelhaft aber auch sie die Natur des Goldes durchschauten und wie unklar sie über das Verhältniss von Geld und Kapital waren, haben wir mehrfach, namentlich im Kapitel XXVIII dieses Buchs gesehn. Hier nun noch einiges im Anschluss an die Ver- handlungen des Unterhaus-Ausschusses von 1857 über die Peelschen Bankakte (B. C. 1857) — F. E.]
J. G. Hubbard, ehemaliger Gouverneur der Bank v. E. sagt aus: „2400. — Die Wirkung der Goldausfuhr … bezieht sich absolut nicht auf die Waarenpreise. Dagegen sehr bedeutend auf die
Preise der Werthpapiere, weil im Maß wie der Zinsfuss wechselt, der Werth von Waaren, die diesen Zins verkörpern, nothwendiger- weise gewaltig afficirt wird.“ Er legt zwei Tabellen vor über die Jahre 1834—43 und 1845—56, welche beweisen dass die Preis- bewegung von fünfzehn der bedeutendsten Handelsartikel ganz unab- hängig war vom Ab- und Zufluss des Goldes und vom Zinsfuss. Dagegen aber beweisen sie einen engen Zusammenhang zwischen dem Ab- und Zufluss des Goldes, das in der That „der Repräsen- tant unsres Anlage suchenden Kapitals“ ist, und dem Zinsfuss. — „1847 wurde ein sehr grosser Betrag amerikanischer Werthpapiere nach Amerika zurückübertragen, ebenso russische Werthpapiere nach Russland, und andre kontinentale Papiere nach den Ländern, von denen wir unsre Kornzufuhr bezogen.“
Die in der folgenden Hubbardschen Tabelle zu Grunde gelegten 15 Hauptartikel sind: Baumwolle, Baumwollengarn, ditto Gewebe, Wolle, Wollentuch, Flachs, Leinwand, Indigo, Roheisen, Weiss- blech, Kupfer, Talg, Zucker, Kaffee, Seide.
I. Von 1834—1843. Von 15 Hauptartikeln sind
II. Von 1844—1853. Von 15 Hauptartikeln sind
Hubbard macht dazu die Glosse: „Wie in den 10 Jahren 1834—43, so waren in 1844—53 Schwankungen im Gold der Bank in jedem Fall begleitet von einer Zunahme oder Abnahme des leihbaren Werthes des auf Diskonto vorgeschossnen Geldes; und andrerseits zeigen die Aenderungen in den Waarenpreisen des Inlandes eine vollständige Unabhängigkeit von der Masse der Cirkulation, wie sie sich in den Goldschwankungen der Bank von England zeigt.“ (Bank Acts Report, 1857. II. p. 290 u. 291.)
Da die Nachfrage und Zufuhr von Waaren deren Marktpreise regulirt, wird hier klar, wie falsch Overstone’s Identifikation der Nachfrage nach leihbarem Geldkapital (oder vielmehr der Ab- weichungen der Zufuhr davon) wie sie sich in der Diskontorate ausdrückt, und der Nachfrage nach wirklichem „Kapital.“ Die Behauptung, dass die Waarenpreise durch die Schwankungen im Betrag der Currency regulirt sind, versteckt sich jetzt unter der Phrase, dass die Schwankungen der Diskontorate Schwankungen in der Nachfrage nach wirklichem stofflichen Kapital ausdrücken, im Unterschied vom Geldkapital. Wir haben gesehn, wie sowohl Norman wie Overstone dies in der That vor demselben Ausschuss behaupteten, und zu welchen lahmen Ausflüchten namentlich letz- terer dabei gedrängt wurde, bis er schliesslich ganz fest sass. (Kapitel XXVI.) Es ist in der That die alte Flause, dass die Aenderungen in der Masse des vorhandnen Goldes, indem sie die Menge des Umlaufsmittels im Lande vermehren oder vermindern, innerhalb dieses Landes die Waarenpreise steigern oder senken müssten. Wird Gold ausgeführt, so müssen nach dieser Currency- Theorie die Preise der Waaren steigen in dem Lande, wohin das Gold geht, und damit der Werth der Exporte des Gold ausführenden Landes auf dem Markt des Gold einführenden; der Werth der Ex- porte des letzteren auf dem Markt des ersteren würde dagegen fallen, während er stiege in ihrem Ursprungsland, wohin das Gold geht. In der That aber steigert die Verminderung der Goldmenge nur den Zinsfuss, während ihre Vermehrung ihn senkt; und kämen diese Schwankungen des Zinsfusses nicht in Rechnung bei Fest- stellung der Kostpreise, oder bei der Bestimmung von Nachfrage und Angebot, so würden sie die Waarenpreise gänzlich unberührt lassen. —
Im selben Bericht spricht sich N. Alexander, Chef eines grossen Hauses im indischen Geschäft, folgendermaßen aus über den starken Abfluss von Silber nach Indien und China um die Mitte der 50 er Jahre, in Folge theils des chinesischen Bürgerkriegs, der dem
Absatz englischer Gewebe in China Einhalt that, theils der Seiden- würmer-Krankheit in Europa, die die italienische und französische Seidenzucht stark einschränkte:
„4337. Ist der Abfluss nach China oder nach Indien? — Sie schicken das Silber nach Indien, und mit einem guten Theil davon kaufen Sie Opium, das alles nach China geht um Fonds zu bilden zum Einkauf für Seide; und der Stand der Märkte in Indien (trotz der Akkumulation von Silber dort) macht es profitlicher für den Kaufmann, Silber hinzuschicken, als Gewebe oder andre brittische Fabrikate. — 4338. Fand nicht ein grosser Abfluss aus Frankreich statt, wodurch wir das Silber bekamen? — Jawohl, ein sehr grosser. — 4344. Statt Seide von Frankreich und Italien einzuführen, schicken wir sie in grossen Quantitäten hin, sowohl bengalische wie chinesische.“
Also wurden nach Asien Silber — das Geldmetall dieses Welt- theils — geschickt statt Waare, nicht weil die Preise dieser Waaren gestiegen waren in dem Land, das sie producirt (England), sondern gefallen — gefallen durch Ueberimport — in dem Land, wohin es sie importirt; obgleich dies Silber von England aus Frankreich bezogen, und theilweise mit Gold bezahlt werden musste. Nach der Currency-Theorie hätten bei solchem Import die Preise in England fallen und in Indien und China steigen müssen.
Ein andres Beispiel. Vor dem Ausschuss der Lords (C.D. 1848/1857) sagt Wylie, einer der ersten Liverpooler Kaufleute, aus wie folgt: „1994. Ende 1845 gab es kein lohnenderes Geschäft und keins, das so grosse Profite abwarf [als die Baumwollspinnerei]. Der Baumwollvorrath war gross und gute brauchbare Baumwolle war zu 4 d. das Pfund zu haben, und von solcher Baumwolle konnte gut secunda mule twist No. 40 gesponnen werden mit einer Aus- lage ebenfalls von 4 d., etwa zu 8 d. Gesammtauslage für den Spinner. Dieses Garn wurde in grossen Massen verkauft im Sep- tember und Oktober 1845, und ebenso grosse Lieferungskontrakte abgeschlossen, zu 10½ und 11½ d pro ℔, und in einigen Fällen haben die Spinner einen Profit realisirt, der dem Einkaufspreis der Baumwolle gleichkam. — 1996. Das Geschäft blieb lohnend bis Anfang 1846. — 2000. Am 3. März 1844 war der Baumwoll- vorrath [627042 Ballen] mehr als das doppelte von dem, was er heute [am 7. März 1848, wo er 301070 Ballen war], und den- noch war der Preis 1¼ d. per ℔ theurer.“ [6¼ d. gegen 5 d.] Gleich- zeitig war Garn—gut secunda mule twist No. 40—von 11½—12 d. ge- fallen auf 9½ d. im Oktober, und 7¾ d. Ende Decbr. 1847; es wurde
Garn verkauft zum Einkaufspreis der Baumwolle, woraus es ge- sponnen war. (ib. No. 2021, 2023.) Dies zeigt die interessirte Weisheit Overstone’s, dass das Geld „theuer“ sein soll, weil Ka- pital „selten“ ist. Am 3. März 1844 stand der Bankzinsfuss auf 3 %; Okt. und Nov. 1847 ging er auf 8 und 9 % und stand am 7. März 1848 noch auf 4 %. Die Baumwollpreise wurden durch die totale Absatzstockung und die Panik mit dem ihr entsprechenden hohen Zinsfuss niedergeschlagen tief unter ihren, dem Stand der Zufuhr entsprechenden Preis. Die Folge davon war einerseits unge- heure Abnahme der Einfuhr 1848, und andrerseits Abnahme der Produktion in Amerika; daher neues Steigen der Baumwollpreise 1849. Nach Overstone waren die Waaren zu theuer, weil zu viel Geld im Lande war.
„2002. Die neuliche Verschlechterung in der Lage der Baum- wollindustrie ist nicht dem Mangel an Rohstoff geschuldet, da der Preis niedriger ist, obwohl der Vorrath von Rohbaumwolle be- deutend vermindert.“ Aber angenehme Verwechslung bei Overstone zwischen dem Preis, resp. Werth der Waare, und dem Werth des Geldes, nämlich dem Zinsfuss. In der Antwort auf Frage 2026 gibt Wylie sein Gesammturtheil über die currency-Theorie, wonach Cardwell und Sir Charles Wood im Mai 1847 „die Nothwendig- keit behauptet hatten den Bankakt von 1844 in seinem ganzen Inhalt durchzuführen“: „Diese Principien scheinen mir von einer Art zu sein, dass sie dem Geld einen künstlichen hohen Werth, und allen Waaren einen künstlichen, ruinirend niedrigen Werth geben würden.“ — Er sagt ferner über die Wirkungen dieses Bank- akts auf das allgemeine Geschäft: „Da Viermonatswechsel, die die regelmäßigen Tratten der Fabrikstädte auf Kaufleute und Bankiers gegen gekaufte und für die Vereinigten Staaten bestimmte Waaren sind, nur noch mit grossen Opfern diskontirt werden konnten, wurde die Ausführung von Aufträgen in bedeutendem Maß ge- hemmt, bis nach dem Regierungsbrief vom 25. Oktober“ (Suspension des Bankakts] „wo diese Viermonatswechsel wieder diskontirbar wurden.“ (2097.) Also auch in der Provinz wirkte die Suspension dieses Bankakts wie eine Erlösung. — „2102. Im vorigen Oktober“ [1847] „haben fast alle amerikanischen Einkäufer, die hier Waaren kaufen, soviel wie möglich ihre Aufträge sofort eingeschränkt; und als die Nachricht von der Geldtheuerung nach Amerika kam, hörten alle neuen Aufträge auf. — 2134. Korn und Zucker waren Specialfälle. Der Kornmarkt wurde afficirt durch die Ernteaussichten, und Zucker wurde afficirt durch die ungeheuren Vorräthe und
Einfuhren. — 2163. Von unsern Zahlungsverpflichtungen gegen Amerika … wurde vieles liquidirt durch Zwangsverkäufe von kon- signirter Waare, und vieles, fürchte ich, wurde annullirt durch die Bankerotte hier. — 2196. Wenn ich mich recht erinnere, wurden auf unsrer Fondsbörse im Oktober 1847 bis 70 % Zinsen gezahlt.“
[Die Krisis von 1837 mit ihren langen Nachwehen, an die sich 1842 noch eine vollständige Nachkrise schloss, und die interessirte Verblendung der Industriellen und Kaufleute, die platterdings keine Ueberproduktion sehn wollten — diese war ja, nach der Vulgär- ökonomie, ein Unsinn und eine Unmöglichkeit! — hatten endlich diejenige Verwirrung in den Köpfen verursacht, die der Currency- Schule erlaubte, ihr Dogma auf nationalem Maßstab in die Praxis zu übersetzen. Die Bankgesetzgebung von 1844—45 ging durch.
Der Bankakt von 1844 theilt die Bank von England in ein Notenaus- gabe-Departement und ein Bankdepartement. Das erstere erhält Sicher- heiten — grösstentheils Regierungsschuld — für 14 Millionen, und den gesammten Metallschatz, der zu höchstens ¼ aus Silber be- stehn darf, und gibt für den Gesammtbetrag beider eine gleiche Summe von Noten aus. Soweit sich diese nicht in den Händen des Publikums befinden, liegen sie im Bankdepartement und bilden, mit der wenigen zum täglichen Gebrauch nöthigen Münze (etwa einer Million) dessen stets bereite Reserve. Das Ausgabe-Departe- ment gibt dem Publikum Gold für Noten und Noten für Gold; den übrigen Verkehr mit dem Publikum besorgt das Bankdeparte- ment. Die 1844 zur Ausgabe eigner Noten in England und Wales berechtigten Privatbanken behalten dies Recht, doch wird ihre Notenausgabe kontingentirt; hört eine dieser Banken auf, eigne Noten auszugeben, so kann die Bank von England ihren unge- deckten Notenbetrag um ⅔ des eingegangnen Kontingents erhöhen; auf diesem Weg ist derselbe bis 1892 von 14 auf 16½ Millionen £ (genau 16450000 £) gestiegen.
Für jede fünf Pfund in Gold also, die aus dem Bankschatz abfliessen, geht eine Fünfpfundnote zurück an das Ausgabe- Departement und wird vernichtet; für jede dem Schatz zugehenden fünf Sovereigns kommt eine neue Fünfpfundnote in Umlauf. Da- mit ist Overstone’s ideale Papiercirkulation, die sich genau nach den Gesetzen der metallischen Cirkulation richtet, praktisch aus- geführt, und damit sind, nach den Behauptungen der Currency- Leute, die Krisen für immer unmöglich gemacht.
In Wirklichkeit aber entzog die Trennung der Bank in zwei unabhängige Departements der Direktion die Möglichkeit, in ent-
scheidenden Momenten über ihre gesammten disponiblen Mittel frei zu verfügen, sodass Fälle eintreten konnten, wo das Bank- departement vor dem Bankerott stand, während das Ausgabe- Departement mehrere Millionen in Gold und ausserdem noch seine 14 Millionen Sicherheiten intakt besass. Und zwar konnte dies um so leichter eintreten, als in fast jeder Krise ein Abschnitt vor- kommt, wo ein starker Goldabfluss ins Ausland stattfindet, der in der Hauptsache durch den Metallschatz der Bank zu decken ist. Für jede fünf Pfund aber, die dann ins Ausland fliessen, wird der Cirkulation des Inlands eine Fünfpfundnote entzogen, also die Menge des Umlaufsmittels grade in dem Augenblick verkleinert, wo am meisten davon, und am nöthigsten, gebraucht wird. Der Bankakt von 1844 provocirt also die sämmtliche Handelswelt direkt dazu, bei hereinbrechender Krise sich einen Reserveschatz von Banknoten bei Zeiten anzulegen, also die Krise zu beschleu- nigen und zu verschärfen; er treibt durch diese, im entscheidenden Augenblick wirksam werdende, künstliche Steigerung der Nach- frage nach Geldakkomodation, d. h. nach Zahlungsmittel, bei gleich- zeitiger Beschränkung der Zufuhr davon, den Zinsfuss in Krisen zu bisher unerhörter Höhe; statt also die Krisen zu beseitigen, steigert er sie vielmehr bis auf den Punkt, wo entweder die ganze industrielle Welt in die Brüche gehn muss, oder der Bankakt. Zweimal, am 25. Okt. 1847 und am 12. Nov. war die Krisis auf diese Höhe gestiegen; da befreite die Regierung die Bank von der Beschränkung ihrer Notenausgabe, indem sie den Akt von 1844 suspendirte, und dies reichte beidemal hin die Krise zu brechen. 1847 genügte die Gewissheit, dass nun wieder Bank- noten gegen Sicherheit ersten Rangs zu haben seien, um die auf- geschatzten 4—5 Millionen Noten wieder ans Tageslicht und in die Cirkulation zu bringen; 1857 wurde bis nicht ganz eine Million in Noten über das gesetzliche Quantum ausgegeben, aber nur für ganz kurze Zeit.
Zu erwähnen ist auch, dass die Gesetzgebung von 1844 noch die Spuren der Erinnerung an die ersten zwanzig Jahre des Jahr- hunderts aufweist, die Zeit der Einstellung der Baarzahlungen der Bank und der Notenentwerthung. Die Furcht, die Banknoten möchten ihren Kredit verlieren, ist noch sehr bemerkbar; eine sehr überflüssige Furcht, da schon 1825 die Ausgabe eines vor- gefundnen alten Vorraths ausser Kurs gesetzter Einpfundnoten die Krise gebrochen und damit bewiesen hatte, dass schon damals der Kredit der Noten, selbst in der Zeit des allgemeinsten und stärksten
Misstrauens, unerschüttert blieb. Es ist dies auch ganz begreiflich; steht doch thatsächlich die gesammte Nation mit ihrem Kredit hinter diesen Werthzeichen. — F. E.]
Hören wir nun ein paar Zeugnisse über die Wirkung des Bankakts. J. St. Mill glaubt, dass der Bankakt von 1847 die Ueberspeku- lation niedergehalten habe. Dieser weise Mann sprach glücklicher- weise am 12. Juni 1857. Vier Monate später war die Krisis los- gebrochen. Er gratulirt buchstäblich den „Bankdirektoren und dem kommerciellen Publikum im allgemeinen“ dazu, dass sie „die Natur einer Handelskrisis weit besser verstehn als früher, und den sehr grossen Schaden, den sie sich selbst und dem Publikum durch Unterstützung der Ueberspekulation anthun.“ (B. C. 1857, No. 2031.)
Der weise Mill meint, wenn 1 £ Noten ausgegeben werden „als Vorschüsse an Fabrikanten u. a., welche Arbeitslöhne aus- zahlen … so können die Noten in die Hände von andren kommen, die sie zu Konsumtionszwecken ausgeben, und in diesem Fall konstituiren die Noten in sich selbst eine Nachfrage nach Waaren, und können zeitweilig eine Preiserhöhung zu befördern streben.“ Herr Mill nimmt also an, dass die Fabrikanten höhern Lohn zahlen werden, weil sie ihn in Papier statt in Gold zahlen? Oder glaubt er, wenn der Fabrikant seinen Vorschuss in 100 £ Noten erhält, diese auswechselt gegen Gold, so würde dieser Lohn weniger Nachfrage bilden, als wenn sogleich in 1 £ Noten bezahlt? Und weiss er nicht, dass z. B. in gewissen Bergwerksbezirken Arbeits- lohn gezahlt wurde in Noten von Lokalbanken, sodass mehrere Arbeiter zusammen eine 5 £ Note erhielten? Vermehrt dies ihre Nachfrage? Oder werden die Bankiers den Fabrikanten in kleinen Noten leichter und mehr Geld vorschiessen als in grossen?
[Diese sonderbare Angst Mill’s vor Einpfundnoten wäre uner- klärlich, zeigte nicht sein ganzes Werk über politische Oekonomie einen Eklekticismus, der vor keinen Widersprüchen zurückschreckt. Einerseits gibt er Tooke in vielen Dingen gegen Overstone recht, andrerseits glaubt er an die Bestimmung der Waarenpreise durch die Menge des vorhandnen Geldes. Er ist also keineswegs über- zeugt, dass für jede ausgegebne Einpfundnote — alle andren Um- stände gleich gesetzt — ein Sovereign in den Schatz der Bank wandert; er fürchtet, die Masse des Cirkulationsmittels könne ver- mehrt und somit entwerthet werden, d. h. die Waarenpreise steigern. Das ist es, und weiter nichts, was sich hinter obiger Bedenklich- keit verbirgt. — F. E.]
Ueber die Zweitheilung der Bank, und die übermäßige Vorsorge für Sicherstellung der Banknoten-Einlösung spricht sich Tooke aus vor dem C. D. 1848/57:
Die grössern Schwankungen des Zinsfusses 1847, verglichen mit 1837 und ’39 seien nur der Trennung der Bank in zwei Departe- ments geschuldet. (3010.) — Die Sicherheit der Banknoten wurde nicht afficirt, weder 1825 noch 1837 und ’39. (3015.) — Die Nach- frage nach Gold 1825 bezweckte nur den leeren Raum auszufüllen, entstanden durch die gänzliche Diskreditirung der 1 £ Noten der Provinzialbanken; dieser leere Raum konnte nur durch Gold aus- gefüllt werden, bis die Bank von England auch 1 £ Noten aus- gab. (3022.) — Im November und Dezember 1825 existirte nicht die geringste Nachfrage nach Gold für Ausfuhr. (3023.)
„Was eine Diskreditirung der Bank im In- und Auslande be- trifft, würde eine Suspension der Zahlung von Dividenden und Depositen von viel schwereren Folgen sein, als eine Suspension der Zahlung der Banknoten. (3028.)“
„3035. Würden Sie nicht sagen dass jeder Umstand, der in letzter Instanz die Konvertibilität der Banknoten gefährdete, in einem Augenblick der kommerciellen Klemme neue und ernstliche Schwierigkeiten erzeugen könnte? — Ganz und gar nicht.“
Im Lauf von 1847 „würde eine vermehrte Notenausgabe viel- leicht dazu beigetragen haben den Goldschatz der Bank wieder zu füllen, wie sie dies 1825 that.“ (3058.)
Vor dem B. A. 1857 sagt Newmarch aus: „1357. Die erste schlimme Wirkung … dieser Trennung der beiden Departements (der Bank) und der daraus nothwendig folgenden Zweitheilung der Goldreserve war die, dass das Bankgeschäft der B. v. E., also derjenige ganze Zweig ihrer Operationen, der sie in direktere Ver- bindung mit dem Handel des Landes bringt, mit nur der Hälfte des Betrags der frühern Reserve fortgeführt worden ist. In Folge dieser Spaltung der Reserve ist es gekommen, dass sobald die Reserve des Bankdepartements nur im geringsten zusammenschmolz, die Bank gezwungen war, ihre Diskontrate zu erhöhen. Diese ver- minderte Reserve hat daher eine Reihe stossweiser Veränderungen in der Diskontrate verursacht. — 1358. Solche Aenderungen sind seit 1844“ [bis Juni 1857] „einige 60 in der Zahl gewesen, während sie vor 1844 in derselben Zeit kaum ein Dutzend betrugen.“
Von besondrem Interesse ist auch die Aussage von Palmer, seit 1811 Direktor und eine zeitlang Gouverneur der Bank von Eng- land, vor dem C. D. Ausschuss der Lords (1848/57):
„828. Im December 1825 hatte die Bank nur noch ungefähr 1100000 £ Gold übrig behalten. Damals müsste sie ganz un- fehlbar total fallirt haben, wenn dieser Akt [von 1844] damals bestanden hätte. Im December gab sie, glaube ich, 5 oder 6 Mil- lionen Noten in einer Woche aus, und das erleichterte die damalige Panik bedeutend.
„825. Die erste Periode [seit 1. Juli 1825], wo die gegen- wärtige Bankgesetzgebung zusammengebrochen wäre, wenn die Bank versucht hätte, die einmal in Angriff genommenen Trans- aktionen zu Ende zu führen, war am 28. Februar 1837; damals waren 3900000 £ bis 4 Millionen £ im Besitz der Bank, und sie würde dann nur noch 650000 £ in Reserve behalten haben. Eine andre Periode ist 1839, und dauerte vom 9. Juli bis 5. De- cember. — 826. Was war der Betrag der Reserve in diesem Fall? Die Reserve bestand in einem Deficit von insgesammt 200000 £ (the reserve was minus altogether 200000 £) am 5. September. Am 5. November stieg sie auf ungefähr 1 bis 1½ Mill. — 830. Der Akt von 1844 würde die Bank verhindert haben dem ameri- kanischen Geschäft 1837 beizustehn. — 831. Drei der hauptsäch- lichsten amerikanischen Häuser fallirten … Fast jedes Haus im amerikanischen Geschäft war ausser Kredit gesetzt, und wäre da- mals die Bank nicht zu Hülfe gekommen, so glaube ich nicht, dass mehr als 1 oder 2 Häuser sich hätten halten können. — 836. Die Klemme von 1837 ist gar nicht zu vergleichen mit der von 1847. Die von 1837 beschränkte sich hauptsächlich auf das ameri- kanische Geschäft.“ — 838. (Anfangs Juni 1837 wurde in der Bankdirektion die Frage diskutirt wie der Klemme abzuhelfen sei.) „Worauf einige Herren die Meinung vertheidigten … das richtige Princip sei, den Zinsfuss zu erhöhen, wodurch die Waarenpreise fallen würden; kurz, Geld theuer und Waaren wohlfeil zu machen, wodurch die Zahlung ans Ausland zu Stande gebracht würde (by which the foreign payment would be accomplished). — 906. Die Einführung einer künstlichen Beschränkung der Vollmachten der Bank durch den Akt von 1844, statt der alten und natürlichen Schranke ihrer Vollmacht, des wirklichen Betrags ihres Metall- vorraths, erzeugt künstliche Geschäftserschwerung, und damit eine Wirkung auf die Waarenpreise, die ganz unnöthig war ohne diesen Akt. — 968. Unter der Wirkung des Akts von 1844 kann man den Metallvorrath der Bank, unter gewöhnlichen Umständen, nicht wesentlich unter 9½ Mill. reduciren. Dies würde einen Druck auf Preise und Kredit verursachen, der einen solchen Umschwung
in den auswärtigen Wechselkursen herbeiführen müsste, dass die Goldeinfuhr stiege, und damit den Betrag des Goldes im Ausgabe- Departement vermehrte. — 996. Unter der jetzigen Beschränkung haben Sie“ [die Bank] „nicht das Kommando über Silber, das er- forderlich ist zu Zeiten, wo man Silber braucht, um auf den aus- wärtigen Kurs zu wirken. — 999. Was war der Zweck der Vor- schrift, die den Silbervorrath der Bank auf ⅕ ihres Metallvor- raths beschränkt? — Die Frage kann ich nicht beantworten.“
Der Zweck war Geld theuer zu machen; ganz wie, abgesehn von der Currency-Theorie, die Trennung der beiden Bankdeparte- ments, und der Zwang für die schottischen und irischen Banken, für Notenausgabe über einen gewissen Satz hinaus Gold in Reserve zu halten. Es entstand so eine Decentralisation des nationalen Metallschatzes, der ihn weniger fähig machte ungünstige Wechsel- kurse zu korrigiren. Auf Steigerung des Zinsfusses laufen alle diese Bestimmungen hinaus: dass die B. v. E. nicht Noten ausgeben darf über 14 Mill. ausser gegen Goldreserve; dass das Bank- departement als gewöhnliche Bank verwaltet werden soll, den Zinsfuss herabdrückend in Zeiten des Geldüberflusses, ihn herauf- treibend in Zeiten der Klemme; die Beschränkung des Silbervor- raths, des hauptsächlichen Mittels, die Wechselkurse mit dem Kon- tinent und Asien zu rektificiren; die Vorschriften wegen der schottischen und irischen Banken, die nie Geld für Export brauchen, und es jetzt halten müssen unter dem Vorwand einer, thatsächlich rein illusorischen, Konvertibilität ihrer Noten. Die Thatsache ist, dass der Akt von 1844 zum ersten Mal einen Ansturm nach Gold auf die schottischen Banken 1857 producirte. Die neue Bank- gesetzgebung macht ebenfalls keinen Unterschied zwischen Gold- abfluss ins Ausland und dem für’s Inland, obgleich deren Wirkungen selbstredend durchaus verschieden. Daher die beständigen heftigen Schwankungen in der Marktrate des Zinses. Mit Bezug auf Silber sagt Palmer zweimal, 992 und 994, dass die Bank nur Silber gegen Noten kaufen kann, wenn der Wechselkurs günstig für England, das Silber also überflüssig ist; denn: „1003. Der ein- zige Zweck, weshalb ein beträchtlicher Theil des Metallschatzes in Silber gehalten werden kann, ist der, ausländische Zahlungen zu erleichtern, während der Zeit wo die Wechselkurse gegen England sind. — 1008. Silber ist eine Waare, die, weil sie Geld ist in der ganzen übrigen Welt, desshalb die passendste Waare … für diesen Zweck ist“ [Zahlung ans Ausland]. „Nur die Vereinigten Staaten haben in der letzten Zeit ausschliesslich Gold genommen.“
Nach seiner Ansicht brauchte die Bank in Zeiten der Klemme, solange keine ungünstigen Wechselkurse das Gold ins Ausland ziehn, den Zinsfuss nicht über den alten Stand von 5 % zu erhöhen. Wäre nicht der Akt von 1844, so würde sie dabei ohne Schwierig- keit alle Wechsel ersten Ranges (first class bills), die ihr präsen- tirt würden, diskontiren können. [1018—20.] Aber mit dem Akt von 1844, und in der Lage, in der die Bank im Oktober 1847 war, „gab es keinen Zinsfuss, den die Bank kreditfähigen Häusern abverlangen konnte, den sie nicht bereitwillig gezahlt hätten um ihre Zahlungen fortzuführen.“ Und dieser hohe Zinsfuss war grade der Zweck des Akts.
„1029. Ich muss einen grossen Unterschied machen zwischen der Wirkung des Zinsfusses auf ausländische Nachfrage“ [für Edelmetall] „und einer Zinserhöhung zum Zweck der Hemmung eines Andrangs auf die Bank während einer Periode inländischen Kreditmangels. — 1023. Vor dem Akt von 1844, wenn die Kurse zu Gunsten Englands waren, und Beunruhigung, ja positive Panik im Lande herrschte, war keine Grenze gesetzt auf die Notenausgabe, durch die allein dieser Zustand der Klemme erleichtert werden konnte.“
So spricht ein Mann sich aus, der 39 Jahre lang in der Direktion der Bank von England gesessen. Hören wir nun einen Privat- bankier, Twells, seit 1801 Associé von Spooner, Attwoods & Co. Er ist der einzige unter sämmtlichen Zeugen vor dem B. C. 1857 der einen Blick in den wirklichen Zustand des Landes thun lässt, und die Krisis herannahen sieht. Im Uebrigen ist er eine Art von Birminghamer Little-Shilling-Mann, wie denn seine Associés, die Brüder Attwood, die Stifter dieser Schule sind (s. Zur Kritik der pol. Oek. S. 59.) Er sagt aus: „4488. Wie glauben Sie, dass der Akt von 1844 gewirkt hat? — Sollte ich Ihnen als Bankier antworten, so würde ich sagen, dass er ganz ausgezeichnet gewirkt hat, denn er hat den Bankiers und [Geld-] Kapitalisten aller Art eine reiche Ernte geliefert. Aber er hat sehr schlecht gewirkt für den ehrlichen fleissigen Geschäftsmann, der Stetigkeit in der Diskontorate bedarf, sodass er seine Arrangements mit Zuversicht machen kann … er hat das Geldverleihen zu einem höchst profit- lichen Geschäft gemacht. — 4489. Er [der Bankakt] befähigt die Londoner Aktienbanken den Aktionären 20—22 % zu zahlen? — Eine zahlte neulich 18 % und ich glaube eine andre 20 %; sie haben allen Grund sehr entschieden für den Akt einzutreten. — 4490. Kleine Geschäftsleute und respektable Kaufleute, die kein
grosses Kapital haben … er kneift sie sehr … Das einzige Mittel, das ich habe um dies zu erfahren ist, dass ich eine so er- staunliche Masse ihrer Accepte sehe, die nicht bezahlt werden. Diese Accepte sind immer klein, etwa von 20—100 £, viele von ihnen werden nicht bezahlt, und gehn zurück mit Mangelzahlung nach allen Theilen des Landes, und dies ist immer ein Zeichen der Gedrücktheit unter … den Kleinhändlern.“ — 4494 erklärt er, das Geschäft sei jetzt nicht profitabel. Seine folgenden Be- merkungen sind wichtig, weil er das latente Dasein der Krise sah, als noch keiner der Uebrigen es ahnte.
„4494. Die Preise in Mincing Lane halten sich noch ziemlich, aber es wird nichts verkauft, man kann zu keinem Preise ver- kaufen; man hält sich auf dem nominellen Preis.“ — 4495. Er erzählt einen Fall: ein Franzose schickt einem Makler in Mincing Lane Waaren für 3000 £ zum Verkauf für einen gewissen Preis. Der Makler kann den Preis nicht machen, der Franzose kann unter dem Preise nicht verkaufen. Die Waare bleibt liegen, aber der Franzose braucht Geld. Der Makler schiesst ihm also 1000 £ vor, derart, dass der Franzose auf Sicherheit der Waaren einen Wechsel für 1000 £ für 3 Monate auf den Makler zieht. Nach 3 Monaten verfällt der Wechsel, aber die Waaren sind noch immer unverkäuflich. Der Makler muss dann den Wechsel zahlen und obgleich er Deckung für 3000 £ hat, kann er sie nicht flüssig machen, und geräth in Schwierigkeiten. So zieht einer den andern mit herunter. — 4496. „Was die starken Ausfuhren betrifft … wenn das Geschäft im Innern gedrückt ist, so ruft dies mit Noth- wendigkeit auch eine starke Ausfuhr hervor. — 4497. Glauben Sie, dass die inländische Konsumtion abgenommen hat? — Sehr bedeutend … ganz ungeheuer … die Kleinhändler sind hier die beste Autorität. — 4498. Und doch sind die Einfuhren sehr gross; zeigt das nicht eine starke Konsumtion an? — Jawohl, wenn Sie verkaufen können; aber viele Waarenlager sind voll von diesen Sachen; in dem Beispiel, das ich soeben erzählt habe, sind für 3000 £ Waaren importirt worden, die unverkäuflich sind.
„4514. Wenn Geld theuer ist, würden Sie sagen, dass dann Kapital wohlfeil ist? — Jawohl.“ — Der Mann ist also keines- wegs der Meinung Overstone’s, dass hoher Zinsfuss dasselbe sei wie theures Kapital.
Wie das Geschäft jetzt betrieben wird: 4516 … „Andre gehn sehr bedeutend ins Geschirr, machen ein riesiges Geschäft in Aus- fuhren und Einfuhren, weit über das Maß hinaus, wozu ihr Kapital
sie berechtigt; daran kann nicht der geringste Zweifel sein. Das kann diesen Leuten glücken; sie können durch irgend welchen Glücksfall grosse Vermögen machen und alles abzahlen. Das ist in grossem Maß das System, auf dem heutzutage ein bedeutender Theil des Geschäfts geführt wird. Solche Leute verlieren willig 20, 30 und 40 % auf eine Verschiffung; das nächste Geschäft kann es ihnen zurückbringen. Schlägt ihnen eins nach dem andern fehl, dann sind sie kaput; und das ist gerade der Fall, den wir in der letzten Zeit oft gesehn haben; Geschäftshäuser haben fallirt, ohne dass für einen Schilling Aktiva übrig blieben.
„4791. Der niedrigere Zinsfuss [während der letzten 10 Jahre] wirkt allerdings gegen die Bankiers, aber ohne Ihnen die Geschäfts- bücher vorzulegen, würde ich Ihnen nur sehr schwer erklären können, um wie viel höher der Profit [sein eigner] jetzt ist gegen früher. Wenn der Zinsfuss niedrig ist, in Folge übermäßiger Notenausgabe, haben wir bedeutende Depositen; wenn der Zinsfuss hoch ist, so bringt uns das direkten Gewinn. — 4794. Wenn Geld zu mäßigem Zinsfuss zu haben ist, haben wir mehr Nach- frage dafür; wir leihen mehr aus; es wirkt [für uns, die Bankiers] auf diesem Wege. Wenn er steigt, so bekommen wir mehr dafür als billig ist; wir bekommen mehr als wir haben sollten.“
Wir haben gesehn, wie der Kredit der Noten der Bank von Eng- land bei allen Sachverständigen als unerschütterlich gilt. Trotzdem legt der Bankakt 9—10 Millionen in Gold zu ihrer Einlösbarkeit absolut fest. Die Heiligkeit und Unantastbarkeit des Schatzes wird damit ganz anders durchgeführt als bei den alten Schatzbildnern. W. Brown (Liverpool) sagt aus, C. D. 1847/58, 2311: „In Beziehung auf den Nutzen, den dies Geld“ [der Metallschatz im Ausgabe- Departement] „damals brachte, so hätte man es ebensogut in die See werfen können; man konnte ja nicht das geringste davon ver- wenden, ohne den Parlamentsakt zu brechen.“
Der Bau-Unternehmer E. Capps, derselbe der schon früher an- geführt, und dessen Aussage auch die Schilderung des modernen Londoner Bausystems (Buch II, Kap. XII) entlehnt ist, fasst seine Ansicht über den Bankakt von 1844 zusammen wie folgt (B. A. 1857) „5508. Sie sind also im allgemeinen der Ansicht, dass das gegen- wärtige System [der. Bankgesetzgebung] eine recht geschickte Ein- richtung ist, um die Profite der Industrie periodisch in den Geld- sack des Wucherers zu bringen? — Das ist meine Ansicht. Ich weiss, dass es im Baugeschäft so gewirkt hat.“
Wie schon erwähnt, wurden die schottischen Banken durch den Bankakt von 1845 in ein System gezwängt, das sich dem eng- lischen annäherte. Es wurde ihnen die Verpflichtung auferlegt, für ihre Notenausgabe über einen für jede Bank festgesetzten Be- trag hinaus, Gold in Reserve zu halten. Welche Wirkung dies gehabt, darüber hier einige Zeugnisse vor dem B. C. 1857.
Kennedy, Dirigent einer schottischen Bank: „3375. Gab es irgend etwas in Schottland, das man eine Goldcirkulation nennen könnte, vor Einführung des Akts von 1845? — Nichts derart. — 3376. Ist seitdem eine zusätzliche Cirkulation von Gold eingetreten? — Nicht im geringsten; die Leute wollen kein Gold haben (the people dislike gold).“ — 3450. Die ungefähr 900000 £ in Gold, die die schottischen Banken halten müssen seit 1845, sind nach seiner Ansicht nur schädlich und „absorbiren unprofitlich einen gleichen Theil des Kapitals von Schottland.“
Ferner Anderson, Dirigent der Union Bank of Scotland: „3558. Die einzige starke Nachfrage für Gold, die bei der Bank von Eng- land von Seiten der schottischen Banken stattfand, fand statt wegen der auswärtigen Wechselkurse? — Dem ist so; und diese Nachfrage wird nicht vermindert dadurch, dass wir Gold in Edin- burg halten. — 3590. Solange wir denselben Betrag von Werth- papieren in der Bank von England“ [oder bei den Privatbanken in England] „liegen haben, haben wir dieselbe Macht wie vorher, einen Goldabfluss bei der B. v. E. herbeizuführen“.
Endlich noch ein Artikel des Economist (Wilson): „Die schot- tischen Banken halten unbeschäftigte Baarbeträge bei ihren Londoner Agenten; diese halten sie bei der Bank von England. Dies gibt den schottischen Banken, innerhalb der Grenzen dieser Beträge, Kommando über den Metallschatz in der Bank, und hier ist er immer auf der Stelle, wo er gebraucht wird, wenn auswärtige Zahlungen zu machen sind.“ Dies System wurde gestört durch den Akt von 1845: „In Folge des Akts von 1845 für Schottland hat in der letzten Zeit ein starker Abfluss von Goldmünze aus der Bank v. E. stattgefunden, um einer bloss möglichen Nachfrage in Schottland zu begegnen, die vielleicht nie eintreten würde … Seit dieser Zeit findet sich eine bedeutende Summe regelmäßig festge- legt in Schottland, und eine andre beträchtliche Summe ist be- ständig auf der Reise hin und her zwischen London und Schott- land. Tritt eine Zeit ein, wo ein schottischer Bankier vermehrte Nachfrage nach seinen Noten erwartet, so wird eine Kiste mit Gold von London hinübergeschickt; ist diese Zeit vorbei, so geht
dieselbe Kiste, meist ohne je geöffnet worden zu sein, nach London zurück.“ (Economist, 23. Oct. 1847.)
[Und was sagt der Vater des Bankakts, Bankier Samuel Jones Loyd, alias Lord Overstone, zu alledem?
Er hat bereits 1848 vor dem C. D. Ausschuss der Lords wieder- holt, dass „Geldklemme und hoher Zinsfuss, verursacht durch Man- gel an hinreichendem Kapital, nicht erleichtert werden kann durch vermehrte Ausgabe von Banknoten“ (1514) obwohl die blosse Erlaubniss der vermehrten Notenausgabe durch den Regierungs- brief vom 25. Okt. 1847 hingereicht hatte der Krise die Spitze abzubrechen.
Es bleibt dabei, dass „die hohe Rate des Zinsfusses und die gedrückte Lage der Fabrikindustrie die nothwendige Folge war der Verminderung des materiellen Kapitals, das für industrielle und kommerzielle Zwecke verwendbar war.“ (1604.) Und doch be- stand die gedrückte Lage der Fabrikindustrie seit Monaten darin, dass das materielle Waarenkapital im Ueberfluss die Speicher füllte und gradezu unverkäuflich war und dass ebendesshalb das mate- rielle produktive Kapital ganz oder halb brach lag, um nicht noch mehr unverkäufliches Waarenkapital zu produziren.
Und vor dem Bankausschuss 1857 sagt er: „Durch strenge und prompte Einhaltung der Grundsätze des Akts von 1844 ist alles mit Regelmäßigkeit und Leichtigkeit verlaufen, das Geldsystem ist sicher und unerschüttert, die Prosperität des Landes ist unbe- stritten, das öffentliche Vertrauen in den Akt von 1844 gewinnt täglich an Stärke. Wünscht der Ausschuss noch weitere praktische Belege für die Gesundheit der Prinzipien, auf denen dieser Akt beruht, und der wohlthätigen Folgen, die er sicher gestellt hat, so ist die wahre und hinreichende Antwort diese: Schauen Sie um sich; betrachten Sie die gegenwärtige Lage des Geschäfts unsres Landes, betrachten Sie die Zufriedenheit des Volks; betrachten Sie den Reichthum und die Prosperität aller Klassen der Gesellschaft; und dann, nachdem dies geschehn, wird der Ausschuss im Stande sein zu entscheiden, ob er die Fortdauer eines Akts verhindern will, unter dem solche Erfolge erreicht worden sind“ (B. C. 1857, No. 4189.)
Auf diesen Dithyrambus, den Overstone dem Ausschuss am 14. Juli vorsang, antwortete die Gegenstrophe am 12. November desselben Jahrs, den Brief an die Bankdirektion, worin die Regie- rung das wunderthätige Gesetz von 1844 suspendirte, um zu retten was noch zu retten war. — F. E.]
Mit Bezug auf die Aufspeicherung von Noten in Zeiten der Klemme ist zu bemerken, dass hier die Schatzbildung mit edlen Metallen, wie sie in den ursprünglichsten Zuständen der Gesell- schaft in unruhigen Zeiten vorkommt, sich wiederholt. Der Akt von 1844 ist in seinen Wirkungen deswegen interessant, weil er alles im Land befindliche Edelmetall in Cirkulationsmittel ver- wandeln will; er sucht Goldabfluss mit Kontraktion des Umlaufs- mittels und Goldzufluss mit Expansion des Umlaufsmittels gleich- zusetzen. Dadurch ist dann experimentell der Beweis des Gegen- theils geliefert worden. Mit einer einzigen Ausnahme, die wir gleich erwähnen werden, hat die Masse der cirkulirenden Noten der Bank von England seit 1844 nie das Maximum erreicht, das die Bank ausgeben durfte. Und die Krisis von 1857 bewies andrer- seits, dass unter gewissen Umständen dies Maximum nicht aus- reicht. Vom 13.—30. November 1857 cirkulirten im Durchschnitt täglich 488830 £ über dies Maximum hinaus. (B. A. 1858. p. XI.) Das gesetzliche Maximum war damals 14475000 £ plus dem Be- trag des Metallschatzes in den Bankkellern.
Mit Bezug auf den Ab- und Zufluss von Edelmetall zu bemerken:
Erstens ist zu unterscheiden, zwischen dem Hin- und Herlaufen des Metalls innerhalb des Gebiets, das kein Gold und Silber pro- ducirt, einerseits, und andrerseits dem Strom des Golds und Silbers von ihren Produktionsquellen über die verschiednen andren Länder und der Vertheilung dieses Zuschusses unter die letztren.
Vor der Einwirkung der russischen, kalifornischen und austra- lischen Goldminen, war seit Anfang dieses Jahrhunderts die Zu- fuhr nur hinreichend zum Ersatz der verschlissenen Münzen, zum gewöhnlichen Gebrauch als Luxusmaterial, und zur Ausfuhr von Silber nach Asien.
Seit jener Zeit jedoch wuchs erstens, mit dem asiatischen Handel Amerika’s und Europas, die Silberausfuhr nach Asien ausserordentlich. Das aus Europa ausgeführte Silber wurde zum grossen Theil er- setzt durch das zusätzliche Gold. Ferner wurde ein Theil des neu- zugeführten Goldes von der innern Geldcirkulation absorbirt. Es wird geschätzt, dass bis 1857 ungefähr 30 Mill. Gold zusätzlich in die innere Cirkulation von England eingingen.(FN14) Sodann ver-
mehrte sich seit 1844 die Durchschnittshöhe der Metallreserven in allen Centralbanken von Europa und Nordamerika. Das Wachs- thum der inländischen Geldcirkulation brachte es zugleich mit sich, dass nach der Panik, in der darauffolgenden Stillstandsperiode, die Bankreserve schon rascher wuchs in Folge der grössern Masse der, von der inländischen Cirkulation abgestossnen und immobilisirten Goldmünze. Endlich stieg seit den neuen Goldentdeckungen der Konsum von Edelmetall für Luxusartikel in Folge des gewachsnen Reichthums.
Zweitens. Zwischen den nicht Gold und Silber producirenden Ländern fliesst Edelmetall beständig ab und zu; dasselbe Land im- portirt davon beständig, und exportirt ebenso beständig. Es ist nur das Ueberwiegen der Bewegung nach der einen oder andern Seite, welches entscheidet, ob schliesslich Abfluss oder Zufluss stattfindet, da die bloss oscillirenden und oft parallelen Bewegungen sich grossentheils neutralisiren. Aber deswegen wird auch, mit Rücksicht auf dies Resultat, die Beständigkeit und der im ganzen parallele Verlauf beider Bewegungen übersehn. Es wird immer nur so aufgefasst, als ob Mehr-Einfuhr und Mehr-Ausfuhr von Edelmetall nur Wirkung und Ausdruck des Verhältnisses von Ein- fuhr und Ausfuhr von Waaren, während es zugleich Ausdruck des Verhältnisses einer, vom Waarenhandel unabhängigen Einfuhr und Ausfuhr von Edelmetall selbst ist.
Drittens. Das Ueberwiegen der Einfuhr über die Ausfuhr und umgekehrt misst sich im ganzen an der Zu- oder Abnahme der Metallreserve in den Centralbanken. Wie weit dieser Gradmesser mehr oder minder exakt ist, hängt natürlich zunächst davon ab, wie weit das Bankwesen überhaupt centralisirt ist. Denn davon hängt es ab, wie weit das in der sog. Nationalbank aufgespeicherte
Edelmetall überhaupt den nationalen Metallschatz repräsentirt. Vor- ausgesetzt aber dass dies der Fall ist, ist der Gradmesser nicht exakt, weil zuschüssige Einfuhr unter gewissen Umständen aufge- sogen wird durch inländische Cirkulation und wachsende Luxus- verwendung von Gold und Silber; ferner aber, weil ohne zu- schüssige Einfuhr ein Herausziehn von Goldmünze für inländische Cirkulation stattfinden, und so der Metallschatz abnehmen könnte, auch ohne gleichzeitige Vermehrung der Ausfuhr.
Viertens. Eine Metallausfuhr nimmt die Gestalt eines Abflusses (drain) an, wenn die Bewegung der Abnahme für längere Zeit fort- dauert, sodass die Abnahme als Tendenz der Bewegung sich dar- stellt, und die Metallreserve der Bank bedeutend unter ihre mittlere Höhe herabdrückt, bis gegen das mittlere Minimum dieser Reserve hin. Dies letztre ist insofern mehr oder minder willkürlich fest- gesetzt, da es durch die Gesetzgebung über die Deckung für Baar- zahlung der Noten etc. in jedem einzelnen Fall verschieden be- stimmt ist. Ueber die quantitativen Grenzen, die ein solcher Ab- fluss in England erreichen kann, sagt Newmarch vor dem B. A. 1857, Evid. No. 1494: „Nach der Erfahrung zu urtheilen, ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Metallabfluss in Folge irgend welcher Schwankung im auswärtigen Geschäft 3 oder 4 Millionen £ über- steigen wird.“ 1847 zeigt der niedrigste Stand der Goldreserve der B. of E. am 23. Okt. gegen den 26. Decbr. 1846 ein Minus von £ 5198156, und gegen den höchsten Stand von 1846 (29. August) ein Minus von £ 6453748.
Fünftens. Die Bestimmung der Metallreserve der sog. National- bank, eine Bestimmung, die aber keineswegs allein die Grösse des Metallschatzes regulirt, denn er kann wachsen durch blosse Läh- mung des innern und äussern Geschäfts — ist dreifach: 1) Reserve- fonds für internationale Zahlungen, in einem Wort Reservefonds von Weltgeld. 2) Reservefonds für die abwechselnd expandirende und kontrahirende inländische metallische Cirkulation. 3) Was mit der Bankfunktion zusammenhängt und mit den Funktionen des Geldes als blossen Geldes nichts zu thun hat: Reservefonds für Depositenzahlung und für Konvertibilität von Noten. Er kann daher auch afficirt werden durch Verhältnisse, die jede einzelne dieser drei Funktionen berühren; also als internationaler Fonds durch die Zahlungsbilanz, von welchen Gründen diese auch immer bestimmt, und was auch immer ihr Verhältniss zur Handelsbilanz sei; als Reservefonds der inländischen metallischen Cirkulation, durch deren Ausdehnung oder Einschrumpfung. Die dritte Funktion,
als Garantiefonds, bestimmt zwar nicht die selbständige Bewegung der Metallreserve, wirkt aber doppelt. Werden Noten ausgegeben, die das Metallgeld, (also auch Silbermünze in Ländern wo Silber das Werthmaß) in der inländischen Cirkulation ersetzen, so fällt die Funktion sub 2) des Reservefonds fort. Und ein Theil des Edelmetalls, der dazu gedient hat, wird dauernd ins Ausland wandern. In diesem Falle findet kein Herausziehn von metallischer Münze für inländische Cirkulation statt, und damit fällt zugleich die zeitweilige Verstärkung der Metallreserve durch Immobilisirung eines Theils des cirkulirenden gemünzten Metalls fort. Ferner: Muss ein Minimum von Metallschatz für Auszahlung von Depositen und Konvertibilität von Noten unter allen Umständen festgehalten werden, so afficirt dies in eigner Art die Wirkungen eines Gold- Abflusses oder -Zuflusses; es wirkt auf den Theil des Schatzes, den die Bank unter allen Umständen zu halten verbunden ist, oder auf den, den sie zu andrer Zeit als nutzlos loszuwerden sucht. Bei rein metallischer Cirkulation und koncentrirtem Bankwesen würde die Bank ihren Metallschatz ebenfalls als Garantie für Aus- zahlung ihrer Depositen zu betrachten haben, und bei einem Metall- abfluss könnte dieselbe Panik eintreten wie 1857 in Hamburg.
Sechstens: Mit Ausnahme von etwa 1837, brach die wirkliche Krise immer los erst nach Wendung der Wechselkurse, d. h. so- bald die Einfuhr von Edelmetall über die Ausfuhr wieder die Ober- hand gewonnen.
1825 trat der wirkliche Krach ein, nachdem der Goldabfluss auf- gehört hatte. 1839 fand Goldabfluss statt ohne dass es zum Krach kam. 1847 hörte der Goldabfluss auf im April, und der Krach kam im Oktober. 1857 hatte der Goldabfluss ins Ausland seit Anfang November aufgehört, erst später im November kam der Krach.
Besonders deutlich tritt dies hervor in der Krise von 1847, wo der Goldabfluss im April schon aufhörte, nachdem er eine relativ gelinde Vorkrise bewirkt, und dann die eigentliche Geschäftskrise erst im Oktober zum Ausbruch kam.
Die folgenden Aussagen sind abgegeben vor dem Secret Com- mittee of the House of Lords on Commercial Distress 1848; die Zeugenaussagen (evidence) wurden erst gedruckt 1857 (auch citirt als: C. D. 1848/57).
Aussagen von Tooke. Im April 1847 entstand eine Klemme, die streng gesprochen einer Panik gleichkam, aber von verhält- nissmäßig kurzer Dauer war, und nicht begleitet von kommerciellen Falliten von irgend welcher Bedeutung. Im Oktober war die
Klemme weit intensiver als zu irgend einer Zeit im April, eine fast unerhörte Summe von kommerciellen Bankrotten fand statt. (2196.) — Im April legten uns die Wechselkurse, besonders mit Amerika, die Nothwendigkeit auf, eine beträchtliche Menge Gold zu exportiren, in Zahlung für ungewöhnlich grosse Importe; nur durch eine äusserst gewaltsame Anstrengung brachte die Bank den Goldabfluss zum Stocken und trieb den Kurs in die Höhe. (2197.) — Im Oktober waren die Wechselkurse zu Gunsten von England. (2198.) — Die Wendung in den Wechselkursen hatte begonnen in der dritten Aprilwoche. (3000.) — Sie schwankten im Juli und August; seit Anfang August waren sie stets für England. (3001.) — Der Goldabfluss im August entsprang der Nachfrage für innere Cirkulation.
J. Morris, Gouverneur der Bank v. England: Obwohl der Wechsel- kurs seit August 1847 für England günstig geworden und dess- halb Goldeinfuhr stattgefunden hatte, nahm der Metallvorrath in der Bank dennoch ab. „2200000 £ in Gold gingen hinaus ins Land, in Folge inländischer Nachfrage.“ (137.) — Dies wird er- klärt einerseits aus der vermehrten Beschäftigung von Arbeitern bei Eisenbahnbauten, andererseits aus dem „Wunsch der Bankiers, in Zeiten der Krise eine eigne Goldreserve zu besitzen.“ (147.)
Palmer, Exgouverneur und seit 1811 Direktor der B. of E.: „684. Während der ganzen Periode von Mitte April 1847 bis zum Tag der Suspension des Bankakts von 1844 waren die Wechsel- kurse zu Gunsten Englands.“
Der Metallabfluss der im April 1847 eine selbständige Geldpanik bewirkt, ist also hier wie immer nur Vorläufer der Krise und hat sich schon gewendet, ehe diese losbricht. 1839 fand bei grossem Geschäftsdruck sehr starker Metallabfluss statt — für Korn u. s. w. — aber ohne Krisis und Geldpanik.
Siebentens: Sobald die allgemeinen Krisen sich ausgebrannt haben, vertheilt sich — abgesehn von dem Zufluss von frischem Edelmetall aus den Produktionsländern — das Gold und Silber wieder in den Verhältnissen, worin es als besondrer Schatz der verschiednen Länder, im Zustand ihres Gleichgewichts, existirte. Bei sonst gleichbleibenden Umständen wird seine relative Grösse in jedem Land durch dessen Rolle auf dem Weltmarkt bestimmt sein. Von dem Land, das einen grössern als den normalen Theil hatte, fliesst es ab und dem andern zu; diese Bewegungen des Zu- und Abflusses stellen nur seine ursprüngliche Vertheilung unter die verschiednen nationalen Schätze wieder her. Diese Rückver-
theilung ist jedoch vermittelt durch die Wirkung verschiedner Umstände, die bei Behandlung der Wechselkurse erwähnt werden. Sobald die normale Vertheilung wieder da — über diesen Punkt hinaus — tritt zuerst Wachsthum ein, und dann wieder Abfluss. [Dieser letzte Satz gilt selbstredend nur für England, als Mittel- punkt des Welt-Geldmarkts. — F. E.]
Achtens: Die Metallabflüsse sind meistens Symptom einer Ver- änderung in der Lage des auswärtigen Handels, und diese Verän- derung ist ihrerseits ein Vorzeichen, dass die Verhältnisse wieder zur Krise heranreifen.(FN15)
Neuntens: Die Zahlungsbilanz kann für Asien gegen Europa und Amerika sein.(FN16)
Einfuhr von Edelmetall findet statt vorwiegend in zwei Mo- menten. Einerseits in der ersten Phase niedrigen Zinsfusses, die der Krise folgt und Ausdruck der Einschränkung der Produktion ist; und dann in der zweiten Phase, wo der Zinsfuss steigt, aber noch nicht seine mittlere Höhe erreicht hat. Dies ist die Phase, worin die Rückflüsse sich leicht bewirken, der kommercielle Kredit gross ist, und daher die Nachfrage nach Leihkapital nicht im Ver- hältniss zur Ausdehnung der Produktion wächst. In beiden Phasen, wo Leihkapital verhältnissmäßig reichlich, muss der überschüssige Zufluss von Kapital, das in Form von Gold und Silber existirt, also in einer Form, worin es zunächst nur als Leihkapital fungiren kann, bedeutend auf den Zinsfuss und damit auf den Ton des ganzen Geschäfts wirken.
Andrerseits: Abfluss, fortgesetzte starke Ausfuhr von Edelmetall tritt ein, sobald die Eingänge nicht mehr flüssig, die Märkte über- führt sind, und die scheinbare Prosperität nur noch durch den
Kredit aufrecht erhalten wird; sobald also bereits eine sehr ver- stärkte Nachfrage nach Leihkapital existirt, und daher der Zins- fuss mindestens schon seine mittlere Höhe erreicht hat. Unter diesen, sich eben im Edelmetall-Abfluss wiederspiegelnden Um- ständen verstärkt sich bedeutend die Wirkung der fortgesetzten Entziehung von Kapital in einer Form, worin es direkt als leih- bares Geldkapital existirt. Es muss dies direkt auf den Zinsfuss wirken. Statt aber dass das Steigen des Zinsfusses die Kredit- geschäfte einschränkte, erweitert es sie und führt zur Ueberan- spannung aller ihrer Hülfsmittel. Diese Periode geht desshalb dem Krach voraus.
Newmarch wird gefragt (B. A. 1857): „1520. Der Betrag der cirkulirenden Wechsel steigt also mit dem Zinsfuss? — Es scheint so. — 1522. In ruhigen, gewöhnlichen Zeiten ist das Hauptbuch das wirkliche Instrument des Austausches; aber wenn Schwierigkeiten entstehn, wenn z. B. unter Umständen wie ich sie angeführt habe, die Diskontorate der Bank erhöht wird … dann lösen sich die Geschäfte ganz von selbst in Ziehen von Wechseln auf; diese Wechsel sind nicht nur geeigneter, als ge- setzlicher Beweis des abgeschlossnen Geschäfts zu dienen, sondern sie passen auch besser für den Zweck, weitre Einkäufe zu machen, und sind vor allen Dingen brauchbar als Kreditmittel um Kapital aufzunehmen.“ — Es kommt hinzu, dass sobald bei einigermaßen drohenden Umständen die Bank ihre Diskontorate erhöht — wo- mit zugleich die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass die Bank die Laufzeit der von ihr zu diskontirenden Wechsel einer Beschrän- kung unterwerfen wird — die allgemeine Befürchtung eintritt, dass dies crescendo gehn wird. Jeder, und am ersten der Kreditritter, sucht also die Zukunft zu diskontiren und soviel Kreditmittel wie möglich im gegebnen Moment zu seiner Verfügung zu haben. Die eben angeführten Gründe kommen also darauf hinaus, dass die blosse Quantität, sei es des eingeführten, sei es des ausgeführten Edelmetalls nicht als solche wirkt, sondern dass sie wirkt erstens durch den specifischen Charakter des Edelmetalls als Kapital in Geldform, und dass sie zweitens wirkt wie die Feder, die, der Last auf der Wagschale hinzugefügt, hinreicht, die schwankende Wag- schale nach der einen Seite endgültig zu senken; wirkt, weil sie in Umständen eintritt, wo irgend ein Excess nach dieser oder jener Seite den Ausschlag gibt. Ohne diese Gründe wäre es ganz und gar unbegreiflich, wie ein Goldabfluss sage von 5—8 Mill. £, und dies ist die Grenze der bisherigen Erfahrung, irgend bedeutende
Wirkungen ausüben könnte; dies geringe Mehr oder Weniger von Kapital, das selbst gegenüber den 70 Mill. £ in Gold, die durch- schnittlich in England cirkuliren, unbedeutend erscheint, ist in einer Produktion vom Umfang der englischen in der That eine ver- schwindende Grösse.(FN17) Es ist aber eben die Entwicklung des Kredit- und Banksystems, das einerseits dahin treibt alles Geld- kapital in den Dienst der Produktion zu pressen (oder was auf dasselbe hinauskommt, alles Geldeinkommen in Kapital zu ver- wandeln) und das andrerseits in einer gewissen Phase des Cyklus die Metallreserve auf ein Minimum reducirt, worin sie die ihr zu- kommenden Funktionen nicht mehr vollziehn kann — es ist dies ausgebildete Kredit- und Banksystem, das diese Ueberempfindlichkeit des ganzen Organismus erzeugt. Auf minder entwickelten Produk- tionsstufen ist Verringerung oder Vergrösserung des Schatzes, gegen sein Durchschnittsmaß, eine relativ gleichgültige Sache. Ebenso ist andrerseits selbst ein sehr bedeutender Goldabfluss relativ wirkungslos, wenn er nicht in der kritischen Periode des industriellen Cyklus eintritt.
Bei der gegebnen Erklärung ist abgesehn von Fällen, wo der Metallabfluss in Folge von Missernten u. s. w. eintritt. Hier macht die grosse und plötzliche Störung des Gleichgewichts der Produktion, deren Ausdruck der Abfluss ist, keine weitre Erklärung seiner Wirkung nöthig. Diese Wirkung ist um so grösser, je mehr solche Störung eintritt in einer Periode, wo die Produktion unter Hochdruck arbeitet.
Wir haben ferner abgesehn von der Funktion des Metall- schatzes als Garanten der Konvertibilität der Banknoten und als Angelpunkt des ganzen Kreditsystems. Die Centralbank ist Angel- punkt des Kreditsystems. Und die Metallreserve ihrerseits ist Angelpunkt der Bank.(FN18) Der Umschlag des Kreditsystems in das
Monetarsystem ist nothwendig, wie ich schon in Buch I, Kap. III, beim Zahlungsmittel dargestellt habe. Dass die grössten Opfer an realem Reichthum nöthig sind, um im kritischen Moment die metallne Basis zu halten, ist von Tooke so gut zugegeben wie von Loyd-Overstone. Der Streit dreht sich nur um ein Plus oder Minus, und um die mehr oder minder rationelle Behandlung des Unvermeidlichen.(FN19) Ein gewisses, im Vergleich mit der Gesammt- produktion unbedeutendes Quantum Metall ist als Angelpunkt des Systems anerkannt. Daher, abgesehn von der erschreckenden Exemplifikation dieses seines Charakters als Angelpunkt in den Krisen, der schöne theoretische Dualismus. Solange sie „von Kapital“ ex professo handelt, sieht die aufgeklärte Oekonomie mit der grössten Verachtung auf Gold und Silber herab als auf die in der That gleichgültigste und nutzloseste Form des Kapitals. Sobald sie vom Bankwesen handelt, dreht sich das alles um, und Gold und Silber werden das Kapital par excellence, für dessen Er- haltung jede andre Form von Kapital und Arbeit geopfert werden muss. Wodurch aber unterscheiden sich nun Gold und Silber von den andren Gestalten des Reichthums? Nicht durch die Werth- grösse, denn diese ist bestimmt durch die Menge der in ihnen ver- gegenständlichten Arbeit. Sondern als selbständige Inkarnationen, Ausdrücke des gesellschaftlichen Charakters des Reichthums. [Der Reichthum der Gesellschaft besteht nur als Reichthum Ein- zelner, die seine Privateigenthümer sind. Er bewährt sich nur dadurch als gesellschaftlicher, dass diese Einzelnen, zur Befriedi- gung ihrer Bedürfnisse, die qualitativ verschiednen Gebrauchswerthe gegen einander austauschen. In der kapitalistischen Produktion können sie dies nur vermittelst des Geldes. So wird nur ver- mittelst des Geldes der Reichthum des Einzelnen als gesellschaft- licher Reichthum verwirklicht; im Geld, in diesem Ding, ist die gesellschaftliche Natur dieses Reichthums verkörpert. — F. E.]. Dies sein gesellschaftliches Dasein erscheint also als Jenseits, als Ding, Sache, Waare, neben und ausserhalb der wirklichen Elemente des gesellschaftlichen Reichthums. Solange die Produktion flüssig, wird dies vergessen. Der Kredit, als ebenfalls gesellschaftliche Form des Reichthums, verdrängt das Geld, und usurpirt seine Stelle. Es ist das Vertrauen in den gesellschaftlichen Charakter
der Produktion, welches die Geldform der Produkte als etwas nur Verschwindendes und Ideales, als blosse Vorstellung erscheinen lässt. Aber sobald der Kredit erschüttert wird — und diese Phase tritt immer nothwendig ein im Cyklus der modernen In- dustrie — soll nun aller reale Reichthum wirklich und plötzlich in Geld verwandelt werden, in Gold und Silber, eine verrückte Forderung, die aber nothwendig aus dem System selbst hervor- wächst. Und alles Gold und Silber, das diesen ungeheuren Ansprüchen genügen soll, beläuft sich auf ein paar Millionen in den Kellern der Bank.(FN20) In den Wirkungen des Goldabflusses tritt also der Umstand, dass die Produktion nicht wirklich als gesellschaftliche Produktion der gesellschaftlichen Kontrolle unter- worfen ist, schlagend hervor in der Form, dass die gesellschaft- liche Form des Reichthums als ein Ding ausser ihm existirt. Das kapitalistische System hat dies in der That gemein mit frühern Produktionssystemen, soweit sie auf Waarenhandel und Privataustausch beruhen. Es tritt aber erst in ihm am schlagend- sten und in der grotesksten Form des absurden Widerspruchs und Widersinns hervor, weil 1) im kapitalistischen System am vollständigsten die Produktion für den unmittelbaren Gebrauchs- werth, für den Selbstgebrauch der Producenten aufgehoben ist, also der Reichthum nur als gesellschaftlicher Process existirt, der sich als Verschlingung von Produktion und Cirkulation ausdrückt; 2) weil mit der Entwicklung des Kreditsystems die kapitalistische Produktion diese metallne Schranke, zugleich dingliche und phan- tastische Schranke des Reichthums und seiner Bewegung, be- ständig aufzuheben strebt, sich aber immer wieder den Kopf an dieser Schranke einstösst.
In der Krise tritt die Forderung ein, dass sämmtliche Wechsel, Werthpapiere, Waaren auf einmal gleichzeitig in Bankgeld kon- vertibel sein sollen, und dies sämmtliche Bankgeld wieder in Gold.
[Der Barometer für die internationale Bewegung der Geldmetalle ist bekanntlich der Wechselkurs. Hat England mehr Zahlungen
zu machen an Deutschland als Deutschland an England, so steigt in London der Preis von Mark, in Sterling ausgedrückt, und in Hamburg und Berlin fällt der Preis von Sterling, ausgedrückt in Mark. Gleicht sich dies Uebergewicht der Zahlungsverpflichtungen Englands an Deutschland nicht wieder aus, z. B. durch überwiegende Einkäufe Deutschlands in England, so muss der Sterlingpreis für Markwechsel auf Deutschland bis zu dem Punkt steigen, wo es sich lohnt, statt Wechseln Metall — Goldgeld oder Barren — aus England in Zahlung nach Deutschland zu schicken. Dies ist der typische Verlauf.
Nimmt dieser Export von Edelmetall stärkeren Umfang und längere Dauer an, so wird die englische Bankreserve angegriffen, und der englische Geldmarkt, voran die B. von E., muss Schutz- maßregeln ergreifen. Diese bestehn wesentlich, wie wir schon gesehn, in Heraufsetzung des Zinsfusses. Bei bedeutendem Gold- abfluss ist der Geldmarkt regelmäßig schwierig, d. h. die Nach- frage nach Leihkapital in Geldform überwiegt bedeutend das An- gebot, und der höhere Zinsfuss ergibt sich hieraus ganz von selbst; die von der B. von E. dekretirte Diskontorate entspricht der Sachlage und setzt sich im Markte durch. Es kommen aber auch Fälle vor, wo der Metallabfluss aus andern als den gewöhn- lichen Geschäftskombinationen entspringt (z. B. durch Anleihen fremder Staaten, Kapitalanlage im Ausland u. s. w.), wo der lon- doner Geldmarkt als solcher eine wirksame Zinsraten-Erhöhung keineswegs rechtfertigt; die B. von E. hat dann durch starke An- leihen im „offnen Markt“ erst „Geld rar zu machen“, wie der Ausdruck lautet, um so künstlich die Lage zu schaffen, die eine Zinserhöhung rechtfertigt oder nöthig macht; ein Manöver, das ihr von Jahr zu Jahr schwerer wird. — F. E.].
Wie nun diese Heraufsetzung der Zinsrate auf die Wechsel- kurse wirkt, zeigen folgende Aussagen vor dem Unterhausausschuss über Bankgesetzgebung 1857 (citirt als B. A., oder B. C., 1857).
John Stuart Mill: „2176. Wenn das Geschäft schwierig ge- worden ist … tritt ein beträchtlicher Fall im Preis der Werth- papiere ein … Ausländer lassen hier in England Eisenbahnaktien kaufen, oder englische Eigner auswärtiger Eisenbahnaktien ver- kaufen sie im Ausland … um so viel wird die Uebertragung von Gold beseitigt. — 2182. Eine grosse und reiche Klasse von Bankiers und Händlern in Werthpapieren, durch welche die Ausgleichung des Zinsfusses und die Ausgleichung des kommerciellen Baro- meterstandes (pressure) zwischen den verschiednen Ländern gewöhn-
lich bewirkt wird … ist immer auf der Ausschau um Werth- papiere zu kaufen, die eine Preissteigerung versprechen … der richtige Ort für sie, zum Einkauf, wird das Land sein, das Gold ins Ausland schickt. — 2183. Diese Kapitalanlagen fanden 1847 in bedeutendem Maßstab statt, hinreichend den Goldabfluss zu vermindern.“
J. G. Hubbard, Ex-Gouverneur, und seit 1838 in der Direktion der B. of E.: „2545. Es gibt grosse Mengen europäischer Werth- papiere … die eine europäische Cirkulation haben in allen den verschiednen Geldmärkten, und diese Papiere, sobald sie in einem Markt um 1 oder 2 % fallen, werden sofort aufgekauft zur Ueber- sendung nach den Märkten, wo ihr Werth sich noch gehalten hat. — 2565. Stehn nicht auswärtige Länder in bedeutender Schuld gegenüber den Kaufleuten in England? — … Sehr bedeutend. — 2566. Die Einkassirung dieser Schulden könnte also allein hinreichen, eine sehr grosse Akkumulation von Kapital in England zu erklären? — Im Jahre 1847 wurde unsre Position schliesslich dadurch wieder hergestellt, dass wir einen Strich machten durch so und soviel Millionen, die Amerika und Russland früher an Eng- land schuldeten.“ [England schuldete eben denselben Ländern gleichzeitig „so und soviel Millionen“ für Korn und verfehlte nicht auch hierdurch grossentheils „einen Strich zu machen“ vermittelst Bankerotts der englischen Schuldner. Siehe den Bericht über die Bankakte von 1857, oben Kap. 30, S. 31.] — „2572. 1847 stand der Kurs zwischen England und Petersburg sehr hoch. Als der Regierungsbrief erlassen wurde, der die Bank bevollmächtigté, Banknoten auszugeben ohne sich an die vorgeschriebne Grenze von 14 Mill.“ [über die Goldreserve hinaus] „zu binden, war die Be- dingung, dass der Diskonto auf 8 % gehalten werden müsse. In jenem Augenblick, und bei jener Diskontorate, war es ein profit- liches Geschäft, Gold von Petersburg nach London verschiffen zu lassen und es bei seiner Ankunft zu 8 % auszuleihen bis zum Verfall der Dreimonatswechsel, die gegen das verkaufte Gold ge- zogen waren. — 2573. In allen Goldoperationen sind viele Punkte in Erwägung zu ziehn; es kommt auf den Wechselkurs an und auf den Zinsfuss, zu dem man das Geld anlegen kann bis zum Verfall des [dagegen gezognen] Wechsels“.
Die folgenden Punkte sind wichtig, einerseits weil sie zeigen, wie England, wenn sein Wechselkurs mit Asien ungünstig ist, sich
bei andern Ländern erholen muss, deren Import aus Asien durch englische Vermittlung bezahlt wird. Zweitens aber, weil Herr Wilson hier wieder den thörichten Versuch macht, die Wirkung einer Ausfuhr von Edelmetall auf die Wechselkurse zu identificiren mit der Wirkung eines Exports von Kapital überhaupt auf diese Kurse; beides im Fall, wo es sich handelt um Export, nicht als Zahlungs- oder Kaufmittel, sondern für Kapitalanlage. Zunächst ist es selbstverständlich, dass, ob so und soviel Millionen £ in Edelmetall oder in Eisenschienen nach Indien geschickt werden, um sie dort in Eisenbahnen anzulegen, dies beides nur verschiedne Form ist, denselben Kapitalbelauf von einem Land auf ein andres zu übertragen; und zwar eine Uebertragung, die nicht in die Rechnung der gewöhnlichen merkantilen Geschäfte eingeht, und wofür das exportirende Land keinen andern Rückfluss erwartet als spätre jährliche Revenue aus den Einkünften dieser Eisenbahnen. Geschieht dieser Export in Form von Edelmetall, so wird er, weil Edelmetall, und als solches unmittelbar leihbares Geldkapital und Basis des ganzen Geldsystems, nicht nothwendig unter allen Um- ständen, aber unter früher entwickelten, direkt auf den Geldmarkt, und damit auf den Zinsfuss, des dies Edelmetall exportirenden Landes wirken. Er wirkt auch ebenso direkt auf den Wechselkurs. Es wird nämlich nur deshalb Edelmetall versandt, weil und so- weit die Wechsel, z. B. auf Indien, die im Londoner Geldmarkt angeboten werden, nicht hinreichen um diese Extra-Rimessen zu machen. Es findet also eine das Angebot übersteigende Nachfrage für Wechsel auf Indien statt, und so wendet sich der Kurs momentan gegen England, nicht weil es an Indien verschuldet ist, sondern weil es ausserordentliche Summen nach Indien zu schicken hat. Auf die Dauer muss eine solche Versendung von Edelmetall nach Indien dahin wirken, die indische Nachfrage nach englischen Waaren zu vermehren, weil sie indirekt die Konsumtionsfähigkeit Indiens für europäische Waaren steigert. Wird dagegen das Kapital in der Form von Schienen u. s. w. verschickt, so kann es gar keinen Einfluss auf den Wechselkurs haben, da Indien keine Rückzahlung dafür zu machen hat. Eben desshalb braucht es auch keinen Einfluss auf den Geldmarkt zu haben. Einen solchen Einfluss sucht Wilson dadurch herauszubringen, dass solche Extra-Auslage eine Extra-Nachfrage nach Geldakkomodation hervorbringe und so auf den Zinsfuss wirken werde. Dies kann der Fall sein; aber zu be- haupten, dass es unter allen Umständen stattfinden müsse, ist total verkehrt. Wo immer die Schienen hingeschickt und festgelegt
werden, ob auf englischem Boden oder indischem, sie stellen nichts vor, als eine bestimmte Ausdehnung englischer Produktion in einer bestimmten Sphäre. Zu behaupten, dass eine Ausdehnung der Produktion, selbst innerhalb sehr weiter Grenzen, nicht statt- finden könne, ohne Herauftreibung des Zinsfusses, ist Thorheit. Die Geldakkomodation mag wachsen, d. h. die Summe der Ge- schäfte, worin Kreditoperationen eingehn; aber diese Operationen können zunehmen bei gleichbleibendem gegebnem Zinsfuss. Dies war wirklich der Fall während der Eisenbahnmanie in England in den 40er Jahren. Der Zinsfuss stieg nicht. Und es ist augen- scheinlich, dass, soweit wirkliches Kapital, d. h. hier Waaren, in Betracht kommt, die Wirkung auf den Geldmarkt ganz dieselbe ist, ob diese Waaren für’s Ausland bestimmt sind oder für innern Verbrauch. Es könnte nur dann einen Unterschied machen, wenn Englands Kapitalanlagen im Ausland beschränkend auf seinen kommerciellen Export wirkten — den Export, der bezahlt werden muss, also einen Rückfluss bringt — oder soweit diese Kapital- anlagen überhaupt schon Symptom von Ueberanspannung des Kredits und beginnender Schwindeloperationen wären.
Im Folgenden fragt Wilson und antwortet Newmarch.
„1786. Sie sagten früher, mit Bezug auf die Silbernachfrage für Ostasien, dass nach Ihrer Ansicht die Wechselkurse mit Indien zu Gunsten Englands seien, trotz der fortwährend nach Ostasien gesandten bedeutenden Metallschätze; haben Sie Gründe hierfür? — Allerdings … Ich finde, dass der wirkliche Werth der Aus- fuhren des Vereinigten Königreichs nach Indien 1851 sich auf 7,420,000 £ belief; hierzu ist zu addiren der Betrag der Wechsel des India House, d. h. der Fonds, die die Ostindische Kompagnie von Indien zieht zur Bestreitung ihrer eignen Ausgaben. Diese Tratten betrugen in jenem Jahr 3,200,000 £; sodass die Gesammt- ausfuhr des Vereinigten Königreichs nach Indien 10,620,000 £ betrug. 1855 … war der wirkliche Werth des Waarenexports gestiegen auf 10,350,000 £; die Tratten des India House waren 3,700,000 £; die Totalausfuhr also 14,050,000 £. Für 1851, glaube ich, haben wir kein Mittel den wirklichen Werth der Waareneinfuhr von Indien nach England festzustellen; wohl aber für 1854 und 55. 1855 war der gesammte wirkliche Werth der Waareneinfuhr von Indien nach England 12,670,000 £, und diese Summe, verglichen mit den 14,050,000 £, lässt eine Bilanz zu Gunsten Englands, im direkten Handel zwischen beiden Ländern, von 1,380,000 £.“
Hierauf bemerkt Wilson, dass die Wechselkurse auch durch den indirekten Handel berührt werden. So werden z. B. die Aus- fuhren von Indien nach Australien und Nordamerika durch Tratten auf London gedeckt, und wirken daher auf den Wechselkurs ganz so, als ob die Waaren direkt von Indien nach England gingen. Ferner, wenn Indien und China zusammengenommen werden, so sei die Bilanz gegen England, da China fortwährend bedeutende Zahlungen für Opium an Indien, und England Zahlungen an China zu machen hat, und die Beträge auf diesem Umweg nach Indien gehn. (1787, 88.)
1789 fragt nun Wilson, ob der Effekt auf die Wechselkurse nicht derselbe sein werde, einerlei ob das Kapital „in Form von Eisenschienen und Lokomotiven, oder in Form von Metallgeld hin- ausginge.“ Hierauf antwortet Newmarch ganz richtig: die 12 Mill. £ die in den letzten Jahren für Eisenbahnbau nach Indien gesandt, hätten gedient zum Ankauf einer Jahresrente, die Indien in regel- mäßigen Terminen an England zu zahlen habe. „Soweit unmittel- bare Wirkung auf den Edelmetallmarkt in Betracht kommt, kann die Anlage der 12 Mill. £ eine solche nur ausüben, soweit Metall hinausgesandt werden musste für wirkliche Anlage in Geld.“
1797. [Weguelin fragt:] „Wenn kein Rückfluss erfolgt für dies Eisen (die Schienen), wie kann man sagen, dass es auf den Wechsel- kurs wirkt? — Ich glaube nicht, dass der Theil der Auslage, der in Form von Waaren hinausgeschickt wird, den Stand des Wechsel- kurses afficirt … der Stand des Kurses zwischen zwei Ländern wird, man kann sagen ausschliesslich, afficirt durch die Quantität der Obligationen oder Wechsel, die in dem einen Land angeboten werden, verglichen mit der Quantität, die im andern Land dagegen angeboten wird; das ist die rationelle Theorie des Wechselkurses. Was die Uebersendung der 12 Millionen betrifft, so sind diese 12 Millionen zunächst hier gezeichnet worden; wäre nun das Ge- schäft derart, dass diese gesammten 12 Mill. in Kalkutta, Bombay und Madras in Hartgeld niedergelegt werden … so würde diese plötzliche Nachfrage gewaltsam auf den Silberpreis und den Wechsel- kurs wirken, grade so gut als wenn die ostindische Kompagnie morgen ankündigte, dass sie ihre Tratten von 3 auf 12 Mill. er- höhe. Aber die Hälfte dieser 12 Mill. wird ausgelegt … im An- kauf von Waaren in England … Eisenschienen und Holz und andre Stoffe … es ist eine Auslage von englischem Kapital, in England selbst, für eine gewisse Waarensorte, die nach Indien ge- schickt wird, und damit hat die Sache ein Ende. — 1798.
[Weguelin:] Aber die Produktion dieser für die Eisenbahnen nöthigen Waaren von Eisen und Holz producirt eine starke Kon- sumtion auswärtiger Waaren, und diese könnte doch den Wechsel- kurs afficiren? — Sicherlich.“
Wilson meint nun, das Eisen repräsentire zum grossen Theil Arbeit, und der für diese Arbeit gezahlte Lohn repräsentire grossen- theils importirte Waaren (1799), und fragt dann weiter:
„1801. Aber ganz allgemein gesprochen: wenn man die Waaren, die producirt worden sind vermittelst der Konsumtion dieser im- portirten Waaren, derart hinausschickt, dass wir keine Retour dafür erhalten, sei es in Produkten oder sonst wie; würde dies nicht die Wirkung haben, die Kurse ungünstig für uns zu machen? — Dieses Princip ist genau, was stattfand in England während der Zeit der grossen Eisenbahnanlagen [1845]. Drei oder vier oder fünf Jahre hintereinander haben Sie auf Eisenbahnen 30 Mill. £ ausgelegt und fast das ganze in Arbeitslohn. Sie haben während drei Jahren im Bau von Eisenbahnen, Lokomotiven, Wagen und Bahnhöfen eine stärkre Volkszahl unterhalten als in allen Fabrik- distrikten zusammen. Diese Leute … legten ihren Lohn aus im Ankauf von Thee, Zucker, Spirituosen und andren auswärtigen Waaren; diese Waaren mussten importirt werden; aber es steht fest, dass während der Zeit, wo diese grosse Auslage vor sich ging, die Wechselkurse zwischen England und andren Ländern nicht wesentlich gestört wurden. Es fand kein Abfluss von Edelmetall statt, im Gegentheil, eher ein Zufluss.“
1802. Wilson besteht darauf, dass bei ausgeglichener Handels- bilanz und Parikurs zwischen England und Indien die Extrasendung des Eisens und der Lokomotiven „den Wechselkurs mit Indien afficiren müsse.“ Newmarch kann dies nicht einsehn, solange die Schienen als Kapitalanlage hinausgeschickt werden, und Indien sie nicht in dieser oder jener Form zu bezahlen hat; er fügt hinzu: „Ich stimme mit dem Princip überein, dass kein Land auf die Dauer einen ungünstigen Wechselkurs haben kann mit allen Ländern, womit es handelt; ein ungünstiger Wechselkurs mit einem Land producirt nothwendig einen günstigen mit einem andern.“ Hierauf wirft ihm Wilson die Trivialität ein: „1803. Würde aber nicht eine Kapitalübertragung dieselbe sein, ob das Kapital in dieser oder jener Form geschickt wird? — Soweit die Schuldver- pflichtung in Betracht kommt, jawohl. — 1804. Ob Sie also Edel- metall herausschicken oder Waaren, die Wirkung des Eisenbahn- baus in Indien auf den Kapitalmarkt hier würde also dieselbe sein,
und würde den Werth des Kapitals ebenso erhöhen, als ob das Ganze in Edelmetall hinausgesandt wäre?“
Wenn die Eisenpreise nicht stiegen, so war das jedenfalls ein Beweis, dass der „Werth“ des in Schienen steckenden „Kapitals“ nicht vermehrt war. Warum es sich handelt, ist der Werth des Geldkapitals, der Zinsfuss. Wilson möchte Geldkapital und Kapital überhaupt identificiren. Die einfache Thatsache ist zunächst die, dass in England 12 Mill. für indische Eisenbahnen gezeichnet waren. Dies ist eine Sache, die direkt nichts mit den Wechsel- kursen zu thun hat, und die Bestimmung der 12 Mill. ist für den Geldmarkt ebenfalls gleichgültig. Ist der Geldmarkt in günstiger Lage, so braucht dies überhaupt keine Wirkung zu produciren, wie die englischen Eisenbahnzeichnungen 1844 und 45 den Geld- markt ebenfalls unberührt liessen. Ist der Geldmarkt schon einiger- maßen schwierig, so könnte der Zinsfuss allerdings dadurch be- troffen werden, aber doch nur in der Richtung der Steigerung, und dies müsste ja nach Wilson’s Theorie günstig auf die Kurse für England wirken, d. h. die Tendenz zur Ausfuhr von Edel- metall hemmen; wenn nicht nach Indien, so doch wo andershin. Herr Wilson springt von einem zum andern. In Frage 1802 sollten die Wechselkurse afficirt werden; in No. 1804 der „Werth des Kapitals“, zwei sehr verschiedne Dinge. Der Zinsfuss mag auf die Wechselkurse, und die Kurse mögen auf den Zinsfuss wirken, aber bei wechselnden Kursen kann der Zinsfuss, und bei wechselndem Zinsfuss können die Kurse konstant sein. Es will Wilson nicht in den Kopf, dass bei der Kapitalversendung ins Aus- land, die blosse Form, in der es versandt wird, einen solchen Unter- schied in der Wirkung macht, d. h. dass die Formverschiedenheit des Kapitals diese Wichtigkeit hat, und nun gar erst seine Geldform, was der ökonomischen Aufklärung gar sehr widerspricht. Newmarch ant- wortet dem Wilson sofern einseitig, als er ihn gar nicht aufmerksam macht, dass er so plötzlich und ohne Grund vom Wechselkurs auf den Zinsfuss übergesprungen ist. Newmarch antwortet auf jene Frage 1804 unsicher und schwankend: „Kein Zweifel, wenn 12 Mill. aufgebracht werden sollen, so ist es unwesentlich, soweit der allgemeine Zinsfuss in Betracht kommt, ob diese 12 Mill. in Edelmetall oder in Mate- rialien herausgeschickt werden sollen. Ich glaube jedoch“ [schöner Uebergang dies jedoch, um nun das direkte Gegentheil zu sagen] „dies ist nicht ganz unwesentlich“ [es ist unwesentlich, aber jedoch ist es nicht unwesentlich] „weil in dem einen Fall die 6 Mill. £ sofort zurückfliessen würden; in dem andern Fall würden
sie nicht so rasch zurückfliessen. Deshalb würde es einigen“ [welche Bestimmtheit!] „Unterschied machen, ob die 6 Mill. hier im Lande ausgelegt werden oder ob sie ganz herausgeschickt werden.“ Was soll das heissen, dass die 6 Mill. sofort zurückfliessen würden? Soweit die 6. Mill. £ in England verausgabt sind, existiren sie in Schienen, Lokomotiven etc., die nach Indien geschickt werden, von wo sie nicht zurückkehren, und ihr Werth erst durch Amor- tisation, also sehr langsam, während die 6 Mill. Edelmetall viel- leicht sehr rasch in natura retourniren. Soweit die 6 Mill. in Arbeitslohn verausgabt sind, sind sie aufgegessen; aber das Geld, worin sie vorgeschossen waren, cirkulirt nach wie vor im Lande oder bildet Reserve. Dasselbe gilt von den Profiten der Schienen- producenten und dem Theil der 6 Mill., der ihr konstantes Kapital ersetzt. Die zweideutige Phrase vom Rückfluss wird also von Newmarch nur gebraucht, um nicht direkt zu sagen: Das Geld ist im Lande geblieben, und soweit es als leihbares Geldkapital fungirt, ist der Unterschied für den Geldmarkt (abgesehn davon, dass etwa die Cirkulation mehr Hartgeld verschluckt haben könnte) nur der, dass es für Rechnung von A, statt von B verausgabt wird. An- lage dieser Art, wo das Kapital in Waaren, nicht in Edelmetall in fremde Länder übertragen wird, kann nur auf die Wechselkurse wirken (und zwar nicht mit dem Land, worin angelegt wird), soweit die Produktion dieser exportirten Waaren Extra-Import andrer aus- wärtiger Waaren erheischt. Diese Produktion ist dann nicht be- stimmt, diesen Extra-Import zu liquidiren. Dasselbe findet aber bei jedem Export auf Kredit statt, einerlei ob als Kapitalanlage oder für gewöhnliche Handelszwecke. Ausserdem kann dieser Extra- Import auch rückwirkend Extranachfrage nach englischen Waaren z. B. auf Seiten der Kolonien oder der Vereinigten Staaten hervorrufen.
Vorher sagte Newmarch, in Folge der Tratten der ostindischen Kompagnie seien die Ausfuhren von England nach Indien grösser als die Einfuhren. Sir Charles Wood nimmt ihn über diesen Punkt ins Kreuzverhör. Dieser Ueberschuss englischer Ausfuhr nach, über die Einfuhr von, Indien wird thatsächlich zu Stande gebracht durch eine Einfuhr von Indien, wofür England kein Aequivalent zahlt: die Tratten der ostindischen Kompagnie (jetzt der ostindischen Regierung) lösen sich auf in einen Tribut, der von Indien erhoben wird. Z. B. 1855: die Einfuhr von Indien nach England von 12670000 £; die englischen Ausfuhren nach Indien 10350000 £. Bilanz zu Gunsten Indiens 2250000 £. „Wenn hiermit die Sach-
lage erschöpft wäre, so würden diese 2250000 £ in irgend einer Form nach Indien zu remittiren sein. Aber dann kommen die Auf- forderungen vom India House. Das India House annoncirt, dass es in der Lage ist, Tratten auf die verschiednen Präsidentschaften in Indien auszugeben zum Betrage von 3250000 £. [Dieser Betrag wurde erhoben für die Londoner Unkosten der ostindischen Kom- pagnie und für die an die Aktionäre zu zahlenden Dividenden.] Und dies liquidirt nicht nur die Bilanz von 2250000 £, die im Handelsweg entstand, sondern ergibt noch eine Million Ueber- schuss.“ (1917.)
1922. [Wood:] „Dann ist also die Wirkung dieser Tratten des India House nicht die Ausfuhren nach Indien zu vermehren, sondern sie pro tanto zu vermindern?“ [Soll heissen die Nothwendigkeit zu vermindern, die Einfuhr von Indien durch Ausfuhr ebendorthin zu diesem Betrag zu decken.] Dies erklärt Herr Newmarch da- durch, dass die Engländer für diese 3700000 £ „gute Regierung“ nach Indien importiren. (1925.) Richtig und ironisch sagt Wood, der als Minister für Indien die von den Engländern importirte Sorte „guter Regierung“ sehr gut kannte, 1926: „Dann ist die Ausfuhr, die wie Sie sagen, durch die India House Tratten verursacht wird, eine Ausfuhr von guter Regierung und nicht von Waaren.“ Da England viel exportirt „in dieser Weise“ für „gute Regierung“ und für Kapitalanlagen in auswärtigen Ländern — also Einfuhren erhält, die ganz unabhängig sind vom gewöhnlichen Gang des Ge- schäfts, Tribute, theils für exportirte „gute Regierung“, theils als Revenue von in den Kolonien und anderswo angelegtem Kapital, Tribute, wofür es kein Aequivalent zu zahlen hat — so ist klar, dass die Wechselkurse nicht afficirt werden, wenn England diese Tribute einfach aufisst, ohne Gegenexport; es ist also auch klar, dass die Kurse nicht afficirt werden, wenn es diese Tribute wieder anlegt, nicht in England, sondern produktiv oder unproduktiv im Ausland; wenn es z. B. Munition dafür nach der Krim schickt. Zudem, soweit die Einfuhren vom Ausland in die Revenue von England eingehn — bezahlt müssen sie natürlich sein, entweder als Tribut, wo kein Aequivalent nöthig, oder durch Austausch gegen diese nicht bezahlten Tribute, oder im gewöhnlichen Gang des Handels — kann England sie entweder konsumiren oder sie als Kapital wieder neu anlegen. Weder das eine noch das andre berührt die Wechselkurse, und dies übersieht der weise Wilson. Ob einheimisches oder fremdes Produkt einen Theil der Revenue bildet, wo der letztere Fall nur Austausch heimischer Produkte
gegen auswärtige voraussetzt, — der Konsum dieser Revenue, pro- duktiv oder unproduktiv, ändert nichts an den Wechselkursen, wenn auch an der Stufenleiter der Produktion. Danach ist das Folgende zu beurtheilen.
1934. Wood fragt ihn, wie die Sendung von Kriegsvorräthen nach der Krim den Wechselkurs mit der Türkei afficiren würde. Newmarch antwortet: „Ich sehe nicht ein, wie die blosse Ver- sendung von Kriegsvorräthen den Wechselkurs nothwendig afficiren würde, aber die Versendung von Edelmetall würde den Kurs sicher- lich afficiren.“ Hier unterscheidet er also Kapital in Geldform von andrem Kapital. Aber nun fragt Wilson:
„1935. Wenn Sie einen Export veranstalten in grosser Aus- dehnung von irgend einem Artikel, wofür kein korrespondirender Import stattfindet“ [Herr Wilson vergisst, dass in Beziehung auf England sehr bedeutender Import stattfindet, wofür nie ein ent- sprechender Export stattgefunden hat, ausgenommen in der Form von „guter Regierung“ oder von früher exportirtem Anlagekapital; jedenfalls kein Import, der in die regelmäßige Handelsbewegung eingeht. Aber dieser Import wird wieder ausgetauscht z. B. mit amerikanischem Produkt, und dass amerikanisches Produkt expor- tirt wird ohne entsprechenden Import, ändert nichts an der Sache, dass der Werth dieses Imports konsumirt werden kann ohne einen äquivalenten Abfluss nach aussen; es ist empfangen worden ohne Gegenexport, und es kann daher auch verbraucht werden ohne in die Handelsbilanz einzugehn] „so bezahlen Sie nicht die aus- wärtige Schuld, die Sie durch Ihre Einfuhr kontrahirt haben“. [Aber wenn Ihr diesen Import schon vorher bezahlt habt, z. B. durch den im Ausland gegebnen Kredit, so wird keine Schuld da- durch kontrahirt, und die Frage hat gar nichts zu thun mit der internationalen Bilanz; sie löst sich auf in produktive oder unpro- duktive Ausgabe, einerlei ob die so verbrauchten Produkte inlän- disches oder ausländisches Produkt sind] „und desshalb müssen Sie durch diese Transaktion die Wechselkurse afficiren, indem die ausländische Schuld nicht bezahlt wird, weil Ihr Export keinen korrespondirenden Import hat. — Das ist richtig von Ländern im allgemeinen.“
Der Vortrag des Wilson kommt darauf hinaus, dass jeder Export ohne entsprechenden Import zugleich ein Import ohne entsprechenden Export ist; weil in die Produktion des exportirten Artikels fremde, also importirte Waaren eingehn. Die Unterstellung ist, dass jeder solcher Export begründet ist auf einen nicht bezahlten Import,
oder ihn erzeugt, — also Schuld ans Ausland. Dies ist falsch, selbst abgesehn von den zwei Umständen, dass England 1) Gratis- Importe hat, wofür es kein Aequivalent zahlt; z. B. einen Theil seiner indischen Importe. Es kann diese austauschen gegen ameri- kanische Importe, und letztre exportiren ohne Gegenimport; jeden- falls, was den Werth betrifft, hat es nur exportirt, was ihm nichts gekostet hat. Und 2) es mag Importe bezahlt haben, z. B. ameri- kanische, die zuschüssiges Kapital bilden; wenn es diese unpro- duktiv, z. B. in Kriegsmunition konsumirt, so bildet dies keine Schuld gegen Amerika, und afficirt nicht den Wechselkurs mit Amerika. Newmarch widerspricht sich 1934 und 35 und wird hierauf aufmerksam gemacht durch Wood, 1938: „Wenn kein Theil der Waaren, angewandt in der Anfertigung der Artikel, die wir ausführen ohne dass Rückfluss erfolgt“ [Kriegsausgabe], „her- kommt von dem Lande, wohin diese Artikel geschickt werden, wie berührt dies den Wechselkurs mit diesem Lande? Angenommen, der Handel mit der Türkei sei im gewöhnlichen Zustand des Gleich- gewichts; wie wird der Wechselkurs zwischen England und der Türkei afficirt durch die Ausfuhr von Kriegsvorräthen nach der Krim?“ — Hier verliert Newmarch seinen Gleichmuth; er vergisst dass er dieselbe einfache Frage unter No. 1934 bereits richtig beantwortet hat und sagt: „Wir haben, scheint mir, die praktische Frage erschöpft, und kommen jetzt in eine sehr erhabne Region metaphysischer Diskussion.“
[Wilson hat noch eine andre Fassung seiner Behauptung, dass der Wechselkurs afficirt werde durch jede Kapitalübertragung von einem Land auf ein andres, gleichviel ob diese stattfinde in Form von Edelmetall oder von Waaren. Wilson weiss natürlich, dass der Wechselkurs afficirt wird durch den Zinsfuss, speciell durch das Verhältniss der in den beiden Ländern, deren gegenseitiger Wechselkurs in Frage ist, geltenden Zinsraten. Kann er nun nach- weisen, dass Ueberschuss an Kapital überhaupt, also zunächst an Waaren aller Art, mit Einschluss von Edelmetall, eine mitbestimmende Wirkung auf den Zinsfuss ansübt, so kommt er seinem Ziel schon einen Schritt näher; Uebertragung eines bedeutenden Theils dieses Kapitals auf ein andres Land muss dann in beiden Ländern den Zinsfuss ändern, und zwar in entgegengesetzter Richtung, und da- mit in zweiter Instanz auch den Wechselkurs zwischen beiden Ländern. — F. E.]
Er sagt nun in dem, damals von ihm redigirten „Economist“ 1847, p. 475:
„Es ist klar, dass ein solcher Ueberschuss von Kapital, ange- zeigt durch grosse Vorräthe aller Art, Edelmetall eingeschlossen, nothwendig führen muss nicht allein zu niedrigen Preisen der Waaren überhaupt, sondern zu einem niedrigeren Zinsfuss für den Gebrauch von Kapital.1) Wenn wir einen Vorrath von Waaren zur Hand haben, hinreichend dem Land für zwei kommende Jahre zu dienen, so wird Kommando über diese Waaren für eine ge- gebne Periode zu viel niedrigerer Rate erhalten, als wenn der Vorrath kaum für zwei Monate ausreicht.2) Alle Anleihen von Geld, in welcher Form immer gemacht, sind nur Uebertragung des Kommandos über Waaren von dem einen auf den andern. Sind Waaren daher überflüssig vorhanden, so muss der Geldzins niedrig, sind sie selten, so muss er hoch sein.3) Wenn die Waaren reichlicher zufliessen, wird die Zahl der Verkäufer im Vergleich mit der Zahl der Käufer zunehmen, und im Maß wie die Quan- tität die Bedürfnisse der unmittelbaren Konsumtion übersteigt, muss ein stets grösserer Theil für spätern Gebrauch aufbewahrt werden. Unter diesen Umständen wird ein Waarenbesitzer zu niedrigeren Bedingungen auf künftige Zahlung oder auf Kredit verkaufen, als wenn er sicher wäre, dass sein ganzer Vorrath in wenigen Wochen zum Verkauf käme.“4)
Zu dem Satz ad 1) ist zu bemerken, dass ein starker Zufluss von Edelmetall stattfinden kann gleichzeitig mit einer Einschrän- kung der Produktion, wie dies stets der Fall ist in der Zeit nach einer Krise. In der folgenden Phase mag Edelmetall zufliessen von Ländern, die vorwiegend Edelmetall produciren; die Einfuhr der andern Waaren wird in dieser Periode gewöhnlich durch die Ausfuhr ausgeglichen. In diesen beiden Phasen ist der Zinsfuss niedrig und nur langsam steigend; warum, haben wir gesehn. Dieser niedrige Zinsfuss liess sich überall erklären ohne irgend welche Einwirkung irgend welcher „grossen Vorräthe aller Art.“ Und wie soll diese Einwirkung stattfinden? Der niedrige Preis von Baumwolle z. B. ermöglicht hohe Profite der Spinner u. s. w. Warum ist nun der Zinsfuss niedrig? Sicher nicht, weil der Profit, der mit geliehenem Kapital gemacht werden kann, hoch ist. Son- dern einzig und allein, weil unter den bestehenden Umständen die Nachfrage nach Leihkapital nicht wächst im Verhältniss zu diesem Profit; also das Leihkapital andre Bewegung hat als das industrielle Kapital. Was der Economist beweisen will, ist gerade das um-
gekehrte: dass seine Bewegung identisch sei mit der Bewegung des industriellen Kapitals.
Der Satz ad 2), wenn wir die absurde Voraussetzung eines Vor- raths für zwei Jahre im Voraus, bis zur Ermöglichung eines Sinn’s herabmindern, unterstellt eine Ueberführung des Waarenmarkts. Dies würde ein Sinken der Preise verursachen. Es wäre weniger zu zahlen für einen Ballen Baumwolle. Daraus folgt keineswegs, dass das Geld, um einen Ballen Baumwolle zu kaufen, wohlfeiler aufzunehmen wäre. Dies hängt ab vom Stand des Geldmarkts. Wenn es wohlfeiler aufzunehmen ist, dann nur, weil der kommer- cielle Kredit in solcher Lage ist, dass er den Bankkredit weniger in Anspruch zu nehmen genöthigt ist als gewöhnlich. Die den Markt überführenden Waaren sind Lebensmittel oder Produktionsmittel. Der niedrige Preis beider erhöht den Profit des industriellen Kapi- talisten. Warum soll er den Zins erniedrigen, ausser durch den Gegensatz, statt der Identität, zwischen Reichlichkeit von industriel- dem Kapital und Nachfrage nach Geldakkomodation? Die Um- stände liegen so, dass der Kaufmann und der Industrielle einander leichter Kredit geben können; wegen dieser Erleichterung des kommerciellen Kredits braucht der Industrielle wie der Kaufmann weniger Bankkredit; daher kann der Zinsfuss niedrig sein. Dieser niedrige Zinsfuss hat nichts zu thun mit dem Zufluss von Edel- metall, obgleich beide neben einander gehn können, und dieselben Ursachen, die die niedrigen Preise der Einfuhrartikel, auch den Ueberschuss des zugeführten Edelmetalls produciren mögen. Wäre der Importmarkt wirklich überführt, so bewiese dies Abnahme der Nachfrage für Importwaaren, die bei niedrigen Preisen unerklärlich wäre, ausser als Folge von Einschränkung der heimischen industriel- len Produktion; dies aber wäre wieder unerklärlich bei übergrossen Einfuhren zu niedrigen Preisen. Lauter Absurditäten, um zu be- weisen, dass Fallen der Preise = Fallen des Zinses. Beides mag gleichzeitig nebeneinander bestehn. Dann aber als Ausdruck des Gegensatzes der Richtungen, worin die Bewegung von industriellem Kapital und die Bewegung von leihbarem Geldkapital erfolgt, nicht als Ausdruck ihrer Identität.
Warum, ad 3), der Geldzins niedrig sein soll, wenn Waaren im Ueberfluss vorhanden, ist auch nach dieser weiteren Ausführung nicht abzusehn. Sind Waaren wohlfeil, so brauche ich, um ein bestimmtes Quantum zu kaufen, sage 1000 £ statt früher 2000. Vielleicht aber lege ich auch jetzt £ 2000 an und kaufe dafür das Doppelte der Waaren gegen früher und erweitre mein Geschäft
durch Vorschuss desselben Kapitals, das ich vielleicht aufnehmen muss. Ich kaufe jetzt wie früher für 2000 £. Meine Nachfrage auf dem Geldmarkt bleibt also dieselbe, wenn auch meine Nach- frage auf dem Waarenmarkt mit dem Sinken der Waarenpreise steigt. Fällt aber diese letztre, d. h. erweitert sich die Produktion nicht mit dem Sinken der Waarenpreise, was allen Gesetzen des Economist widersprechen würde, so nähme die Nachfrage nach leihbarem Geldkapital ab, obgleich der Profit zunähme; dieser zu- nehmende Profit würde aber Nachfrage nach Leihkapital schaffen. Uebrigens mag die Niedrigkeit der Waarenpreise aus drei Ursachen herrühren. Erstens aus Mangel an Nachfrage. Dann ist der Zins- fuss niedrig, weil die Produktion gelähmt, nicht weil die Waaren wohlfeil, da diese Wohlfeilheit bloss Ausdruck jener Lähmung. Oder weil die Zufuhr übergross im Verhältniss zur Nachfrage. Dies mag der Fall sein in Folge von Ueberführung der Märkte etc., die zur Krise führt, und mag in der Krise selbst zusammenfallen mit hohem Zinsfuss; oder es mag der Fall sein, weil der Werth der Waaren gesunken, also dieselbe Nachfrage zu niedrigerem Preis befriedigt werden kann. Warum soll im letzten Fall der Zinsfuss sinken? Weil der Profit wächst? Wenn, weil weniger Geldkapital nöthig, um dasselbe produktive oder Waarenkapital zu erhalten, so bewiese dies nur, dass Profit und Zins in umgekehrtem Ver- hältniss zu einander stehn. Jedenfalls ist der allgemeine Satz des Economist falsch. Niedrige Geldpreise der Waaren und niedriger Zinsfuss gehören nicht nothwendig zusammen. Sonst müsste in den ärmsten Ländern, wo die Geldpreise der Produkte am nied- rigsten, auch der Zinsfuss am niedrigsten, und in den reichsten Ländern, wo die Geldpreise der Agrikulturprodukte am höchsten, auch der Zinsfuss am höchsten stehn. Im allgemeinen gibt der Economist zu: fällt der Werth des Geldes, so übt das keinen Ein- fluss auf den Zinsfuss. 100 £ bringt nach wie vor 105 £; sind die 100 weniger werth, so auch die 5 Zins. Das Verhältniss wird nicht afficirt durch Werthsteigerung oder Entwerthung der Original- summe. Als Werth betrachtet, ist ein bestimmtes Waarenquantum gleich einer gewissen Geldsumme. Steigt sein Werth, so ist er gleich einer grössern Geldsumme; umgekehrt, wenn er fällt. Ist er = 2000, so 5 % = 100; ist er = 1000, so 5 % = 50. Dies ändert aber nichts am Zinssatz. Das Rationale an der Sache ist nur, dass mehr Geldakkommodation erheischt, wenn 2000 £ nöthig, um dasselbe Quantum Waaren zu verkaufen, als wenn nur 1000 £ nöthig. Aber dies zeigt hier nur umgekehrtes Verhältniss zwischen
Profit und Zins. Denn der Profit wächst mit der Wohlfeilheit der Elemente des konstanten und variablen Kapitals, und der Zins fällt. Aber das Umgekehrte kann auch der Fall sein, und ist häufig der Fall. Baumwolle z. B. kann wohlfeil sein, weil keine Nachfrage für Garn und Gewebe besteht; sie kann relativ theuer sein, weil grosser Profit in der Baumwollindustrie grosse Nach- frage für sie erzeugt. Andrerseits kann der Profit der Industriellen hoch sein, grade weil der Preis von Baumwolle niedrig ist. Die Liste von Hubbard beweist, dass der Zinsfuss und die Waaren- preise durchaus von einander unabhängige Bewegungen vollführen; während die Bewegungen des Zinsfusses sich genau den Bewegungen des Metallschatzes und der Wechselkurse anpassen.
„Sind Waaren daher im Ueberfluss vorhanden, so muss der Geld- zins niedrig sein,“ sagt der Economist. Grade das Umgekehrte findet statt in den Krisen; die Waaren sind überschüssig, inkon- vertibel in Geld, und daher der Zinsfuss hoch; in einer andren Phase des Cyklus herrscht grosse Nachfrage nach Waaren, daher leichte Rückflüsse, aber zugleich Steigen der Waarenpreise, und wegen der leichten Rückflüsse niedriger Zinsfuss. „Sind sie [die Waaren] selten, so muss er hoch sein.“ Wieder findet das Um- gekehrte statt in Zeiten der Abspannung nach der Krise. Waaren sind selten, absolut gesprochen, nicht mit Rücksicht auf die Nach- frage; und der Zinsfuss ist niedrig.
Dass, ad4), bei überführtem Markt ein Waarenbesitzer wohl- feiler losschlagen wird — wenn er überhaupt verkaufen kann — als bei voraussichtlich rascher Erschöpfung der vorhandnen Vor- räthe, ist ziemlich klar. Weniger aber, wesshalb desswegen der Zinsfuss fallen soll.
Ist der Markt mit der importirten Waare überführt, so mag der Zinsfuss steigen, in Folge gesteigerter Nachfrage nach Leihkapital von Seiten der Eigner, um die Waaren nicht auf den Markt werfen zu müssen. Er mag fallen, weil die Flüssigkeit des kommerciellen Kredits die Nachfrage für Bankkredit noch relativ niedrig hält.
Der Economist erwähnt die rasche Wirkung auf die Kurse 1847 in Folge der Erhöhung des Zinsfusses und andern Drucks auf den Geldmarkt. Aber es ist nicht zu vergessen, dass trotz der Wendung der Kurse das Gold fortfuhr abzufliessen bis Ende April; die Wen- dung tritt hier erst ein mit Anfang Mai.
Am 1. Januar 1847 war der Metallschatz der Bank 15066691 £; Zinsfuss 3½ %; Dreimonatskurs auf Paris, 25.75; auf Hamburg 13.10;
auf Amsterdam 12.3¼. Am 5. März war der Metallschatz gefallen auf 11595535 £; Diskonto gestiegen auf 4 %; der Wechselkurs fiel auf Paris 25.67½, Hamburg 13.9¼, Amsterdam 12.2½. Gold- abfluss dauert fort; s. folgende Tabelle:
Im Jahr 1847 betrug der Gesammtexport von Edelmetall aus England £ 8602597.
Trotz der Wendung der Kurse Ende März dauert der Goldab- fluss noch einen vollen Monat fort; wahrscheinlich nach den Ver- einigten Staaten.
„Wir sehn hier,“ [sagt der Economist 1847, p. 984] wie schnell und schlagend die Wirkung eines gesteigerten Zinsfusses und der darauf folgenden Geldklemme war in der Korrektion eines ungün- stigen Kurses und in der Wendung der Goldflut, sodass sie wieder nach England floss. Die Wirkung wurde hervorgebracht ganz un- abhängig von der Zahlungsbilanz. Ein höherer Zinsfuss erzeugte einen niedrigern Preis der Werthpapiere, englischer wie auswärtiger, und veranlasste grosse Einkäufe davon für ausländische Rechnung. Dies vermehrte die Summe der von England aus gezogenen Wechsel, während andrerseits bei hohem Zinsfuss die Schwierigkeit Geld zu erhalten so gross war, dass die Nachfrage nach diesen Wechseln fiel, während ihre Summe stieg. Es geschah aus derselben Ursache, dass Aufträge für fremde Waaren annullirt und englische Kapital- anlagen in auswärtigen Werthpapieren realisirt und das Geld nach England zur Anlage gebracht wurde. So lesen wir z. B. im Rio de Janeiro Prices Current vom 10. Mai: „Der Wechselkurs“ [auf
England] „hat einen neuen Rückgang erfahren, verursacht haupt- sächlich durch einen Druck auf den Markt für Rimessen gegen den Erlös bedeutender Verkäufe von [brasilischen] Staatsfonds für englische Rechnung.“ Englisches Kapital, das im Ausland in ver- schiednen Werthpapieren angelegt worden, als der Zinsfuss hier sehr niedrig, wurde so zurückgebracht, als der Zinsfuss gestiegen war.
Indien allein hat an 5 Mill. Tribut zu zahlen, für „gute Re- gierung“, Zinsen und Dividenden von britischem Kapital etc., wobei gar nicht berechnet sind die Summen, die jährlich heimgesandt werden, theils von Beamten als Ersparnisse aus ihrem Gehalt, theils durch englische Kaufleute als Theil ihrer Profite, um in England angelegt zu werden. Von jeder britischen Kolonie sind aus den- selben Gründen fortwährend grosse Rimessen zu machen. Die meisten Banken in Australien, Westindien, Kanada sind mit bri- tischem Kapital gegründet, die Dividenden sind in England zu zahlen. Ebenso besitzt England viel auswärtige Staatspapiere, euro- päische, nord- und südamerikanische, wovon es die Zinsen zu empfangen hat. Dazu kommt dann noch seine Betheiligung bei ausländischen Eisenbahnen, Kanälen, Bergwerken etc., mit den ent- sprechenden Dividenden. Die Rimessen gegen alle diese Posten werden fast ausschliesslich in Produkten gemacht, über den Betrag der englischen Ausfuhr hinaus. Was andrerseits von England ins Ausland geht an Besitzer englischer Werthpapiere und an Verzehr für Engländer im Ausland, ist dagegen verschwindend.
Die Frage, soweit sie die Handelsbilanz und die Wechselkurse betrifft, ist „in jedem gegebnen Moment eine Frage der Zeit. In der Regel … gibt England lange Kredite auf seine Ausfuhr, während die Einfuhren baar bezahlt werden. In gewissen Mo- menten hat dieser Unterschied der Usance eine bedeutende Wirkung auf die Kurse. Zu einer Zeit wo unsre Ausfuhren sehr beträchtlich zunehmen, wie 1850, muss eine fortwährende Ausdehnung der An- lage von britischem Kapital im Gang sein … so können die Ri- messen von 1850 gegen Waaren gemacht werden, die 1849 exportirt wurden. Aber wenn 1850 die Ausfuhren die von 1849 um 6 Mill. übersteigen, so muss die praktische Wirkung sein, dass mehr Geld ausser Landes gesandt ist, zu diesem Betrag, als im selben Jahr zurückgeflossen; und in dieser Weise wird eine Wirkung hervor- gebracht auf die Kurse und den Zinsfuss. Sobald dagegen unser Geschäft in einer Krise deprimirt, und unsre Ausfuhr sehr einge-
schränkt ist, so übersteigen die für die grössren Exporte früherer Jahre verfallenden Rimessen sehr bedeutend den Werth unsrer Ein- fuhr; die Kurse drehn sich dementsprechend zu unsern Gunsten, das Kapital akkumulirt rasch im Inland, und der Zinsfuss fällt.“ (Economist, 11. Januar 1851.)
Der auswärtige Wechselkurs kann sich ändern
1) in Folge der augenblicklichen Zahlungsbilanz, durch welche Ur- sachen immer diese bestimmt sei: durch rein merkantilische, durch Ka- pitalanlage im Ausland, oder aber durch Staatsausgaben, bei Kriegen u. s. w., soweit Baarzahlungen im Ausland dabei gemacht werden.
2) In Folge von Entwerthung des Geldes in einem Land, sei dies nun Metall- oder Papiergeld. Dies ist rein nominell. Wenn 1 £ nur noch halb soviel Geld repräsentirte wie früher, würde es selbstredend zu 12½ Fr. statt zu 25 Fr. berechnet.
3) Wo es sich um den Kurs zwischen Ländern handelt, von denen das eine Silber, das andre Gold als „Geld“ verwendet, ist der Wechselkurs abhängig von den relativen Werthschwankungen dieser beiden Metalle, da diese Schwankungen offenbar das Pari zwischen beiden alteriren. Ein Beispiel vom letztren waren die Kurse 1850; sie waren gegen England, obgleich sein Export enorm stieg; aber dennoch fand kein Goldabfluss statt. Es war Wirkung des momentanen Steigens des Silberwerths gegen den Goldwerth. (Siehe Economist, 30. November 1857.)
Das Pari des Wechselkurses ist für 1 £ Sterling: auf Paris 25 Fr. 20 cent.; Hamburg 13 Mark Banko 10½ Sch.; Amsterdam 11 fl.. 97 cents. Im Verhältniss wie der Wechselkurs auf Paris über 25.20 steigt, wird er günstiger für den englischen Schuldner an Frankreich oder den Käufer französischer Waaren. In beiden Fällen braucht er weniger Pfund Sterling um seinen Zweck zu erreichen. — In entlegneren Ländern, wo Edelmetall nicht leicht zu erlangen, wenn Wechsel selten und ungenügend sind für die nach England zu machenden Rimessen, ist die natürliche Wirkung Her- auftreibung der Preise derjenigen Produkte, die gewöhnlich nach England verschifft werden, indem für diese nun grössre Nachfrage entsteht, um sie anstatt Wechsel nach England zu senden; dies ist oft der Fall in Indien.
Ein ungünstiger Wechselkurs und selbst ein Goldabfluss kann stattfinden, wenn in England sehr grosser Ueberfluss an Geld, niedriger Zinsfuss, und hoher Preis der Werthpapiere herrscht.
Im Laufe von 1848 erhielt England grosse Quantitäten Silber von Indien, da gute Wechsel selten waren und mittelmäßige ungern
genommen wurden, in Folge der Krisis von 1847 und der grossen Kreditlosigkeit im indischen Geschäft. Dies ganze Silber, kaum angekommen, fand bald den Weg nach dem Kontinent, wo die Revolution Schatzbildung an allen Ecken herbeiführte. Dasselbe Silber machte 1850 grossentheils die Reise nach Indien zurück, da der Stand des Wechselkurses dies nun profitlich machte.
Das Monetarsystem ist wesentlich katholisch, das Kreditsystem wesentlich protestantisch. „The Scotch hate gold.“ Als Papier hat das Gelddasein der Waaren ein nur gesellschaftliches Dasein. Es ist der Glaube, der selig macht. Der Glaube in den Geld- werth als immanenten Geist der Waaren, der Glaube in die Pro- duktionsweise und ihre prädestinirte Ordnung, der Glaube in die einzelnen Agenten der Produktion als blosse Personifikationen des sich selbst verwerthenden Kapitals. So wenig aber der Protestan- tismus von den Grundlagen des Katholicismus sich emancipirt, so wenig das Kreditsystem von der Basis des Monetarsystems.
Das zinstragende Kapital, oder wie wir es in seiner alterthüm- lichen Form bezeichnen können, das Wucherkapital, gehört mit seinem Zwillingsbruder, dem kaufmännischen Kapital, zu den ante- diluvianischen Formen des Kapitals, die der kapitalistischen Pro- duktionsweise lange vorhergehn und sich in den verschiedensten ökonomischen Gesellschaftsformationen vorfinden.
Die Existenz des Wucherkapitals erfordert nichts, als dass wenig- stens ein Theil der Produkte sich in Waaren verwandelt, und zu- gleich mit dem Waarenhandel das Geld sich in seinen verschiednen Funktionen entwickelt hat.
Die Entwicklung des Wucherkapitals schliesst sich an die des Kaufmannskapitals und speciell an die des Geldhandlungskapitals. Im alten Rom, von den letzten Zeiten der Republik an, wo die Manufaktur tief unter der antiken Durchschnittsentwicklung stand, war Kaufmannskapital, Geldhandlungskapital und Wucherkapital — innerhalb der antiken Form — auf den höchsten Punkt entwickelt.
Man hat gesehn, wie sich mit dem Geld nothwendig die Schatz- bildnerei einfindet. Der professionelle Schatzbildner wird jedoch erst wichtig, sobald er sich in den Wucherer verwandelt.
Der Kaufmann borgt Geld um Profit mit dem Geld zu machen, um es als Kapital anzuwenden, d. h. zu verausgaben. Auch in
den frühern Formen steht ihm also der Geldverleiher ganz so gegen- über, wie dem modernen Kapitalisten. Dies specifische Verhältniss wurde auch von den katholischen Universitäten gefühlt. „Die Universitäten von Alcalá, von Salamanca, von Ingolstadt, von Frei- burg im Breisgau, Mainz, Köln und Trier, erkannten nacheinander die Rechtmäßigkeit der Zinsen für Handelsanleihen an. Die ersten fünf dieser Approbationen sind niedergelegt worden in den Archiven des Konsulats der Stadt Lyon, und gedruckt im Anhang des Traité de l’usure et des intérêts, Lyon, Bruyset-Ponthus.“ (M. Augier, Le Crédit public etc. Paris 1842, p. 206.) In allen Formen worin die Sklavenwirthschaft (nicht patriarchalisch, sondern wie in den spätern griechischen und römischen Zeiten) als Mittel der Bereicherung besteht, wo Geld also Mittel ist, durch Ankauf von Sklaven, Land etc., fremde Arbeit anzueignen, wird das Geld, eben weil es so angelegt werden kann, als Kapital verwerthbar, zinstragend.
Die charakteristischen Formen jedoch, worin das Wucherkapital in den Vorzeiten der kapitalistischen Produktionsweise existirt, sind zweierlei. Ich sage charakteristische Formen. Dieselben Formen wiederholen sich auf Basis der kapitalistischen Produktion, aber als bloss untergeordnete Formen. Sie sind hier nicht mehr die Formen, die den Charakter des zinstragenden Kapitals bestimmen. Diese beiden Formen sind: Erstens, der Wucher durch Geldverleihen an verschwenderische Grosse, wesentlich Grundeigenthümer; zweitens, Wucher durch Geldverleihen an den kleinen, im Besitz seiner eignen Arbeitsbedingungen befindlichen Producenten, worin der Handwerker eingeschlossen ist, aber ganz specifisch der Bauer, da überhaupt in vorkapitalischen Zuständen, soweit sie kleine selbst- ständige Einzelproducenten zulassen, die Bauernklasse deren grosse Majorität bilden muss.
Beides, sowohl der Ruin der reichen Grundeigenthümer durch den Wucher, wie die Aussaugung der kleinen Producenten führt zur Bildung und Koncentration grosser Geldkapitalien. Wie weit aber dieser Process die alte Produktionsweise aufhebt, wie dies im modernen Europa der Fall war, und ob er an ihrer Stelle die kapitalistische Produktionsweise setzt, hängt ganz von der histo- rischen Entwicklungsstufe und den damit gegebnen Umständen ab.
Das Wucherkapital als charakteristische Form des zinstragenden Kapitals entspricht dem Vorherrschen der kleinen Produktion, der selbstarbeitenden Bauern und kleinen Handwerksmeister. Wo dem Arbeiter, wie in der entwickelten kapitalistischen Produktionsweise, die Arbeitsbedingungen und das Produkt der Arbeit als Kapital
gegenübertreten, hat er als Producent kein Geld zu borgen. Wo er es borgt, geschieht es wie im Pfandhaus für persönliche Noth- durft. Wo der Arbeiter dagegen Eigenthümer, wirklicher oder nomineller, seiner Arbeitsbedingungen und seines Produkts ist, steht er als Producent im Verhältniss zum Kapital des Geldver- leihers, das ihm als Wucherkapital gegenübertritt. Newman drückt die Sache fad aus, wenn er sagt, dass der Bankier angesehn ist, während der Wucherer verhasst und verachtet ist, weil jener den Reichen leiht, dieser den Armen. (J. W. Newman, Lectures on Pol. Econ. London 1851. p. 44.) Er übersieht, dass hier der Unter- schied zweier gesellschaftlicher Produktionsweisen und der ihnen entsprechenden gesellschaftlichen Ordnungen dazwischenliegt, und dia Sache nicht mit dem Gegensatz von Arm und Reich abge- macht ist. Vielmehr geht der Wucher, der den armen Kleinpro- ducenten aussaugt, Hand in Hand mit dem Wucher, der den reichen Grossgrundbesitzer aussaugt. Sobald der Wucher der rö- mischen Patricier die römischen Plebejer, die Kleinbauern, völlig ruinirt hatte, hatte diese Form der Ausbeutung ein Ende, und trat die reine Sklavenwirthschaft an die Stelle der kleinbäuerlichen.
Unter der Form des Zinses kann hier vom Wucherer aller Ueberschuss über die nothdürftigsten Subsistenzmittel (den Betrag des spätern Arbeitslohns) der Producenten verschlungen werden (was später als Profit und Bodenrente erscheint), und es ist daher höchst abgeschmackt, die Höhe dieses Zinses da, wo er, mit Aus- nahme dessen, was dem Staat zukommt, allen Mehrwerth sich an- eignet, zu vergleichen mit der Höhe des modernen Zinsfusses, wo der Zins, wenigstens der normale, nur einen Theil dieses Mehr- werths bildet. Es wird dabei vergessen, dass der Lohnarbeiter dem Kapitalisten, der ihn anwendet, Profit, Zins und Grundrente, kurz den gesammten Mehrwerth producirt und abgibt. Carey macht diese abgeschmackte Vergleichung, um damit zu zeigen, wie vortheilhaft für die Arbeiter die Entwicklung des Kapitals und der sie begleitende Fall des Zinsfusses ist. Wenn der Wucherer ferner, nicht zufrieden damit die Mehrarbeit seines Opfers auszu- pressen, nach und nach sich die Eigenthumstitel auf seine Arbeits- bedingungen selbst, Land, Haus etc., erwirbt, und beständig damit beschäftigt ist ihn so zu expropriiren, so wird dem gegenüber wieder vergessen, dass diese vollständige Expropriation des Arbeiters von seinen Arbeitsbedingungen nicht ein Resultat ist, dem die kapitalistische Produktionsweise zustrebt, sondern die fertige Vor- aussetzung, wovon sie ausgeht. Der Lohnsklave ist ebensogut wie
der wirkliche Sklave durch seine Stellung davon ausgeschlossen Schuldsklave zu werden, wenigstens in seiner Qualität als Produ- cent; er kann es nur allenfalls werden in seiner Eigenschaft als Konsument. Das Wucherkapital, in dieser Form, worin es in der That alle Mehrarbeit der unmittelbaren Producenten sich aneignet, ohne die Produktionsweise zu ändern; worin das Eigenthum, resp. der Besitz, der Producenten an den Arbeitsbedingungen — und die ihr entsprechende vereinzelte Kleinproduktion — wesentliche Voraussetzung ist; wo das Kapital also die Arbeit sich nicht direkt unterordnet und ihr daher nicht als industrielles Kapital gegen- übertritt, dies Wucherkapital verelendet diese Produktionsweise, lähmt die Produktivkräfte statt sie zu entwickeln, und verewigt zugleich diese jammervollen Zustände, in denen nicht, wie in der kapitalistischen Produktion, die gesellschaftliche Produktivität der Arbeit auf Kosten der Arbeit selbst entwickelt wird.
Der Wucher wirkt so einerseits untergrabend und zerstörend auf den antiken und feudalen Reichthum und auf das antike und feudale Eigenthum. Andrerseits untergräbt und ruinirt er die kleinbäuerliche und kleinbürgerliche Produktion, kurz alle Formen, worin der Producent noch als Eigenthümer seiner Produktions- mittel erscheint. In der ausgebildeten kapitalistischen Produktions- weise ist der Arbeiter nicht Eigenthümer der Produktionsbedin- gungen, des Ackers, den er bebaut, des Rohstoffs, den er verarbeitet, etc. Dieser Entfremdung der Produktionsbedingung vom Producenten entspricht hier aber eine wirkliche Umwälzung in der Produktions- weise selbst. Die vereinzelten Arbeiter werden in grosser Werk- statt vereinigt zu getheilter, ineinander greifender Thätigkeit; das Werkzeug wird zur Maschine. Die Produktionsweise selbst erlaubt nicht mehr diese mit dem kleinen Eigenthum verbundne Zersplitt- rung der Produktionsinstrumente, so wenig wie die Isolirung der Arbeiter selbst. In der kapitalistischen Produktion kann der Wucher nicht mehr die Produktionsbedingungen vom Producenten scheiden, weil sie bereits geschieden sind.
Der Wucher centralisirt Geldvermögen, wo die Produktionsmittel zersplittert sind. Er ändert die Produktionsweise nicht, sondern saugt sich an sie als Parasit fest und macht sie miserabel. Er saugt sie aus, entnervt sie, und zwingt die Reproduktion unter immer erbärmlichern Bedingungen vorzugehn. Daher der populäre Hass gegen den Wucher, am höchsten in der antiken Welt, wo das Eigenthum des Producenten an seinen Produktionsbedingungen zugleich Basis der politischen Verhältnisse, der Selbständigkeit des Staatsbürgers.
Soweit Sklaverei herrscht, oder soweit das Mehrprodukt vom Feudalherrn und seiner Gefolgschaft aufgegessen wird, und Sklaven- besitzer oder Feudalherr dem Wucher verfallen, bleibt die Pro- duktionsweise auch dieselbe; nur wird sie härter für die Arbeiter. Der verschuldete Sklavenhalter oder Feudalherr saugt mehr aus, weil er selbst mehr ausgesaugt wird. Oder schliesslich macht er dem Wucherer Platz, der selbst Grundeigenthümer oder Sklaven- besitzer wird, wie der Ritter im alten Rom. An die Stelle der alten Ausbeuter, deren Exploitation mehr oder minder patriarcha- lisch, weil grossentheils politisches Machtmittel war, tritt ein harter, geldsüchtiger Emporkömmling. Aber die Produktionsweise selbst wird nicht verändert.
Revolutionär wirkt der Wucher in allen vorkapitalistischen Pro- duktionsweisen nur, indem er die Eigenthumsformen zerstört und auflöst, auf deren fester Basis und beständiger Reproduktion in derselben Form die politische Gliederung ruht. Bei asiatischen Formen kann der Wucher lange fortdauern, ohne etwas andres als ökonomisches Verkommen und politische Verdorbenheit hervorzu- rufen. Erst wo und wann die übrigen Bedingungen der kapita- listischen Produktionsweise vorhanden, erscheint der Wucher als eines der Bildungsmittel der neuen Produktionsweise, durch Ruin der Feudalherrn und der Kleinproduktion einerseits, durch Centrali- sation der Arbeitsbedingungen zu Kapital andrerseits.
Im Mittelalter herrschte in keinem Lande ein allgemeiner Zins- fuss. Die Kirche verbot alle Zinsgeschäfte von vornherein. Gesetze und Gerichte sicherten Anleihen nur wenig. Desto höher war der Zinssatz in einzelnen Fällen. Der geringe Geldumlauf, die Noth- wendigkeit, die meisten Zahlungen baar zu leisten, zwangen zu Geldaufnahmen, und umsomehr, je weniger das Wechselgeschäft noch ausgebildet war. Es herrschte grosse Verschiedenheit sowohl des Zinsfusses wie der Begriffe vom Wucher. Zu Karls des Grossen Zeit galt es für wucherisch, wenn jemand 100 % nahm. Zu Lindau am Bodensee nahmen 1348 einheimische Bürger 216⅔ %. In Zürich bestimmte der Rath 43⅓ % als gesetzlichen Zins. In Italien mussten zuweilen 40 % gezahlt werden, obgleich vom 12.—14. Jahrhundert der gewöhnliche Satz 20 % nicht überschritt. Verona ordnete 12½ % als gesetzlichen Zins an. Kaiser Friedrich II. setzte 10 % fest, aber dies bloss für die Juden. Für die Christen mochte er nicht sprechen. 10 % war schon im 13. Jahrhundert im rheinischen Deutschland das gewöhnliche. (Hüllmann, Geschichte des Städtewesens. II. p. 55—57.)
Das Wucherkapital besitzt die Exploitationsweise des Kapitals ohne seine Produktionsweise. Dies Verhältniss wiederholt sich auch innerhalb der bürgerlichen Oekonomie in zurückgebliebnen Industriezweigen oder solchen, die sich gegen den Uebergang in die moderne Produktionsweise sträuben. Will man z. B. den eng- lischen Zinsfuss mit dem indischen vergleichen, so muss man nicht den Zinsfuss der B. v. E. nehmen, sondern den z. B. von Ver- leihern kleiner Maschinen an Kleinproducenten der Hausindustrie.
Der Wucher ist gegenüber dem konsumirenden Reichthum histo- risch wichtig als selbst ein Entstehungsprocess des Kapitals. Wucher- kapital und Kaufmannsvermögen vermitteln die Bildung eines vom Grundeigenthum unabhängigen Geldvermögens. Je weniger der Charakter des Produkts als Waare sich entwickelt, je weniger sich der Tauschwerth der Produktion in ihrer ganzen Breite und Tiefe bemächtigt hat, desto mehr erscheint Geld als der eigentliche Reich- thum als solcher, als der allgemeine Reichthum, gegenüber seiner beschränkten Darstellungsweise in Gebrauchswerthen. Darauf be- ruht die Schatzbildung. Abgesehn vom Geld als Weltgeld und Schatz, ist es namentlich die Form des Zahlungsmittels, worin es als absolute Form der Waare auftritt. Und es ist namentlich seine Funktion als Zahlungsmittel, die den Zins und damit das Geld- kapital entwickeln. Was der verschwenderische und korrumpirende Reichthum will, ist Geld als Geld, Geld als Mittel alles zu kaufen. (Auch zum Schuldenzahlen.) Wozu der kleine Producent vor allem Geld braucht, ist zum Zahlen. (Die Verwandlung der Natural- leistungen und Lieferungen an Grundherrn und Staat in Geldrente und Geldsteuern spielt hier eine grosse Rolle.) In beiden Fällen wird das Geld als Geld gebraucht. Auf der andren Seite wird die Schatzbildung erst real, erfüllt ihren Traum im Wucher. Was vom Schatzeigner verlangt wird, ist nicht Kapital, sondern Geld als Geld; aber durch den Zins verwandelt er diesen Geldschatz für sich in Kapital — in ein Mittel, wodurch er sich der Mehrarbeit ganz oder theilweise bemächtigt, und ebenso eines Theils der Pro- duktionsbedingungen selbst, wenn sie auch nominell als fremdes Eigenthum ihm gegenüber stehn bleiben. Der Wucher lebt schein- bar in den Poren der Produktion wie die Götter in den Inter- mundien bei Epikur. Geld ist um so schwieriger zu haben, je weniger die Waarenform die allgemeine Form des Produkts. Der Wucherer kennt daher durchaus keine Schranke ausser der Leistungs- fähigkeit oder Widerstandsfähigkeit der Geldbedürftigen. Als Kauf- mittel wird in der kleinbäuerlichen und kleinbürgerlichen Produktion
das Geld hauptsächlich gebraucht, wenn die Produktionsbedingungen dem Arbeiter (der in diesen Produktionsweisen vorwiegend noch ihr Eigenthümer) durch Zufälle oder ausserordentliche Erschütt- rungen verloren gehn, oder wenigstens nicht im gewöhnlichen Lauf der Reproduktion ersetzt werden. Lebensmittel und Rohstoffe bilden wesentlichen Theil dieser Produktionsbedingungen. Ihre Vertheurung kann ihren Ersatz aus dem Erlös des Produkts un- möglich machen, wie einfache Missernten den Bauer verhindern können, sein Saatkorn in natura zu ersetzen. Dieselben Kriege, wodurch die römischen Patricier die Plebejer ruinirten, sie zu Kriegsdiensten zwangen, die sie an der Reproduktion ihrer Arbeits- bedingungen hinderten, sie daher verarmen machten (und Verar- mung, Verkümmerung oder Verlust der Reproduktionsbedingungen, ist hier die vorherrschende Form) füllten jenen die Speicher und Keller mit erbeutetem Kupfer, dem damaligen Geld. Statt den Plebejern direkt die benöthigten Waaren zu geben, Korn, Pferde, Hornvieh, liehen sie ihnen dies für sie selbst nutzlose Kupfer, und benutzten diese Lage zur Erpressung enormer Wucherzinsen, wo- durch sie die Plebejer zu ihren Schuldsklaven machten. Unter Karl dem Grossen wurden die fränkischen Bauern ebenfalls durch Kriege ruinirt, sodass ihnen nichts übrig blieb als aus Schuldnern Leibeigne zu werden. Im römischen Reich geschah es bekanntlich häufig, dass Hungersnoth den Verkauf der Kinder und Selbstverkauf von Freien als Sklaven an die Reicheren herbeiführte. So viel für allgemeine Wendepunkte. Im einzelnen betrachtet hängt Er- haltung oder Verlust der Produktionsbedingungen für den Klein- producenten von tausend Zufällen ab, und jeder solcher Zufall oder Verlust bedeutet Verarmung, und wird ein Punkt, wo der Wucher- parasit sich ansetzen kann. Dem Kleinbauer braucht bloss eine Kuh zu krepiren, damit er unfähig wird seine Reproduktion auf der alten Stufenleiter wieder zu beginnen. Damit verfällt er dem Wucher und, einmal verfallen, kommt er nie wieder frei.
Die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel ist jedoch das eigent- liche, grosse und eigenthümliche Terrain des Wuchers. Jede an be- stimmtem Termin fällige Geldleistung, Grundzins, Tribut, Steuer etc., bringt die Nothwendigkeit einer Geldzahlung mit sich. Daher setzt sich der Wucher im Grossen von den alten Römern bis auf die modernen Zeiten an die Steuerpächter, fermiers généraux, rece- veurs généraux an. Dann entwickelt sich mit dem Handel und der Verallgemeinerung der Waarenproduktion die zeitliche Tren- nung von Kauf und Zahlung. Das Geld ist an bestimmtem
Termin zu liefern. Wie dies zu Umständen führen kann, wo Geld- kapitalist und Wucherer noch heute in einander verschwimmen, beweisen die modernen Geldkrisen. Derselbe Wucher wird aber Hauptmittel, die Nothwendigkeit des Geldes als Zahlungsmittel weiter auszubilden, indem er den Producenten tiefer und tiefer ver- schuldet, und ihm die gewöhnlichen Zahlungsmittel dadurch ver- nichtet, dass er durch die Zinslast selbst seine regelmäßige Repro- duktion unmöglich macht. Hier schiesst der Wucher aus dem Geld als Zahlungsmittel empor, und erweitert diese Funktion des Geldes, sein eigenstes Terrain.
Die Entwicklung des Kreditwesens vollbringt sich als Reaktion gegen den Wucher. Man muss dies aber nicht missverstehn, und keineswegs im Sinn der antiken Schriftsteller, der Kirchenväter, Luther’s oder der älteren Socialisten nehmen. Es bedeutet nichts mehr und nichts weniger als die Unterordnung des zinstragenden Kapitals unter die Bedingungen und Bedürfnisse der kapitalistischen Produktionsweise.
Im Grossen und Ganzen wird das zinstragende Kapital im modernen Kreditsystem den Bedingungen der kapitalistischen Produktion an- gepasst. Der Wucher als solcher existirt nicht nur fort, sondern wird bei Völkern entwickelter kapitalistischer Produktion von den Schranken befreit, die ihm alle ältere Gesetzgebung gezogen hat. Das zinstragende Kapital behält die Form von Wucherkapital gegen- über Personen und Klassen, oder in Verhältnissen, wo nicht im Sinn der kapitalistischen Produktionsweise geborgt wird und geborgt werden kann; wo aus individueller Noth geborgt wird wie im Pfandhaus; wo dem geniessenden Reichthum für Verschwendung geborgt wird; oder wo der Producent nichtkapitalistischer Producent ist, kleiner Bauer, Handwerker etc., also noch als unmittelbarer Producent Besitzer seiner eignen Produktionsbedingungen; endlich wo der kapitalistische Producent selbst auf so kleiner Stufenleiter operirt, dass er sich jenen selbst arbeitenden Producenten nähert.
Was das zinstragende Kapital, soweit es ein wesentliches Element der kapitalistischen Produktionsweise bildet, vom Wucherkapital unterscheidet, ist in keiner Weise die Natur oder der Charakter dieses Kapitals selbst. Es sind nur die veränderten Bedingungen, unter denen es fungirt, und daher auch die total verwandelte Ge- stalt des Borgers, der dem Geldverleiher gegenübertritt. Selbst wo ein vermögensloser Mann als Industrieller oder Kaufmann Kredit erhält, geschieht es in dem Vertrauen, dass er als Kapitalist fun- giren, unbezahlte Arbeit aneignen wird mit dem geliehenen Kapital.
Es wird ihm Kredit gegeben als potentiellem Kapitalisten. Und dieser Umstand, der so sehr bewundert wird von den ökonomischen Apologeten, dass ein Mann ohne Vermögen, aber mit Energie, Solidität, Fähigkeit und Geschäftskenntniss sich in dieser Weise in einen Kapitalisten verwandeln kann — wie denn überhaupt in der kapitalistischen Produktionsweise der Handelswerth eines jeden mehr oder weniger richtig abgeschätzt wird — so sehr er beständig gegen- über den vorhandnen einzelnen Kapitalisten eine unwillkommene Reihe neuer Glücksritter ins Feld führt, befestigt die Herrschaft des Kapitals selbst, erweitert ihre Basis, und erlaubt ihr sich mit stets neuen Kräften aus der gesellschaftlichen Unterlage zu re- krutiren. Ganz wie der Umstand, dass die katholische Kirche im Mittelalter ihre Hierarchie ohne Ansehn von Stand, Geburt, Ver- mögen aus den besten Köpfen im Volk bildete, ein Hauptbefestigungs- mittel der Pfaffenherrschaft und der Unterdrückung der Laien war. Jemehr eine herrschende Klasse fähig ist, die bedeutendsten Männer der beherrschten Klassen in sich aufzunehmen, desto solider und gefährlicher ist ihre Herrschaft.
Statt des Bannfluchs gegen das zinstragende Kapital überhaupt, ist es daher umgekehrt seine ausdrückliche Anerkennung, wovon die Initiatoren des modernen Kreditsystems ausgehn.
Wir sprechen hier nicht von der Reaktion gegen den Wucher, die die Armen vor ihm zu schützen suchte, wie die Monts-de-piété (1350 zu Sarlins in der Franche-Comté, später zu Perugia und Savona in Italien, 1400 und 1479). Sie sind nur merkwürdig, weil sie die geschichtliche Ironie zeigen, womit fromme Wünsche in ihrer Realisation ins grade Gegentheil umschlagen. Die englische Arbeiterklasse zahlt nach einer mäßigen Schätzung 100 % an die Pfandhäuser, diese Nachkömmlinge der Monts-de-piété.(FN21) Wir sprechen ebensowenig von den Kreditphantasien z. B. eines Dr. Hugh Chamberleyne oder John Briscoe, die im letzten Decennium des 17. Jahrhunderts durch eine Landbank mit auf Grundeigenthum
basirtem Papiergeld die englische Aristokratie vom Wucher zu emancipiren suchten.(FN22)
Die Kreditassociationen, die sich im 12. und 14. Jahrhundert in Venedig und Genua bildeten, entsprangen aus dem Bedürfniss des Seehandels und des auf denselben gegründeten Grosshandels, sich von der Herrschaft des altmodischen Wuchers und den Monopo- lisirern des Geldhandels zu emancipiren. Wenn die eigentlichen Banken, die in diesen Stadtrepubliken gestiftet wurden, zugleich als Anstalten für den öffentlichen Kredit sich darstellen, von denen der Staat Vorschüsse auf einzunehmende Steuern erhielt, so darf nicht vergessen werden, dass die Kaufleute, die jene Associationen bildeten, selbst die ersten Leute jener Staaten, und ebenso interessirt waren ihre Regierung, wie sich selbst vom Wucher zu emancipiren(FN23), und zugleich sich den Staat dadurch mehr und sicherer zu unter- werfen. Als die Bank von England gestiftet werden sollte, warfen daher auch die Tories ein: „Banken seien republikanische Institu- tionen. Blühende Banken existirten zu Venedig, Genua, Amsterdam und Hamburg. Aber wer hätte je gehört von einer Bank von Frankreich oder Spanien.“
Die Bank von Amsterdam 1609 bezeichnet ebenso wenig wie die von Hamburg (1619) eine Epoche in der Entwicklung des modernen Kreditwesens. Sie war eine reine Depositenbank. Die Bons, die die Bank ausgab, waren in der That nur Empfangscheine für das deponirte gemünzte und ungemünzte Edelmetall, und cir- kulirten nur mit dem Endossement ihrer Empfänger. Aber in
Holland hatte sich mit dem Handel und der Manufaktur der kom- mercielle Kredit und der Geldhandel entwickelt, und war das zins- tragende Kapital durch den Gang der Entwicklung selbst dem industriellen und kommerciellen Kapital untergeordnet worden. Dies zeigte sich schon in der Niedrigkeit des Zinsfusses. Holland aber galt im 17. Jahrhundert für das Musterland der ökonomischen Ent- wicklung, wie England jetzt. Das Monopol des altmodischen Wuchers, der auf der Armuth basirte, war dort von selbst über den Haufen geworfen.
Während des ganzen 18. Jahrhunderts ertönt — und die Gesetz- gebung handelt in diesem Sinn — mit Hinweis auf Holland der Schrei nach gewaltsamer Herabsetzung des Zinsfusses, um das zins- tragende Kapital dem kommerciellen und industriellen unterzuordnen statt umgekehrt. Der Hauptstimmführer ist Sir Josiah Child, der Vater des normalen englischen Privatbankierthums. Er deklamirt ganz so gegen das Monopol der Wucherer, wie die Massenkon- fektionsschneider Moses & Son sich als Bekämpfer des Monopols der „Privatschneider“ ausschreien. Dieser Josiah Child ist zugleich der Vater der englischen Stockjobberei. So vertheidigt er, der Autokrat der ostindischen Kompagnie, ihr Monopol im Namen der Handelsfreiheit. Gegen Thomas Manley („Interest of Money mis- taken“) sagt er: „Als Vorkämpfer der furchtsamen und zitternden Bande der Wucherer, errichtet er seine Hauptbatterie an dem Punkt, den ich für den schwächsten erklärt habe … er leugnet gradezu, dass der niedrige Zinsfuss die Ursache des Reichthums sei, und versichert, er sei nur seine Wirkung.“ (Traités sur le Commerce etc. 1669. Trad. Amsterdam et Berlin, 1754.) „Wenn es der Handel ist, der ein Land bereichert, und wenn die Herabsetzung des Zinses den Handel vermehrt, so ist eine Herabsetzung des Zinses oder Beschränkung des Wuchers ohne Zweifel eine fruchtbare Haupt- ursache der Reichthümer einer Nation. Es ist durchaus nicht ab- geschmackt zu sagen, dass dieselbe Sache zu gleicher Zeit Ursache unter gewissen Umständen, und Wirkung unter andern sein kann.“ (l. c., p. 55.) „Das Ei ist die Ursache der Henne, und die Henne ist die Ursache des Eies. Die Zinsreduktion kann eine Vermehrung des Reichthums, und die Vermehrung des Reichthums kann eine noch grössre Zinsreduktion verursachen.“ (l. c., p. 156.) „Ich bin der Vertheidiger der Industrie und mein Gegner vertheidigt die Faulheit und den Müßiggang.“ (p. 179.)
Diese gewaltsame Bekämpfung des Wuchers, diese Forderung der Unterordnung des zinstragenden unter das industrielle Kapital
ist nur der Vorläufer der organischen Schöpfungen, die diese Be- dingungen der kapitalistischen Produktion im modernen Bankwesen herstellen, das einerseits das Wucherkapital seines Monopols be- raubt, indem es alle todtliegenden Geldreserven koncentrirt und auf den Geldmarkt wirft, andrerseits das Monopol der edlen Me- talle selbst durch Schöpfung des Kreditgelds beschränkt.
Ebenso wie hier bei Child, wird man in allen Schriften über Bankwesen in England im letzten Drittel des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts den Gegensatz gegen den Wucher finden, die Forderung der Emancipation des Handels und der Industrie wie des Staats vom Wucher. Zugleich kolossale Illusionen über die Wunderwirkung des Kredits, der Entmonopolisirung der edlen Me- talle, ihren Ersatz durch Papier etc. Der Schotte William Patterson, Stifter der Bank v. E. und der Bank von Schottland, ist durchaus Law der Erste.
Gegen die B. v. E. „erhoben alle Goldschmiede und Pfandver- leiher ein Wuthgeheul.“ (Macaulay, History of England. IV. p. 499.) — „In den ersten 10 Jahren hatte die Bank mit grossen Schwierig- keiten zu kämpfen; grosse Feindschaft von aussen; ihre Noten wurden nur weit unter dem Nominalwerth angenommen … die Goldschmiede (in deren Händen der Handel mit den edlen Metallen zur Basis eines primitiven Bankgeschäfts diente) intriguirten be- deutend gegen die Bank, weil durch diese ihr Geschäft vermindert, ihr Diskonto herabgedrückt wurde, und ihre Geschäfte mit der Regierung in die Hände dieser Gegnerin gekommen waren.“ (J. Francis, l. c. p. 73.)
Schon vor der Stiftung der B. v. E. entstand 1683 der Plan einer National Bank of Credit, deren Zweck u. a. war: „dass Ge- schäftsleute, wenn sie eine beträchtliche Menge Waaren besitzen, durch Unterstützung dieser Bank ihre Waaren deponiren und auf ihre festliegenden Vorräthe einen Kredit aufnehmen, ihre Ange- stellten beschäftigen, und ihr Geschäft vermehren können, bis sie einen guten Markt finden, statt mit Verlust zu verkaufen.“ Nach vielen Mühen wurde diese Bank of Credit errichtet in Devonshire House in Bishopsgate Street. Sie lieh an Industrielle und Kauf- leute auf Sicherheit deponirter Waaren ¾ des Werths derselben in Wechseln. Um diese Wechsel lauffähig zu machen, wurde in jedem Geschäftszweig eine Anzahl von Leuten zu einer Gesell- schaft vereinigt, von der jeder Besitzer solcher Wechsel Waaren dagegen mit derselben Leichtigkeit erhalten sollte, als ob er baare Zahlung offerirte. Die Bank machte keine blühenden Geschäfte.
Die Maschinerie war zu komplicirt, das Risiko bei Depreciation der Waaren zu gross.
Hält man sich an den wirklichen Inhalt jener Schriften, die die Gestaltung des modernen Kreditwesens in England theoretisch be- gleiten und befördern, so wird man darin nichts finden als die Forderung der Unterordnung des zinstragenden Kapitals, überhaupt der verleihbaren Produktionsmittel unter die kapitalistische Pro- duktionsweise als eine ihrer Bedingungen. Hält man sich an die blosse Phrase, so wird die Uebereinstimmung, bis auf den Aus- druck herab, mit den Bank- und Kreditillusionen der St. Simonisten oft in Erstaunen setzen.
Ganz wie der cultivateur bei den Physiokraten nicht den wirk- lichen Landbauer, sondern den Grosspächter bedeutet, so der tra- vailleur bei St. Simon, und immer noch durchlaufend bei seinen Schülern, nicht den Arbeiter, sondern den industriellen und kommer- ciellen Kapitalisten. „Un travailleur a besoin d’aides, de seconds, d’ouvriers; il les cherche intelligents, habiles, dévoués; il les met à l’oeuvre, et leurs travaux sont productifs.“ (Religion saint- simonienne. Économie politique et Politique. Paris 1831. p. 104.) Man muss überhaupt nicht vergessen, dass erst in seiner letzten Schrift, dem Nouveau Christianisme, St. Simon direkt als Wort- führer der arbeitenden Klasse auftritt und ihre Emancipation als Endzweck seines Strebens erklärt. Alle seine frühern Schriften sind in der That nur Verherrlichung der modernen bürgerlichen Gesellschaft gegen die feudale, oder der Industriellen und Bankiers gegen die Marschälle und juristischen Gesetzfabrikanten der Napo- leonischen Zeit. Welcher Unterschied, verglichen mit den gleich- zeitigen Schriften Owen’s!(FN24) Auch bei seinen Nachfolgern, wie schon die citirte Stelle zeigt, bleibt der industrielle Kapitalist der
travailleur par excellence. Wenn man ihre Schriften kritisch liest, wird man sich nicht wundern, dass die Realisirung ihrer Kritik- und Bankträume der vom Ex-St. Simonisten Emile Pereire ge- gründete Crédit mobilier war, eine Form, die übrigens nur in einem Land wie Frankreich vorherrschend werden konnte, wo weder das Kreditsystem noch die grosse Industrie zur modernen Höhe entwickelt waren. In England und Amerika war so etwas unmög- lich. — In den folgenden Stellen der Doctrine de St. Simon. Exposition. Première année. 1828—29. 3e éd. Paris 1831, steckt schon der Keim zum Crédit mobilier. Begreiflicherweise kann der Bankier wohlfeiler vorschiessen als der Kapitalist und Privat- wucherer. Es ist also diesen Bankiers „möglich, den Industriellen Werkzeuge weit wohlfeiler, d. h. zu niedrigeren Zinsen zu ver- schaffen, als die Grundeigenthümer und Kapitalisten es könnten, die sich leichter in der Auswahl der Borger täuschen können.“ (p. 202.) Aber die Verfasser fügen selbst in der Note hinzu: „Der Vortheil, der aus der Vermittlung des Bankiers zwischen den Müssigen und den travailleurs folgen müsste, wird oft aufgewogen und selbst vernichtet durch die Gelegenheit, die unsre desorga- nisirte Gesellschaft dem Egoismus bietet, sich in den verschiednen Formen des Betrugs und des Charlatanismus geltend zu machen; die Bankiers drängen sich oft zwischen travailleurs und Müssige, um beide zum Schaden der Gesellschaft auszubeuten.“ Travailleur steht hier für capitaliste industriel. Uebrigens ist es falsch, die Mittel worüber das moderne Bankwesen verfügt, bloss als die Mittel der Müssigen zu betrachten. Erstens ist es der Theil des Kapitals, den Industrielle und Kaufleute momentan unbeschäftigt in Geld- form halten, als Geldreserve oder erst anzulegendes Kapital; also müssiges Kapital, aber nicht Kapital der Müssigen. Zweitens der Theil der Revenuen und Ersparungen Aller, der permanent oder transitorisch für Akkumulation bestimmt ist. Und beides ist wesent- lich für den Charakter des Banksystems.
Es muss aber nie vergessen werden, dass erstens das Geld — in der Form der edlen Metalle — die Unterlage bleibt, wovon das Kreditwesen der Natur der Sache nach nie loskommen kann. Zweitens, dass das Kreditsystem das Monopol der gesellschaftlichen Produktionsmittel (in der Form von Kapital und Grundeigenthum) in den Händen von Privaten zur Voraussetzung hat, dass es selbst einerseits eine immanente Form der kapitalistischen Produktions- weise ist, und andrerseits eine treibende Kraft ihrer Entwicklung zu ihrer höchst- und letztmöglichen Form.
Das Banksystem ist, der formellen Organisation und Centrali- sation nach, wie schon 1697 in: „Some Thoughts of the Interests of England“ ausgesprochen, das künstlichste und ausgebildetste Produkt, wozu es die kapitalistische Produktionsweise überhaupt bringt. Daher die ungeheure Macht eines Instituts wie die Bank v. E. auf Handel und Industrie, obgleich deren wirkliche Bewegung ganz ausserhalb ihres Bereichs bleibt, und sie sich passiv dazu verhält. Es ist damit allerdings die Form einer allgemeinen Buch- führung und Vertheilung der Produktionsmittel auf gesellschaft- licher Stufenleiter gegeben, aber auch nur die Form. Wir haben gesehn, dass der Durchschnittsprofit des einzelnen Kapitalisten, oder jedes besondren Kapitals, bestimmt ist, nicht durch die Mehrarbeit, die dies Kapital in erster Hand aneignet, sondern durch das Quantum von Gesammtmehrarbeit, die das Gesammtkapital an- eignet, und wovon jedes besondre Kapital nur als proportioneller Theil des Gesammtkapitals seine Dividende zieht. Dieser gesell- schaftliche Charakter des Kapitals wird erst vermittelt und vollauf verwirklicht durch volle Entwicklung des Kredit- und Banksystems. Andrerseits geht dies weiter. Es stellt den industriellen und kom- merciellen Kapitalisten alles disponible und selbst potentielle, nicht bereits aktiv engagirte Kapital der Gesellschaft zur Verfügung, so- dass weder der Verleiher noch der Anwender dieses Kapitals dessen Eigenthümer oder Producenten sind. Es hebt damit den Privat- charakter des Kapitals auf, und enthält so an sich, aber auch nur an sich, die Aufhebung des Kapitals selbst. Durch das Bankwesen ist die Vertheilung des Kapitals den Händen der Privatkapitalisten und Wucherer als ein besondres Geschäft, als gesellschaftliche Funktion entzogen. Bank und Kredit werden aber dadurch zu- gleich das kräftigste Mittel, die kapitalistische Produktion über ihre eignen Schranken hinauszutreiben, und eins der wirksamsten Vehikel der Krisen und des Schwindels.
Das Banksystem zeigt ferner durch die Substitution verschiedner Formen von cirkulirendem Kredit an Stelle des Geldes, dass das Geld in der That nichts andres ist als ein besondrer Ausdruck des gesellschaftlichen Charakters der Arbeit und ihrer Produkte, der aber als im Gegensatz zu der Basis der Privatproduktion stets in letzter Instanz als ein Ding, als besondre Waare neben andren Waaren sich darstellen muss.
Endlich unterliegt es keinem Zweifel, dass das Kreditsystem als ein mächtiger Hebel dienen wird, während des Uebergangs aus der kapitalistischen Produktionsweise in die Produktionsweise der asso-
ciirten Arbeit; jedoch nur als ein Element im Zusammenhang mit andren grossen organischen Umwälzungen der Produktionsweise selbst. Dagegen entspringen die Illusionen über die wunderwir- kende Macht des Kredit- und Bankwesens, im socialistischen Sinn, aus völliger Unkenntniss der kapitalistischen Produktionsweise und des Kreditwesens als einer ihrer Formen. Sobald die Produktions- mittel aufgehört haben, sich in Kapital zu verwandeln (worin auch die Aufhebung des Privat-Grundeigenthums eingeschlossen ist), hat der Kredit als solcher keinen Sinn mehr, was übrigens selbst die St. Simonisten eingesehn haben. Solange andrerseits die kapita- listische Produktionsweise fortdauert, dauert das zinstragende Kapital als eine ihrer Formen fort, und bildet in der That die Basis ihres Kreditsystems. Nur derselbe Sensationsschriftsteller, Proudhon, der die Waarenproduktion fortbestehn lassen, und das Geld auf- heben wollte(FN25), war fähig, das Ungeheuer eines crédit gratuit zu erträumen, diese vorgebliche Realisation des frommen Wunsches des kleinbürgerlichen Standpunkts.
In der Réligion saint-simonienne, Économie et Politique, heisst es p. 45: „Der Kredit hat zum Zweck, in einer Gesellschaft wo die einen Werkzeuge der Industrie besitzen ohne die Fähigkeit oder den Willen zu ihrer Anwendung zu haben, und wo andre industriöse Leute keine Arbeitsinstrumente besitzen, diese Instru- mente auf die leichtest mögliche Weise aus den Händen der ersteren, ihrer Besitzer, zu übertragen in die Hände der andern, die sie zu verwenden wissen. Bemerken wir, dass nach dieser Definition der Kredit eine Folge der Art und Weise ist, in der das Eigenthum konstituirt ist.“ Also fällt der Kredit fort mit dieser Konstitution des Eigenthums. Es heisst farner, p. 98: Die jetzigen Banken „betrachten sich als bestimmt, der Bewegung Folge zu geben, die die, ausserhalb ihrer, bewirkten Geschäfte in Gang gesetzt haben, nicht aber ihnen selbst den Impuls zu geben; in andren Worten, die Banken erfüllen bei den travailleurs, denen sie Kapitalien vorschiessen, die Rolle von Kapitalisten.“ In dem Ge- danken, dass die Banken selbst die Leitung übernehmen und sich auszeichnen sollen „durch die Zahl und die Nützlichkeit der kom- manditirten Etablissements und der in Anregung gebrachten Ar- beiten“ (p. 101) liegt der crédit mobilier latent. Ebenso verlangt Charles Pecqueur, dass die Banken (was die St. Simonisten Système général des banques nennen) „die Produktion regieren“. Ueber-
haupt ist Pecqueur wesentlich St. Simonist, obgleich viel radikaler. Er will, dass „die Kreditanstalt … die ganze Bewegung der natio- nalen Produktion regiere.“ — „Versucht eine nationale Kredit- anstalt zu schaffen, die dem nichtbesitzenden Talent und Verdienst Mittel vorschiesst, ohne jedoch diese Borger zwangsmäßig durch eine enge Solidarität in Produktion und Konsumtion unter sich zu verknüpfen, sondern im Gegentheil so, dass sie selbst ihre Aus- tausche und ihre Produktionen bestimmen. Auf diesem Wege werdet ihr nur erreichen, was jetzt schon die Privatbanken er- reichen, die Anarchie, das Missverhältniss zwischen Produktion und Konsumtion, den plötzlichen Ruin der einen, und die plötzliche Bereicherung der andren; derart dass eure Anstalt nie weiter kommen wird als für die einen eine Summe von Wohlergehn zu produciren, welche gleichkommt der Summe des von den andren ertragnen Unglücks … bloss dass ihr der von euch mit Vor- schüssen unterstützten Lohnarbeitern die Mittel gegeben habt, sich unter einander dieselbe Konkurrenz zu machen, die sich jetzt ihre kapitalistischen Meister machen.“ (Ch. Pecqueur, Théorie Nouvelle d’Economie Soc. et Pol. Paris 1842. p. 434.)
Wir haben gesehn, dass das Kaufmannskapital und das zins- tragende Kapital die ältesten Formen des Kapitals sind. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass das zinstragende Kapital in der Volksvorstellung sich als die Form des Kapitals par excellence darstellt. Im Kaufmannskapital findet eine vermittelnde Thätig- keit statt, möge sie nun als Prellerei, Arbeit, oder wie immer aus- gelegt werden. Dagegen stellt sich im zinstragenden Kapital der selbstreproducirende Charakter des Kapitals, der sich verwerthende Werth, die Produktion des Mehrwerths, als okkulte Qualität rein dar. Daher kommt es denn auch, dass selbst ein Theil der poli- tischen Oekonomie, besonders in Ländern, wo das industrielle Ka- pital noch nicht vollständig entwickelt ist, wie in Frankreich, daran als an der Grundform des Kapitals festhalten, und z. B. die Grund- rente nur als andre Form davon fassen, indem auch hier die Form des Verleihens vorherrscht. Es wird dadurch die innere Gliederung der kapitalistischen Produktionsweise völlig verkannt, und ganz übersehn, dass der Boden, ebenso wie das Kapital, nur an Kapi- talisten verliehen wird. Statt Geld können natürlich Produktions- mittel in natura, wie Maschinen, Geschäftsgebäude u. s. w. verliehen werden. Sie stellen dann aber eine bestimmte Geldsumme dar, und dass ausser dem Zins ein Theil für Verschleiss gezahlt wird, geht aus dem Gebrauchswerth, aus der specifischen Naturalform
dieser Kapitalelemente hervor. Das Entscheidende ist hier wieder, ob sie an den unmittelbaren Producenten verliehen werden, was Nicht-Existenz der kapitalistischen Produktionsweise voraussetzt, wenigstens in der Sphäre, worin dies stattfindet; oder ob sie an den industriellen Kapitalisten verliehen werden, was eben die Vor- aussetzung auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise ist. Noch ungehöriger und begriffsloser ist es, das Verleihen von Häusern etc. für den individuellen Konsum hierherzuziehn. Dass die Arbeiterklasse auch in dieser Form beschwindelt wird, und zwar himmelschreiend, ist klare Thatsache; aber dies geschieht ebenso von dem Kleinhändler, der ihr die Lebensmittel liefert. Es ist dies eine sekundäre Ausbeutung, die neben der ursprünglichen herläuft, die im Produktionsprocess selbst unmittelbar vor sich geht. Der Unterschied zwischen Verkaufen und Verleihen ist hier ein durchaus gleichgültiger und formeller, der wie schon gezeigt, nur der völligen Unkenntniss des wirklichen Zusammenhangs als wesentlich erscheint.
Der Wucher wie der Handel exploitiren eine gegebne Produk- tionsweise, schaffen sie nicht, verhalten sich äusserlich zu ihr. Der Wucher sucht sie direkt zu erhalten, um sie stets von neuem aus- beuten zu können, ist konservativ, macht sie nur miserabler. Je weniger die Produktionselemente als Waaren in den Produktions- process eintreten, und als Waaren aus ihm herauskommen, um so mehr erscheint ihre Herstellung aus Geld als ein besondrer Akt. Je unbedeutender die Rolle ist, die die Cirkulation in der gesell- schaftlichen Reproduktion spielt, desto blühender der Wucher.
Dass das Geldvermögen als besondres Vermögen sich entwickelt, heisst mit Bezug auf das Wucherkapital, dass es alle seine For- derungen in der Form von Geldforderungen besitzt. Es entwickelt sich um so mehr in einem Lande, je mehr die Masse der Produk- tion auf Naturalleistungen etc., also auf Gebrauchswerth beschränkt.
Insofern der Wucher das Doppelte bewirkt: Erstens überhaupt, neben dem Kaufmannsstand, ein selbständiges Geldvermögen zu bilden, zweitens die Arbeitsbedingungen sich anzueignen, d. h. die Besitzer der alten Arbeitsbedingungen zu ruiniren, ist er ein mächtiger Hebel zur Bildung der Voraussetzungen für das industrielle Kapital.
„Im Mittelalter war die Bevölkerung rein ackerbauend. Und da, wie unter der feudalen Regierung, kann nur wenig Verkehr
und daher auch nur wenig Profit sein. Daher waren die Wucher- gesetze im Mittelalter gerechtfertigt. Zudem kommt in einem ackerbauenden Land jemand selten in die Lage Geld zu borgen ausser wenn er zu Armuth und Elend heruntergekommen ist … Heinrich VIII. beschränkt den Zins auf 10 %, Jakob I. auf 8, Karl II. auf 6, Anna auf 5 % … In jenen Zeiten waren die Geld- verleiher, wenn nicht rechtliche, so doch thatsächliche Monopolisten, und daher war es nöthig, sie wie andre Monopolisten unter Be- schränkung zu setzen … In unsern Zeiten regulirt die Rate des Profits die Rate des Zinses; in jenen Zeiten regulirte die Rate des Zinses die Rate des Profits. Wenn der Geldverleiher dem Kauf- mann eine hohe Zinsrate aufbürdete, musste der Kaufmann eine höhere Profitrate auf seine Waaren schlagen. Daher wurde eine grosse Summe Geldes aus den Taschen der Käufer genommen, um sie in die Taschen der Geldverleiher zu bringen.“ (Gilbart, History and Princ. of Banking, p. 164, 165.)
„Ich lasse mir sagen, dass man jetzt jährlich auf einen jeglichen Leiptzischen Markt 10 Gulden, das ist 30 aufs Hundert nimmt; etliche setzen hinzu den Neuenburgischen Markt, dass es 40 aufs Hundert werden: obs nur sei, das weiss ich nicht. Pfui dich, wo zum Teufel will denn auch zuletzt das hinaus? … Wer nun jetzt zu Leiptzig 100 Floren hat, der nimmt järlich 40, das heisst einen Bauer oder einen Bürger in einem Jar gefressen. Hat er 1000 Floren; so nimmt er järlich 400, das heisst einen Ritter oder reichen Edelmann in einem Jar gefressen. Hat er 10000, so nimmt er järlich 4000; das heisst einen reichen Grafen in einem Jar ge- fressen. Hat er 100000, wie es sein muss bei den grossen Händlern, so nimmt er järlich 40000; das heisst einen grossen reichen Fürsten in einem Jahr gefressen. Hat er 1000000, so nimmt er järlich 400000, das heisst einen grossen König in einem Jar gefressen. Und leidet darüber kein Fahr, weder an Leib noch an Wahr, Arbeit nichts, sitzt hinter dem Ofen und brät Aepfel: also möchte ein Stul-Räuber sitzen zu Hause, und eine ganze Welt in zehn Jahren fressen. (Dies ist aus „Bücher vom Kaufhandel und Wucher“, vom Jahre 1524. Luther’s Werke, Wittenberg 1589. 6. Theil.)
„Ich habe vor 15 Jahren wider den Wucher geschrieben, da er bereit so gewaltig eingerissen war, dass ich keine Besserung zu hoffen wüsste. Seit der Zeit hat er sich also erhebt, dass er nie auch kein Laster, Sünde oder Schande mehr sein will, sondern lässt sich rhümen für eitel Tugend und Ehre, als thue er den Leuten grosse Liebe und einen christlichen Dienst. Was will nun
helfen rahten da Schande ist Ehre und Laster ist Tugend worden.“ (An die Pfarherrn wider den Wucher zu predigen. Wittenberg 1540.)
„Juden, Lombarden, Wucherer und Blutsauger waren unsre ersten Bankiers, unsre ursprünglichen Bankschacherer, ihr Charakter war fast infam zu nennen. . . . Dem gesellten sich dann die Londoner Goldschmiede bei. Im ganzen … waren unsre ursprünglichen Bankiers … eine sehr schlimme Gesellschaft, sie waren gierige Wucherer, steinherzige Aussauger.“ (J. Hardcastle, Banks and Bankers. 2nd ed. London 1843 p. 19, 20.)
„Das von Venedig gegebne Beispiel (der Bildung einer Bank) wurde also rasch nachgeahmt; alle Seestädte, und überhaupt alle Städte, die sich durch ihre Unabhängigkeit und ihren Handel einen Namen gemacht hatten, gründeten ihre ersten Banken. Die Rück- kehr ihrer Schiffe, die oft lange auf sich warten liess, führte un- vermeidlich zur Gewohnheit des Kreditgebens, die die Entdeckung Amerikas und der Handel dorthin in der Folge noch weiter verstärkte.“ (Dies ein Hauptpunkt.) Die Schiffsbefrachtungen zwangen zur Auf- nahme starker Vorschüsse, was bereits im Alterthum in Athen und Griechenland vorgekommen. 1380 besass die Hansestadt Brügge eine Assekuranzkammer. (M. Augier, l. c. p. 202, 203.)
Wie sehr das Verleihen an die Grundeigenthümer, und damit überhaupt an den geniessenden Reichthum, selbst noch in England vorwog, im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts, vor der Entwick- lung des modernen Kreditsystems, kann man u. a. ersehn aus Sir Dudley North, nicht nur einem der ersten englischen Kaufleute, sondern auch einem der bedeutendsten theoretischen Oekonomen seiner Zeit: „Die in unserm Volk auf Zinsen ausgelegten Gelder werden noch lange nicht zum zehnten Theil an Geschäftsleute aus- gegeben, um damit ihre Geschäfte zu betreiben; sie werden zum grössten Theil ausgeliehen für Luxusartikel, und für die Ausgaben von Leuten, die, obwohl grosse Grundbesitzer, doch rascher Geld ausgeben, als ihr Grundbesitz es einbringt; und da sie den Verkauf ihrer Güter scheuen, sie lieber verhypotheciren.“ (Discourses upon Trade. London 1691. p. 6, 7.)
Im 18. Jahrhundert in Polen: „Warschau machte ein grosses Wechselgeschäft, das aber hauptsächlich den Wucher seiner Bankiers zum Grunde und zur Absicht hatte. Um sich Geld zu verschaffen, welches sie den verschwenderischen Grossen zu 8 und zu mehr Procent leihen konnten, suchten und fanden sie ausser Landes einen Wechselkredit in Blanco, d. h. der gar keinen Waarenhandel zu
Grunde hatte, welchen der ausländische Trassat aber so lange ge- duldig acceptirte, als noch die durch Wechselreiterei erschaffnen Rimessen nicht ausblieben. Dafür haben diese durch die Bankrotte eines Tapper und andrer grossgeachteter Warschauer Bankiers schwer gebüsst.“ (J. G. Büsch, Theoretisch-praktische Darstellung der Handlung etc. 3. Auflage. Hamburg 1808. Band II, p. 232, 233.)
„Zins zu nehmen hatte die Kirche verboten; aber nicht das Eigen- thum zu verkaufen um sich aus der Noth zu helfen; ja auch nicht einmal, dasselbe dem Geldleihenden auf eine bestimmte Zeit und bis zur Wiederbezahlung abzutreten, damit derselbe seine Sicher- heit darin finden, aber auch während des Besitzes in dessen Nutzung den Ersatz des von ihm entlehnten Geldes geniessen möchte. . . . Die Kirche selbst, oder die ihr angehörenden Kommunen und pia corpora zogen ihren grossen Nutzen davon, zumal in den Zeiten der Kreuzzüge. Dies brachte einen so grossen Theil des National- reichthums in den Besitz der sog. „todten Hand“, zumal da der Jude in diesem Wege nicht wuchern durfte, weil der Besitz eines so festen Unterpfandes nicht verhehlt werden konnte. . . . Ohne das Verbot der Zinsen würden die Kirchen und Klöster nimmer- mehr so reich haben werden können.“ (l. c., p. 55.)
Die Analyse des Grundeigenthums in seinen verschiednen ge- schichtlichen Formen liegt jenseits der Grenzen dieses Werks. Wir beschäftigen uns nur mit ihm, soweit ein Theil des vom Kapital erzeugten Mehrwerths dem Grundeigenthümer anheimfällt. Wir unterstellen also, dass die Agrikultur, ganz wie die Manufaktur, von der kapitalistischen Produktionsweise beherrscht, d. h. dass die Landwirthschaft von Kapitalisten betrieben wird, die sich von den übrigen Kapitalisten zunächst nur durch das Element unterscheiden, worin ihr Kapital und die von diesem Kapital in Bewegung ge- setzte Lohnarbeit angelegt ist. Für uns producirt der Pächter Weizen u. s. w., wie der Fabrikant Garn oder Maschinen. Die Unterstellung, dass die kapitalistische Produktionsweise sich der Landwirthschaft bemächtigt hat, schliesst ein, dass sie alle Sphären der Produktion und der bürgerlichen Gesellschaft beherrscht, dass also auch ihre Bedingungen, wie freie Konkurrenz der Kapitale, Uebertragbarkeit derselben von einer Produktionssphäre in die andre, gleiche Höhe des Durchschnittsprofits u. s. w. in ihrer ganzen Reife vorhanden sind. Die von uns betrachtete Form des Grundeigenthums ist eine specifisch historische Form des- selben, die durch die Einwirkung des Kapitals und der kapi- talistischen Produktionsweise verwandelte Form, sei es des feu- dalen Grundeigenthums, sei es der als Nahrungszweig betriebnen kleinbäuerlichen Agrikultur, worin der Besitz von Grund und Boden als eine der Produktionsbedingungen für den unmittelbaren Producenten, und sein Eigenthum am Boden als die vortheil- hafteste Bedingung, als Bedingung der Blüte seiner Produktions- weise erscheint. Wenn die kapitalistische Produktionsweise über- haupt die Expropriation der Arbeiter von den Arbeitsbedingungen, so setzt sie in der Agrikultur die Expropriation der ländlichen Arbeiter von Grund und Boden und ihre Unterordnung unter einen Kapitalisten voraus, der die Agrikultur des Profits wegen betreibt. Für unsre Entwicklung ist es also ein ganz gleichgültiger Einwurf, wenn erinnert wird, dass auch andre Formen des Grundeigenthums
und des Ackerbaus existirt haben oder noch existiren. Es kann dies nur die Oekonomen treffen, welche die kapitalistische Pro- duktionsweise in der Landwirthschaft und die ihr entsprechende Form des Grundeigenthums nicht als historische, sondern als ewige Kategorien behandeln.
Für uns ist die Betrachtung der modernen Form des Grund. eigenthums nöthig, weil es überhaupt gilt, die bestimmten Pro- duktions- und Verkehrsverhältnisse zu betrachten, die aus der An- lage des Kapitals in der Landwirthschaft entspringen. Ohne das wäre die Analyse desselben nicht vollständig. Wir beschränken uns also ausschliesslich auf die Kapitalanlage im eigentlichen Acker- bau, d. h. in der Produktion des Hauptpflanzenstoffs, wovon eine Bevölkerung lebt. Wir können sagen Weizen, weil dieser das Haupt- nahrungsmittel der modernen, kapitalistisch entwickelten Völker. (Oder, statt Ackerbau, Bergwerke, weil die Gesetze dieselben.)
Es ist eins der grossen Verdienste von A. Smith, dass er ent- wickelt hat, wie die Grundrente des zur Produktion andrer land- wirthschaftlichen Produkte angewandten Kapitals, z. B. von Flachs, Farbkräutern, selbständiger Viehzucht u. s. w., bestimmt ist durch die Grundrente, welche das in der Produktion des Hauptnahrungs- mittels angelegte Kapital abwirft. Es ist in der That seit ihm kein Fortschritt in dieser Beziehung gemacht worden. Was wir beschränkend oder zufügend zu erinnern hätten, gehört in die selb- ständige Behandlung des Grundeigenthums, nicht hierhin. Von dem Grundeigenthum, soweit es nicht sich auf den zur Weizen- produktion bestimmten Boden bezieht, werden wir daher nicht ex professo sprechen, sondern hie und da nur der Illustration halber darauf zurückkommen.
Der Vollständigkeit wegen ist zu bemerken, dass hier unter Grund und Boden auch Wasser etc. verstanden wird, soweit es einen Eigenthümer hat, als Zubehör von Grund und Boden sich darstellt.
Das Grundeigenthum setzt das Monopol gewisser Personen vor- aus, über bestimmte Portionen des Erdkörpers als ausschliessliche Sphären ihres Privatwillens, mit Ausschluss aller andern zu ver- fügen.(FN26) Dies vorausgesetzt, handelt es sich darum, den ökono-
mischen Werth, d. h. die Verwerthung dieses Monopols auf Basis der kapitalistischen Produktion zu entwickeln. Mit der juristischen Macht dieser Personen, Portionen des Erdballs zu brauchen und zu missbrauchen, ist nichts abgemacht. Der Gebrauch derselben hängt ganz und gar von ökonomischen Bedingungen ab, die von ihrem Willen unabhängig sind. Die juristische Vorstellung selbst heisst weiter nichts, als dass der Grundeigenthümer mit dem Boden verfahren kann, wie jeder Waarenbesitzer mit seiner Waare; und diese Vorstellung — die juristische Vorstellung des freien Privat- Grundeigenthums — tritt in der alten Welt nur ein zur Zeit der Auflösung der organischen Gesellschaftsordnung, und in der modernen Welt nur mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktion. In Asien ist sie nur stellenweis von den Europäern importirt worden. Im Abschnitt über die ursprüngliche Akkumulation (Buch I, Kap. XXIV), hat man gesehn, wie diese Produktionsweise voraussetzt, einerseits die Loslösung der unmittelbaren Producenten aus der Stellung eines blossen Zubehörs des Bodens (in der Form von
Hörigen, Leibeignen, Sklaven etc.), andrerseits die Expropriation der Masse des Volks vom Grund und Boden. In sofern ist das Monopol des Grundeigenthums eine historische Voraussetzung, und bleibt fortwährende Grundlage, der kapitalistischen Produktions- weise, wie aller frühern Produktionsweisen, die auf Ausbeutung der Massen in einer oder der andern Form beruhn. Die Form aber, worin die beginnende kapitalistische Produktionsweise das Grund- eigenthum vorfindet, entspricht ihr nicht. Die ihr entsprechende Form wird erst von ihr selbst geschaffen durch die Unterordnung der Agrikultur unter das Kapital; womit denn auch feudales Grund- eigenthum, Claneigenthum, oder kleines Bauerneigenthum mit Mark- gemeinschaft, in die dieser Produktionsweise entsprechende ökono- mische Form verwandelt wird, wie verschieden auch deren juristischen Formen seien. Es ist eines der grossen Resultate der kapitalistischen Produktionsweise, dass sie einerseits die Agrikultur aus einem bloss empirischen und mechanisch sich forterbenden Verfahren des un- entwickeltsten Theils der Gesellschaft in bewusste wissenschaftliche Anwendung der Agronomie verwandelt, soweit dies überhaupt inner- halb der mit dem Privateigenthum gegebnen Verhältnisse möglich ist;(FN27) dass sie das Grundeigenthum einerseits von Herrschafts- und
Knechtschaftsverhältnissen völlig loslöst, andrerseits den Grund und Boden als Arbeitsbedingung gänzlich vom Grundeigenthum und Grundeigenthümer trennt, für den er weiter nichts vorstellt, als eine bestimmte Geldsteuer, die er vermittelst seines Monopols vom industriellen Kapitalisten, dem Pächter erhebt; so sehr den Zu- sammenhang loslöst, dass der Grundeigenthümer sein ganzes Leben in Konstantinopel zubringen kann, während sein Grundeigenthum in Schottland liegt. Das Grundeigenthum erhält so seine rein ökonomische Form, durch Abstreifung aller seiner frühern poli- tischen und socialen Verbrämungen und Verquickungen, kurz aller jener traditionellen Zuthaten, die von den industriellen Kapitalisten selbst, wie von ihren theoretischen Wortführern, wie wir später sehn werden, im Eifer ihres Kampfs mit dem Grundeigenthum als eine nutzlose und abgeschmackte Superfötation denuncirt werden. Die Rationalisirung der Agrikultur einerseits, die diese erst be- fähigt gesellschaftlich betrieben zu werden, die Rückführung des Grundeigenthums ad absurdum andrerseits, dies sind die grossen Verdienste der kapitalistischen Produktionsweise. Wie alle ihre andern historischen Fortschritte, erkaufte sie auch diesen zunächst durch die völlige Verelendung der unmittelbaren Producenten.
Bevor wir zum Gegenstand selbst übergehn, sind noch einige Vorbemerkungen zur Abwehr von Missverständnissen nöthig.
Die Voraussetzung bei der kapitalistischen Produktionsweise ist also diese: die wirklichen Ackerbauer sind Lohnarbeiter, beschäftigt von einem Kapitalisten, dem Pächter, der die Landwirthschaft nur als ein besondres Exploitationsfeld des Kapitals, als Anlage seines Kapitals in einer besondern Produktionsphäre betreibt. Dieser Pächter-Kapitalist zahlt dem Grundeigenthümer, dem Eigenthümer des von ihm exploitirten Bodens in bestimmten Terminen, z. B. jährlich, eine kontraktlich festgesetzte Geldsumme (ganz wie der Borger von Geldkapital bestimmten Zins) für die Erlaubniss, sein Kapital in diesem besondern Produktionsfeld anzuwenden. Diese Geldsumme heisst Grundrente, einerlei ob sie von Ackerboden, Bauterrain, Bergwerken, Fischereien, Waldungen u. s. w. gezahlt werde. Sie wird gezahlt für die ganze Zeit, während deren kon- traktlich der Grundeigenthümer den Boden an den Pächter ver- liehen, vermiethet hat. Die Grundrente ist also hier die Form, worin sich das Grundeigenthum ökonomisch realisirt, verwerthet. Wir haben ferner hier alle drei Klassen, welche den Rahmen der modernen Gesellschaft konstituiren, zusammen und einander gegen- über — Lohnarbeiter, industrieller Kapitalist, Grundeigenthümer.
Kapital kann in der Erde fixirt, ihr einverleibt werden, theils mehr vorübergehend, wie bei Verbesserungen chemischer Natur, Düngung u. s. w., theils mehr permanent, wie bei Abzugskanälen, Bewässerungsanlagen, Nivellirungen, Wirthschaftsgebäuden etc. Ich habe anderswo das der Erde so einverleibte Kapital la terre- capital genannt.(FN28) Es fällt unter die Kategorien des fixen Kapi- tals. Der Zins für das der Erde einverleibte Kapital und die Ver- besserungen, die sie so als Produktionsinstrument erhält, kann einen Theil der Rente bilden, die dem Grundeigenthümer vom Pächter gezahlt wird(FN29), aber sie konstituirt nicht die eigentliche Grund- rente, die für den Gebrauch des Bodens als solchen gezahlt wird, er mag sich im Naturzustand befinden oder kultivirt sein. Bei einer systematischen Behandlung des Grundeigenthums, die ausser- halb unsres Plans liegt, wäre dieser Theil der Einnahme des Grund- eigenthümers ausführlich darzustellen. Hier genügen wenige Worte darüber. Die mehr temporären Kapitalanlagen, die die gewöhn- lichen Produktionsprocesse in der Agrikultur mit sich führen, werden alle ohne Ausnahme vom Pächter gemacht. Diese An- lagen, wie die blosse Bebauung überhaupt, wenn sie einigermaßen rationell betrieben wird, also sich nicht auf die brutale Aussaugung des Bodens reducirt, wie etwa bei den ehemaligen amerikanischen Sklavenhaltern — wogegen sich jedoch die Herren Grundeigen- thümer kontraktlich sichern — verbessern den Boden(FN30), steigern sein Produkt und verwandeln die Erde aus blosser Materie in Erde- Kapital. Ein bebautes Feld ist mehr werth als ein unbebautes von derselben natürlichen Qualität. Auch die mehr permanenten, sich in längerer Zeit abnutzenden, der Erde einverleibten fixen Kapitale, werden zum grossen Theil, in gewissen Sphären oft aus- schliesslich, vom Pächter gemacht. Sobald aber die kontraktlich festgesetzte Pachtzeit abgelaufen ist — und es ist dies einer der Gründe, warum mit der Entwicklung der kapitalistischen Produk- tion der Grundeigenthümer die Pachtzeit möglichst abzukürzen
sucht — fallen die dem Boden einverleibten Verbesserungen als untrennbares Accidens der Substanz, des Bodens, als Eigenthum dem Besitzer des Bodens anheim. Bei dem neuen Pachtkontrakt, den er schliesst, fügt der Grundeigenthümer den Zins für das der Erde einverleibte Kapital der eigentlichen Grundrente hinzu; ob er den Boden nun an den Pächter vermiethet, der die Verbesse- rungen gemacht hat, oder an einen andern Pächter. Seine Rente schwillt so auf; oder, wenn er den Boden verkaufen will — wir werden gleich sehn wie dessen Preis bestimmt wird — ist jetzt sein Werth gesteigert. Er verkauft nicht nur den Boden, sondern den verbesserten Boden, das der Erde einverleibte Kapital, das ihm nichts gekostet hat. Es ist dies eins der Geheimnisse — ganz ab- gesehn von der Bewegung der eigentlichen Grundrente — der steigenden Bereicherung der Grundeigenthümer, des fortwährenden Anschwellens ihrer Renten, und des wachsenden Geldwerths ihrer Ländereien mit dem Fortschritt der ökonomischen Entwicklung. Sie stecken so das ohne ihr Zuthun hervorgebrachte Resultat der gesellschaftlichen Entwicklung in ihre Privattaschen — fruges con- sumere nati. Es ist dies aber zugleich eins der grössten Hinder- nisse einer rationellen Agrikultur, indem der Pächter alle Ver- besserungen und Auslagen vermeidet, deren vollständiger Rückfluss während der Dauer seiner Pachtzeit nicht zu erwarten steht; und als solches Hinderniss finden wir diesen Umstand fort und fort denuncirt ebensowohl im vorigen Jahrhundert von James Anderson, dem eigentlichen Entdecker der modernen Rententheorie, der zu- gleich praktischer Pächter und für seine Zeit bedeutender Agronom war, wie in unsern Tagen von den Gegnern der jetzigen Verfassung des Grundeigenthums in England.
A. A. Walton, History of the Landed Tenures of Great Britain and Ireland, London 1865, sagt darüber p. 96, 97: „Alle die An- strengungen der zahlreichen landwirthschaftlichen Anstalten in unserm Lande können keine sehr bedeutenden oder wirklich be- merkbaren Resultate im wirklichen Fortschritt verbesserter Be- bauung bewirken, so lange solche Verbesserungen in einem weit höhern Grade den Werth des Grundeigenthums und die Höhe der Rentrolle des Grundbesitzers vermehren, als sie die Lage des Pächters oder des Landarbeiters verbessern. Die Pächter im all- gemeinen wissen genau so gut wie der Grundbesitzer, sein Rent- meister oder selbst der Präsident einer landwirthschaftlichen Ge- sellschaft, dass gute Drainirung, reichliche Düngung und gute Be- wirthschaftung, im Bund mit vermehrter Anwendung von Arbeit,
um das Land gründlich zu reinigen und umzuarbeiten, wunderbare Erfolge erzeugen werden, sowohl in Verbesserung des Bodens wie in gesteigerter Produktion. Aber alles dies erfordert beträchtliche Auslage, und die Pächter wissen ebenfalls sehr gut, dass wie sehr sie auch das Land verbessern oder seinen Werth erhöhen mögen, die Grundbesitzer auf die Dauer den Hauptvortheil davon in er- höhten Renten und gesteigertem Bodenwerth einernten werden … Sie sind schlau genug zu bemerken, was jene Redner [Grundbe- sitzer und ihre Rentmeister bei landwirthschaftlichen Festmahlen] eigenthümlicher Weise stets vergessen ihnen zu sagen — nämlich dass der Löwenantheil aller vom Pächter gemachten Verbesserungen schliesslich immer in die Tasche des Grundbesitzers gehn muss … Wie sehr auch der frühere Pächter die Pachtung verbessert haben mag, sein Nachfolger wird immer finden, dass der Grundbesitzer die Rente erhöhen wird im Verhältniss zu dem durch frühere Ver- besserungen gesteigerten Bodenwerth.“
In der eigentlichen Agrikultur erscheint dieser Process noch nicht so klar wie bei Benutzung des Bodens als Bauterrain. Der weitaus überwiegende Theil des Bodens, der in England zu Bau- zwecken, aber nicht als freehold verkauft wird, wird von den Grund- eigenthümern vermiethet für 99 Jahre, oder auf kürzere Zeit wenn möglich. Nach Ablauf dieser Zeit fallen die Baulichkeiten mit dem Boden selbst dem Grundbesitzer anheim. „Sie [die Pächter] sind verpflichtet, bei Ablauf des Miethskontrakts das Haus dem grossen Grundbesitzer in gutem wohnlichen Zustand zu überliefern, nachdem sie bis zu dieser Zeit eine übertriebne Bodenrente bezahlt haben. Kaum ist der Miethkontrakt abgelaufen, so kommt der Agent oder Inspektor des Grundbesitzers, besichtigt euer Haus, sorgt dafür, dass ihr es in guten Zustand setzt, nimmt dann Besitz davon und annexirt es an das Gebiet seines Grundherrn. Die Thatsache ist, dass wenn dies System in voller Wirkung noch für längre Zeit zugelassen wird, der gesammte Häuserbesitz im Königreich, ebensogut wie der ländliche Grundbesitz, in den Händen der grossen Grundherrn sein wird. Das ganze Westend von Lon- don, nördlich und südlich von Temple Bar, gehört fast ausschliess- lich ungefähr einem halben Dutzend grosser Grundherrn, ist ver- miethet zu enormen Bodenrenten, und wo die Miethkontrakte noch nicht ganz abgelaufen sind, verfallen sie rasch nach einander. Dasselbe gilt in grösserm oder geringerm Grad von jeder Stadt im Königreich. Aber selbst hierbei bleibt dies gierige System der Ausschliesslichkeit und des Monopols noch nicht stehn. Fast die
gesammten Dock-Einrichtungen unsrer Hafenstädte befinden sich in Folge desselben Processes der Usurpation in den Händen der grossen Land-Leviathans.“ (l. c., p. 93.) Unter diesen Umständen ist es klar, dass wenn der Census für England und Wales 1861 bei einer Gesammtbevölkerung von 20,066,224 die Zahl der Haus- eigenthümer auf 36,032 angibt, das Verhältniss der Eigenthümer zur Zahl der Häuser und der Bevölkerung ein ganz andres Aus- sehn erhalten würde, wären die grossen Eigenthümer auf die eine, die kleinen auf die andre gestellt.
Dies Beispiel mit dem Eigenthum an Baulichkeiten ist wichtig, 1) weil es klar den Unterschied zwischen der eigentlichen Grund- rente und dem Zins des dem Boden einverleibten fixen Kapitals zeigt, der einen Zusatz zur Grundrente bilden kann. Der Zins der Baulichkeiten, wie des bei der Agrikultur vom Pächter dem Boden einverleibten Kapitals, fällt dem industriellen Kapitalisten, dem Bauspekulanten oder Pächter zu, während der Dauer des Mieth- kontrakts, und hat an und für sich nichts zu thun mit der Grund- rente, die jährlich in bestimmten Terminen für Benutzung des Bodens gezahlt werden muss. 2) Weil es zeigt, wie mit dem Boden das ihm einverleibte fremde Kapital schliesslich dem Grund- eigenthümer anheimfällt und der Zins dafür seine Rente schwellt.
Einige Schriftsteller, theils als Wortführer des Grundeigenthums gegen die Angriffe der bürgerlichen Oekonomen, theils in dem Streben, das kapitalistische Produktionssystem in ein System von „Harmonien“ statt von Gegensätzen zu verwandeln, wie z. B. Carey, haben die Grundrente, den specifischen ökonomischen Ausdruck des Grundeigenthums, als identisch mit dem Zins darzustellen gesucht. Damit wäre nämlich der Gegensatz zwischen Grundeigenthümern und Kapitalisten ausgelöscht. Die umgekehrte Methode wurde im Beginn der kapitalistischen Produktion angewandt. Damals galt in der populären Vorstellung noch das Grundeigenthum als die primitive und respektable Form des Privateigenthums, während der Zins des Kapitals als Wucher verschrieen war. Dudley North, Locke etc. stellten daher den Kapitalzins dar als eine der Grund- rente analoge Form, ganz wie Turgot die Berechtigung des Zinses aus der Existenz der Grundrente ableitete. — Jene neuern Schrift- steller vergessen — ganz abgesehn davon, dass die Grundrente rein, ohne Zusatz jedes Zinses für dem Boden einverleibtes Kapital, existiren kann und existirt — dass der Grundeigenthümer in dieser Weise nicht nur Zins erhält von fremdem Kapital, das ihm nichts kostet, sondern obendrein noch das fremde Kapital gratis
in den Kauf. Die Rechtfertigung des Grundeigenthums, wie die aller andren Eigenthumsformen einer bestimmten Produktionsweise, ist die, dass die Produktionsweise selbst historische transitorische Nothwendigkeit besitzt, also auch die Produktions- und Austausch- verhältnisse, die aus ihr entspringen. Allerdings, wie wir später sehn werden, unterscheidet sich das Grundeigenthum von den übrigen Arten des Eigenthums dadurch, dass auf einer gewissen Entwick- lungshöhe, selbst vom Standpunkt der kapitalistischen Produktions- weise aus, es als überflüssig und schädlich erscheint.
Die Grundrente kann in einer andern Form mit dem Zins ver- wechselt, und so ihr specifischer Charakter verkannt werden. Die Grundrente stellt sich dar in einer bestimmten Geldsumme, die der Grundeigenthümer jährlich aus der Verpachtung eines Stücks des Erdballs bezieht. Wir haben gesehn, wie jede bestimmte Geldein- nahme kapitalisirt werden, d. h. als der Zins eines imaginären Kapitals betrachtet werden kann. Ist z. B. der mittlere Zinsfuss 5 %, so kann also auch eine jährliche Grundrente von 200 £ als Zins eines Kapitals von 4000 £ betrachtet werden. Es ist die so kapitalisirte Grundrente, die den Kaufpreis oder Werth des Bodens bildet, eine Kategorie, die prima facie, ganz wie der Preis der Arbeit irrationell ist, da die Erde nicht das Produkt der Arbeit ist, also auch keinen Werth hat. Andrerseits aber verbirgt sich hinter dieser irrationellen Form ein wirkliches Produktionsverhält- niss. Kauft ein Kapitalist Grund und Boden, der eine jährliche Rente von 200 £ abwirft, für 4000 £, so bezieht er den durch- schnittlichen jährlichen Zins zu 5 % von 4000 £, ganz ebenso wie wenn er dies Kapital in zinstragenden Papieren angelegt oder es direkt zu 5 % Zinsen ausgeliehen hätte. Es ist die Verwerthung eines Kapitals von 4000 £ zu 5 %. Unter dieser Voraussetzung würde er in 20 Jahren den Einkaufspreis seines Guts durch dessen Einkünfte wieder ersetzt haben. In England wird daher der Kauf- preis von Ländereien nach so und so viel years’ purchase berechnet, was nur ein andrer Ausdruck für die Kapitalisirung der Grund- rente ist. Es ist in der That der Kaufpreis, nicht des Bodens, sondern der Grundrente die er abwirft, berechnet nach dem ge- wöhnlichen Zinsfuss. Diese Kapitalisirung der Rente setzt aber die Rente voraus, während die Rente nicht umgekehrt aus ihrer eignen Kapitalisirung abgeleitet und erklärt werden kann. Ihre Existenz, unabhängig von dem Verkauf, ist vielmehr hier die Vor- aussetzung, von der ausgegangen wird.
Es folgt daher dass, die Grundrente als konstante Grösse vor-
ausgesetzt, der Bodenpreis steigen oder fallen kann, umgekehrt wie der Zinsfuss steigt oder fällt. Fiele der gewöhnliche Zinsfuss von 5 auf 4 %, so stellte eine jährliche Grundrente von 200 £ die jährliche Verwerthung eines Kapitals von 5000 £ statt von 4000 £ vor, und so wäre der Preis desselben Grundstücks von 4000 auf 5000 £ gestiegen, oder von 20 years’ purchase auf 25. Umge- kehrt im umgekehrten Fall. Es ist dies eine von der Bewegung der Grundrente selbst unabhängige und nur durch den Zinsfuss ge- regelte Bewegung des Bodenpreises. Da wir aber gesehn haben, dass die Profitrate im Fortschritt der gesellschaftlichen Entwick- lung eine Tendenz zum Fallen hat, und daher auch der Zinsfuss, soweit er durch die Profitrate geregelt wird; dass ferner, auch ab- gesehn von der Profitrate, der Zinsfuss eine Tendenz zum Fallen hat, in Folge des Wachsthums des verleihbaren Geldkapitals, so folgt, dass der Bodenpreis eine Tendenz zum Steigen hat, auch un- abhängig von der Bewegung der Grundrente und des Preises der Bodenprodukte, wovon die Rente einen Theil bildet.
Die Verwechslung der Grundrente selbst mit der Zinsform, die sie für den Käufer des Bodens annimmt — eine Verwechslung, die auf völliger Unkenntniss der Natur der Grundrente beruht — muss zu den sonderbarsten Trugschlüssen führen. Da das Grund- eigenthum in allen alten Ländern für eine besonders vornehme Form des Eigenthums gilt, und der Ankauf desselben ausserdem als besonders sichre Kapitalanlage, so steht der Zinsfuss, zu dem die Grundrente gekauft wird, meist niedriger als bei andern auf längre Zeit sich erstreckenden Kapitalanlagen, sodass z. B. der Käufer von Grund und Boden nur 4 % auf den Kaufpreis erhält, während er für dasselbe Kapital sonst 5 % erhalten würde; oder was auf dasselbe hinauskommt, er zahlt mehr Kapital für die Grundrente, als er für dieselbe jährliche Geldeinnahme in andern Anlagen zahlen würde. Daraus schliesst Herr Thiers in seiner überhaupt grundschlechten Schrift über La Propriété (dem Abdruck seiner 1849 in der französischen Nationalversammlung gehaltnen Rede gegen Proudhon) auf die Niedrigkeit der Grundrente, während es nur die Höhe ihres Kaufpreises beweist.
Der Umstand, dass die kapitalisirte Grundrente als Bodenpreis oder Bodenwerth sich darstellt, und die Erde daher wie jede andre Waare gekauft und verkauft wird, gilt einigen Apologeten als Rechtfertigungsgrund des Grundeigenthums, indem der Käufer für es wie für jede andre Waare, ein Aequivalent gezahlt, und der grösste Theil des Grundeigenthums in dieser Weise die Hände
gewechselt habe. Derselbe Rechtfertigungsgrund gälte dann auch für die Sklaverei, indem für den Sklavenhalter, der den Sklaven baar bezahlt hat, der Ertrag von dessen Arbeit nur den Zins des in seinem Ankauf ausgelegten Kapitals darstellt. Aus dem Kauf und Verkauf der Grundrente die Berechtigung ihrer Existenz herleiten, heisst überhaupt, ihre Existenz aus ihrer Existenz rechtfertigen.
So wichtig es ist für die wissenschaftliche Analyse der Grund- rente — d. h. der selbständigen, specifischen ökonomischen Form des Grundeigenthums auf Basis der kapitalistischen Produktions- weise — sie rein und frei von allen sie verfälschenden und ver- wischenden Beisätzen zu betrachten, ebenso wichtig ist es andrer- seits für das Verständniss der praktischen Wirkungen des Grund- eigenthums, und selbst für die theoretische Einsicht in eine Masse Thatsachen, die dem Begriff und der Natur der Grundrente wider- sprechen, und doch als Existenzweisen der Grundrente erscheinen, die Elemente zu kennen, aus denen diese Trübungen der Theorie entspringen.
Praktisch erscheint natürlich alles als Grundrente, was in Form von Pachtgeld dem Grundeigenthümer vom Pächter gezahlt wird für die Erlaubniss, den Boden zu bewirthschaften. Aus welchen Bestandtheilen dieser Tribut zusammengesetzt sei, aus welchen Quellen er herrühren möge, er hat das mit der eigentlichen Grund- rente gemein, dass das Monopol auf ein Stück des Erdballs den sog. Grundeigenthümer befähigt, den Tribut zu erheben, die Schatzung aufzulegen. Er hat das mit der eigentlichen Grund- rente gemein, dass er den Bodenpreis bestimmt, der wie oben gezeigt, nichts ist als die kapitalisirte Einnahme von der Verpach- tung des Bodens.
Man hat bereits gesehn, dass der Zins für das dem Boden ein- verleibte Kapital einen solchen fremdartigen Bestandtheil der Grund- rente bilden kann, einen Bestandtheil, der mit dem Fortschritt der ökonomischen Entwicklung einen stets wachsenden Zusatz zum Gesammtrental eines Landes bilden muss. Aber abgesehn von diesem Zins ist es möglich, dass sich unter dem Pachtgeld zum Theil, und in gewissen Fällen ganz und gar, also bei gänzlicher Abwesenheit der eigentlichen Grundrente, und daher bei wirklicher Werthlosigkeit des Bodens, ein Abzug sei es vom Durchschnitts- profit, sei es vom normalen Arbeitslohn, sei es von beiden zugleich versteckt. Dieser Theil, sei es des Profits, sei es des Arbeitslohns, erscheint hier in der Gestalt der Grundrente, weil er statt, wie es normal wäre, dem industriellen Kapitalisten oder dem Lohnarbeiter
anheimzufallen, in der Form von Pachtgeld an den Grundeigen- thümer gezahlt wird. Oekonomisch gesprochen, bildet weder der eine noch der andre Theil Grundrente: aber praktisch bildet er Einnahme des Grundeigenthümers, eine ökonomische Verwerthung seines Monopols, ganz so gut wie die wirkliche Grundrente, und wirkt ebenso bestimmend auf den Bodenpreis wie die letztre.
Wir sprechen hier nicht von Verhältnissen, worin die Grund- rente, die der kapitalistischen Produktionsweise entsprechende Weise des Grundeigenthums, formell existirt, ohne dass die kapitalistische Produktionsweise selbst existirte, ohne dass der Pächter selbst ein industrieller Kapitalist, oder die Art seiner Bewirthschaftung eine kapitalistische wäre. Dies ist z. B. der Fall in Irland. Der Pächter ist hier im Durchschnitt ein kleiner Bauer. Was er dem Grund- eigenthümer als Pacht zahlt, absorbirt oft nicht nur einen Theil seines Profits, d. h. seiner eignen Mehrarbeit, auf die er als In- haber seiner eignen Arbeitsinstrumente ein Recht hat, sondern auch einen Theil des normalen Arbeitslohns, den er unter andren Ver- hältnissen für dieselbe Arbeitsmenge erhalten würde. Ausserdem expropriirt ihn der Grundeigenthümer, der hier durchaus nichts thut für die Verbesserung des Bodens, von seinem kleinen Kapital, das er grösstentheils durch eigne Arbeit dem Boden einverleibt, ganz wie ein Wucherer unter ähnlichen Verhältnissen thun würde. Nur dass der Wucherer wenigstens sein eignes Kapital bei der Operation riskirt. Es bildet diese fortwährende Beraubung den Gegenstand des Zwists über die irische Landgesetzgebung, die wesentlich darauf hinauskommt, dass der Grundeigenthümer, der dem Pächter aufkündigt, gezwungen werden soll, diesen zu ent- schädigen für die von ihm angebrachten Bodenverbesserungen oder das dem Boden einverleibte Kapital. Palmerston pflegte hierauf cynisch zu antworten: „Das Haus der Gemeinen ist ein Haus von Grundeigenthümern.“
Wir sprechen auch nicht von den ausnahmsweisen Verhältnissen, worin selbst in Ländern kapitalistischer Produktion der Grundeigen- thümer hohes Pachtgeld erpressen kann, das in gar keinem Zu- sammenhang mit dem Produkt des Bodens steht, wie z. B. in den englischen Industriebezirken die Verpachtung kleiner Bodenfetzen an Fabrikarbeiter, sei es für kleine Gärten, sei es für dilettantischen Ackerbau in Nebenstunden. (Reports of Inspectors of Factories.)
Wir sprechen von der Ackerbaurente in Ländern entwickelter kapitalistischer Produktion. Unter den englischen Pächtern z. B. befindet sich eine Anzahl kleiner Kapitalisten, die durch Erziehung,
Bildung, Tradition, Konkurrenz und andre Umstände bestimmt und gezwungen sind, ihr Kapital in der Agrikultur, als Pächter anzu- legen. Sie sind gezwungen, mit weniger als dem Durchschnitts- profit vorlieb zu nehmen, und einen Theil davon in der Form der Rente an den Grundeigenthümer abzugeben. Es ist dies die einzige Bedingung, unter der ihnen gestattet wird ihr Kapital auf den Boden, in der Agrikultur, anzulegen. Da überall die Grundeigen- thümer bedeutenden, in England sogar überwiegenden Einfluss auf die Gesetzgebung ausüben, kann dieser dazu ausgebeutet werden, um die ganze Klasse der Pächter zu prellen. Die Korngesetze von 1815 z. B. — eine Brotsteuer, eingestandenermaßen dem Land auf- erlegt, um den müßigen Grundeigenthümern die Fortdauer des während des Anti-Jakobinerkriegs abnorm gewachsnen Rentals zu sichern — hatten zwar die Wirkung, abgesehn von einzelnen aus- nahmsweis fruchtbaren Jahren, die Preise der landwirthschaftlichen Produkte über dem Niveau zu erhalten, worauf sie bei freier Korn- einfuhr gefallen wären. Aber sie hatten nicht das Resultat, die Preise auf der Höhe zu halten, die von den gesetzgebenden Grund- eigenthümern in der Art als Normalpreise dekretirt wurden, dass sie die gesetzliche Grenze bildeten für die Einfuhr fremden Korns. Unter dem Eindruck dieser Normalpreise wurden aber die Pacht- kontrakte geschlossen. Sobald die Illusion platzte, wurde ein neues Gesetz gemacht, mit neuen Normalpreisen, die ebensosehr bloss der ohnmächtige Ausdruck der habgierigen Grundeigenthumsphantasie waren wie die alten. In dieser Weise wurden die Pächter geprellt von 1815 bis zu den 30er Jahren. Daher während dieser ganzen Zeit das stehende Thema des agricultural distress. Daher während dieser Periode die Expropriation und der Ruin einer ganzen Gene- ration von Pächtern, und ihre Ersetzung durch eine neue Klasse von Kapitalisten.(FN31)
Eine viel allgemeinere und wichtigere Thatsache ist aber die Herabdrückung des Arbeitslohns der eigentlichen Agrikulturarbeiter unter sein normales Durchschnittsniveau, sodass ein Theil des Arbeitslohns dem Arbeiter abgezogen wird, einen Bestandtheil des Pachtgelds bildet, und so unter der Maske der Grundrente dem Grundeigenthümer statt dem Arbeiter zufliesst. Dies ist z. B. in
England und Schottland, mit Ausnahme einiger günstig situirten Grafschaften, allgemein der Fall. Die Arbeiten der parlamenta- rischen Untersuchungsausschüsse über die Höhe des Arbeitslohns, die vor der Einführung der Korngesetze in England eingesetzt wurden — bis jetzt die werthvollsten und fast ganz unausgebeuteten Beiträge zur Geschichte des Arbeitslohns im 19. Jahrhundert, zu- gleich eine Schandsäule, die sich die englische Aristokratie und Bourgeoisie selbst aufgerichtet hat — bewiesen zur Evidenz, über allen Zweifel, dass die hohen Rentsätze und die ihnen entspre- chende Steigerung des Bodenpreises während des Anti-Jakobiner- kriegs theilweis nur dem Abzug vom Arbeitslohn und seiner Her- abdrückung selbst unter das physische Minimum geschuldet waren; d. h. dem Wegzahlen eines Theils des normalen Arbeitslohns an den Grundeigenthümer. Verschiedne Umstände, unter andrem die Depreciation des Geldes, die Handhabung der Armengesetze in den Ackerbaubezirken u. s. w. hatten diese Operation ermöglicht, zur selben Zeit wo die Einkünfte der Pächter enorm stiegen und die Grundeigenthümer sich fabelhaft bereicherten. Ja, eins der Haupt- argumente für Einführung der Kornzölle, von Seiten so der Pächter wie der Grundeigenthümer, war der, dass es physisch unmöglich sei, den Arbeitslohn der Ackerbautaglöhner noch tiefer zu senken. Dieser Zustand hat sich im wesentlichen nicht verändert, und in England, wie in allen europäischen Ländern, geht nach wie vor ein Theil des normalen Arbeitslohns in die Grundrente ein. Als Graf Shaftesbury, damals Lord Ashley, einer der philantropischen Aristokraten, so ausserordentlich bewegt wurde durch die Lage der englischen Fabrikarbeiter, und sich in der Zehnstunden-Agitation zu ihren parlamentarischen Wortführer aufwarf, publicirten die Wortführer der Industriellen aus Rache eine Statistik über den Lohn der Ackerbautaglöhner auf den ihm gehörigen Dörfern (s. Buch I, Kap. XXIII, 5, e: das britische Ackerbauproletariat), welche klar zeigte, wie ein Theil der Grundrente dieses Philantropen bloss aus dem Raub besteht, den seine Pächter für ihn an dem Arbeitslohn der Ackerbauarbeiter vollziehn. Diese Veröffentlichung ist auch deswegen interessant, weil die darin enthaltnen Thatsachen dem schlimmsten, was die Ausschüsse 1814 und 15 enthüllten, sich kühn an die Seite stellen dürfen. So oft die Umstände eine momentane Steigerung des Arbeitslohns der Ackerbautaglöhner er- zwingen, erschallt dann auch das Geschrei der Pächter, dass eine Erhöhung des Arbeitslohns auf sein normales Niveau, wie es in andren Industriezweigen gilt, unmöglich sei und sie ruiniren müsse
ohne gleichzeitige Herabsetzung der Grundrente. Hierin ist also das Geständniss enthalten, dass unter dem Namen Grundrente ein Abzug am Arbeitslohn von den Pächtern gemacht und an den Grundeigenthümer weggezahlt wird. Von 1849—59 z. B. stieg in England der Arbeitslohn der Ackerbau-Arbeiter in Folge eines Zusammenflusses überwältigender Umstände, wie: der Exodus aus Irland, der die Zufuhr von Ackerbau-Arbeitern von dort abschnitt; ausserordentliche Absorption von Ackerbau-Bevölkerung durch die Fabrikindustrie; Kriegsnachfrage für Soldaten; ausserordentliche Auswanderung nach Australien und den Vereinigten Staaten (Kali- fornien), und andre Gründe, die hier nicht näher zu erwähnen sind. Gleichzeitig, mit Ausnahme der ungünstigen Ernten von 1854—56, fielen die Durchschnittspreise des Getreides während dieser Periode um mehr als 16 %. Die Pächter schrieen nach Herabsetzung der Renten. Es gelang ihnen in einzelnen Fällen. Im Durchschnitt scheiterten sie mit dieser Forderung. Sie nahmen Zuflucht zur Herab- setzung der Produktionskosten, u. a. durch massenhafte Einführung des lokomobilen Dampfs und neuer Maschinerie, die zum Theil Pferde ersetzte und aus der Wirthschaft verdrängte, zum Theil aber auch durch Freisetzung von Ackerbau-Taglöhnern eine künst- liche Ueberbevölkerung und daher neues Sinken des Lohns her- vorbrachte. Und dies geschah, trotz der allgemeinen relativen Ab- nahme der Ackerbau-Bevölkerung während dieses Decenniums, ver- glichen mit dem Wachsthum der Gesammtbevölkerung, und trotz der absoluten Abnahme der Ackerbau-Bevölkerung in einigen reinen Agrikulturdistrikten.(FN32) Ebenso sagte Fawcett, damals Professor der politischen Oekonomie zu Cambridge, gestorben 1884 als Generalpostmeister, auf dem Social Science Congress, 12. Oktober 1865: „Die Ackerbautaglöhner fingen an auszuwandern, und die Pächter begannen sich zu beklagen, sie würden nicht im Stande sein, so hohe Renten zu bezahlen, wie sie zu zahlen gewohnt waren, weil die Arbeit theurer wurde in Folge der Auswanderung.“ Hie also ist hohe Bodenrente direkt identificirt mit niedrigem Arbeits- lohn. Und soweit die Höhe des Bodenpreises durch diesen die Rente vermehrenden Umstand bedingt ist, ist Werthsteigerung des Bodens identisch mit Entwerthung der Arbeit, Höhe des Boden- preises mit Niedrigkeit des Preises der Arbeit.
Dasselbe gilt für Frankreich. „Der Pachtpreis steigt, weil der Preis des Brots, des Weins, des Fleisches, der Gemüse und des Obsts auf der einen Seite steigt, und auf der andern der Preis der Arbeit unverändert bleibt. Wenn ältere Leute die Rechnungen ihrer Väter vergleichen, was uns um ungefähr 100 Jahre zurück- bringt, so werden sie finden, dass damals der Preis eines Arbeitstags im ländlichen Frankreich genau derselbe war wie heute: Der Preis des Fleisches hat sich seitdem verdreifacht … Wer ist das Opfer dieser Umwälzung? Ist es der Reiche, der Eigenthümer der Pach- tung ist, oder der Arme, der sie bearbeitet? … Die Steigerung der Pachtpreise ist ein Beweis eines öffentlichen Unglücks.“ (Du Mécanisme de la Société en France et en Angleterre. Par M. Rubichon. 2me édit. Paris 1837. p. 101.)
Beispiele von Rente als Folge des Abzugs einerseits vom Durch- schnittsprofit, andrerseits vom Durchschnittsarbeitslohn:
Der oben citirte Morton, Landagent und landwirthschaftlicher Ingenieur, sagt, man habe in vielen Gegenden die Bemerkung ge- macht, dass die Rente für grosse Pachtungen niedriger ist als für kleinere, weil „die Konkurrenz für die letztern gewöhnlich grösser ist als für die erstern, und weil kleine Pächter, die selten im Stande sind, sich auf irgend ein andres Geschäft zu werfen als die Landwirthschaft, häufig eine Rente zu zahlen willig sind, von der sie selbst wissen, dass sie zu hoch ist, gedrängt von der Noth- wendigkeit ein passenderes Geschäft zu finden.“ (John C. Morton, The Resources of Estates. London 1858. p. 116.)
Dieser Unterschied soll sich jedoch in England allmälig ver- wischen, womit nach seiner Ansicht die Auswanderung grade unter der Klasse der kleinen Pächter viel zu thun hat. Derselbe Morton gibt ein Beispiel, wo offenbar Abzug vom Arbeitslohn des Pächters selbst, und daher noch sicherer der Leute, die er be- schäftigt, in die Grundrente eingeht. Nämlich bei Pachtungen unter 70—80 acres (30—34 Hektaren), die keinen zweispännigen Pflug halten können. „Wenn nicht der Pächter mit seinen eignen Händen ebenso fleissig arbeitet wie irgend ein Arbeiter, kann er bei seiner Pachtung nicht bestehn. Wenn er die Ausführung der Arbeit seinen Leuten überlässt, und sich darauf beschränkt sie blos zu beaufsichtigen, so wird er höchst wahrscheinlich sehr bald finden, dass er ausser Stande ist seine Rente zu zahlen.“ (l. c., p. 118.) Morton schliesst daher, dass, wenn nicht die Pächter in der Gegend sehr arm sind, die Pachtungen nicht unter 70 acres gross sein sollten, sodass der Pächter zwei bis drei Pferde halten kann.
Ausserordentliche Weisheit des Herrn Léonce de Lavergne, Membre de l’Institut et de la Société Centrale d’Agriculture. In seiner Economie Rurale de l’Angleterre, (citirt nach der englischen Ueber- setzung, London 1855) macht er folgenden Vergleich des jährlichen Vortheils vom Rindvieh, das in Frankreich arbeitet und in England nicht, weil ersetzt durch Pferde (p. 42):
[Spaltenumbruch]Frankreich:
England:
Nun kommt aber hier das höhere Produkt heraus, weil nach seiner eignen Angabe die Milch in England noch einmal so theuer ist als in Frankreich, während er für Fleisch dieselben Preise in beiden Ländern annimmt (p. 35); also wird das englische Milch- produkt reducirt auf 8 Mill. £ und das Gesammtprodukt auf 28 Mill. £ wie in Frankreich. Es ist in der That etwas stark, wenn Herr Lavergne gleichzeitig die Produktmassen und die Preis- differenzen in seiner Rechnung eingehn lässt, sodass, wenn England gewisse Artikel theurer producirt als Frankreich, was höchstens einen grössern Profit für Pächter und Grundeigenthümer bedeutet, dies als ein Vorzug der englischen Agrikultur erscheint.
Dass Herr Lavergne nicht nur die ökonomischen Erfolge der englischen Landwirthschaft kennt, sondern auch an die Vorurtheile der englischen Pächter und Grundbesitzer glaubt, beweist er p. 48: „Ein grosser Nachtheil ist gewöhnlich mit Getreidepflanzen ver- bunden … sie erschöpfen den Boden, der sie trägt.“ Herr Lavergne glaubt nicht nur, dass andre Pflanzen das nicht thun; er glaubt, dass Futterkräuter und Wurzelkräuter den Boden bereichern: „Futterpflanzen ziehn die Hauptelemente ihres Wachsthums aus der Atmosphäre, während sie dem Boden mehr zurückgeben als sie ihm entziehn; sie helfen also sowohl direkt, wie durch ihre Verwandlung in thierischen Dünger, in doppelter Weise den Schaden ersetzen, den Getreidepflanzen und andre erschöpfende Ernten an- gerichtet haben; es ist daher Grundsatz, dass sie mit diesen Ernten mindestens wechseln sollten; hierin besteht die Norfolk Rotation.“ (p. 50, 51.)
Kein Wunder, wenn Herr Lavergne, der dem englischen länd- lichen Gemüth diese Märchen glaubt, ihm auch glaubt, dass seit Aufhebung der Kornzölle der Lohn der englischen Landtagelöhner seine frühere Anormalität verloren hat. Siehe was wir früher dar- über gesagt Buch I, Kap. XXIII, 5, p. 701—729. Doch hören wir
auch noch Herrn John Bright’s Rede in Birmingham, 14. December 1865. Nachdem er gesprochen von den 5 Mill. Familien, die im Parlament gar nicht vertreten sind, fährt er fort: „Unter diesen ist 1 Mill., oder eher mehr als 1 Mill. im Vereinigten Königreich, die in der unglücklichen Liste der Paupers aufgeführt werden. Dann ist noch eine andre Million, die sich noch eben über dem Pauperismus hält, aber stets in Gefahr schwebt auch Paupers zu werden. Günstiger ist ihre Lage und ihre Aussichten nicht. Nun betrachtet einmal die unwissenden niedrigern Schichten dieses Theils der Gesellschaft. Betrachtet ihre ausgestossne Lage, ihre Armuth, ihre Leiden, ihre vollendete Hoffnungslosigkeit. Selbst in den Ver- einigten Staaten, selbst in den Südstaaten während der Herrschaft der Sklaverei, hatte jeder Neger den Glauben, dass ihm irgend einmal ein Jubeljahr bevorstände. Aber für diese Leute, für diese Masse der niedrigsten Schichten in unserm Lande, besteht, ich bin hier es auszusprechen, weder der Glaube an irgend eine Besserung noch selbst ein Sehnen darnach. Haben Sie neulich in den Zei- tungen eine Notiz gelesen über John Cross, einen Ackerbautag- löhner in Dorsetshire? Er arbeitete 6 Tage in der Woche, hatte ein vortreffliches Zeugniss von seinem Beschäftiger, für den er 24 Jahre für 8 sh. Wochenlohn gearbeitet hatte. John Cross hatte eine Familie von 7 Kindern aus diesem Lohn in seiner Hütte zu unterhalten. Um seine kränkliche Frau und ihren Säugling zu wärmen, nahm er — gesetzlich gesprochen, glaube ich, stahl er sie — eine hölzerne Hürde zum Werth von 6 d. Für dies Ver- gehn wurde er von den Friedensrichtern zu 14 oder 20 Tagen Gefängniss verurtheilt. Ich kann Ihnen sagen, dass viele Tausende von Fällen wie der von John Cross im ganzen Lande zu finden sind, und besonders im Süden, und dass ihre Lage derart ist, dass bisher der aufrichtigste Forscher nicht im Stande gewesen ist das Geheimniss zu lösen, wie sie Leib und Seele zusammenhalten. Und nun werfen Sie Ihre Augen über das ganze Land und betrachten Sie diese 5 Mill. Familien und den verzweifelten Zustand dieser Schicht davon. Kann man nicht in Wahrheit sagen, dass die vom Stimmrecht ausgeschlossne Masse der Nation schanzt und immer wieder schanzt und fast keine Ruhe kennt? Vergleichen Sie sie mit der herrschenden Klasse — aber wenn ich das thue, so wird man mich des Kommunismus anklagen … aber vergleichen Sie diese grosse sich abarbeitende und stimmrechtlose Nation mit dem Theil, den man als die herrschenden Klassen ansehen kann. Sehn Sie ihren Reichthum an, ihren Prunk, ihren Luxus. Sehn Sie
ihre Mattigkeit — denn auch unter ihnen ist Mattigkeit, aber es ist die Mattigkeit des Ueberdrusses — und sehn Sie, wie sie von Ort zu Ort eilen, als ob es nur gelte neue Vergnügen zu ent- decken.“ (Morning Star, 15. December 1865.)
Es ist im Nachfolgenden gezeigt, wie Mehrarbeit und daher Mehrprodukt überhaupt mit Grundrente, diesem wenigstens auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise, quantitativ und quali- tativ specifisch bestimmten Theil des Mehrprodukts verwechselt wird. Die natürwüchsige Basis der Mehrarbeit überhaupt, d. h. eine Naturbedingung, ohne welche sie nicht möglich ist, ist die, dass die Natur, — sei es in Produkten des Landes, pflanzlichen oder thierischen, sei es in Fischereien etc. — die nöthigen Unter- naltsmittel gewährt bei Anwendung einer Arbeitszeit, die nicht den ganzen Arbeitstag verschlingt. Diese naturwüchsigc Produktivität der agrikolen Arbeit (worin hier einfach sammelnde, jagende, fischende, Vieh züchtende eingeschlossen) ist die Basis aller Mehr- arbeit; wie alle Arbeit zunächst und ursprünglich auf Aneignung und Produktion der Nahrung gerichtet ist. (Das Thier gibt ja zugleich Fell zum Wärmen in kälterm Klima; ausserdem Höhlen- wohnungen etc.)
Dieselbe Konfusion zwischen Mehrprodukt und Bodenrente findet sich anders ausgedrückt bei Herrn Dove. Ursprünglich sind Acker- bauarbeit und industrielle Arbeit nicht getrennt; die zweite schliesst sich an die erste an. Die Mehrarbeit und das Mehrprodukt des ackerbauenden Stamms, der Hausgemeinde oder Familie umfasst sowohl agrikole wie industrielle Arbeit. Beide gehn Hand in Hand. Jagd, Fischerei, Ackerbau sind unmöglich ohne entsprechende In- strumente. Weben, Spinnen etc. werden zuerst betrieben als agri- kole Nebenarbeiten.
Wir haben früher gezeigt, dass wie die Arbeit des einzelnen Arbeiters in nothwendige und Mehrarbeit zerfällt, so man die Gesammt- arbeit der Arbeiterklasse derart theilen kann, dass der Theil, der die Gesammtlebensmittel für die Arbeiterklasse producirt (einge- schlossen die hierfür erheischten Produktionsmittel) die nothwen- dige Arbeit für die ganze Gesellschaft verrichtet. Die von dem ganzen übrigen Theil der Arbeiterklasse verrichtete Arbeit kann als Mehrarbeit betrachtet werden. Aber die nothwendige Arbeit schliesst keineswegs bloss agrikole Arbeit ein, sondern auch die Arbeit, die alle übrigen Produkte producirt, die in den Durch- schnittskonsum des Arbeiters nothwendig eingehn. Auch ver- richten die einen, gesellschaftlich gesprochen, bloss nothwendige
Arbeit, weil die andern bloss Mehrarbeit verrichten, und umge- kehrt. Es ist dies nur Theilung der Arbeit zwischen ihnen. Ebenso verhält es sich mit der Theilung der Arbeit zwischen agrikolen und industriellen Arbeitern überhaupt. Dem rein industriellen Charakter der Arbeit auf der einen Seite entspricht der rein agrikole auf der andern. Diese rein agrikole Arbeit ist keines- wegs naturwüchsig, sondern selbst ein Produkt, und zwar ein sehr modernes, keineswegs überall erreichtes, der gesellschaftlichen Ent- wicklung, und entspricht einer ganz bestimmten Produktionsstufe. Ebenso wie ein Theil der agrikolen Arbeit sich vergegenständlicht in Produkten, die entweder nur dem Luxus dienen, oder Rohstoffe für Industrien bilden, keineswegs aber in die Nahrung, geschweige in die Nahrung der Massen eingehn, so wird andrerseits ein Theil der industriellen Arbeit vergegenständlicht in Produkten, die zu den nothwendigen Konsumtionsmitteln sowohl der agrikolen wie der nichtagrikolen Arbeiter dienen. Es ist falsch, diese industrielle Arbeit — vom gesellschaftlichen Standpunkt — als Mehrarbeit aufzufassen. Sie ist zum Theil ebenso nothwendige Arbeit wie der nothwendige Theil der agrikolen. Sie ist auch nur verselbständigte Form eines Theils der früher mit der agrikolen Arbeit natur- wüchsig verbundnen industriellen Arbeit, nothwendige gegenseitige Ergänzung der jetzt von ihr getrennten rein agrikolen Arbeit. (Rein materiell betrachtet produciren z. B. 500 mechanische Weber in viel höherm Grade Surplus-Gewebe, d. h. mehr als zu ihrer eignen Kleidung erheischt ist.)
Es ist endlich bei der Betrachtung der Erscheinungsformen der Grundrente, d. h. des Pachtgeldes, das für die Benutzung des Bodens, sei es zu produktiven, sei es zu konsumtiven Zwecken, unter dem Titel der Grundrente dem Grundbesitzer gezahlt wird, festzuhalten, dass der Preis von Dingen, die an und für sich keinen Werth haben, d. h. nicht das Produkt der Arbeit sind, wie der Boden, oder die wenigstens nicht durch Arbeit reproducirt werden können, wie Alterthümer, Kunstwerke bestimmter Meister etc., durch sehr zufällige Kombinationen bestimmt werden kann. Um ein Ding zu verkaufen, dazu gehört nichts als dass es monopolisirbar und ver- äusserlich ist.
Es sind drei Hauptirrthümer, die bei der Behandlung der Grund- rente zu vermeiden sind und die die Analyse trüben.
1) Die Verwechslung der verschiednen Formen der Rente, die
verschiednen Entwicklungsstufen des gesellschaftlichen Produktions- processes entsprechen.
Welches immer die specifische Form der Rente sei, alle Typen derselben haben das gemein, dass die Aneignung der Rente die ökonomische Form ist, worin sich das Grundeigenthum realisirt, und dass ihrerseits die Grundrente ein Grundeigenthum, Eigenthum bestimmter Individuen an bestimmten Stücken des Erdballs voraus- setzt; sei nun der Eigenthümer die Person, die das Gemeinwesen repräsentirt, wie in Asien, Egypten etc., oder sei dies Grundeigen- thum nur Accidens des Eigenthums bestimmter Personen an den Personen der unmittelbaren Producenten, wie beim Sklaven- oder Leibeignensystem, oder sei es reines Privateigenthum von Nicht- producenten an der Natur, blosser Eigenthumstitel am Boden, oder end- lich sei es ein Verhältniss zum Boden welches, wie bei Kolonisten und kleinbäuerlichen Grundbesitzern, bei der isolirten und nicht social entwickelten Arbeit unmittelbar eingeschlossen scheint in der An- eignung und Produktion der Produkte bestimmter Bodenstücke durch die unmittelbaren Producenten.
Diese Gemeinsamkeit der verschiednen Formen der Rente — ökonomische Realisirung des Grundeigenthums zu sein, der juri- stischen Fiktion, kraft deren verschiedne Individuen bestimmte Theile des Erdballs ausschliesslich besitzen—lässt die Unterschiede übersehn.
2) Alle Grundrente ist Mehrwerth, Produkt von Mehrarbeit. Sie ist noch direkt Mehrprodukt in ihrer unentwickeltern Form, der Naturalrente. Daher der Irrthum, dass die der kapitalistischen Produktionsweise entsprechende Rente, die stets Ueberschuss über den Profit, d. h. über einen Werththeil der Waare ist, der selbst aus Mehrwerth (Mehrarbeit) besteht — dass dieser besondre und specifische Bestandtheil des Mehrwerths dadurch erklärt sei, dass man die allgemeinen Existenzbedingungen von Mehrwerth und Profit überhaupt erklärt. Diese Bedingungen sind: Die unmittel- baren Producenten müssen über die Zeit hinaus arbeiten, die zur Reproduktion ihrer eignen Arbeitskraft, ihrer selbst erheischt ist. Sie müssen Mehrarbeit überhaupt verrichten. Dies ist die subjek- tive Bedingung. Aber die objektive ist, dass sie auch Mehrarbeit verrichten können; dass die Naturbedingungen derart sind, dass ein Theil ihrer disponiblen Arbeitszeit zu ihrer Reproduktion und Selbsterhaltung als Producenten hinreicht, dass die Produktion ihrer nothwendigen Lebensmittel nicht ihre ganze Arbeitskraft konsumirt. Die Fruchtbarkeit der Natur bildet hier eine Grenze, einen Ausgangspunkt, eine Basis. Andrerseits bildet die Entwick-
lung der gesellschaftlichen Produktivkraft ihrer Arbeit die andre. Noch näher betrachtet, da die Produktion der Nahrungsmittel die allererste Bedingung ihres Lebens und aller Produktion überhaupt ist, muss die in dieser Produktion aufgewandte Arbeit, also die agri- kole Arbeit im weitesten ökonomischen Sinn, fruchtbar genug sein, damit nicht die ganze disponible Arbeitszeit in der Produktion von Nahrungsmitteln für die unmittelbaren Producenten absorbirt wird; also agrikole Mehrarbeit und daher agrikoles Mehrprodukt mög- lich sei. Weiter entwickelt, dass die agrikole Gesammtarbeit — nothwendige und Mehrarbeit — eines Theils der Gesellschaft hin- reicht, um die nothwendigen Nahrungsmittel für die ganze Gesell- schaft, also auch für die nicht agrikolen Arbeiter zu erzeugen; dass also diese grosse Theilung der Arbeit zwischen Ackerbauern und Industriellen möglich ist, und ebenso die zwischen denen der Ackerbauern, die Nahrung produciren, und denen, die Rohstoffe produciren. Obgleich die Arbeit der unmittelbaren Nahrungspro- ducenten für sie selbst in nothwendige und Mehrarbeit zerfällt, stellt sie so, in Bezug auf die Gesellschaft, die nur zur Produktion der Nahrungsmittel erheischte nothwendige Arbeit dar. Dasselbe findet übrigens statt bei aller Theilung der Arbeit innerhalb der ganzen Gesellschaft, im Unterschied von der Theilung der Arbeit innerhalb der einzelnen Werkstatt. Es ist die zur Produktion be- sondrer Artikel — zur Befriedigung eines besondren Bedürfnisses der Gesellschaft für besondre Artikel nothwendige Arbeit. Ist diese Vertheilung proportionell, so werden die Produkte der ver- schiednen Gruppen zu ihren Werthen (bei weitrer Entwicklung zu ihren Produktionspreisen) verkauft, oder aber zu Preisen die, durch allgemeine Gesetze bestimmte, Modifikationen dieser Werthe resp. Produktionspreise sind. Es ist in der That das Gesetz des Werths, wie es sich geltend macht, nicht in Bezug auf die einzelnen Waaren oder Artikel, sondern auf die jedesmaligen Gesammtprodukte der besondren, durch die Theilung der Arbeit verselbständigten gesell- schaftlichen Produktionssphären; sodass nicht nur auf jede einzelne Waare nur die nothwendige Arbeitszeit verwandt ist, sondern dass von der gesellschaftlichen Gesammtarbeitszeit nur das nöthige pro- portionelle Quantum in den verschiednen Gruppen verwandt ist. Denn Bedingung bleibt der Gebrauchswerth. Wenn aber der Ge- brauchswerth bei der einzelnen Waare davon abhängt, dass sie an und für sich ein Bedürfniss befriedigt, so bei der gesellschaftlichen Produktenmasse davon, dass sie dem quantitativ bestimmten ge- sellschaftlichen Bedürfniss für jede besondere Art von Produkt
adäquat, und die Arbeit daher im Verhältniss dieser gesellschaft- lichen Bedürfnisse, die quantitativ umschrieben sind, in die ver- schiednen Produktionssphären proportionell vertheilt ist. (Dieser Punkt heranzuziehn bei der Vertheilung des Kapitals in die ver- schiednen Produktionssphären.) Das gesellschaftliche Bedürfniss, d. h. der Gebrauchswerth auf gesellschaftlicher Potenz, erscheint hier bestimmend für die Quota der gesellschaftlichen Gesammt- arbeitszeit, die den verschiednen besondren Produktionssphären an- heimfallen. Es ist aber nur dasselbe Gesetz, das sich schon bei der einzelnen Waare zeigt, nämlich: dass ihr Gebrauchswerth Vor- aussetzung ihres Tauschwerths und damit ihres Werths ist. Dieser Punkt hat mit dem Verhältniss zwischen nothwendiger und Mehr- arbeit nur soviel zu thun, dass mit Verletzung dieser Proportion der Werth der Waare, also auch der in ihm steckende Mehrwerth, nicht realisirt werden kann. Z. B. es sei proportionell zu viel Baumwollgewebe producirt, obgleich in diesem Gesammtprodukt von Gewebe nur die unter den gegebnen Bedingungen dafür noth- wendige Arbeitszeit realisirt. Aber es ist überhaupt zu viel ge- sellschaftliche Arbeit in diesem besondren Zweig verausgabt; d. h. ein Theil des Produkts ist nutzlos. Das Ganze verkauft sich da- her nur, als ob es in der nothwendigen Proportion producirt wäre. Diese quantitative Schranke der auf die verschiednen besondren Produktionssphären verwendbaren Quoten der gesellschaftlichen Arbeitszeit ist nur weiter entwickelter Ausdruck des Werthgesetzes überhaupt; obgleich die nothwendige Arbeitszeit hier einen andern Sinn enthält. Es ist nur so und soviel davon nothwendig zur Befriedigung des gesellschaftlichen Bedürfnisses. Die Beschränkung tritt hier ein durch den Gebrauchswerth. Die Gesellschaft kann, unter den gegebnen Produktionsbedingungen, nur soviel von ihrer Gesammtarbeitszeit auf diese einzelne Art von Produkt verwenden. Aber die subjektiven und objektiven Bedingungen von Mehrarbeit und Mehrwerth überhaupt, haben mit der bestimmten Form, sei es des Profits, sei es der Rente nichts zu thun. Sie gelten für den Mehrwerth als solchen, welche besondre Form er immer an- nehme. Sie erklären die Grundrente daher nicht.
3) Gerade bei der ökonomischen Verwerthung des Grundeigen- thums, bei der Entwicklung der Grundrente, tritt als besonders eigenthümlich dies hervor, dass ihr Betrag durchaus nicht durch Dazuthun ihres Empfängers bestimmt ist, sondern durch die von seinem Zuthun unabhängige Entwicklung der gesellschaftlichen Arbeit, an der er keinen Theil nimmt. Es wird daher leicht etwas
als Eigenthümlichkeit der Rente (und des Agrikulturprodukts über- haupt) gefasst, was auf Basis der Waarenproduktion, und näher der kapitalistischen Produktion, die in ihrem ganzen Umfang Waarenproduktion ist, allen Produktionszweigen und allen ihren Produkten gemeinschaftlich ist.
Die Höhe der Bodenrente (und mit ihr der Werth des Bodens) entwickelt sich im Fortgang der gesellschaftlichen Entwicklung als Resultat der gesellschaftlichen Gesammtarbeit. Einerseits wächst damit der Markt und die Nachfrage nach Bodenprodukten, andrer- seits unmittelbar die Nachfrage nach Grund und Boden selbst, als konkurrirender Produktionsbedingung für alle möglichen, auch nicht agrikolen Geschäftszweige. Näher, die Rente, und damit der Werth des Bodens, um nur von der eigentlichen Ackerbauernte zu sprechen, entwickelt sich mit dem Markt für das Bodenprodukt, und daher mit dem Wachsthum der nicht agrikolen Bevölkerung; mit ihrem Bedürfniss und ihrer Nachfrage theils für Nahrungs- mittel, theils für Rohstoffe. Es liegt in der Natur der kapita- listischen Produktionsweise, dass sie die ackerbauende Bevölkerung fortwährend vermindert im Verhältniss zur nichtackerbauenden, weil in der Industrie (im engern Sinn) das Wachsthum des kon- stanten Kapitals, im Verhältniss zum variablen, verbunden ist mit dem absoluten Wachsthum, obgleich der relativen Abnahme, des variablen Kapitals; während in der Agrikultur das variable Kapital absolut abnimmt, das zur Exploitation eines bestimmten Bodenstücks erfordert ist; also nur wachsen kann, soweit neuer Boden bebaut wird, dies aber wieder voraussetzt noch grössres Wachsthum der nicht agrikolen Bevölkerung.
In der That liegt hier nicht eine dem Ackerbau und seinen Produkten eigenthümliche Erscheinung vor. Vielmehr gilt dasselbe auf Basis der Waarenproduktion und ihrer absoluten Form, der kapitalistischen Produktion, für alle andren Produktionszweige und Produkte.
Diese Produkte sind Waaren, Gebrauchswerthe, die einen Tausch- werth und zwar einen realisirbaren, in Geld verwandelbaren Tausch- werth besitzen nur in dem Umfang, worin andre Waaren ein Aequi- valent für sie bilden, andre Produkte ihnen als Waaren und als Werthe gegenübertreten; in dem Umfang also, worin sie nicht producirt werden als unmittelbare Subsistenzmittel für ihre Producenten selbst, sondern als Waaren, als Produkte, die nur durch Verwandlung in Tauschwerth (Geld), durch ihre Veräusserung, zu Gebrauchswerthen werden. Der Markt für diese Waaren entwickelt sich durch die
gesellschaftliche Theilung der Arbeit; die Scheidung der produk- tiven Arbeiten verwandelt ihre respektiven Produkte wechselseitig in Waaren, in Aequivalente für einander, macht sie sich wechsel- seitig als Markt dienen. Es ist dies durchaus nichts den Agri- kulturprodukten Eigenthümliches.
Die Rente kann sich als Geldrente nur entwickeln auf Basis der Waarenproduktion, näher der kapitalistischen Produktion, und sie entwickelt sich in demselben Maß, worin die agrikole Produktion Waarenproduktion wird; also in demselben Maß, worin sich die nichtagrikole Produktion ihr gegenüber selbständig entwickelt; denn in demselben Maß wird das Ackerbauprodukt Waare, Tausch- werth und Werth. In demselben Maß, wie sich mit der kapita- listischen Produktion die Waarenproduktion entwickelt, und daher die Produktion von Werth, entwickelt sich die Produktion von Mehrwerth und Mehrprodukt. Aber in demselben Maß, wie letztre sich entwickelt, entwickelt sich die Fähigkeit des Grundeigenthums, einen wachsenden Theil dieses Mehrwerths, vermittelst seines Mo- nopols an der Erde, abzufangen, daher den Werth seiner Rente zu steigern, und den Preis des Bodens selbst. Der Kapitalist ist noch selbstthätiger Funktionär in der Entwicklung dieses Mehr- werths und Mehrprodukts. Der Grundeigenthümer hat nur den so ohne sein Zuthun wachsenden Antheil am Mehrprodukt und Mehr- werth abzufangen. Dies ist das Eigenthümliche seiner Stellung, nicht aber dies, dass der Werth der Bodenprodukte und daher des Bodens immer wächst in dem Maß wie der Markt sich dafür er- weitert, die Nachfrage zunimmt und mit ihr die Waarenwelt, die dem Bodenprodukt gegenübersteht, also in andren Worten die Masse der nicht agrikolen Waarenproducenten und der nicht agri- kolen Waarenproduktion. Da dies aber ohne sein Zuthun geschieht, erscheint es bei ihm als etwas specifisches, dass Werthmasse, Masse des Mehrwerths und Verwandlung eines Theils dieses Mehrwerths in Bodenrente von dem gesellschaftlichen Produktionsprocess, von der Entwicklung der Waarenproduktion überhaupt abhängt. Daher will z. B. Dove hieraus die Rente entwickeln. Er sagt, die Rente hängt ab nicht von der Masse des agrikolen Produkts sondern von seinem Werth; dieser aber hängt ab von der Masse und der Pro- duktivität der nicht agrikolen Bevölkerung. Dies gilt aber von jedem andern Produkt, dass es sich nur als Waare entwickelt theils mit der Masse, theils mit der Mannigfaltigkeit, der Reihe andrer Waaren, die Aequivalente dafür bilden. Es ist dies schon bei der allgemeinen Darstellung des Werths gezeigt worden. Einer-
seits hängt die Tauschfähigkeit eines Produkts überhaupt ab von der Vielfachheit der Waaren die ausser ihm existiren. Andrerseits hängt davon im besondren ab die Masse, worin es selbst als Waare producirt werden kann.
Kein Producent, der Industrielle sowenig wie der Ackerbauer, isolirt betrachtet, producirt Werth oder Waare. Sein Produkt wird nur Werth und Waare in bestimmtem gesellschaftlichen Zusammen- hang. Erstens, soweit es als Darstellung gesellschaftlicher Arbeit erscheint, also seine eigne Arbeitszeit als Theil der gesellschaft- lichen Arbeitszeit überhaupt; zweitens: dieser gesellschaftliche Cha- rakter seiner Arbeit erscheint als ein seinem Produkt aufgeprägter gesellschaftlicher Charakter, in seinem Geldcharakter und in seiner durch den Preis bestimmten allgemeinen Austauschbarkeit.
Wenn also einerseits, statt die Rente zu erklären, Mehrwerth oder in noch bornirterer Fassung Mehrprodukt überhaupt erklärt wird, so wird hier andrerseits das Versehen begangen, einen Cha- rakter, der allen Produkten als Waaren und Werthen zukommt, den Ackerbauprodukten ausschliesslich zuzuschreiben. Noch mehr wird dies verflacht, wenn von der allgemeinen Bestimmung des Werths auf die Realisirung eines bestimmten Waarenwerths zurückgegangen wird. Jede Waare kann ihren Werth nur reali- siren im Cirkulationsprocess, und ob und wie weit sie ihn realisirt hängt von den jedesmaligen Marktbedingungen ab.
Es ist also nicht das Eigenthümliche der Grundrente, dass die Agrikulturprodukte sich zu Werthen und als Werthe entwickeln, d. h. dass sie als Waaren den andern Waaren, und die nicht agrikolen Produkte ihnen als Waaren gegenübertreten, oder dass sie sich als besondre Ausdrücke gesellschaftlicher Arbeit entwickeln. Das Eigenthümliche ist, dass mit den Bedingungen, worin sich die Agrikulturprodukte als Werthe (Waaren) entwickeln, und mit den Bedingungen der Realisation ihrer Werthe, auch die Macht des Grundeigenthums sich entwickelt, einen wachsenden Theil dieser ohne sein Zuthun geschaffnen Werthe sich anzueignen, ein wach- sender Theil des Mehrwerths sich in Grundrente verwandelt.
Bei Analyse der Bodenrente wollen wir zunächst von der Vor- aussetzung ausgehn, dass Produkte, die eine solche Rente zahlen,
bei denen ein Theil des Mehrwerths, also auch ein Theil des Ge- sammtpreises sich in Rente auflöst — für unsern Zweck reicht es hin, Ackerbauprodukte oder auch Bergwerksprodukte zu berück- sichtigen — dass also Boden- oder Bergwerksprodukte, wie alle andren Waaren, zu ihren Produktionspreisen verkauft werden. D. h. ihre Verkaufspreise sind gleich ihren Kostelementen (dem Werth des aufgezehrten konstanten und variablen Kapitals) plus einem Profit, bestimmt durch die allgemeine Profitrate, berechnet auf das vorgeschossne Gesammtkapital, verbrauchtes und nichtver- brauchtes. Wir nehmen also an, dass die durchschnittlichen Ver- kaufspreise dieser Produkte gleich ihren Produktionspreisen sind. Es fragt sich dann, wie unter dieser Voraussetzung sich eine Grundrente entwickeln, d. h. ein Theil des Profits sich in Grund- rente verwandeln, daher ein Theil des Waarenpreises dem Grund- eigenthümer anheimfallen kann.
Um den allgemeinen Charakter dieser Form der Grundrente zu zeigen, unterstellen wir, die Fabriken in einem Lande würden in überwiegender Anzahl durch Dampfmaschinen getrieben, eine be- stimmte Minderzahl jedoch durch natürliche Wasserfälle. Unter- stellen wir, der Produktionspreis in jenen Industriezweigen sei 115 für eine Masse von Waaren, worin ein Kapital von 100 verzehrt ist. Die 15 % Profit sind berechnet nicht nur auf das konsumirte Kapital von 100, sondern auf das Gesammtkapital, das in der Produktion dieses Waarenwerths angewandt ist. Dieser Produk- tionsprocess, wie früher erörtert, ist bestimmt, nicht durch den in- dividuellen Kostpreis jedes einzelnen producirenden Industriellen, sondern durch den Kostpreis, den die Waare durchschnittlich kostet unter den Durchschnittsbedingungen des Kapitals in der ganzen Produktionssphäre. Es ist in der That der Markt-Produktionspreis; der durchschnittliche Marktpreis im Unterschied zu seinen Oscilla- tionen. Es ist überhaupt in der Gestalt des Marktpreises und weiter in der Gestalt des regulirenden Marktpreises oder Markt- Produktionspreises, dass sich die Natur des Werths der Waaren darstellt, sein Bestimmtsein nicht durch die zur Produktion eines bestimmten Waarenquantums, oder einzelner Waaren individuell, für einen bestimmten einzelnen Producenten nothwendige Arbeits- zeit, sondern durch die gesellschaftlich nothwendige Arbeitszeit; durch die Arbeitszeit, die erheischt ist, unter dem gegebnen Durch- schnitt der gesellschaftlichen Produktionsbedingungen das gesell- schaftlich erheischte Gesammtquantum der auf dem Markt befind- lichen Waarenspecies zu erzeugen.
Da die bestimmten Zahlenverhältnisse hier vollständig gleich- gültig sind, wollen wir ferner annehmen, dass der Kostpreis in den Fabriken, die durch Wasserkraft getrieben werben, nur 90 statt 100 betrage. Da der den Markt regulirende Produktionspreis der Masse dieser Waaren = 115, mit einem Profit von 15 %, so werden die Fabrikanten, die ihre Maschinen mit Wasserkraft treiben, eben- falls zu 115 verkaufen, d. h. zu dem den Marktpreis regulirenden Durchschnittspreis. Ihr Profit betrüge daher 25 statt 15; der regulirende Produktionspreis erlaubte ihnen einen Surplusprofit von 10 % zu machen, nicht weil sie ihre Waare über, sondern weil sie sie zu dem Produktionspreis verkaufen, weil ihre Waaren pro- ducirt werden, oder ihr Kapital fungirt, unter ausnahmsweis günstigen Bedingungen, Bedingungen die über dem Durchschnittsniveau der in dieser Sphäre herrschenden ständen.
Zweierlei zeigt sich sofort:
Erstens: Der Surplusprofit der Producenten, die den natürlichen Wasserfall als Triebkraft anwenden, verhält sich zunächst wie aller Surplusprofit (und wir haben diese Kategorie bereits ent- wickelt bei Darstellung der Produktionspreise), der nicht zufälliges Resultat von Transaktionen im Cirkulationsprocess, von zufälligen Schwankungen der Marktpreise ist. Dieser Surplusprofit also ist ebenfalls gleich der Differenz zwischen dem individuellen Produk- tionspreis dieser begünstigten Producenten, und dem allgemeinen gesellschaftlichen, den Markt regulirenden Produktionspreis dieser ganzen Produktionssphäre. Diese Differenz ist gleich dem Ueber- schuss des allgemeinen Produktionspreises der Waare über ihren individuellen Produktionspreis. Die zwei regulirenden Grenzen dieses Ueberschusses sind auf der einen Seite der individuelle Kost- preis und daher der individuelle Produktionspreis, auf der andern der allgemeine Produktionspreis. Der Werth der mit dem Wasser- fall producirten Waare ist kleiner, weil zu ihrer Produktion ein kleineres Gesammtquantum Arbeit erfordert ist, nämlich weniger Arbeit, die in vergegenständlichter Form, als Theil des konstanten Kapitals eingeht. Die hier angewandte Arbeit ist produktiver, ihre individuelle Produktivkraft ist grösser, als die in der Masse der- selben Art Fabriken angewandten Arbeit. Ihre grössre Produktiv- kraft zeigt sich darin, dass sie, um dieselbe Masse Waaren zu produciren, ein geringres Quantum konstantes Kapital braucht, ein geringres Quantum vergegenständlichter Arbeit, als die andren; daneben ausserdem ein geringeres Quantum lebendiger Arbeit, da das Wasserrad nicht geheizt zu werden braucht. Diese grössre
individuelle Produktivkraft der angewandten Arbeit vermindert den Werth, aber auch den Kostpreis und damit den Produktionspreis der Waare. Für den Industriellen stellt sich dies so dar, dass für ihn der Kostpreis der Waare geringer ist. Er hat weniger ver- gegenständlichte Arbeit zu zahlen und ebenso weniger Arbeitslohn für weniger angewandte lebendige Arbeitskraft. Da der Kostpreis seiner Waare geringer, ist auch sein individueller Produktionspreis geringer. Der Kostpreis für ihn ist 90 statt 100. Also wäre auch sein individueller Produktionspreis statt 115 nur 103½ (100:115 = 90:103½). Die Differenz zwischen seinem individuellen Pro- duktionspreis und dem allgemeinen ist begrenzt durch die Differenz zwischen seinem individuellen Kostpreis und dem allgemeinen. Dies ist eine der Grössen, die die Grenzen für sein Surplusprodukt bilden. Die andre ist die Grösse des allgemeinen Produktions- preises, worin die allgemeine Profitrate als einer der regelnden Faktoren eingeht. Würden die Kohlen wohlfeiler, so nähme die Differenz zwischen seinem individuellen und dem allgemeinen Kost- preis ab, und daher sein Surplusprofit. Müsste er die Waare zu ihrem individuellen Werth, oder dem durch ihren individuellen Werth bestimmten Produktionspreis verkaufen, so fiele die Differenz fort. Sie ist einerseits das Resultat davon, dass die Waare zu ihrem allgemeinen Marktpreis verkauft wird, zum Preis wozu die Konkurrenz die Einzelpreise ausgleicht, andrerseits davon, dass die grössre individuelle Produktivkraft der von ihm in Bewegung gesetzten Arbeit nicht den Arbeitern zu gute kommt sondern, wie alle Produktivkraft der Arbeit, ihrem Anwender; dass sie sich als Produktivkraft des Kapitals darstellt.
Da die eine Schranke dieses Surplusprofits die Höhe des allge- meinen Produktionspreises ist, wovon die Höhe der allgemeinen Profitrate einer der Faktoren, so kann er nur entspringen aus der Differenz zwischen dem allgemeinen und dem individuellen Pro- duktionspreis, daher aus der Differenz zwischen der individuellen und der allgemeinen Profitrate. Ein Ueberschuss über diese Diffe- renz unterstellt den Verkauf von Produkt über, nicht zu, dem durch den Markt geregelten Produktionspreis.
Zweitens: Bisher unterscheidet sich der Surplusprofit des Fabri- kanten, der den natürlichen Wasserfall statt des Dampfs als Trieb- kraft anwendet, in keiner Art von allem andern Surplusprofit. Aller normale, d. h. nicht durch zufällige Verkaufsgeschäfte oder durch Schwankungen des Marktpreises hervorgebrachte Surplus- profit ist bestimmt durch die Differenz zwischen dem individuellen
Produktionspreis der Waaren dieses besondren Kapitals und dem allgemeinen Produktionspreis, der die Marktpreise der Waaren des Kapitals dieser Produktionssphäre überhaupt regelt, oder die Markt- preise der Waaren des in dieser Produktionssphäre angelegten Ge- sammtkapitals.
Aber jetzt kommt der Unterschied.
Welchem Umstand verdankt der Fabrikant im vorliegenden Fall seinen Surplusprofit, den Ueberschuss, den der durch die allge- meine Profitrate regulirte Produktionspreis ihm persönlich abwirft?
In erster Instanz einer Naturkraft, der Triebkraft des Wasser- falls, der von Natur sich vorfindet, und der nicht wie die Kohle, welche Wasser in Dampf verwandelt, selbst Produkt der Arbeit ist, daher Werth hat, durch ein Aequivalent bezahlt werden muss, kostet. Es ist ein natürlicher Produktionsagent, in dessen Er- zeugung keine Arbeit eingeht.
Aber das ist nicht alles. Der Fabrikant, der mit der Dampf- maschine arbeitet, wendet auch Naturkräfte an, die ihm nichts kosten, die aber die Arbeit produktiver machen, und sofern sie dadurch die Herstellung der für die Arbeiter erheischten Lebens- mittel verwohlfeilern, den Mehrwerth und daher den Profit erhöhen; die also ganz so gut vom Kapital monopolisirt werden wie die gesellschaftlichen Naturkräfte der Arbeit, die aus Kooperation, Theilung etc. entspringen. Der Fabrikant zahlt die Kohlen, aber nicht die Fähigkeit des Wassers seinen Aggregatzustand zu ändern, in Dampf überzugehn, nicht die Elasticität des Dampfs u. s. w. Diese Monopolisirung der Naturkräfte, d. h. der durch sie be- wirkten Steigerung der Arbeitskraft, ist allem Kapital gemeinsam, das mit Dampfmaschinen arbeitet. Sie mag den Theil des Arbeits- produkts, der Mehrwerth darstellt, erhöhen gegen den Theil, der sich in Arbeitslohn verwandelt. Soweit sie dies thut, erhöht sie die allgemeine Profitrate, aber sie schafft keinen Surplusprofit, der eben im Ueberschuss des individuellen Profits über den Durch- schnittsprofit besteht. Dass die Anwendung einer Naturkraft, des Wasserfalls, hier Surplusprofit schafft, kann also nicht allein aus der Thatsache entspringen, dass die gesteigerte Produktivkraft der Arbeit hier der Anwendung einer Naturkraft geschuldet ist. Es müssen weitere modificirende Umstände eintreten.
Umgekehrt. Die blosse Anwendung von Naturkräften in der Industrie mag auf die Höhe der allgemeinen Profitrate, weil auf die Masse der zur Produktion nothwendiger Lebensmittel erheisch- ten Arbeit einwirken. Sie schafft aber an und für sich keine Ab-
weichung von der allgemeinen Profitrate, und gerade um eine solche handelt es sich hier. Ferner: Der Surplusprofit, den sonst ein individuelles Kapital in einer besondren Produktionssphäre realisirt — denn die Abweichungen der Profitraten zwischen den besondren Produktionssphären gleichen sich fortwährend zur Durch- schnittsprofitrate aus — entspringt, von den nur zufälligen Ab- weichungen abgesehn, aus einer Verminderung des Kostpreises, also der Produktionskosten, die entweder dem Umstand geschuldet ist, dass Kapital in grössren als den durchschnittlichen Massen ange- wandt wird, und sich daher die faux frais der Produktion ver- mindern, während die allgemeinen Ursachen der Steigerung der Produktivkraft der Arbeit (Kooperation, Theilung etc.) in höherm Grade, mit mehr Intensität, weil auf grössrem Arbeitsfeld, wirken können; oder aber dem Umstand dass, abgesehn vom Umfang des fungirenden Kapitals, bessre Arbeitsmethoden, neue Erfindungen, verbesserte Maschinen, chemische Fabrikgeheimnisse etc., kurz neue, verbesserte, über dem Durchschnittsniveau stehende Produktionsmittel und Produktionsmethoden angewandt werden. Die Verminderung des Kostpreises und der daraus entfliessende Surplusprofit entspringen hier aus der Art und Weise, wie das fungirende Kapital angelegt wird. Sie entspringen entweder daraus, dass es in ausnahmsweis grossen Massen in einer Hand koncentrirt ist — ein Umstand, der sich aufhebt, sobald gleich grosse Kapitalmassen durchschnittlich ange- wandt werden — oder dass Kapital von bestimmter Grösse in be- sonders produktiver Weise fungirt — ein Umstand, der wegfällt, sobald sich die exceptionelle Produktionsweise verallgemeinert, oder von noch mehr entwickelter überflügelt wird.
Die Ursache des Surplusprofits entspringt hier also aus dem Kapital selbst (worin die davon in Bewegung gesetzte Arbeit einbegriffen); sei es aus einem Grössenunterschied des angewandten Kapitals, sei es aus zweckmäßigerer Anwendung desselben; und an und für sich steht nichts im Wege, dass alles Kapital in derselben Produktions- sphäre in derselben Weise angelegt wird. Die Konkurrenz zwischen den Kapitalen strebt im Gegentheil, diese Unterschiede mehr und mehr auszugleichen; die Bestimmung des Werths durch die gesellschaftlich nothwendige Arbeitszeit setzt sich durch in der Verwohlfeilerung der Waaren und dem Zwang, die Waaren unter denselben günstigen Verhältnissen herzustellen. Es verhält sich aber anders mit dem Surplusprofit des Fabrikanten, der den Wasserfall anwendet. Die gesteigerte Produktivkraft der von ihm angewandten Arbeit ent- springt weder aus dem Kapital und der Arbeit selbst, noch aus
blosser Anwendung einer von Kapital und Arbeit unterschiednen, aber dem Kapital einverleibten Naturkraft. Sie entspringt aus der grössren naturwüchsigen Produktivkraft der Arbeit, gebunden an die Benutzung einer Naturkraft, aber nicht einer Naturkraft, die allem Kapital in derselben Produktionssphäre zur Verfügung steht, wie z. B. die Elasticität des Dampfs; deren Anwendung sich also nicht von selbst versteht, sobald überhaupt Kapital in dieser Sphäre angelegt wird. Sondern einer monopolisirbaren Naturkraft, die wie der Wasserfall nur denen zur Verfügung steht, die über besondre Stücke des Erdbodens und seine Appartenentien zu verfügen haben- Es hängt durchaus nicht vom Kapital ab, diese Naturbedingung grössrer Produktivkraft der Arbeit ins Leben zu rufen, in der Art wie jedes Kapital Wasser in Dampf verwandeln kann. Sie findet sich nur lokal in der Natur vor, und ist da, wo sie sich nicht vorfindet, nicht herstellbar durch bestimmte Auslage von Kapital. Sie ist nicht gebunden an, durch Arbeit herstellbare Produkte wie Maschinen, Kohlen etc., sondern an bestimmte Naturverhält- nisse bestimmter Theile des Bodens. Der Theil der Fabrikanten, der die Wasserfälle besitzt, schliesst den Theil, der sie nicht be- sitzt, von der Anwendung dieser Naturkraft aus, weil der Boden und noch mehr der mit Wasserkraft begabte Boden beschränkt ist. Es schliesst dies nicht aus, dass, obgleich die Masse der natür- lichen Wasserfälle in einem Lande beschränkt ist, die Masse der zur Industrie vernutzbaren Wasserkraft vermehrt werden kann. Der Wasserfall kann künstlich abgeleitet werden, um seine Triebkraft vollständig auszunutzen; den Fall gegeben, kann das Wasserrad verbessert werden, um möglichst viel von der Wasser- kraft zu verwenden; wo das gewöhnliche Rad für die Wasserzufuhr nicht passt, können Turbinen angewandt werden etc. Der Besitz dieser Naturkraft bildet ein Monopol in der Hand ihres Besitzers, eine Bedingung hoher Produktivkraft des angelegten Kapitals, die nicht durch den Produktionsprocess des Kapitals selbst hergestellt werden kann(FN33); diese Naturkraft, die so monopolisirbar ist, haftet immer an der Erde. Eine solche Naturkraft gehört nicht zu den allgemeinen Bedingungen der fraglichen Produktionssphäre, und nicht zu den Bedingungen derselben, die allgemein herstellbar sind.
Denken wir uns nun die Wasserfälle, mit dem Boden, zu dem sie gehören, in der Hand von Subjekten, die als Inhaber dieser Theile des Erdballs gelten, als Grundeigenthümer, so schliessen
sie die Anlage des Kapitals am Wasserfall und seine Benutzung durch das Kapital aus. Sie können die Benutzung erlauben oder versagen. Aber das Kapital aus sich kann den Wasserfall nicht schaffen. Der Surplusprofit, der aus dieser Benutzung des Wasser- falls entspringt, entspringt daher nicht aus dem Kapital, sondern aus der Anwendung einer monopolisirbaren und monopolisirten Naturkraft durch das Kapital. Unter diesen Umständen verwandelt sich der Surplusprofit in Grundrente, d. h. er fällt dem Eigen- thümer des Wasserfalls zu. Zahlt der Fabrikant diesem 10 £ jährlich für seinen Wasserfall, so beträgt sein Profit 15 £; 15 % auf die 100 £ worauf dann seine Produktionskosten sich belaufen; und er steht sich ganz ebensogut, möglicherweise besser, als alle andren Kapitalisten seiner Produktionssphäre, die mit Dampf arbeiten. Es würde nichts an der Sache ändern, wenn der Kapi- talist selbst den Wasserfall eignete. Er würde nach wie vor den Surplusprofit von 10 £ nicht als Kapitalist, sondern als Eigen- thümer des Wasserfalls beziehn, und eben weil dieser Ueberschuss nicht aus seinem Kapital als solchem, sondern aus der Verfügung über eine von seinem Kapital trennbare, monopolisirbare, in ihrem Umfang beschränkte Naturkraft entspringt, verwandelt er sich in Grundrente.
Erstens: Es ist klar, dass diese Rente immer Differentialrente ist, denn sie geht nicht bestimmend ein in den allgemeinen Pro- duktionspreis der Waare, sondern setzt ihn voraus. Sie entspringt stets aus der Differenz zwischen dem individuellen Produktionspreis des Einzelkapitals, dem die monopolisirte Naturkraft zur Verfügung steht, und dem allgemeinen Produktionspreis des in der fraglichen Produktionssphäre überhaupt angelegten Kapitals.
Zweitens: Diese Grundrente entspringt nicht aus der absoluten Erhöhung der Produktivkraft des angewandten Kapitals, resp. der von ihm angeeigneten Arbeit, die überhaupt nur den Werth der Waaren vermindern kann; sondern aus der grössren relativen Frucht- barkeit bestimmter, in einer Produktionssphäre angelegter Einzel- kapitale, verglichen mit den Kapitalanlagen, die von diesen aus- nahmsweisen, naturgeschaffnen Gunstbedingungen der Produktiv- kraft ausgeschlossen sind. Wenn z. B. die Benutzung des Dampfs, obgleich die Kohlen Werth haben und die Wasserkraft nicht, über- wiegende Vortheile gewährte, die bei Benutzung der Wasserkraft ausgeschlossen wären, sie mehr als kompensirten, so würde die Wasserkraft nicht angewandt und könnte keinen Surplusprofit, da- her keine Rente erzeugen.
Drittens: Die Naturkraft ist nicht die Quelle des Surplusprofits, sondern nur eine Naturbasis desselben, weil die Naturbasis der aus- nahmsweis erhöhten Produktivkraft der Arbeit. So ist der Ge- brauchswerth überhaupt Träger des Tauschwerths, aber nicht seine Ursache. Derselbe Gebrauchswerth, könnte er ohne Arbeit verschafft werden, hätte keinen Tauschwerth, behielte aber nach wie vor seine natürliche Nützlichkeit als Gebrauchswerth. Andrerseits aber hat ein Ding keinen Tauschwerth ohne Gebrauchswerth, also ohne solchen natürlichen Träger der Arbeit. Glichen sich nicht die ver- schiednen Werthe zu Produktionspreisen, und die verschiednen individuellen Produktionspreise zu einem allgemeinen, den Markt regulirenden Produktionspreis aus, so würde die blosse Steigerung der Produktivkraft der Arbeit durch den Gebrauch des Wasserfalls nur den Preis der mit dem Wasserfall producirten Waaren er- niedrigen, ohne den in diesen Waaren steckenden Profittheil zu er- höhen ganz wie sich andrerseits diese gesteigerte Produktivkraft der Arbeit überhaupt nicht in Mehrwerth verwandeln würde, appro- priirte nicht das Kapital die Produktivkraft, natürliche und ge- sellschaftliche, der von ihm angewandten Arbeit als seine eigne.
Viertens: Das Grundeigenthum am Wasserfall hat mit der Schöpfung des Theils des Mehrwerths (Profits) und daher des Preises der Waare überhaupt, die mit Hülfe des Wasserfalls pro- ducirt wird, an und für sich nichts zu schaffen. Dieser Surplus- profit existirte auch, wenn kein Grundeigenthum existirte, wenn z. B. das Land, wozu der Wasserfall gehörte, vom Fabrikanten als herrenloses Land benutzt würde. Das Grundeigenthum schafft also nicht den Werththeil, der sich in Surplusprofit verwandelt, sondern es befähigt nur den Grundeigenthümer, den Eigenthümer des Wasser- falls, diesen Surplusprofit aus der Tasche des Fabrikanten in seine eigne zu locken. Es ist die Ursache, nicht der Schöpfung dieses Surplusprofits, sondern seiner Verwandlung in die Form der Grund- rente, daher der Aneignung dieses Theils des Profits, resp. des Waarenpreises, durch den Grund- oder Wasserfallseigenthümer.
Fünftens: Es ist klar, dass der Preis des Wasserfalls, also der Preis, den der Grundeigenthümer erhielte, verkaufte er ihn an eine dritte Person oder auch an den Fabrikanten selbst, zunächst nicht in den Produktionspreis der Waaren eingeht, obgleich in den in- dividuellen Kostpreis des Fabrikanten; denn die Rente entspringt hier aus dem, unabhängig vom Wasserfall regulirten, Produktions- preis der mit Dampfmaschinen producirten Waaren derselben Art. Ferner aber ist dieser Preis des Wasserfalls überhaupt ein irratio-
neller Ausdruck, hinter dem sich ein reelles ökonomisches Verhält- niss versteckt. Der Wasserfall, wie die Erde überhaupt, wie alle Naturkraft, hat keinen Werth, weil er keine in ihm vergegen- ständlichte Arbeit darstellt, und daher auch keinen Preis, der nor- maliter nichts ist als der in Geld ausgedrückte Werth. Wo kein Werth ist, kann eo ipso auch nichts in Geld dargestellt werden. Dieser Preis ist nichts als die kapitalisirte Rente. Das Grund- eigenthum befähigt den Eigenthümer, die Differenz zwischen dem individuellen Profit und dem Durchschnittsprofit abzufangen; der so abgefangne Profit, der sich jährlich erneuert, kann kapitalisirt werden und erscheint dann als Preis der Naturkraft selbst. Ist der Surplusprofit, den die Benutzung des Wasserfalls dem Fabri- kanten abwirft, 10 £ jährlich, und der Durchschnittszins 5 %, so stellen diese 10 £ jährlich den Zins eines Kapitals von 200 £ dar; und diese Kapitalisation der jährlichen 10 £, die der Wasser- fall seinen Eigenthümer befähigt dem Fabrikanten abzufangen, er- scheint dann als Kapitalwerth des Wasserfalls selbst. Dass nicht dieser selbst Werth hat, sondern sein Preis blosser Reflex des ab- gefangnen Surplusprofits ist, kapitalistisch berechnet, zeigt sich gleich darin, dass der Preis von 200 £ nur das Produkt des Sur- plusprofits von 10 £ mit 20 Jahren darstellt, während unter sonst gleichbleibenden Umständen derselbe Wasserfall für unbestimmte Zeit, 30, 100, x Jahre den Eigenthümer befähigt jährlich diese 10 £ abzufangen, und während andrerseits, wenn eine neue, nicht auf Wasserkraft anwendbare Produktionsmethode den Kostpreis der mit der Dampfmaschine producirten Waaren von 100 auf 90 £ erniedrigte, der Surplusprofit, und damit die Rente, und damit der Preis des Wasserfalls verschwände.
Nachdem wir so den allgemeinen Begriff der Differentialrente festgesetzt, gehn wir nun zur Betrachtung derselben in der eigent- lichen Agrikultur über. Was von ihr gesagt wird, gilt im Ganzen auch für Bergwerke.
Ricardo hat vollständig Recht in folgenden Sätzen:
„Rent“ [d. h. Differentialrente; er unterstellt, dass überhaupt keine Rente existirt ausser Differentialrente] „is always the diffe- rence between the produce obtained by the employment of two equal quantities of capital and labour.“ (Principles p. 59.) „Auf
derselben Bodenquantität,“ hätte er hinzufügen müssen, soweit es sich um Grundrente und nicht um Surplusprofit überhaupt handelt.
In andern Worten: Surplusprofit, wenn normal und nicht durch zufällige Begebenheiten im Cirkulationsprocess erzeugt, wird immer producirt als Differenz zwischen dem Produkt von zwei gleichen Mengen Kapital und Arbeit, und dieser Surplusprofit verwandelt sich in Bodenrente, wenn zwei gleiche Mengen Kapital und Arbeit auf gleichen Bodenflächen mit ungleichen Resultaten beschäftigt werden. Es ist übrigens keineswegs unbedingt erforderlich, dass dieser Surplusprofit aus den ungleichen Resultaten gleicher Mengen von beschäftigtem Kapital entspringt. Es können auch in den ver- schiednen Anlagen ungleich grosse Kapitale beschäftigt sein; dies ist sogar meist die Voraussetzung; aber gleiche proportionelle Theile, also z. B. 100 £ von jedem, geben ungleiche Resultate; d. h. die Profitrate ist verschieden. Dies ist die allgemeine Vor- aussetzung für das Dasein des Surplusprofits in einer beliebigen Sphäre der Kapitalanlage überhaupt. Das zweite ist die Ver- wandlung dieses Surplusprofits in die Form der Grundrente (über- haupt der Rente, als einer vom Profit unterschiednen Form); es muss immer untersucht werden, wann, wie, unter welchen Um- ständen diese Verwandlung stattfindet.
Ricardo hat ferner Recht mit Bezug auf den folgenden Satz, sofern er auf Differentialrente eingeschränkt wird:
„Whatever diminishes the inequality in the produce obtained on the same or on new land, tends to lower rent; and whatever in- creases that inequality, necessarily produces an opposite effect, and tends to raise it.“ (p. 74.)
Unter diese Ursachen aber gehören nicht nur die allgemeinen (Fruchtbarkeit und Lage) sondern 1) die Steuervertheilung, je nach- dem sie gleichmäßig wirkt oder nicht; das letztre ist immer der Fall, wenn sie, wie in England, nicht centralisirt ist und wenn die Steuer auf den Boden und nicht auf die Rente erhoben wird; 2) die Ungleichheiten, die aus der verschiednen Entwicklung der Agrikultur in verschiednen Landestheilen hervorgehn, indem sich dieser Industriezweig, seines traditionellen Charakters wegen, schwerer nivellirt als die Manufaktur, und 3) die Ungleichheit, worin Kapital unter die Pächter vertheilt ist. Da die Besitzer- greifung der Agrikultur durch die kapitalistische Produktionsweise, die Verwandlung der selbstwirthschaftenden Bauern in Lohnarbeiter, in der That die letzte Eroberung dieser Produktionsweise über-
haupt ist, so sind diese Ungleichheiten hier grösser als in irgend einem andern Industriezweig.
Nach diesen Vorbemerkungen will ich erst ganz kurz zusammen- stellen die Eigenthümlichkeiten meiner Entwicklung im Unter- schied der von Ricardo etc.
Wir betrachten zuerst die ungleichen Ergebnisse gleicher Mengen von Kapital, angewandt auf verschiedne Ländereien von gleichem Umfang; oder, bei ungleichem Umfang, die Ergebnisse berechnet auf gleich grosse Bodenflächen.
Die zwei allgemeinen, vom Kapital unabhängigen Ursachen dieser ungleichen Ergebnisse sind 1) die Fruchtbarkeit. (Es ist zu diesem Punkt 1) auseinanderzusetzen, was alles und welche ver- schiednen Momente in der natürlichen Fruchtbarkeit der Ländereien einbegriffen sind.) 2) die Lage der Ländereien. Die letztre ist ent- scheidend bei Kolonien, und überhaupt entscheidend für die Reihen- folge, worin Ländereien nach einander in Bebauung genommen werden können. Ferner ist es klar, dass diese zwei verschiednen Gründe der Differentialrente, Fruchtbarkeit und Lage, in entgegen- gesetzter Richtung wirken können. Ein Boden kann sehr gut gelegen und sehr wenig fruchtbar sein, und umgekehrt. Dieser Umstand ist wichtig, denn er erklärt uns, warum bei der Urbar- machung des Bodens eines gegebnen Landes ebensowohl von besserm Land zu schlechterem, wie umgekehrt vorgeschritten werden kann. Endlich ist klar, dass der Fortschritt der socialen Produktion über- haupt einerseits nivellirend wirkt auf die Lage als Grund der Differentialrente, indem er lokale Märkte schafft und durch Her- stellung der Kommunikations- und Transportmittel Lage schafft; andrerseits die Unterschiede der lokalen Lagen der Ländereien steigert, durch die Trennung der Agrikultur von der Manufaktur und durch Bildung grosser Centren der Produktion nach der einen, wie durch relative Vereinsamung des Landes nach andrer Seite hin.
Zunächst aber lassen wir diesen Punkt, die Lage, ausser Acht und betrachten bloss den der natürlichen Fruchtbarkeit. Abgesehn von klimatischen etc. Momenten, besteht der Unterschied der natür- lichen Fruchtbarkeit im Unterschied der chemischen Zusammen- setzung der Bodenoberfläche, d. h. in ihrem verschiednen Gehalt an den Nahrungsstoffen der Pflanzen. Indess, gleichen chemischen Gehalt, und in diesem Sinn gleiche natürliche Fruchtbarkeit zweier Bodenflächen vorausgesetzt, wird die wirkliche, effektive Frucht- barkeit verschieden sein, je nachdem sich diese Nahrungsstoffe in
einer Form befinden, worin sie mehr oder minder assimilirbar, un- mittelbar verwerthbar für die Nahrung der Pflanzen sind. Es wird also theils von der chemischen, theils von der mechanischen Entwicklung der Agrikultur abhängen, wie weit auf natürlich gleich fruchtbaren Ländereien, dieselbe natürliche Fruchtbarkeit disponibel gemacht werden kann. Die Fruchtbarkeit, obgleich objektive Eigen- schaft des Bodens, schliesst daher ökonomisch immer Relation ein, Relation zum gegebnen chemischen und mechanischen Entwick- lungsstand der Agrikultur, und ändert sich daher mit diesem Ent- wicklungsstand. Sei es in Folge chemischer Mittel (z. B. An- wendung bestimmter flüssiger Dünger auf steifem Thonboden, oder auch Brennen von schwerem Thonboden) oder mechanischer Mittel (z. B. besondrer Pflüge für schweren Boden) können die Hinder- nisse beseitigt werden, welche gleich fruchtbaren Boden thatsäch- lich unergiebiger machten (auch die Drainirung gehört dazu). Oder selbst die Reihenfolge in der Bebauung der Bodenarten kann dadurch wechseln, wie dies z. B. zwischen leichtem Sandboden und schwerem Thonboden für eine Entwicklungsperiode der englischen Agrikultur der Fall war. Dies zeigt wieder, wie historisch — im successiven Lauf der Bebauung — ebensowohl von mehr frucht- barem zu weniger fruchtbarem Boden übergegangen werden kann, wie umgekehrt. Dasselbe kann geschehn durch künstlich hervor- gebrachte Verbesserung in der Zusammensetzung des Bodens, oder durch blosse Aenderung in der Agrikulturmethode. Endlich kann dasselbe Resultat hervorgehn aus Veränderung in der Hierarchie der Bodenarten in Folge verschiedner Verhältnisse des Untergrundes, sobald dieser ebenfalls in den Kulturbereich gezogen, und zur Ackerkrume geschlagen wird. Dies ist bedingt theils durch An- wendung neuer Agrikulturmethoden (wie Futterkräuter), theils durch mechanische Mittel, die entweder den Untergrund zum Ober- grund machen, oder ihn damit vermischen, oder den Untergrund bebauen, ohne ihn in die Höhe zu werfen.
Alle diese Einflüsse auf die Differentialfruchtbarkeit verschiedner Ländereien kommen darauf hinaus, dass für die ökonomische Frucht- barkeit der Stand der Produktivkraft der Arbeit, hier die Fähig- keit der Agrikultur, die natürliche Fruchtbarkeit des Bodens sofort ausbeutbar zu machen — eine Fähigkeit, die in verschiednen Ent- wicklungsstufen verschieden ist — ebenso sehr ein Moment der sogenannten natürlichen Fruchtbarkeit des Bodens ist, wie seine chemische Zusammensetzung und seine andren natürlichen Eigen- schaften.
Wir setzen also eine gegebne Entwicklungsstufe der Agrikultur voraus. Wir setzen ferner voraus, dass die Hierarchie der Boden- arten mit Beziehung auf diese Entwicklungsstufe berechnet ist, wie es natürlich für gleichzeitige Kapitalanlagen auf den ver- schiednen Ländereien stets der Fall ist. Dann kann die Differen- tialrente sich in aufsteigender oder absteigender Reihenfolge dar- stellen, denn obgleich die Reihenfolge gegeben ist für die Totalität der wirklich bebauten Ländereien, hat stets eine successive Be- wegung stattgefunden, worin sie gebildet wurde.
Unterstelle 4 Bodenarten, A, B, C, D. Unterstelle ferner den Preis eines Quarters Weizen = 3 £ oder 60 sh. Da die Rente blosse Differentialrente ist, ist dieser Preis von 60 sh. per Quarter für den schlechtesten Boden gleich den Produktionskosten, d. h. gleich Kapital plus Durchschnittsprofit.
A sei dieser schlechteste Boden und gebe für 50 sh. Auslage 1 Quarter = 60 sh.; also 10 sh. Profit, oder 20 %.
B gebe für dieselbe Auslage 2 Quarters = 120 sh. Es wäre dies 70 sh. Profit, oder ein Surplusprofit von 60 sh.
C gebe bei gleicher Auslage 3 qrs. = 180 sh.; Gesammtprofit = 130 sh. Surplusprofit = 120 sh.
D gebe 4 qrs. = 240 sh. = 180 sh. Surplusprofit.
Wir hätten dann folgende Reihenfolge.
Tabelle I.
Die respektiven Renten waren für D = 190 sh. — 10 sh. oder die Differenz zwischen D und A; für C = 130 — 10 sh. oder die Differenz zwischen C und A; für B = 70 sh. — 10 sh., oder die Differenz zwischen B und A; und die Gesammtrente für B, C, D = 6 qrs. = 360 sh., gleich der Summe der Differenzen von D und A, C und A, B und A.
Diese Reihenfolge, die ein gegebnes Produkt in einem gegebnen Zustand darstellt, kann ebensowohl, abstrakt betrachtet (und wir haben schon die Gründe angegeben, warum dies auch in der
Wirklichkeit der Fall sein kann) in absteigender Reihenfolge (von D bis A herabsteigend, von fruchtbarem zu stets unfruchtbarerem Boden) wie in aufsteigender Stufenfolge (von A nach D herauf- steigend, von relativ unfruchtbarem zu immer fruchtbarerem Boden), endlich wechselnd, bald ab-, bald aufsteigend, z. B. von D auf C, von C auf A, von A auf B hervorgebracht sein.
Der Process bei der absteigenden Folge war der: der Preis des Quarters steigt allmälig von sage 15 sh. auf 60. Sobald die von D producirten 4 qrs. (worunter man sich Millionen denken kann), nicht mehr ausreichten, stieg der Weizenpreis soweit, dass die fehlende Zufuhr von C geschafft werden konnte. D. h. der Preis musste auf 20 sh. per qr. gestiegen sein. Sobald der Weizenpreis auf 30 sh. per qr. stieg, konnte B, sobald er auf 60 stieg, konnte A in Bebauung genommen werden, ohne dass das darauf ver- wandte Kapital sich mit einer geringern Profitrate als 20 % zu begnügen hatte. Es bildete sich so eine Rente für D, zuerst von 5 sh. per qr. = 20 sh. für die 4 qrs. die es producirt; dann von 15 sh. per qr. = 60 sh., dann von 45 sh. per qr. = 180 sh. für 4 qrs.
War die Profitrate von D ursprünglich ebenfalls = 20 %, so war sein Gesammtprofit auf die 4 qrs. auch nur 10 sh., was aber mehr Korn vorstellte bei einem Kornpreis von 15 sh. als bei dem von 60 sh. Da aber das Korn in die Reproduktion der Arbeitskraft eingeht, und von jedem Quarter ein Theil Arbeitslohn ersetzen muss und ein andrer konstantes Kapital, so war unter dieser Voraus- setzung der Mehrwerth höher, also auch, bei sonst gleichbleibenden Umständen, die Profitrate. (Die Sache über die Profitrate noch besonders und mehr im Detail zu untersuchen.)
War dagegen die Reihenfolge umgekehrt, fing der Process von A an, so stieg, sobald neues Ackerland in Bebauung gesetzt werden musste, erst der Preis des Quarters über 60 sh.; da aber die nöthige Zufuhr von B geliefert wurde, die nöthige Zufuhr von 2 qrs., fiel er wieder auf 60 sh.; indem zwar B das qr. zu 30 sh. producirte, es aber zu 60 verkaufte, weil seine Zufuhr gerade nur hinreichte die Nachfrage zu decken. So bildete sich eine Rente, zunächst von 60 sh. für B, und in derselben Weise für C und D; immer vorausgesetzt dass, obgleich sie beide relativ das qr. zu 20 und zu 15 sh. wirklichem Werth lieferten, der Marktpreis auf 60 sh. bleibt, weil die Zufuhr des einen qr., welches A liefert, nach wie vor nothwendig ist, um den Gesammtbedarf zu befriedigen. In diesem Fall würde das Steigen der Nachfrage über den Bedarf,
den erst A, dann A und B befriedigten, nicht bewirkt haben, dass B, C, D successive angebaut werden konnten, sondern dass über- haupt das Feld der Urbarmachung ausgedehnt wurde, und zu- fällig die fruchtbareren Ländereien erst später in seinen Bereich fielen.
In der ersten Reihe würde mit der Zunahme des Preises die Rente steigen und die Profitrate abnehmen. Diese Abnahme könnte durch entgegenwirkende Umstände ganz oder theilweis paralysirt werden; auf diesen Punkt ist später näher einzugehn. Es darf nicht vergessen werden, dass die allgemeine Profitrate nicht durch den Mehrwerth in allen Produktionssphären gleichmäßig bestimmt ist. Es ist nicht der agrikole Profit, der den industriellen be- stimmt, sondern umgekehrt. Doch darüber später.
In der zweiten Reihe bliebe die Profitrate auf das ausgelegte Kapital dieselbe; die Masse des Profits würde sich in weniger Korn darstellen; aber der relative Preis des Korns, verglichen mit andren Waaren, wäre gestiegen. Nur würde die Zunahme des Profits, wo eine solche stattfindet, statt in die Taschen der indu- striellen Pächter zu fliessen und sich als wachsender Profit darzu- stellen, sich vom Profit abzweigen in der Form der Rente. Der Kornpreis bliebe aber unter der gemachten Voraussetzung stationär.
Entwicklung und Wachsthum der Differentialrente blieben die- selben, sowohl bei gleichbleibenden, wie bei steigenden Preisen, und sowohl bei dem kontinuirlichen Progress von schlechterm zu besserm Boden, wie bei kontinuirlichem Regress von besserm zu schlechterm Boden.
Bisher haben wir angenommen 1) dass der Preis in der einen Reihenfolge steigt, in der andern stationär bleibt, und 2) dass be- ständig vom besserm zum schlechterm oder umgekehrt von schlech- term zu besserm Boden fortgegangen wird.
Nehmen wir aber an, der Getreidebedarf steige von den ursprüng- lichen 10 auf 17 qrs.; ferner, der schlechteste Boden A werde ver- drängt durch einen andern Boden A, der mit den Produktions- kosten von 60 sh. (50 sh. Kost plus 10 sh. für 20 % Profit) 1⅓ qr. liefert, dessen Produktionspreis für den qr. also = 45 sh.; oder auch, der alte Boden A habe sich in Folge fortgesetzter rationeller Bebauung verbessert oder sei bei gleichbleibenden Kosten produktiver bebaut worden, z. B. durch Einführung von Klee etc., sodass sein Produkt bei gleichbleibendem Kapitalvorschuss auf 1⅓ qrs. steigt. Nehmen wir ferner an, die Bodenarten B, C, D lieferten nach wie vor dasselbe Produkt, aber es seien neue Boden-
arten A' von einer Fruchtbarkeit zwischen A und B, ferner B', B'' von einer Fruchtbarkeit zwischen B und C in Anbau gekommen; in diesem Falle würden folgende Phänomene stattfinden.
Erstens: Der Produktionspreis des qr. Weizen oder sein regu- lirender Marktpreis wäre gefallen von 60 auf 45 sh. oder um 25 %.
Zweitens: Es wäre gleichzeitig von fruchtbarerem zu unfrucht- barerem Boden und von weniger fruchtbarem zu fruchtbarerem fortgegangen worden. Der Boden A' ist fruchtbarer als A, aber unfruchtbarer als die bisher bebauten B, C, D; und B', B'' sind fruchtbarer als A, A' und B, aber unfruchtbarer als C und D. Es wäre also die Reihenfolge in Kreuz- und Querzügen gegangen; es wäre nicht zu absolut unfruchtbarerem Boden fortgegangen worden gegenüber A etc., aber zu relativ unfruchtbarerem, verglichen mit den bisher fruchtbarsten Bodenarten C und D; es wäre andrerseits nicht zu absolut fruchtbarerem Boden fortgegangen worden, aber zu relativ fruchtbarerem gegenüber den bisher unfruchtbarsten A, resp. A und B.
Drittens: Die Rente auf B wäre gefallen; ebenso die Rente von C und D; aber das Gesammtrental in Korn wäre gestiegen von 6 qrs. auf 7⅔; die Masse der bebauten und Rente tragenden Ländereien hätte zugenommen und die Masse des Produkts von 10 qrs. auf 17. Der Profit, wenn gleichbleibend für A, wäre in Korn ausgedrückt gestiegen; aber die Profitrate selbst hätte steigen können, weil der relative Mehrwerth. In diesem Fall wären wegen Verwohlfeilerung der Lebensmittel der Arbeitslohn, also die Aus- lage an variablem Kapital gefallen, also auch die Gesammtauslage. In Geld wäre das Gesammtrental gefallen von 360 sh. auf 345.
Wir wollen die neue Reihenfolge hierherstellen.
Tabelle II.
Waren endlich nur die Bodenarten A, B, C, D, nach wie vor kultivirt, aber ihre Ertragfähigkeit derart gesteigert worden, dass
A statt 1 qrs. 2, B statt 2 qrs. 4, C statt 3 qrs. 7, und D statt 4 qrs. 10 producirt hätte, sodass also dieselben Ursachen ver- schieden auf die verschiednen Bodenarten gewirkt hätten, so wäre die Gesammtproduktion gestiegen von 10 qrs. auf 23. Nehmen wir an, dass die Nachfrage in Folge des Steigens der Bevölkerung und des Sinkens des Preises diese 23 qrs absorbirt hätte, so er- gäbe sich folgendes Resultat: Tabelle III.
Die Zahlenverhältnisse sind hier, wie bei den übrigen Tabellen willkürlich, aber die Annahmen sind durchaus rationell.
Die erste und Hauptannahme ist, dass die Verbesserung in der Agrikultur auf verschiedne Bodenarten ungleichmäßig wirkt, und hier auf die besten Bodenarten C und D mehr wirkt als auf A und B. Die Erfahrung hat gezeigt, dass dies in der Regel sich so verhält, wenn auch der umgekehrte Fall eintreten kann. Wirkte die Verbesserung mehr auf den schlechtern Boden als auf den bessern, so wäre die Rente auf den letztren gefallen statt zu steigen. — Mit dem absoluten Wachsen der Fruchtbarkeit aller Boden- arten ist in der Tabelle aber zugleich vorausgesetzt das Wachsen der höhern relativen Fruchtbarkeit bei den bessern Bodenarten C und D, daher Wachsen der Differenz des Produkts bei gleicher Kapitalanlage, und daher Wachsen der Differentialrente.
Die zweite Voraussetzung ist, dass mit dem wachsenden Ge- sammtprodukt der Gesammtbedarf Schritt hält. Erstens braucht man sich das Wachsthum nicht als plötzlich erfolgt zu denken, sondern allmälig, bis die Reihe III hergestellt wird. Zweitens ist es falsch, dass der Konsum nothwendiger Lebensmittel nicht wächst mit ihrer Verwohlfeilerung. Die Abschaffung der Korn- gesetze in England (siehe Newman) hat das Gegentheil bewiesen, und die entgegengesetzte Vorstellung ist nur daher entstanden, dass grosse und plötzliche Unterschiede in den Ernten, die bloss dem Wetter geschuldet sind, in den Getreidepreisen bald unver- hältnissmäßigen Fall, bald unverhältnissmäßiges Steigen hervor-
bringen. Wenn hier die plötzliche und kurzlebige Verwohlfeile- rung nicht Zeit bekommt, ihre volle Wirkung auf Ausdehnung der Konsumtion auszuüben, so ist das Gegentheil der Fall, wo die Ver- wohlfeilerung aus dem Sinken des regulirenden Produktionspreises selbst hervorgeht, also von Dauer ist. Drittens: Ein Theil des Getreides kann als Branntwein oder Bier verzehrt werden. Und der steigende Konsum dieser beiden Artikel ist keineswegs in enge Grenzen gebunden. Viertens hängt die Sache theils vom Wachs- thum der Bevölkerung ab, theils kann das Land ein Korn-Export- land sein, wie England bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts hinaus noch war, sodass der Bedarf nicht durch die Grenzen der bloss nationalen Konsumtion regulirt ist. Endlich kann Ver- mehrung und Verwohlfeilerung der Produktion von Weizen die Folge haben, dass statt Roggen oder Hafer Weizen Hauptnahrungs- mittel der Volksmasse wird, also schon dadurch der Markt dafür wächst, wie bei abnehmendem Produkt und zunehmendem Preis der umgekehrte Fall eintreten kann. — Unter diesen Voraus- setzungen also und bei den angenommenen Zahlenverhältnissen gibt die Reihe III das Resultat, dass der Preis per qr. fällt von 60 auf 30 sh., also um 50 %, dass die Produktion, verglichen mit Reihe I, wächst von 10 auf 23 qrs., also um 130 %; dass die Rente auf Boden B stationär bleibt, auf C sich verdoppelt, und auf D sich mehr als verdoppelt, und dass das Gesammtrental steigt von 18 auf 22 £, also um 22 %.
Es ergibt sich aus der Vergleichung der drei Tabellen (wovon Reihe I doppelt zu nehmen ist, von A zu D aufsteigend und von D zu A herabsteigend), die entweder als gegebne Abstufungen in einem gegebnen Zustand der Gesellschaft aufgefasst werden können — z. B. neben einander in drei verschiednen Ländern — oder als aufeinander folgend in verschiednen Zeitabschnitten der Entwick- lung desselben Landes, es ergibt sich:
1) Dass die Reihe, wenn fertig — welches immer der Gang ihres Bildungsprocesses gewesen sein mag — immer so erscheint, dass sie absteigend ist; denn bei Betrachtung der Rente wird man immer zuerst ausgehn von dem Boden, der das Maximum von Rente trägt, und erst zuletzt zu dem kommen, der keine Rente trägt.
2) Der Produktionspreis des schlechtesten, keine Rente tragen- den Bodens ist stets der regulirende Marktpreis, obgleich letztrer bei Tabelle I, wenn sie sich in aufsteigender Reihe bildete, nur dadurch stationär bliebe, dass immer besserer Boden bebaut würde. In diesem Falle ist der Preis des auf dem besten Boden produ-
cirten Korns in soweit regulirend, als es von dem davon produ- cirten Quantum abhängt, wie weit der Boden A regulirend bleibt. Würden B, C, D über den Bedarf produciren, so hörte A auf regulirend zu sein. Dies schwebt Storch vor, wenn er die beste Bodenart zur regulirenden macht. In dieser Art regulirt der ameri- kanische Getreidepreis den englischen.
3) Die Differentialrente entspringt aus dem, für den jedesmal gegebnen Entwicklungsgrad der Kultur gegebnen Unterschied in der natürlichen Fruchtbarkeit der Bodenart (hier noch abgesehn von der Lage), also aus dem beschränkten Umfang der besten Ländereien, und dem Umstand, dass gleiche Kapitale angelegt wer- den müssen auf ungleiche Bodenarten, die also für dasselbe Kapital ungleiches Produkt abwerfen.
4) Das Vorhandensein einer Differentialrente und einer graduir- ten Differentialrente kann hervorgehn ebensogut in absteigender Stufenleiter, durch Fortgang von besserem Boden zu schlechterem, wie umgekehrt von schlechterem zu besserem, oder durch Kreuz- und Querzüge in abwechselnder Richtung. (Reihe I kann sich bilden durch Fortgang sowohl von D zu A wie von A zu D. Reihe II umfasst Bewegungen beider Art.)
5) Je nach ihrer Bildungsweise kann die Differentialrente bei stationärem, steigendem und fallendem Preis des Bodenprodukts sich ausbilden. Bei fallendem Preis kann die Gesammtproduktion und das Gesammtrental steigen, und sich Rente auf bisher rente- losen Ländereien bilden, obgleich der schlechteste Boden A durch bessern verdrängt oder selbst besser geworden ist, und obwohl die Rente auf andren bessren, und selbst den besten Bodenarten fällt (Tabelle II); dieser Process kann auch mit einem Fallen des Ge- sammtrentals (in Geld) verbunden sein. Endlich kann bei fallen- den Preisen, die einer allgemeinen Verbesserung der Kultur ge- schuldet sind, sodass das Produkt und der Produktenpreis des schlechtesten Bodens fällt, die Rente auf einen Theil der bessern Bodenarten gleichbleiben oder fallen, aber auf den besten Boden- arten wachsen. Die Differentialrente jedes Bodens, verglichen mit dem schlechtesten Boden, hängt allerdings vom Preis z. B. des qr. Weizen ab, wenn die Differenz der Produktenmasse gegeben ist. Aber wenn der Preis gegeben ist, hängt sie ab von der Grösse der Differenz der Produktenmasse, und wenn bei steigender abso- luter Fruchtbarkeit alles Bodens diejenige der bessern Bodensorten relativ mehr steigt als die der schlechtern, so wächst damit auch die Grösse dieser Differenz. So ist (Tabelle I) bei einem Preise
von 60 sh. die Rente auf D bestimmt durch sein differentielles Produkt gegen A, also durch den Ueberschuss von 3 qrs.; die Rente ist daher = 3 × 60 = 180 sh. Aber in Tabelle III, wo der Preis = 30 sh., ist sie bestimmt durch die Masse des über- schüssigen Produkts von D über A = 8 qrs.; aber 8 × 30 = 240 sh.
Es fällt hiermit die erste falsche Voraussetzung der Differential- rente fort, wie sie noch bei West, Malthus, Ricardo herrscht, dass sie nämlich nothwendig Fortgang zu stets schlechterm Boden vor- aussetzt oder stets abnehmende Fruchtbarkeit der Agrikultur. Sie kann, wie wir gesehn haben, stattfinden bei Fortgang zu stets besserm Boden; sie kann stattfinden, wenn ein besserer Boden, statt des frühern schlechtern, die unterste Stelle einnimmt; sie kann mit steigendem Fortschritt in der Agrikultur verbunden sein. Ihre Bedingung ist nur Ungleichheit der Bodenarten. Soweit die Ent- wicklung der Produktivität in Betracht kommt, unterstellt sie, dass die Steigerung der absoluten Fruchtbarkeit des Gesammtareals diese Ungleichheit nicht aufhebt, sondern sie entweder vermehrt oder stationär lässt oder nur vermindert.
Von Anfang bis Mitte des 18. Jahrhunderts herrschte in Eng- land, trotz des fallenden Preises von Gold oder Silber, fortwähren- des Sinken der Getreidepreise neben gleichzeitigem (die ganze Periode betrachtet) Wachsen der Rente, des Rentals, des Umfangs der bebauten Ländereien, der agrikolen Produktion und der Be- völkerung. Dies entspricht der Tabelle I kombinirt mit Tabelle II in aufsteigender Linie, aber so, dass der schlechteste Boden A entweder verbessert oder aus der Bebauung mit Getreide hinaus- geworfen wird; was jedoch nicht bedeutet, dass er nicht zu andern landwirthschaftlichen oder industriellen Zwecken benutzt wurde.
Von Anfang des 19. Jahrhunderts an (Datum näher anzugeben) bis 1815 fortwährendes Steigen der Getreidepreise, mit beständigem Wachsen der Rente, des Rentals, des Umfangs der bebauten Lände- reien, der agrikolen Produktion und der Bevölkerung. Dies ent- spricht Tabelle I in absteigender Linie. (Es ist hier Citat anzu- führen über die Bebauung schlechterer Ländereien in jener Zeit.)
Zu Petty’s und Davenants Zeit, Klagen der Landleute und Grund- besitzer über die Verbesserungen und Urbarmachungen; Fallen der Rente auf den bessern Ländereien, Steigen des Gesammtrentals durch Erweiterung des Rente tragenden Bodens.
(Zu diesen drei Punkten weitere Citate nachher zu geben; ebenso über die Differenz in der Fruchtbarkeit der verschiednen bebauten Bodentheile in einem Lande.)
Es ist bei der Differentialrente überhaupt zu bemerken, dass der Marktwerth immer über dem Gesammtproduktionspreis der Pro- duktenmasse steht. Nehmen wir z. B. Tabelle I. Die 10 qrs. Gesammtprodukt werden verkauft zu 600 sh., weil der Marktpreis durch den Produktionspreis von A bestimmt ist, der 60 sh. per qr. beträgt. Der wirkliche Produktionspreis aber ist:
Der wirkliche Produktionspreis der 10 qrs. ist 240 sh.; sie werden verkauft zu 600, 250 % zu theuer. Der wirkliche Durch- schnittspreis für 1 qr. ist 24 sh.; der Marktpreis 60 sh., ebenfalls 250 % zu theuer.
Es ist dies die Bestimmung durch den Marktwerth, wie er sich auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise vermittelst der Konkurrenz durchsetzt; diese erzeugt einen falschen socialen Werth. Dies entspringt aus dem Gesetz des Marktwerths, dem die Boden- produkte unterworfen werden. Die Bestimmung des Marktwerths der Produkte, also auch der Bodenprodukte, ist ein gesellschaftlicher Akt, wenn auch ein gesellschaftlich unbewusst und unabsichtlich vollzogner, der mit Nothwendigkeit auf dem Tauschwerth des Produkts beruht, nicht auf dem Boden und den Differenzen seiner Fruchtbarkeit. Denkt man sich die kapitalistische Form der Ge- sellschaft aufgehoben und die Gesellschaft als bewusste und plan- mäßige Association organisirt, so stellten die 10 qrs. ein Quantum selbständiger Arbeitszeit vor, gleich dem, das in 240 sh. enthalten ist. Die Gesellschaft würde also dies Bodenprodukt nicht erkaufen zu dem 2½ fachen der wirklichen Arbeitszeit die darin steckt; die Basis einer Klasse von Grundeigenthümern fiele damit weg. Es würde dies ganz ebenso wirken, wie eine Verwohlfeilerung des Produkts zu gleichem Betrag durch fremde Einfuhr. So richtig es daher ist zu sagen, dass — die jetzige Produktionsweise bei- behalten, aber vorausgesetzt, dass die Differentialrente dem Staat zufiele — die Preise der Bodenprodukte bei sonst gleichbleibenden Umständen dieselben bleiben würden, so falsch ist es zu sagen, dass der Werth der Produkte derselbe bliebe bei Ersetzung der kapitalistischen Produktion durch Association. Die Dieselbigkeit des Marktpreises für Waaren derselben Art ist die Weise, worin sich der gesellschaftliche Charakter des Werths, auf Basis der
kapitalistischen Produktionsweise, und überhaupt der auf Waaren- austausch zwischen Einzelnen beruhenden Produktion durchsetzt. Was die Gesellschaft, als Konsument betrachtet, zu viel zahlt für die Bodenprodukte, was ein Minus der Realisirung ihrer Arbeits- zeit in Bodenproduktion bildet, bildet jetzt das Plus für einen Theil der Gesellschaft, die Grundeigenthümer.
Ein zweiter Umstand, wichtig für das unter II im nächsten Kapitel darzustellende, ist dieser:
Es handelt sich nicht nur um die Rente per Acre oder per Hektare, überhaupt um den Unterschied zwischen Produktionspreis und Marktpreis, oder zwischen individuellem und allgemeinem Pro- duktionspreis per Acre, sondern es kommt auch darauf an, wie viel Acres von jeder Bodenart in Kultur sind. Die Wichtigkeit betrifft hier unmittelbar nur die Grösse des Rentals, d. h. der Totalrente der ganzen bebauten Fläche; es dient uns aber zugleich als Uebergang zur Entwicklung des Steigens der Rate der Rente, obgleich die Preise weder steigen, noch die Differenzen in der relativen Fruchtbarkeit der Bodenarten bei fallenden Preisen. Wir hatten oben: Tabelle I.
Nehmen wir nun an, die Zahl der bebauten Acres verdoppeln sich in jeder Klasse, so haben wir: Tabelle I a.
Wir wollen noch zwei Fälle annehmen, den ersten, dass die Pro-
duktion sich auf den beiden geringsten Bodenarten ausdehnt, also wie folgt: Tabelle I b.
Zunächst bleibt in allen diesen Fällen I, I a, I b, I c die Rente per acre dieselbe; denn in der That ist das Ergebniss derselben Kapital- masse auf je 1 Acre derselben Bodenart unverändert geblieben; es ist nur unterstellt, was in jedem Lande in jedem gegebnen Augen- blick der Fall ist, nämlich dass die verschiednen Bodenarten in bestimmten Verhältnissen an dem gesammten bebauten Boden par- ticipiren; und was in zwei Ländern, verglichen mit einander, oder in demselben Lande in verschiednen Zeitpunkten, beständig der Fall ist, dass das Verhältniss wechselt, worin der bebaute Ge- sammtboden sich unter sie vertheilt.
Vergleichen wir I a mit I, so sehn wir, dass wenn der Anbau der Ländereien der vier Klassen in gleicher Proportion wächst, mit der Verdopplung der bebauten Acres sich die Gesammtpro- duktion verdoppelt, und ebenso Korn- und Geldrente.
Vergleichen wir aber I b und I c nacheinander mit I, so findet in beiden Fällen eine Verdreifachung in der der Kultur unter- worfnen Bodenfläche statt. Sie steigt in beiden Fällen von 4 Acres auf 12, aber in I b nehmen Klasse a und b, von denen a keine Rente, und b die geringste Differentialrente trägt, den bedeutendsten
Antheil am Zuwachs, nämlich von den 8 neubebauten Acres fallen je 3, zusammen 6, auf a und b, während nur je 1, zusammen 2, auf c und d fallen. In andren Worten: ¾ des Zuwachses fallen auf a und b, und nur ¼ auf c und d. Dies vorausgesetzt, ent- spricht in I b verglichen mit I, dem verdreifachten Umfang der Kultur kein verdreifachtes Produkt, denn das Produkt steigt von 10 nicht auf 30, sondern nur auf 26. Andrerseits, da ein be- deutender Theil des Zuwachses auf A stattfand, das keine Rente abwirft, und von dem Zuwachs auf die bessern Ländereien der Haupttheil auf Klasse B, so steigt die Kornrente nur von 6 auf 14 qrs. und die Geldrente von 18 auf 42 £.
Vergleichen wir dagegen I c mit I, wo der nicht Rente zahlende Boden gar nicht an Umfang wächst, der der Minimalrente nur schwach, während der Hauptzuwachs auf C und D fällt, so finden wir, dass mit der verdreifachten bebauten Bodenfläche die Pro- duktion von 10 auf 36 qrs. gestiegen ist, also auf mehr als das Dreifache; die Kornrente von 6 auf 24 qrs., oder auf das Vier- fache; und ebenso die Geldrente von 18 auf 72 £.
In allen diesen Fällen bleibt der Natur der Sache nach der Preis des Bodenprodukts stationär; in allen Fällen wächst das Ge- sammtrental mit der Ausdehnung der Kultur, soweit diese nicht ausschliesslich auf dem schlechtesten, keine Rente zahlenden Boden stattfindet. Aber dies Wachsen ist verschieden. Im Verhältniss, wie die Ausdehnung auf den bessern Bodenarten stattfindet und also die Produktenmasse nicht nur im Verhältniss zur Ausdehnung des Bodens, sondern rascher wächst, wächst Korn- und Geldrente. Im Verhältniss wie der schlechteste Boden und die ihm nächst- stehenden Bodenarten vorzugsweise an der Ausdehnung theilnehmen (wobei unterstellt, dass der schlechteste Boden konstante Klasse) steigt das Gesammtrental nicht im Verhältniss zur Ausdehnung der Kultur. Zwei Länder also gegeben, wo der keine Rente ab- werfende Boden A von derselben Beschaffenheit ist, steht das Rental im umgekehrten Verhältniss zum aliquoten Theil, den die schlechteste und die minder guten Bodenarten im Gesammtareal des bebauten Bodens ausmachen, und daher auch im umgekehrten Verhältniss zur Masse des Produkts bei gleicher Kapitalanlage auf gleich grosse Gesammtflächen. Das Verhältniss zwischen der Quan- tität des schlechtesten bebauten Bodens und der des bessern, inner- halb der Gesammtbodenfläche eines Landes, wirkt also umgekehrt auf das Gesammtrental ein, wie das Verhältniss zwischen der Qualität des bebauten schlechtesten Bodens zu der des bessern und
besten auf die Rente per Acre wirkt, und daher, bei sonst gleichen Umständen, auch auf das Rental. Die Verwechslung dieser beiden Momente hat zu allerlei verkehrten Einwürfen gegen die Differen- tialrente Anlass gegeben.
Das Gesammtrental wächst also durch blosse Ausbreitung der Kultur, und durch die damit verbundne ausgedehntere Anwendung von Kapital und Arbeit auf den Boden.
Aber der wichtigste Punkt ist dieser: Obgleich nach der Vor- aussetzung das Verhältniss der Renten der verschiednen Boden- arten, per Acre gerechnet, dasselbe bleibt, und daher auch die Rentrate, betrachtet mit Beziehung auf das für jeden Acre aus- gelegte Kapital, so zeigt sich folgendes: Vergleichen wir I a mit I — den Fall wo die Zahl der bebauten Acres sich proportionell ver- mehrt hat und die Kapitalanlage auf denselben — so finden wir, dass wie die Gesammtproduktion proportionell zur vergrösserten Anbaufläche gewachsen ist, d. h. beide sich verdoppelt haben, das- selbe mit dem Rental der Fall ist. Es ist gestiegen von 18 auf 36 £, ganz wie die Zahl der acres von 4 auf 8.
Nehmen wir die Gesammtfläche von 4 Acres, so betrug das Ge- sammtrental darauf 18 £, also die Durchschnittsrente, eingerechnet den Boden, der keine Rente trägt, 4½ £. So könnte z. B. ein Grundeigenthümer rechnen, dem alle 4 Acres gehörten; und so wird die Durchschnittsrente auf ein ganzes Land statistisch be- rechnet. Das Gesammtrental von 18 £ ergibt sich bei Anwendung eines Kapitals von 10 £. Das Verhältniss dieser beiden Zahlen nennen wir die Rentrate; hier also 180 %.
Dieselbe Rentrate ergibt sich bei I a, wo 8 statt 4 Acres bebaut sind, aber alle Bodenarten im gleichen Verhältniss am Zuwachs theil- genommen haben. Das Gesammtrental von 36 £ ergibt bei 8 Acres und 20 £ angewandtem Kapital eine Durchschnittsrente von 4½ £ per Acre und eine Rentrate von 180 %.
Betrachten wir dagegen Ib, wo der Zuwachs hauptsächlich auf den beiden geringern Bodenarten stattgefunden, so haben wir eine Rente von 42 £ auf 12 Acres, also eine Durchschnittsrente von 3½ £ per Acre. Das ausgelegte Gesammtkapital ist 30 £, also die Rentrate = 140 %. Die Durchschnittsrente per Acre hat also abgenommen um 1 £, und die Rentrate ist gefallen von 180 auf 140 %. Es findet hier also, bei Wachsen des Gesammtrentals von 18 £ auf 42 £, Sinken der Durchschnittsrente statt, sowohl per Acre wie aufs Kapital berechnet; ebenso wie die Produktion wächst, aber nicht proportional. Es findet dies statt, obgleich die Rente
auf allen Bodenarten, sowohl per Acre wie auf das ausgelegte Kapital berechnet, dieselbe bleibt. Es findet dies statt, weil ¾ des Zuwachses auf Boden A, der keine Rente trägt, und auf Boden B fallen, der nur die Minimalrente trägt.
Hätte im Fall Ib die Gesammtausdehnung nur auf Boden A stattgefunden, so hätten wir 9 Acres auf A, 1 auf B, 1 auf C und 1 auf D. Das Gesammtrental wäre nach wie vor 18 £, die Durch- schnittsrente per Acre auf die 12 Acres also 1½ £; und 18 £ Rente auf 30 £ ausgelegtes Kapital, also eine Rentrate von 60 %. Die mittlere Rente, sowohl per Acre berechnet wie auf das ange- wandte Kapital, hätte sehr abgenommen, während das Gesammt- rental nicht gewachsen wäre.
Vergleichen wir endlich I c mit I und I b. Verglichen mit I hat sich die Bodenfläche verdreifacht, und ebenso das ausgelegte Kapital. Das Gesammtrental ist 72 £ auf 12 Acres, also 6 £ per Acre gegen 4½ £ im Fall I. Die Rentrate auf das ausge- legte Kapital (72 £ : 30 £) ist 240 % statt 180 %. Das Ge- sammtprodukt ist gestiegen von 10 auf 36 qrs.
Verglichen mit Ib, wo die Gesammtzahl der bebauten Acres, das angewandte Kapital und die Differenzen zwischen den bebauten Bodenarten dieselben, aber die Vertheilung anders, ist das Produkt 36 qrs. statt 26 qrs., die Durchschnittsrente per Acre 6 £ statt 3½, und die Rentrate mit Bezug auf das vorgeschossne gleich- grosse Gesammtkapital 240 % statt 140 %.
Einerlei ob wir die verschiednen Zustände in Tabelle I a, I b, I c als gleichzeitig nebeneinander bestehende Zustände in verschiednen Ländern, oder als successive Zustände in demselben Land betrach- ten, ergibt sich aus dieser Darstellung: Bei stationärem Preis des Getreides, weil gleichbleibendem Ertrag des schlechtesten, rente- losen Bodens; bei gleichbleibender Differenz in der Fruchtbarkeit der verschiednen bebauten Bodenklassen; bei gleich grossem respek- tivem Produkt daher von gleichgrosser Kapitalanlage auf gleiche aliquote Theile (Acres) der in jeder Bodenklasse bebauten Flächen; bei konstantem Verhältniss daher zwischen den Renten per Acre jeder Bodenart und bei gleicher Rentrate auf das in jedem Boden- theil derselben Art angelegte Kapital: Erstens wächst das Rental stets mit Erweiterung der bebauten Fläche und daher mit vermehr- ter Kapitalanlage, mit Ausnahme des Falls, wo der ganze Zuwachs auf den rentelosen Boden käme. Zweitens kann sowohl die Durch- schnittsrente per Acre (Gesammtrental dividirt durch Gesammtzahl der bebauten Acres) wie die Durchschnitts-Rentrate (Gesammtrental
dividirt durch das ausgelegte Gesammtkapital) sehr bedeutend variiren; und zwar beide in derselben Richtung, aber unter sich selbst wieder in verschiednen Proportionen. Lässt man den Fall ausser Acht, wo der Zuwachs nur auf dem rentelosen Boden A stattfindet, so ergibt sich, dass die Durchschnittsrente per Acre und die Durchschnittsrentrate auf das in der Agrikultur angelegte Kapital abhängen von den proportionellen Antheilen, welche die verschiednen Bodenklassen in der bebauten Gesammtfläche aus- machen; oder was auf dasselbe hinauskommt, von der Vertheilung des angewandten Gesammtkapitals auf die Bodenarten von ver- schiedner Fruchtbarkeit. Ob viel oder wenig Land angebaut ist, und daher (mit Ausnahme des Falls, wo der Zuwachs nur auf A kommt) das Gesammtrental grösser oder kleiner ist, die Durch- schnittsrente per Acre oder die Durchschnittsrentrate aufs ange- wandte Kapital bleibt dieselbe, so lange die Proportionen der Be- theiligung der verschiednen Bodenarten an der Gesammtfläche konstant bleiben. Trotz des Steigens, und selbst des bedeutenden Steigens des Gesammtrentals mit Erweiterung der Kultur und wachsender Kapitalanlage, fällt die Durchschnittsrente per Acre und die Durchschnittsrentrate aufs Kapital, wenn die Ausdehnung der rentelosen und der nur geringe Differentialrente tragenden Ländereien mehr wächst als die der bessern, höhere Rente tragenden. Umgekehrt steigt die Durchschnittsrente per Acre und die Durch- schnittsrentrate aufs Kapital, im Maß wie die bessern Ländereien einen verhältnissmäßig grössern Antheil der Gesammtfläche aus- machen, und daher verhältnissmäßig mehr Kapitalanlage auf sie fällt.
Betrachtet man also die Durchschnittsrente per Acre oder Hektare des gesammten bebauten Bodens, wie es meist geschieht in stati- stischen Werken, indem man entweder verschiedne Länder in der- selben Epoche, oder verschiedne Epochen in demselben Lande ver- gleicht, so sieht man, dass die Durchschnittshöhe der Rente per Acre, und daher auch das Gesammtrental, in gewissen (wenn auch keineswegs gleichen, sondern vielmehr rascheren Schritt gehenden) Proportionen entspricht, nicht der relativen, sondern der absoluten Fruchtbarkeit der Agrikultur in einem Lande, d. h. der Masse der Produkte, die es durchschnittlich auf gleicher Fläche liefert. Denn je grössern Antheil der Gesammtfläche die bessern Bodenarten aus- machen, desto grösser ist die Produktenmasse bei gleicher Kapital- anlage und auf gleich grosser Bodenfläche; und desto grösser ist die Durchschnittsrente per Acre. Umgekehrt, umgekehrt. So scheint die Rente nicht durch das Verhältniss der Differential-
fruchtbarkeit, sondern durch die absolute Fruchtbarkeit bestimmt, und damit das Gesetz der Differentialrente aufgehoben. Es werden daher gewisse Phänomene geleugnet, oder auch wohl durch nicht existirende Unterschiede in den Durchschnitts-Getreidepreisen und der Differentialfruchtbarkeit der bebauten Ländereien zu erklären gesucht, Phänomene, die einfach ihren Grund darin haben, dass das Verhältniss des Gesammtrentals, sei es zur Gesammtfläche des angebauten Bodens, sei es zu dem im Boden angelegten Gesammt- kapital, bei gleicher Fruchtbarkeit des rentelosen Bodens, daher gleichen Produktionspreisen, und bei gleicher Differenz zwischen den verschiednen Bodenarten, nicht nur bestimmt ist durch die Rente per Acre oder durch die Rentrate aufs Kapital, sondern ebenso sehr durch die verhältnissmäßige Anzahl der Acres jeder Bodenart in der Gesammtzahl der bebauten Acres; oder was auf dasselbe hinauskommt, durch die Vertheilung des angewandten Gesammtkapitals unter die verschiednen Bodenarten. Dieser Um- stand ist bisher, sonderbarer Weise ganz übersehn worden. Jeden- falls zeigt sich, und dies ist für den Fortgang unsrer Untersuchung wichtig, dass die verhältnissmäßige Höhe der Durchschnittsrente per Acre, und die Durchschnittsrentrate, oder das Verhältniss des Gesammtrentals zu dem im Boden angelegten Gesammtkapital, steigen oder fallen kann bei gleichbleibenden Preisen, gleichblei- bender Differenz in der Fruchtbarkeit der bebauten Ländereien, und gleichbleibender Rente per Acre, resp. Rentrate für das per Acre angelegte Kapital in jeder, wirklich Rente tragenden, Boden- klasse, resp. für alles wirklich Rente tragende Kapital, durch blosse extensive Ausdehnung der Kultur.
Es sind noch folgende Zusätze zu machen, die zum Theil auch auf II passen, mit Bezug auf die unter I betrachtete Form der Differentialrente.
Erstens: Man hat gesehn, wie die Durchschnittsrente per Acre oder die Durchschnittsrentrate aufs Kapital steigen kann bei Aus- breitung der Kultur, stationären Preisen und gleichbleibender Diffe- rentialfruchtbarkeit der bebauten Ländereien. Sobald aller Boden in einem Land angeeignet ist, Kapitalanlage auf den Boden, Kultur und Bevölkerung eine bestimmte Höhe erreicht haben — Um- stände, die alle vorausgesetzt sind, sobald die kapitalistische Pro- duktionsweise zur herrschenden wird und sich auch der Agrikultur bemächtigt, ist der Preis des nichtbebauten Bodens der verschiednen Qualitäten (bloss die Differentialrente vorausgesetzt) bestimmt durch
den Preis der bebauten Ländereien von gleicher Bonität und äqui- valenter Lage. Der Preis ist derselbe — nach Abzug der hinzu- kommenden Kosten der Urbarmachung — obgleich dieser Boden keine Rente trägt. Der Preis des Bodens ist zwar nichts als die kapitalisirte Rente. Aber auch bei den bebauten Ländereien werden im Preise nur künftige Renten bezahlt, z. B. zwanzigjährige Renten auf einen Schlag vorausbezahlt, wenn der maßgebende Zinsfuss 5 % ist. Sobald Boden verkauft wird, wird er als Rente tragender verkauft, und der prospektive Charakter der Rente (die hier als Bodenfrucht, was sie nur dem Schein nach ist, betrachtet wird) unterscheidet den unbebauten Boden nicht vom bebauten. Der Preis der unbebauten Ländereien, wie ihre Rente, deren zusammen- gezogne Formel er darstellt, ist rein illusorisch, solange die Län- dereien nicht wirklich verwendet werden. Aber er ist so a priori bestimmt und wird realisirt, sobald sich Käufer finden. Wenn daher die wirkliche Durchschnittsrente eines Landes durch sein wirkliches durchschnittliches jährliches Rental und sein Verhält- niss zu der gesammten bebauten Fläche bestimmt ist, so ist der Preis des nicht bebauten Bodentheils bestimmt durch den Preis des bebauten, und ist daher nur ein Reflex der Kapitalanlage und ihrer Resultate in den bebauten Ländereien. Da mit Ausnahme des schlechtesten Bodens alle Bodenarten Rente tragen (und diese Rente, wie wir unter II sehn werden, mit der Masse des Kapitals und der ihr entsprechenden Intensität der Kultur steigt), bildet sich so der nominelle Preis für die nicht bebauten Bodentheile, und werden sie so zu einer Waare, einer Quelle des Reichthums für ihre Besitzer. Es erklärt dies zugleich, warum der Bodenpreis des gesammten Gebiets, auch des nichtbebauten wächst. (Opdyke.) Die Landspekulation, z. B. in den Vereinigten Staaten, beruht nur auf diesem Reflex, den das Kapital und die Arbeit auf den unbe- bauten Boden werfen.
Zweitens. Der Fortgang in der Ausdehnung des bebauten Bodens überhaupt findet entweder statt zu schlechterm Boden, oder auf den verschiednen gegebnen Bodenarten in verschiednen Ver- hältnissen, je nachdem sie sich vorfinden. Der Fortgang zu schlechterm Boden geschieht natürlich nie aus freier Wahl, sondern kann — kapitalistische Produktionsweise vorausgesetzt — nur Folge steigender Preise, und bei jeder Produktionsweise, nur Folge der Noth- wendigkeit sein. Dies jedoch nicht unbedingt. Schlechter Boden wird relativ besserm vorgezogen wegen der Lage, die bei aller Ausbreitung der Kultur in jungen Ländern entscheidend ist; dann
aber auch weil, obgleich die Bodenformation eines gewissen Strichs im ganzen zu dem fruchtbareren gehört, dennoch im einzelnen besserer und geringerer Boden bunt durcheinander gewürfelt sind, und der geringre Boden, schon seines Zusammenhangs mit dem bessern halber, der Kultur unterworfen werden muss. Bildet der schlechtre Boden Einschlüsse in den bessern, so gibt ihm der bessre den Vortheil der Lage gegen fruchtbareres Land, das nicht im Zusammenhang mit dem bereits der Kultur unterworfnen oder zu unterwerfenden steht.
So war der Staat Michigan einer der ersten der westlichen Staaten, der kornausführend wurde. Sein Boden ist im ganzen arm. Aber seine Nachbarschaft zum Staate New-York und seine Wasserverbindungen vermittelst der Seen und des Erie-Kanals gaben ihm zunächst den Vorzug vor den von Natur fruchtbareren, weiter westlich gelegnen Staaten. Das Beispiel dieses Staats, im Vergleich zum Staat New-York zeigt uns auch den Uebergang von besserm zu schlechtern Boden. Der Boden des Staates New-York, namentlich der westliche Theil, ist ungleich fruchtbarer, besonders für den Weizen- bau. Durch Raubbau wurde dieser fruchtbare Boden unfruchtbar gemacht, und nun erschien der Boden von Michigan fruchtbarer.
„1836 wurde Weizenmehl in Buffalo nach dem Westen ver- schifft, hauptsächlich von der Weizenregion von New-York und Ober-Canada. Gegenwärtig, nach nur 12 Jahren, werden unge- heure Vorräthe von Weizen und Mehl vom Westen hergebracht, den Erie-See entlang, und auf dem Erie-Kanal, in Buffalo und dem benachbarten Hafen Blackrock, nach Osten verschifft. Be- sonders wurde der Export von Weizen und Mehl stimulirt durch die europäische Hungersnoth von 1847. Dadurch wurde der Weizen im westlichen New-York wohlfeiler, und der Weizenbau weniger einträglich gemacht; dies veranlasste die New-Yorker Farmers sich mehr auf Viehzucht und Milchwirthschaft, Obstbau u. s. w. zu werfen, auf Zweige, worin nach ihrer Ansicht der Nordwesten ausser Stande sein wird, direkt mit ihnen zu konkuriren.“ (J. W. Johnston, Notes on North America. London 1851. I. p. 222.)
Drittens. Es ist eine falsche Voraussetzung, dass der Boden in Kolonien und überhaupt in jungen Ländern, die Korn zu wohl- feileren Preisen ausführen können, desswegen nothwendig von grösserer natürlicher Fruchtbarkeit ist. Das Getreide wird hier nicht nur unter seinem Werth, sondern unter seinem Produktions- preis verkauft, nämlich unter dem durch die Durchschnittsprofitrate in den ältern Ländern bestimmten Produktionspreis.
Wenn wir, wie Johnston sagt (p. 223) „gewohnt sind mit diesen neuen Staaten, von denen solche grosse Zufuhren von Weizen jährlich nach Buffalo kommen, die Vorstellung grosser natürlicher Fruchtbarkeit und endloser Gebiete reichen Bodens zu verknüpfen,“ so hängt dies ab zunächst von ökonomischen Zuständen. Die ganze Bevölkerung eines solchen Landes, wie z. B. Michigan, ist anfangs fast ausschliesslich mit der Landwirthschaft beschäftigt, und nament- lich mit deren Massenprodukten, die allein sie gegen Industrie- waaren und tropische Produkte austauschen kann. Ihr ganzes überschüssiges Produkt erscheint daher in der Gestalt von Korn. Es unterscheidet dies von vornherein die auf Grundlage des modernen Weltmarkts gegründeten Kolonialstaaten von denen früherer und speciell der antiken Zeit. Sie erhalten fertig, durch den Welt- markt, Produkte, die sie unter andern Umständen selbst schaffen müssten, Kleidung, Werkzeuge etc. Nur auf solcher Grundlage konnten die südlichen Staaten der Union Baumwolle zu ihrem Hauptprodukt machen. Die Theilung der Arbeit auf dem Welt- markt erlaubt ihnen das. Wenn sie daher, ihre Neuheit und die relativ schwache Zahl ihrer Bevölkerung betrachtet, ein sehr grosses überschüssiges Produkt zu produciren scheinen, so ist dies nicht der Fruchtbarkeit ihres Bodens geschuldet, auch nicht der Frucht- barkeit ihrer Arbeit, sondern der einseitigen Form ihrer Arbeit, und daher des überschüssigen Produkts, worin diese sich darstellt.
Ferner aber hat relativ weniger fruchtbarer Ackerboden, der aber erst neu bebaut wird und noch durch keine Kultur beleckt war, bei nicht durchaus ungünstigen klimatischen Verhältnissen, wenigstens in den obern Schichten soviel leichtlösliche Pflanzen- nährstoffe aufgehäuft, dass er für längre Zeit Ernten ohne Düngung gibt, und zwar bei schon ganz oberflächlicher Bebauung. Bei den westlichen Prairien kommt hinzu, dass sie kaum irgend welche Ur- barmachungskosten erheischen, sondern die Natur sie urbar gemacht hat.(FN33) In minder fruchtbaren Gebieten dieser Art kommt der Ueberschuss heraus, nicht durch die hohe Fruchtbarkeit des Bodens,
also durch den Ertrag per Acre, sondern durch die Masse der Acres, die in oberflächlicher Weise bebaut werden kann, da dieser Boden dem Bebauer nichts, oder, mit ältern Ländern verglichen, nur verschwindend wenig kostet. Z. B. wo der Metairie-Vertrag existirt, wie in Theilen von New-York, Michigan, Canada etc. Eine Familie bebaut oberflächlich, sage 100 Acres, und obgleich das Produkt per Acre nicht gross, gewährt das von 100 Acres einen bedeutenden Ueberschuss zum Verkauf. Dazu kommt noch die fast kostenlose Viehhaltung auf natürlichen Weiden, ohne künst- liche Graswiesen. Was hier entscheidet, ist nicht die Qualität, sondern die Quantität des Bodens. Die Möglichkeit dieser oberflächlichen Bebauung wird natürlich mehr oder minder rasch erschöpft im umgekehrten Verhältniss zur Fruchtbarkeit des neuen Bodens, und im direkten Verhältniss zur Ausfuhr seines Produkts. „Und den- noch wird solch ein Land ausgezeichnete erste Ernten geben, selbst von Weizen; wer den ersten Rahm vom Boden abschöpft, wird einen reichlichen Ueberschuss von Weizen zu Markte senden können.“ (l. c., p. 224.) In Ländern älterer Kultur machen die Eigenthums- verhältnisse, der durch den Preis des bebauten Bodens bestimmte Preis des unbebauten u. s. w., derartige extensive Wirthschaft un- möglich.
Dass desswegen weder, wie Ricardo sich dies vorstellt, dieser Boden sehr fruchtbar sein muss, noch nur Bodenarten gleicher Fruchtbarkeit bebaut werden, ersieht man aus folgendem: Im Staat Michigan wurden 1848 mit Weizen besät 465900 Acres und pro- ducirten 4739300 Bushels, oder im Durchschnitt 10⅕ Bushels per Acre; dies ergibt nach Abzug des Saatkorns weniger als 9 Bushel per Acre. Von den 29 Counties des Staats producirten 2 durchschnittlich 7 Bush., 3—8, 2—9, 7—10, 6—11, 3—12, 4—13 Bush., und nur eine 16, und eine andre 18 Bush. per Acre. (l. c., p. 226.)
Für die praktische Kultur fällt höhere Fruchtbarkeit des Bodens zusammen mit höherer sofortiger Ausnutzbarkeit dieser Fruchtbar- keit. Die letztre kann bei einem von Natur armen Boden grösser sein als bei einem von Natur reichen; es ist aber die Sorte Boden, wozu der Kolonist zunächst greifen wird, und bei Ermanglung von Kapital greifen muss.
Endlich: Die Ausdehnung der Kultur auf grössre Bodenflächen — abgesehn von dem eben betrachteten Fall, wo zu schlechterem Boden Zuflucht genommen werden muss als dem bisher bebauten — auf den verschiednen Bodenarten von A bis D, also z. B. die
Bebauung grösserer Flächen von B und C, setzt keineswegs vor- heriges Steigen der Getreidepreise voraus, sowenig wie die jähr- lich vorangehende Erweiterung z. B. der Baumwollspinnerei ein fortwährendes Steigen der Garnpreise erheischt. Obgleich bedeu- tendes Steigen oder Fallen der Marktpreise auf den Produktions- umfang einwirkt, so findet doch, hiervon abgesehn, auch bei den Durchschnittspreisen, deren Stand auf die Produktion weder hem- mend noch ausnahmsweis ermunternd wirkt, in der Agrikultur (wie in allen andren Produktionszweigen, die kapitalistisch betrieben werden) fortwährend jene relative Ueberproduktion statt, die an sich identisch ist mit der Akkumulation, und die bei andrer Pro- duktionsweise direkt durch die Vermehrung der Bevölkerung, und in Kolonien durch fortwährende Einwanderung bewirkt wird. Der Bedarf wächst beständig, und in dieser Voraussicht wird fort- während neues Kapital in neuem Boden angelegt; obgleich je nach Umständen für verschiedne Bodenprodukte. Es ist die Bildung neuer Kapitale, die dies an und für sich mit sich bringt. Was aber den einzelnen Kapitalisten betrifft, so misst er den Umfang seiner Produktion durch den seines disponiblen Kapitals, soweit er es noch selbst überwachen kann. Was er im Auge hat ist, soviel Platz wie möglich auf dem Markt einzunehmen. Wird über- producirt, so schiebt er die Schuld nicht sich, sondern seinen Kon- kurrenten zu. Der einzelne Kapitalist kann seine Produktion aus- dehnen, ebensowohl indem er einen grössern aliquoten Theil des gegebnen Markts sich aneignet, als indem er den Markt selbst erweitert.
Wir haben bisher die Differentialrente nur betrachtet als das Resultat der verschiednen Produktivität gleicher Kapitalanlagen auf gleichen Bodenflächen von verschiedner Fruchtbarkeit, sodass die Differentialrente bestimmt war durch die Differenz zwischen dem Ertrag des Kapitals, das im schlechtesten, rentelosen Boden angelegt ist, und dem des Kapitals, das im bessern angelegt ist. Wir hatten hier die Kapitalanlagen neben einander auf verschied- nen Bodenflächen, sodass jeder Neuanlage von Kapital extensivere Bebauung des Bodens, Erweiterung der bebauten Bodenfläche ent- sprach. Aber schliesslich war die Differentialrente der Sache nach nur das Resultat der verschiednen Produktivität gleicher Kapitale,
die auf den Grund und Boden angelegt werden. Kann es nun einen Unterschied machen, wenn Kapitalmassen mit verschiedner Produktivität nach einander auf demselben Bodenstück, und wenn sie neben einander auf verschiednen Bodenstücken angelegt werden, vorausgesetzt nur, dass die Resultate dieselben sind?
Zunächst ist nicht zu leugnen dass, soweit die Bildung von Sur- plusprofit in Betracht kommt, es einerlei ist, ob 3 £ Produktions- kosten auf den Acre von A gelegt, 1 qr. ergeben, sodass 3 £ der Produktionspreis und der regulirende Marktpreis für 1 qr. sind, während 3 £ Produktionskosten auf den Acre von B 2 qrs., und damit einen Surplusprofit von 3 £, ebenso Produktionskosten von 3 £ auf den Acre von C 3 qrs. und 6 £ Surplusprofit, endlich 3 £ Produktionskosten auf den Acre von D 4 qrs. und 9 £ Sur- plusprofit ergeben; oder ob dasselbe Resultat dadurch erreicht wird, dass diese 12 £ Produktionskosten, resp. 10 £ Kapital, mit diesen selben Erfolgen in derselben Reihenfolge auf einen und denselben Acre angewandt sind. Es ist jedesmal ein Kapital von 10 £, von dessen successive angelegten Werththeilen von je 2½ £, ob sie angelegt werden auf 4 Acres von verschiedner Fruchtbarkeit neben einander, oder auf einen und denselben Acre nach einander, in Folge ihres verschiednen Produkts ein Theil keinen Surplusprofit ab- wirft, während die andren Theile einen Surplusprofit, im Verhältniss der Differenz ihres Ertrags über den jener rentelosen Anlage geben.
Die Surplusprofite und verschiednen Raten von Surplusprofit für verschiedne Werththeile von Kapital werden in beiden Fällen gleichmäßig gebildet. Und die Rente ist nichts als eine Form dieses Surplusprofits, der ihre Substanz bildet. Aber jedenfalls finden bei der zweiten Methode Schwierigkeiten statt für die Ver- wandlung des Surplusprofits in Rente, für diese Formveränderung, die die Uebertragung der Surplusprofite vom kapitalistischen Pächter auf den Eigenthümer des Bodens einschliesst. Daher das hart- näckige Sträuben der englischen Pächter gegen eine officielle Agrikulturstatistik. Daher der Kampf zwischen ihnen und den Grundeigenthümern wegen der Feststellung der wirklichen Ergeb- nisse ihrer Kapitalanlage. (Morton.) Es wird nämlich die Rente bei Pachtung der Ländereien festgesetzt, wonach dann die aus der successiven Anlage von Kapital entspringenden Surplusprofite in die Tasche des Pächters fliessen, so lange der Pachtkontrakt dauert. Daher der Kampf der Pächter um lange Pachtkontrakte, und um- gekehrt die Vermehrung der jährlich kündbaren Kontrakte (tenan- cies at will) durch die Uebermacht der Landlords.
Es ist daher von vornherein klar: wenn es auch für das Gesetz der Bildung der Surplusprofite nichts ändert, ob gleiche Kapitale mit ungleichen Resultaten neben einander auf gleichgrossen Boden- strecken, oder ob sie nach einander auf demselben Bodentheil an- gelegt werden, so macht es dennoch einen bedeutenden Unterschied für die Verwandlung der Surplusprofite in Grundrente. Die letztere Methode schliesst diese Verwandlung in einerseits engere, andrer- seits schwankendere Grenzen ein. Daher in Ländern intensiver Kultur (und ökonomisch verstehn wir unter intensiver Kultur nichts als die Koncentration von Kapital auf denselben Bodentheil, statt seiner Vertheilung auf neben einander liegende Bodenstrecken) das Geschäft des Taxators, wie Morton dies in seinen „Resources of Estates“ entwickelt, eine sehr wichtige, komplicirte und schwierige Profession wird. Bei mehr permanenten Bodenverbesserungen fällt, bei Ablauf des Pachtkontrakts, die künstlich erhöhte Differential- fruchtbarkeit des Bodens mit seiner natürlichen zusammen, und daher die Abschätzung der Rente mit der zwischen Bodenarten verschiedner Fruchtbarkeit überhaupt. Dagegen, soweit die Bil- dung von Surplusprofit durch die Höhe des Betriebskapitals be- stimmt ist, wird die Höhe der Rente bei gewisser Grösse des Be- triebskapitals auf die Durchschnittsrente des Landes geschlagen und daher darauf gesehn, dass der neue Pächter über hinreichen- des Kapital verfügt, um die Kultur in derselben intensiven Weise fortzusetzen.
Bei der Betrachtung der Differentialrente II sind nun folgende Punkte noch hervorzuheben:
Erstens: Ihre Basis und ihr Ausgangspunkt, nicht nur historisch, sondern soweit es ihre Bewegung in jedem gegebnen Zeitpunkt betrifft, ist die Differentialrente I, d. h. die gleichzeitige Bebauung, neben einander, von Bodenarten verschiedner Fruchtbarkeit und Lage; also die gleichzeitige Anwendung, neben einander, von ver- schiednen Bestandtheilen des agrikolen Gesammtkapitals auf Boden- strecken verschiedner Qualität.
Historisch vesteht sich dies von selbst. In Kolonien haben die Kolonisten nur wenig Kapital anzulegen; die Hauptproduktions- agenten sind Arbeit und Erde. Jedes einzelne Familienhaupt sucht für sich und die Seinigen ein unabhängiges Beschäftigungs- feld, neben denen seiner Mitkolonisten, herauszuarbeiten. Dies muss überhaupt bei der eigentlichen Agrikultur auch schon bei vorkapitalistischen Produktionsweisen der Fall sein. Bei Schaf-
weide und überhaupt Viehzucht als selbständigen Produktions- zweigen findet mehr oder minder gemeinschaftliche Exploitation des Bodens statt, und ist sie von vornherein extensiv. Die kapi- talistische Produktionsweise geht aus von frühern Produktions- weisen, worin die Produktionsmittel, thatsächlich oder rechtlich, das Eigenthum des Bebauers selbst sind, mit einem Wort vom handwerksmäßigen Betrieb der Agrikultur. Der Natur der Sache nach entwickelt sich aus diesem erst allmälig die Koncentration der Produktionsmittel und ihre Verwandlung in Kapital gegenüber den in Lohnarbeiter verwandelten unmittelbaren Producenten. So- weit die kapitalistische Produktionsweise hier charakteristisch auf- tritt, geschieht dies anfänglich zuerst besonders in Schafweide und Viehzucht; sodann aber nicht in Koncentration des Kapitals auf relativ kleinem Bodenumfang, sondern in Produktion auf grössrem Maßstab, sodass an Pferdehaltung und andren Produktionskosten gespart wird; in der That aber nicht durch Anwendung von mehr Kapital auf demselben Boden. Es liegt ferner in den Naturgesetzen des Feldbaus, dass bei einer gewissen Höhe der Kultur und ihr entsprechender Erschöpfung des Bodens das Kapital, hier zugleich in dem Sinn schon producirter Produktionsmittel, das entscheidende Element der Bodenkultur wird. Solange das bebaute Land eine relativ kleine Strecke bildet im Verhältniss zum unbebauten, und die Bodenkraft noch nicht erschöpft ist (und dies ist der Fall bei Vorwalten der Viehzucht und der Fleischnahrung in der Periode vor dem Ueberwiegen des eigentlichen Ackerbaus und der Pflanzen- nahrung), tritt die beginnende neue Produktionsweise der Bauern- produktion gegenüber namentlich durch den Umfang der Boden- fläche, die für Rechnung Eines Kapitalisten bebaut wird, also selbst wieder durch extensive Anwendung des Kapitals auf räumlich grössrer Bodenfläche. Es ist also von vornherein festzuhalten, dass die Differentialrente I die geschichtliche Grundlage ist, von der ausgegangen wird. Andrerseits tritt die Bewegung der Differential- rente II in jedem gegebnen Augenblick nur ein auf einem Gebiet, das selbst wieder die buntscheckige Grundlage der Differential- rente I bildet.
Zweitens. Bei der Differentialrente in der Form II treten, zur Verschiedenheit der Fruchtbarkeit, hinzu die Unterschiede in der Vertheilung des Kapitals (und der Kreditfähigkeit) unter den Pächtern. In der eigentlichen Manufaktur bildet sich bald für jeden Geschäftszweig ein eignes Minimum des Geschäftsumfangs, und dementsprechend ein Minimum des Kapitals, unter dem ein
einzelnes Geschäft nicht mit Erfolg betrieben werden kann. Es bildet sich ebenso in jedem Geschäftszweig ein dies Minimum über- schreitendes, normales Durchschnittsmaß von Kapital, worüber die Masse der Producenten verfügen muss und verfügt. Was darüber ist, kann Extraprofit bilden; was darunter, erhält nicht den Durch- schnittsprofit. Die kapitalistische Produktionsweise ergreift nur langsam und ungleichmäßig die Landwirthschaft, wie man in Eng- land sehn kann, dem klassischen Lande der kapitalistischen Pro- duktionsweise in der Agrikultur. Soweit keine freie Korneinfuhr existirt, oder ihre Wirkung, weil ihr Umfang, nur beschränkt ist, bestimmen die Producenten, die auf schlechterm Boden, also mit ungünstigeren als den Durchschnitts-Produktionsbedingungen ar- beiten, den Marktpreis. Ein grosser Theil der in der Landwirth- schaft angewandten und überhaupt ihr zur Verfügung stehenden Gesammtmasse von Kapital befindet sich in ihren Händen.
Es ist richtig, dass z. B. der Bauer auf seine kleine Parcelle viel Arbeit verwendet. Aber isolirte und der objektiven, sowohl gesellschaftlichen wie materiellen Bedingungen der Produktivität beraubte, von ihnen entblösste Arbeit.
Dieser Umstand bewirkt, dass die wirklichen kapitalistischen Pächter fähig sind, sich einen Theil des Surplusprofits anzueignen; dies würde wegfallen, wenigstens soweit dieser Punkt in Betracht kommt, wäre die kapitalistische Produktionsweise in der Landwirth- schaft ebenso gleichmäßig entwickelt wie in der Manufaktur.
Betrachten wir zunächst bloss die Bildung des Surplusprofits bei Differentialrente II, ohne uns noch um die Bedingungen zu kümmern, unter denen die Verwandlung dieses Surplusprofits in Grundrente vorgehn kann.
Es ist dann klar, dass die Differentialrente II nur ein ver- schiedner Ausdruck der Differentialrente I ist, aber der Sache nach mit ihr zusammenfällt. Die verschiedne Fruchtbarkeit der ver- schiednen Bodenarten wirkt bei Differentialrente I nur soweit sie bewirkt, dass auf den Boden angelegte Kapitale ungleiche Resultate, Produkte geben, entweder bei gleicher Grösse der Kapitale oder ihrer proportionellen Grösse nach betrachtet. Ob diese Ungleich- heit stattfindet für verschiedne Kapitale, die auf demselben Boden- stück nach einander angelegt sind oder für solche, die auf mehrere Stücke von verschiednen Bodenarten verwandt wurden, kann an der Differenz der Fruchtbarkeit, oder ihres Produkts, und daher an der Bildung der Differentialrente für die fruchtbarer angelegten Kapitaltheile keinen Unterschied machen. Es ist nach wie vor
der Boden, der bei gleicher Kapitalanlage verschiedne Fruchtbar- keit zeigt, nur dass hier derselbe Boden für ein in verschiednen Portionen successiv angelegtes Kapital thut, was bei I verschiedne Bodenarten für verschiedne gleich grosse, auf sie angelegte Theile des gesellschaftlichen Kapitals thun.
Wenn dasselbe Kapital von 10 £, was in Tabelle I in der Ge- stalt selbständiger Kapitale von je 2½ £ von verschiednen Pächtern auf je einen Acre der vier Bodenarten A, B, C und D angelegt ist, statt dessen auf einen und denselben Acre von D successiv angelegt wäre, sodass die erste Anlage 4 qrs., die zweite 3, die dritte 2, die letzte 1 qr. gäbe (oder auch in umgekehrter Reihen- folge) so würde der Preis des einen qr. = 3 £, den der mindest- ergiebige Kapitaltheil liefert, keine Differentialrente abwerfen, sondern den Produktionspreis bestimmen, solange noch Zufuhr von Weizen nöthig, dessen Produktionspreis 3 £ ist. Und da der Voraus- setzung nach kapitalistisch producirt wird, also der Preis von 3 £ den Durchschnittsprofit einschliesst, den ein Kapital von 2½ £ überhaupt abwirft, so werden die drei andern Portionen von je 2½ £ Surplusprofite abwerfen, je nach der Differenz dieses Pro- dukts, da dies Produkt nicht zu seinem Produktionspreis, sondern zum Produktionspreis der unergiebigsten Anlage von 2½ £ ver- kauft wird; einer Anlage, die keine Rente abwirft, und bei der der Preis des Produkts nach dem allgemeinen Gesetz der Produk- tionspreise regulirt ist. Die Bildung der Surplusprofite wäre die- selbe wie in Tabelle I.
Es zeigt sich hier wiederum, dass die Differentialrente II die Differentialrente I voraussetzt. Das Minimum von Produkt, das ein Kapital von 2½ £ abwirft, d. h. auf dem schlechtesten Boden abwirft, ist hier angenommen als 1 qr. Gesetzt also, der Pächter der Bodenart D verwendet ausser den 2½ £, die ihm 4 qrs. ab- werfen und wofür er 3 qrs. Differentialrente zahlt, auf denselben Boden 2½ £, die ihm nur 1 qr. abwerfen, wie das gleiche Kapital auf dem schlechtesten Boden A. In diesem Fall wäre dies rente- lose Kapitanlalage, da ihm nur der Durchschnittsprofit abgeworfen würde. Es wäre kein Surplusprofit da, um sich in Rente zu ver- wandeln. Andrerseits hätte aber auch dieser abnehmende Ertrag der zweiten Kapitalanlage auf D keine Wirkung auf die Profitrate. Es wäre dasselbe, als ob 2½ £ auf einen weitern Acre der Boden- art A neu angelegt worden, ein Umstand der in keiner Weise den Surplusprofit, also auch nicht die Differentialrente der Bodenarten A, B, C, D afficirt. Für den Pächter aber wäre diese zusätzliche
Anlage von 2½ £ auf D geradeso vortheilhaft gewesen, wie ihm der Voraussetzung nach die Anlage der ursprünglichen 2½ £ auf den Acre D ist, obgleich diese 4 qrs. abwirft. Geben ihm ferner zwei weitre Kapitalanlagen von je 2½ £ die erste 3, die zweite 2 qrs. zusätzliches Produkt, so hätte wieder Abnahme stattgefunden, verglichen mit dem Ertrag der ersten Anlage von 2½ £ auf D, die 4 qrs. gab, daher einen Surplusprofit von 3 qrs. Aber es wäre nur eine Abnahme in der Höhe des Surplusprofits, und würde weder den Durchschnittsprofit, noch den regulirenden Produktions- preis afficiren. Dies wäre nur der Fall, wenn die zuschüssige Pro- duktion, welche diese fallenden Surplusprofite abwirft, die Pro- duktion von A überflüssig machte und damit den Acre A ausser Bebauung würfe. In diesem Fall wäre mit der abnehmenden Fruchtbarkeit der zusätzlichen Kapitalanlage auf dem Acre D ein Fallen des Produktionspreises verbunden, z. B. von 3 £ auf 1½ £, wenn der Acre B der rentelose, den Marktpreis regulirende Boden würde.
Das Produkt auf D wäre jetzt = 4 + 1 + 3 + 2 = 10 qrs., während es früher = 4 qrs. war. Der durch B regulirte Preis des qr. wäre aber gefallen auf 1½ £. Die Differenz zwischen D und B wäre = 10—2 = 8 qrs., zu 1½ £ per qr. = 12 £, während die Geldrente auf D früher = 9 £ war. Dies ist zu merken. Auf den Acre gerechnet, wäre die Höhe der Rente gestiegen um 33⅓ %, trotz der abnehmenden Rate der Surplusprofite auf die zwei zu- sätzlichen Kapitale von je 2½ £.
Man sieht hieraus, zu welchen sehr komplicirten Kombinationen die Differentialrente überhaupt, und namentlich in Form II zu- sammen mit Form I, Anlass gibt, während z. B. Ricardo sie ganz einseitig, und als einfache Sache behandelt. Man hat z. B. wie oben Sinken des regulirenden Marktpreises und zugleich Wachsen der Rente auf den fruchtbaren Ländereien, sodass sowohl absolutes Produkt wie absolutes Surplusprodukt wächst. (Bei der Differential- rente I in absteigender Linie kann das relative Surplusprodukt und daher die Rente per Acre wachsen, obgleich das absolute Surplus- produkt per Acre konstant bleibt oder selbst abnimmt.) Aber zu- gleich nimmt die Fruchtbarkeit der nach einander auf denselben Boden gemachten Kapitalanlagen ab, obgleich ein grosser Theil davon auf die fruchtbareren Ländereien fällt. Von einem Gesichts- punkt aus betrachtet — sowohl was Produkt wie Produktions- preise angeht — ist die Produktivität der Arbeit gestiegen. Von einem andern aus betrachtet hat sie abgenommen, weil die Rate
des Surplusprofits und das Surplusprodukt per Acre für die ver- schiednen Kapitalanlagen auf demselben Boden abnimmt.
Die Differentialrente II, bei abnehmender Fruchtbarkeit der suc- cessiven Kapitalanlagen, wäre nur dann nothwendig mit Vertheuerung des Produktionspreises und absoluter Abnahme der Produktivität verbunden, wenn diese Kapitalanlagen nur auf den schlechtesten Boden A geschehn könnten. Wenn der Acre von A, der mit 2½ £ Kapitalanlage 1 qr. zum Produktionspreis von 3 £ ergab, bei weitrer Anlage von 2½ £, also Gesammtanlage von 5 £, insge- sammt nur 1½ qrs. liefert, so ist der Produktionspreis dieser 1½ qrs. = 6 £, also der eines qr. = 4 £. Jede Abnahme der Produktivität bei wachsender Kapitalanlage wäre hier relative Ver- minderung des Produkts per Acre, während sie auf den bessern Bodenarten nur Verminderung des überschüssigen Surplusprodukts ist.
Dis Natur der Sache aber bringt es mit sich, dass mit Entwick- lung der intensiven Kultur, d. h. mit successiven Kapitalanlagen auf demselben Boden, es vorzugsweise die bessern Bodenarten sind, wo dies stattfindet oder in höherm Grade stattfindet. (Wir sprechen nicht von den permanenten Verbesserungen, wodurch bisher un- brauchbarer Boden in brauchbaren verwandelt wird.) Die ab- nehmende Fruchtbarkeit der successiven Kapitalanlagen muss also hauptsächlich in der beschriebnen Weise wirken. Der bessere Boden wird dazu gewählt, weil er die meiste Aussicht bietet, dass sich das darauf verwandte Kapital rentirt, indem er die meisten natürlichen Elemente der Fruchtbarkeit enthält, die es sich nur handelt nutzbar zu machen.
Als nach Aufhebung der Korngesetze die Kultur in England noch intensiver gemacht wurde, wurde eine Masse früheres Weizen- land zu andren Zwecken, namentlich zu Viehweide verwandt, da- gegen die für Weizen passendsten fruchtbaren Landstrecken drainirt und sonst verbessert; das Kapital für Weizenkultur wurde so auf ein engeres Gebiet koncentrirt.
In diesem Fall — und alle möglichen Surplusraten, die zwischen dem höchsten Surplusprodukt des besten Landes und dem Produkt des rentelosen Bodens A liegen, fallen hier zusammen nicht mit relativer, sondern mit absoluter Vermehrung des Surplusprodukts per Acre — stellt der neugebildete Surplusprofit (eventuell Rente) nicht in Rente verwandelten Theil von früherm Durchschnittsprofit dar (Theil von dem Produkt worin sich früher der Durchschnitts- profit darstellte) sondern zuschüssigen Surplusprofit, der sich aus dieser Form in Rente verwandelte.
Dagegen nur in dem Fall, wo die Nachfrage nach Getreide so wüchse, dass der Marktpreis über den Produktionspreis von A stiege, und desswegen auf A, B oder irgend einer andren Klasse das Surplusprodukt nur zu einem höheren Preise als 3 £ geliefert werden könnte, nur in diesem Fall wäre mit der Abnahme des Ergebnisses einer zusätzlichen Kapitalanlage auf irgend eine der Klassen A, B, C, D, Steigen des Produktionspreises und des regu- lirenden Marktpreises verbunden. Soweit dies für längre Zeit sich festsetzte und nicht Kultur von zusätzlichem Boden A (von wenigstens der Qualität A) ins Leben riefe, oder sonstige Einwir- kungen eine wohlfeilere Zufuhr herbeiführten, würde bei sonst gleichbleibenden Umständen der Arbeitslohn in Folge der Brod- vertheurung steigen und die Profitrate dementsprechend fallen. In diesem Falle wäre es gleichgültig, ob die gestiegne Nachfrage befriedigt würde durch Heranziehung von schlechterm Boden als A, oder durch zuschüssige Kapitalanlage, einerlei auf welche der vier Bodenarten. Die Differentialrente würde steigen in Verbin- dung mit fallender Profitrate.
Dieser eine Fall, worin die abnehmende Fruchtbarkeit der auf den bereits in Kultur befindlichen Bodenarten nachträglich zuge- setzten Kapitale zu Steigerung des Produktionspreises, Fall der Profitrate, und Bildung erhöhter Differentialrente führen kann — denn diese würde unter den gegebnen Umständen auf allen Boden- arten ganz so steigen, als ob schlechterer Boden als A jetzt den Marktpreis regulirte — ist von Ricardo zum einzigen Fall, zum normalen Fall gestempelt worden, worauf er die ganze Bildung der Differentialrente II reducirt.
Es wäre dies auch der Fall, wenn nur die Bodenart A bebaut wäre, und successive Kapitalanlagen auf derselben nicht mit pro- portionellem Zuwachs des Produkts verbunden wären.
Hier wird also bei Differentialrente II die Differentialrente I ganz aus dem Gedächtniss verloren.
Mit Ausnahme dieses Falls, wo entweder die Zufuhr auf den bebauten Bodenarten nicht genügt, und daher der Marktpreis fortwährend über dem Produktionspreis steht, bis neuer zu- sätzlicher, schlechterer Boden in Anbau genommen ist, oder bis das Gesammtprodukt des auf die verschiednen Bodenarten an- gelegten zusätzlichen Kapitals nur zu höherm Produktionspreis als dem bisher geltenden geliefert werden kann — mit Ausnahme dieses Falls lässt die proportionelle Abnahme in der Produk- tivität der zusätzlichen Kapitale den regulirenden Produktions-
preis und die Profitrate unberührt. Im übrigen sind drei fernere Fälle möglich:
a) Wirft das zusätzliche Kapital auf irgend einer der Bodenarten A, B, C, D nur die durch den Produktionspreis von A bestimmte Profitrate ab, so wird dadurch kein Surplusprofit, also auch keine mögliche Rente gebildet; so wenig als wenn zusätzlicher Boden A bebaut worden wäre.
b) Wirft das zusätzliche Kapital höheres Produkt ab, so wird selbstverständlich neuer Surplusprofit (potentielle Rente) gebildet, wenn der regulirende Preis derselbe bleibt. Dies ist nicht noth- wendig der Fall, nämlich dann nicht, wenn diese zusätzliche Pro- duktion den Boden A ausser Bebauung und damit aus der Reihe der konkurrirenden Bodenarten wirft. In diesem Fall fällt der regulirende Produktionspreis. Die Profitrate würde steigen, wenn hiermit Fallen des Arbeitlohns verbunden wäre, oder wenn das wohlfeilere Produkt als Element in das konstante Kapital eingeht. Hätte die erhöhte Produktivität des zusätzlichen Kapitals auf den besten Bodenarten C und D stattgefunden, so hinge es ganz ab von der Höhe der gesteigerten Produktivität und der Masse der neuzugesetzten Kapitale, wie weit Bildung von vermehrtem Sur- plusprofit (also von vermehrter Rente) verbunden wäre mit dem Fall des Preises und dem Steigen der Profitrate. Diese letztre kann steigen auch ohne Fall des Arbeitslohns, durch Verwohl- feilerung der Elemente des konstanten Kapitals.
c) Findet die zusätzliche Kapitalanlage mit abnehmenden Sur- plusprofiten statt, doch so dass ihr Produkt einen Ueberschuss lässt über das Produkt desselben Kapitals auf Boden A, so findet, wenn die vermehrte Zufuhr nicht den Boden A ausser Bebauung wirft, unter allen Umständen Neubildung von Surplusprofiten statt, die auf D, C, B, A gleichzeitig stattfinden kann. Wird dagegen der schlechteste Boden A aus der Bebauung verdrängt, so fällt der regulirende Produktionspreis, und es hängt von dem Verhält- niss zwischen dem verminderten Preis eines qr. und der vermehrten Zahl der den Surplusprofit bildenden qrs. ab, ob der in Geld aus- gedrückte Surplusprofit und daher die Differentialrente steigt oder fällt. Aber jedenfalls zeigt sich hier das merkwürdige, dass mit abnehmenden Surplusprofiten successiver Kapitalanlagen der Pro- duktionspreis fallen kann, statt steigen zu müssen, wie es auf den ersten Blick scheint.
Diese zusätzlichen Kapitalanlagen mit abnehmenden Mehrerträgen entsprechen ganz dem Fall, in welchen auf Bodenarten, deren
Fruchtbarkeit zwischen A und B, B und C, C und D z. B. vier neue selbständige Kapitale von je 2½ £ angelegt würden, die resp. 1½ qr., 2⅓, 2⅔ und 3 qrs. abwürfen. Es würden sich auf allen diesen Bodenarten für alle vier zusätzlichen Kapitale Sur- plusprofite, potentionelle Renten bilden, obgleich die Rate des Sur- plusprofits, verglichen mit dem der gleichen Kapitalanlage auf den jedesmal bessern Boden, abgenommen hätte. Und es wäre ganz gleich, ob diese vier Kapitale auf D etc. angelegt, oder vertheilt würden zwischen D und A.
Wir kommen jetzt zu einem wesentlichen Unterschied zwischen den beiden Formen der Differentialrente.
Bei gleichbleibendem Produktionspreis und gleichbleibenden Diffe- renzen kann bei Differentialrente I mit dem Rental die Durch- schnittsrente per Acre steigen oder die Durchschnittsrentrate aufs Kapital; aber der Durchschnitt ist nur eine Abstraktion. Die wirkliche Rentenhöhe, per Acre oder aufs Kapital gerechnet, bleibt hier dieselbe.
Dagegen kann unter denselben Voraussetzungen die Höhe der Rente, gemessen am Acre, steigen, obgleich die Rentrate, gemessen am ausgelegten Kapital, dieselbe bleibt.
Nimm an die Produktion verdopple sich dadurch, dass auf A, B, C, D statt je 2½ £ je 5 £, also statt 10 zusammen 20 £ Kapital angelegt würde, mit gleichbleibender relativer Fruchtbar- keit. Es wäre dies ganz dasselbe, als ob von jeder dieser Boden- arten 2 Acres statt 1, und zwar zu gleichbleibenden Kosten, be- baut würden. Die Profitrate bliebe dieselbe, und ebenso ihr Ver- hältniss zum Surplusprofit oder der Rente. Wenn aber A jetzt 2 qrs. trüge, B 4, C 6, D 8, so bliebe, da dieser Zuwachs nicht verdoppelter Fruchtbarkeit bei gleichbleibendem Kapital, sondern gleichbleibender proportioneller Fruchtbarkeit bei verdoppeltem Kapital geschuldet, der Produktionspreis nach wie vor 3 £ per qr. Die 2 qrs. von A würden jetzt 6 £ kosten, wie früher 1 qr. 3 £. Der Profit hätte sich auf allen 4 Bodenarten verdoppelt, aber nur, weil das ausgelegte Kapital. Aber in demselben Verhältniss hätte sich die Rente verdoppelt; sie wäre 2 qrs. für B statt 1, 4 für C statt 2, und 6 für D statt 3; und dementsprechend die Geldrente für B, C, D resp. 6 £, 12 £, 18 £. Wie das Produkt per Acre, hätte sich die Geldrente per Acre verdoppelt, also auch der Boden- preis, worin diese Geldrente kapitalisirt wird. So berechnet, steigt die Höhe der Korn- und Geldrente, und daher der Bodenpreis, weil der Maßstab, worin er berechnet wird, der Acre, ein Bodenstück
von konstanter Grösse ist. Dagegen als Rentrate mit Beziehung auf das ausgelegte Kapital berechnet, hat kein Wechsel stattge- funden in der proportionellen Höhe der Rente. Das Gesammt- rental von 36 verhält sich zum ausgelegten Kapital von 20 wie sich das Rental von 18 zum ausgelegten Kapital von 10 verhielt. Dasselbe gilt für das Verhältniss der Geldrente jeder Bodenart zu dem in ihr ausgelegten Kapital; so z. B. in C verhalten sich 12 £ Rente zu 5 £ Kapital wie früher 6 £ Rente zu 2½ £ Kapital. Es entstehn hier keine neuen Differenzen zwischen den ausgelegten Kapitalen, aber es entstehn neue Surplusprofite, bloss weil das zu- sätzliche Kapital auf irgend einer der Rente tragenden Bodenarten, oder auf allen, mit demselben proportionellen Produkt angelegt wird. Fände die doppelte Anlage z. B. nur auf C statt, so bliebe die Differentialrente, aufs Kapital berechnet, zwischen C, B und D dieselbe; denn wenn ihre Masse auf C sich verdoppelt, so auch das angelegte Kapital.
Man sieht hieraus, dass bei gleichbleibendem Produktionspreis, gleichbleibender Rate des Profits und gleichbleibenden Differenzen (und daher gleichbleibender Rate des Surplusprofits oder der Rente, gemessen am Kapital), die Höhe der Produkten- und Geldrente per Acre, und daher der Bodenpreis steigen kann.
Dasselbe kann stattfinden bei abnehmenden Raten des Surplus- profits und daher der Rente, d. h. bei abnehmender Produktivität der immer noch Rente tragenden zusätzlichen Kapitalanlagen. Wenn die zweiten Kapitalanlagen von 2½ £ nicht das Produkt ver- doppelt hätten, sondern B nur 3½ qrs., C 5 und D 6 trüge, so wäre die Differentialrente auf B für die zweiten 2½ £ Kapital nur ½ qr. statt 1, auf C 1 statt 2, und auf D 2 statt 3. Die Verhältnisse zwische Rente und Kapital für die beiden successiven Anlagen würden sich stellen wie folgt:
selbe geblieben, aber die Rente per Acre, und daher der Boden- preis per Acre wäre gestiegen.
Die Kombinationen der Differentialrente II, welche als ihre Basis die Differentialrente I voraussetzt, sind nun die folgenden.
Diese Voraussetzung schliesst ein, dass der Marktpreis nach wie vor durch das auf dem schlechtesten Boden A angelegte Kapital regulirt wird.
I. Wenn das auf irgend einer der Rente tragenden Bodenarten B, C, D angelegte zuschüssige Kapital nur soviel producirt, wie dasselbe Kapital auf Boden A, d. h. wenn es zum regulirenden Produktionspreis nur den Durchschnittsprofit abwirft, also keinen Surplusprofit, so ist die Wirkung auf die Rente gleich Null. Es bleibt alles beim Alten. Es ist dasselbe, als wenn eine beliebige Zahl Acres von der Qualität A, des schlechtesten Bodens, der bis- her bebauten Fläche zugesetzt wäre.
II. Die zusätzlichen Kapitale bringen auf jeder verschiednen Bodenart ihrer Grösse proportionelle, zuschüssige Produkte hervor; d. h. die Grösse der Produktion wächst, je nach der specifischen Fruchtbarkeit jeder Bodenart, proportionell zur Grösse des zu- schüssigen Kapitals. Wir gingen in Kapitel XXXIX aus von der folgenden Tabelle I:
Tabelle II.
Es ist hier nicht nöthig, dass, wie in der Tabelle, die Kapital- anlage sich auf allen Bodenarten verdoppelt. Das Gesetz ist das- selbe, sobald nur auf irgend einer, oder mehreren, der Rente tragen- den Bodenarten zuschüssiges Kapital angewandt wird, gleichviel in welcher Proportion. Was nöthig ist, ist nur, dass auf jeder Boden- art die Produktion sich im selben Verhältniss vermehrt wie das Kapital. Die Rente steigt hier bloss in Folge vermehrter Kapital- anlage auf den Boden, und im Verhältniss zu dieser Kapitalver- mehrung. Diese Vermehrung des Produkts und der Rente in Folge von, und proportionell zu, vermehrter Kapitalanlage ist, was Quan- tum des Produkts und der Rente angeht, ganz dasselbe als wenn die bebaute Fläche der Rente tragenden Ländereien gleicher Bonität sich vermehrt hätte und mit gleicher Kapitalanlage, wie früher auf denselben Bodenarten, der Kultur unterworfen wäre. Im Fall von Tabelle II z. B. bliebe das Resultat dasselbe, wenn das zuschüssige Kapital von 2½ £ per Acre auf je einen zweiten Acre von B, C und D angelegt wäre.
Diese Annahme unterstellt ferner keine fruchtbarere Anwendung des Kapitals, sondern nur Anwendung von mehr Kapital auf der- selben Fläche mit demselben Erfolg wie bisher.
Es bleiben hier alle proportionellen Verhältnisse dieselben. Aller- dings, wenn man nicht die proportionellen Differenzen, sondern die rein arithmetischen betrachtet, kann sich die Differentialrente auf den verschiednen Bodenarten verändern. Nehmen wir z. B. an, das zuschüssige Kapital sei nur auf B und D angelegt worden. So ist dann der Unterschied von D und A = 7 qrs., früher = 3; der von B und A = 3 qrs., früher = 1; der von C und B = — 1, früher = +1 u. s. w. Aber diese arithmetische Differenz, die entscheidend ist bei der Differentialrente I, soweit sich in ihr der Unterschied in der Produktivität bei gleicher Kapitalanlage ausdrückt, ist hier völlig gleichgültig, weil sie nur Folge ver-
schiedner Mehranlage oder Nicht-Mehranlage von Kapital ist, bei gleichbleibender Differenz für jeden gleichen Kapitaltheil auf die verschiednen Ländereien.
III. Die zuschüssigen Kapitale bringen überschüssiges Produkt hervor und bilden daher Surplusprofite, aber mit abnehmender Rate, nicht im Verhältniss zu ihrer Vergrösserung.
Tabelle III.
Es ist bei dieser dritten Annahme wieder gleichgültig, ob die zuschüssigen zweiten Kapitalanlagen gleichmäßig oder ungleich- mäßig auf die verschiednen Bodenarten fallen oder nicht; ob die abnehmende Produktion von Surplusprofit in gleichen oder un- gleichen Verhältnissen vor sich geht; ob die zusätzlichen Kapital- anlagen alle auf dieselbe, Rente tragende, Bodenart fallen oder ob sie sich vertheilen, gleichmäßig oder ungleichmäßig, auf Rente tragenden Boden verschiedner Bonität. Alle diese Umstände sind für das zu entwickelnde Gesetz gleichgültig. Die einzige Voraus- setzung ist, dass zuschüssige Kapitalanlagen auf irgend einer der Rente tragenden Bodenarten Surplusprofit abwerfen, aber in ab- nehmender Proportion zum Maß der Kapitalvermehrung. Die Grenzen dieser Abnahme bewegen sich in den Beispielen der vor- liegenden Tabelle zwischen 4 qrs. = 12 £, dem Produkt der ersten Kapitalanlage auf den besten Boden D, und 1 qr. = 3 £, dem Produkt derselben Kapitalanlage auf den schlechtesten Boden A. Das Produkt des besten Bodens bei Anlage von Kapital I bildet die Maximalgrenze, und das Produkt des nicht Rente tragenden, keinen Surplusprofit gebenden schlechtesten Bodens A, bei gleicher Kapitalanlage, die Minimalgrenze des Produkts, welches die succes- siven Kapitalanlagen auf irgend einem der, Surplusprofit abwerfen- den, Bodenarten bei abnehmender Produktivität successiver Kapital- anlagen abwerfen. Wie die Annahme II dem entspricht, dass von den bessern Bodenarten neue Stücke gleicher Qualität der bebauten
Fläche zugefügt werden, dass die Quantität irgend einer der kul- tivirten Bodenarten sich vermehrt, so entspricht die Annahme III dem, dass zusätzliche Bodenstücke bebaut werden, deren verschiedne Grade von Fruchtbarkeit sich vertheilen zwischen D und A, zwischen denen des besten und denen des schlechtesten Bodens. Finden die successiven Kapitalanlagen ausschliesslich auf dem Boden D statt, so können sie die existirenden Differenzen zwischen D und A ein- begreifen, ferner Differenzen zwischen D und C, ebenso wie zwischen D und B. Finden sie alle auf Boden C statt, so nur Diffe- renzen zwischen C und A resp. B; wenn auf B nur Differenzen zwischen B und A.
Das Gesetz aber ist: dass die Rente auf allen diesen Bodenarten absolut wächst, wenn auch nicht im Verhältniss zum zuschüssig angelegten Kapital.
Die Rate des Surplusprofits, sowohl das zuschüssige Kapital, wie das gesammte auf den Boden angelegte Kapital betrachtet, nimmt ab; aber die absolute Grösse des Surplusprofits nimmt zu; ganz wie die abnehmende Profitrate des Kapitals überhaupt meist mit zu- nehmender absoluter Masse des Profits verbunden ist. So ist der Durchschnitts-Surplusprofit der Kapitalanlage auf B = 90 % aufs Kapital, während er bei der ersten Kapitalanlage = 120 % war. Aber der gesammte Surplusprofit nimmt zu, von 1 qr. auf 1½ qr., und von 3 £ auf 4½. Die Gesammtrente für sich betrachtet — und nicht mit Bezug auf die verdoppelte Grösse des vorgeschoss- nen Kapitals — ist absolut gestiegen. Die Differenzen der Renten der verschiednen Bodenarten und ihr Verhältniss zu einander mögen hier wechseln; aber dieser Wechsel in der Differenz ist hier Folge, nicht Ursache der Vermehrung der Renten gegen einander.
IV. Der Fall, wo die zuschüssigen Kapitalanlagen auf den bessern Bodenarten ein grösseres Produkt erzeugen als die ursprünglichen, verlangt keine weitre Analyse. Es versteht sich von selbst, dass unter dieser Voraussetzung die Renten per Acre steigen, und in grösserm Verhältniss als das zuschüssige Kapital, auf welcher Bodenart immer seine Anlage stattgefunden hat. In diesem Fall ist die zuschüssige Kapitalanlage mit Verbesserung verbunden. Es ist hierin eingeschlossen, wenn ein Zuschuss von weniger Kapital dieselbe oder grössre Wirkung producirt, als früher Zuschuss von mehr Kapital. Dieser Fall ist nicht ganz identisch mit dem frühern, und es ist dies ein Unterschied, der bei allen Kapitalanlagen wichtig ist. Wenn z. B. 100 einen Profit von 10 gibt, und 200, in einer bestimmten Form angewandt, einen Profit von 40, so ist der Profit
von 10 % auf 20 % gestiegen, und insoweit ist dies dasselbe, als wenn 50, in einer wirksamern Form angewandt, einen Profit von 10 statt 5 gibt. Wir unterstellen hier, dass der Profit mit pro- portioneller Vermehrung des Produkts verbunden ist. Aber der Unterschied ist, dass ich in dem einen Fall das Kapitel verdoppeln muss, dagegen in dem andern mit dem bisherigen Kapital den doppelten Effekt hervorbringe. Es ist durchaus nicht dasselbe, ob ich 1) mit halb so viel lebendiger und vergegenständlichter Arbeit dasselbe Produkt wie früher, oder 2) mit derselben Arbeit das doppelte Produkt gegen früher, oder 3) mit der doppelten Arbeit das vierfache Produkt gegen früher hervorbringe. Im ersten Fall wird Arbeit — in lebendiger oder vergegenständlichter Form — frei, die anderswie verwandt werden kann; das Dispositions- vermögen über Arbeit und Kapital wächst. Die Freisetzung von Kapital (und Arbeit) ist an sich eine Vermehrung des Reichthums; sie hat ganz denselben Effekt, als ob dies zuschüssige Kapital durch Akkumulation erzielt worden sei, spart aber die Arbeit der Akkumulation.
Gesetzt ein Kapital von 100 habe ein Produkt von 10 Meter producirt. In den 100 sei sowohl konstantes Kapital als lebendige Arbeit und Profit eingeschlossen. So kostet der Meter 10. Kann ich mit demselben Kapital von 100 jetzt 20 Meter produciren, so kostet der Meter 5. Kann ich dagegen mit 50 Kapital 10 Meter produciren, so kostet der Meter auch 5, und es wird ein Kapital von 50 freigesetzt, soweit die alte Waarenzufuhr genügt. Muss ich 200 Kapital anlegen, um 40 Meter zu produciren, so kostet der Meter ebenfalls 5. Die Werth- oder auch Preisbestimmung lässt hier keinen Unterschied erkennen, ebensowenig wie die dem Kapitalvorschuss proportionelle Produktenmasse. Aber im ersten Fall wird Kapital freigesetzt; im zweiten Fall wird zuschüssiges Kapital erspart, soweit etwa doppelte Produktion nöthig wäre; im dritten Fall kann das vermehrte Produkt nur erhalten werden, in- dem das vorgeschossne Kapital wächst, obgleich nicht in demselben Verhältniss, wie wenn das vermehrte Produkt von der alten Pro- duktivkraft hätte geliefert werden sollen. (Gehört in Abschnitt I.)
Vom Standpunkt der kapitalistischen Produktion aus betrachtet, nicht mit Rücksicht auf Steigerung des Mehrwerths, sondern auf Senkung des Kostpreises — und Ersparung der Kosten auch im Mehrwerth bildenden Element, der Arbeit, thut dem Kapitalisten diesen Dienst, und bildet Profit für ihn, solange der regulirende Produk- tionspreis derselbe bleibt — ist die Anwendung von konstantem
Kapital stets wohlfeiler als die von variablem. Es setzt dies in der That die der kapitalistischen Produktionsweise entsprechende Kreditentwicklung und Reichlichkeit von Leihkapital voraus. Auf der einen Seite wende ich 100 £ zusätzliches konstantes Kapital an, wenn 100 £ das Produkt von 5 Arbeitern, während des Jahrs; auf der andern 100 £ in variablem Kapital. Ist die Rate des Mehrwerths = 100 %, so der Werth den die 5 Arbeiter geschaffen haben = 200 £; dagegen der Werth von 100 £ konstantem Ka- pital ist = 100 £, und als Kapital vielleicht = 105 £, wenn der Zins- fuss = 5 %. Dieselben Geldsummen, je nachdem sie der Produk- tion vorgeschossen werden als Werthgrössen von konstantem oder von variablem Kapital, drücken sehr verschiedne Werthe aus, in ihrem Produkt betrachtet. Was ferner die Kosten der Waaren vom Standpunkt des Kapitalisten angeht, findet noch der Unter- schied statt, dass von den 100 £ konstantes Kapital, soweit dies in fixem Kapital angelegt, nur der Verschleiss in den Werth der Waare eingeht, während die 100 £ für Arbeitslohn ganz darin reproducirt sein müssen.
Bei Kolonisten und überhaupt selbständigen Kleinproducenten, die über Kapital gar nicht oder nur zu hohen Zinsen verfügen können, ist der Produktentheil, der den Arbeitslohn vertritt, ihre Revenue, während er für den Kapitalisten Kapitalvorschuss ist Jener betrachtet diese Arbeitsauslage daher als unumgängliche Vor- bedingung für den Arbeitsertrag, um den es sich zunächst handelt. Was aber seine überschüssige Arbeit betrifft, nach Abzug jener nothwendigen Arbeit, so realisirt sie sich jedenfalls in einem über- schüssigen Produkt; und sobald er dies verkaufen oder auch selbst verwenden kann, betrachtet er dies als etwas, was ihm nichts ge- kostet hat, weil keine vergegenständlichte Arbeit. Es ist diese allein, deren Verausgabung ihm als Veräusserung von Reichthum gilt. Er sucht natürlich so hoch zu verkaufen als möglich; aber selbst der Verkauf unter dem Werth und unter dem kapitalistischen Produktionspreis gilt ihm immer noch als Profit, soweit dieser Profit nicht durch Verschuldung, Hypothek u. s. w. anticipirt ist. Für den Kapitalisten dagegen ist sowohl die Auslage von variablem wie konstantem Kapital Vorschuss von Kapital. Der relativ grössre Vorschuss des letztern verringert unter sonst gleichbleibenden Um- ständen den Kostpreis, wie wirklich auch den Werth der Waaren. Obgleich daher der Profit bloss aus der Mehrarbeit, also bloss aus der Anwendung von variablem Kapital entspringt, kann es dem einzelnen Kapitalisten doch so scheinen, dass die lebendige Arbeit
das kostspieligste und am meisten aufs Minimum zu reducirende Element seiner Produktionskosten ist. Es ist dies nur eine kapi- talistisch verdrehte Form des Richtigen, dass die verhältnissmäßig grössre Anwendung vergangner Arbeit, verglichen mit lebendiger, gesteigerte Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit und grössren gesellschaftlichen Reichthum bedeutet. So falsch ist alles und so, auf den Kopf gestellt, bietet sich alles dar vom Standpunkt der Konkurrenz. —
Bei der Voraussetzung gleichbleibender Produktionspreise können die zuschüssigen Kapitalanlagen mit gleichbleibender, zunehmender oder abnehmender Produktivität auf den bessern Ländereien, d. h. auf allen von B aufwärts gemacht werden. Auf A selbst wäre dies unter unsrer Voraussetzung nur möglich entweder bei gleich- bleibender Produktivität, wo das Land dann nach wie vor keine Rente trägt, oder auch wenn die Produktivität zunimmt; ein Theil des auf den Boden A angelegten Kapitals würde dann Rente tragen, der andre nicht. Aber es wäre unmöglich bei Annahme abnehmender Produktivkraft für A, denn sonst würde der Produk- tionspreis nicht konstant bleiben, sondern steigen. Unter allen diesen Umständen aber, d. h. ob das Surplusprodukt, das sie bringen, ihrer Grösse proportionell, oder über, oder unter dieser Proportion — ob daher die Rate des Surplusprofits des Kapitals, beim Wachs- thum dieses letzteren, konstant bleibt, steigt oder fällt — das Surplusprodukt und der ihm entsprechende Surplusprofit per Acre wächst, also auch eventuell die Rente, Korn- und Geldrente. Das Wachsen in der blossen Masse des Surplusprofits, resp- der Rente, per Acre berechnet, d. h. wachsende Masse auf eine gleichbleibende Einheit berechnet, also hier auf irgend ein bestimmtes Boden- quantum, Acre oder Hektare, drückt sich als wachsende Proportion aus. Die Höhe der Rente, per Acre berechnet, wächst daher unter diesen Umständen einfach in Folge der Vermehrung des auf den Boden angelegten Kapitals. Und zwar findet dies statt bei gleichbleibenden Produktionspreisen, und gleichgültig dagegen, ob die Produktivität des zuschüssigen Kapitals gleichbleibend, ab- nehmend oder zunehmend ist. Die letzteren Umstände modificiren den Umfang, worin die Höhe der Rente per Acre wächst, aber nicht die Thatsache dieses Wachsens selbst. Dies ist ein Phänomen, welches der Differentialrente II eigenthümlich ist, und sie von Differentialrente I unterscheidet. Wären die zusätzlichen Kapital- anlagen, statt zeitlich nach einander auf denselben Boden, räumlich neben einander auf neuen zusätzlichen Boden der entsprechenden
Qualität gemacht worden, so wäre die Masse des Rentals gewachsen und, wie früher gezeigt, auch die Durchschnittsrente der bebauten Gesammtfläche, aber nicht die Höhe der Rente per Acre. Bei gleichbleibendem Resultat, soweit Masse und Werth der Gesammt- produktion und des Surplusprodukts in Betracht kommen, ent- wickelt die Koncentration des Kapitals auf engerer Bodenfläche die Höhe der Rente per Acre, wo unter denselben Umständen seine Zerstreuung über eine grössre Fläche, bei sonst gleichblei- benden Umständen, nicht diese Wirkung hervorbringt. Je mehr sich aber die kapitalistische Produktionsweise entwickelt, desto mehr auch die Koncentration von Kapital auf derselben Boden- fläche, desto höher steigt also die Rente, per Acre berechnet. In zwei Ländern daher, wo die Produktionspreise identisch, die Diffe- renzen der Bodenarten identisch, und dieselbe Masse Kapital an- gelegt wäre, aber in dem einen mehr in der Form successiver An- lagen auf beschränkter Bodenfläche, in der andren mehr in der Form koordinirter Anlagen auf breiterer Fläche, wäre die Rente per Acre, und damit der Bodenpreis, höher in dem ersten und niedriger im zweiten Land, obgleich die Masse der Rente in beiden Ländern dieselbe wäre. Der Unterschied in der Höhe der Rente wäre hier also weder aus Unterschied in der natürlichen Frucht- barkeit der Bodenarten, nach der Menge der angewandten Arbeit, sondern ausschliesslich aus der verschiednen Art der Kapitalanlagen zu erklären.
Wenn wir hier von Surplusprodukt sprechen, so ist darunter immer zu verstehn der aliquote Theil des Produkts, worin sich der Surplusprofit darstellt. Sonst verstehn wir unter Mehrprodukt oder Surplusprodukt den Produktentheil, worin sich der Gesammt- mehrwerth, oder auch in einzelnen Fällen denjenigen, worin sich der Durchschnittsprofit darstellt. Die specifische Bedeutung, die das Wort beim Rente tragenden Kapital erhält, gibt, wie früher gezeigt, zu Missverständnissen Anlass.
Der Produktionspreis kann fallen, wenn die zusätzlichen Anlagen von Kapital stattfinden mit gleichbleibender, fallender oder stei- gender Rate der Produktivität.
Dies unterstellt also, dass auf den verschiednen Bodenarten, ihrer respektiven Qualität entsprechend, das Produkt in demselben Maß wächst wie das auf ihnen angelegte Kapital. Dies schliesst ein, bei gleichbleibenden Differenzen der Bodenarten, ein dem Wachs- thum der Kapitalanlage proportionelles Wachsthum des Surplus- produkts. Dieser Fall schliesst also aus jede, die Differentialrente afficirende Mehranlage von Kapital auf Boden A. Bei diesem ist die Rate des Surplusprofits = 0; sie bleibt also = 0, da unter- stellt ist, dass die Produktivkraft des zuschüssigen Kapitals und daher die Rate des Surplusprofits konstant bleiben.
Der regulirende Produktionspreis kann unter diesen Voraus- setzungen aber nur fallen, weil statt des Produktionspreises von A der des nächstbessern Bodens B, oder überhaupt irgend eines bessern Bodens als A, regulirend wird; das Kapital also von A entzogen wird, oder auch von A und B, wenn der Produktionspreis des Bodens C der regulirende würde, also aller geringere Boden aus der Konkurrenz der Weizen tragenden Bodenarten wegfiele. Die Bedingung hierfür, unter den gegebnen Voraussetzungen, ist dass das zuschüssige Produkt der zusätzlichen Kapitalanlagen den Bedarf befriedigt, daher die Produktion des geringern Bodens A etc. überflüssig für die Herstellung der Zufuhr wird.
Nehmen wir also z. B. Tabelle II, jedoch so, dass statt 20 qrs. 18 den Bedarf befriedigen. A würde wegfallen; D, und mit ihm der Produktionspreis von 30 sh. per qr. würde regulirend. Die Differentialrente nimmt dann diese Form an: Tabelle IV.
Also die Gesammtrente verglichen mit Tabelle II wäre gefallen von 36 £ auf 9 und in Korn von 12 qrs. auf 6, die Gesammt- produktion nur um 2 qrs., von 20 auf 18. Die Rate des Surplus- profits, berechnet aufs Kapital, wäre um die Hälfte gefallen, von
180 auf 90 %. Dem Fallen des Produktionspreises entspricht hier also Abnahme der Korn- und Geldrente.
Mit Tabelle I verglichen, findet nur Abnahme der Geldrente statt; die Kornrente ist beidemal 6 qrs.; nur sind diese in dem einen Fall = 18 £, im andern = 9 £. Für Boden C und D ist die Korn- rente gegen Tabelle I dieselbe geblieben. In der That hat sich dadurch, dass die vermittelst gleichförmig wirkenden Zusatzkapitals erzielte, zusätzliche Produktion das Produkt von A aus dem Markt geworfen, und damit den Boden A als konkurrirenden Produktions- agenten beseitigt, eine neue Differentialrente I gebildet, worin der bessere Boden B dieselbe Rolle spielt, wie früher die schlechtere Bodenart A. Dadurch fällt einerseits die Rente von B weg; andrer- seits ist vorausgesetztermaßen in den Differenzen zwischen B, C und D durch die Anlage von Zusatzkapital nichts geändert worden. Der Theil des Produkts, der sich in Rente verwandelt, fällt daher.
Wäre das obige Resultat — die Befriedigung der Nachfrage mit Ausschluss von A — etwa dadurch hervorgebracht, dass auf C oder D oder beiden mehr als das doppelte Kapital angelegt worden, so gestaltete sich die Sache anders. Z. B. wenn die dritte Kapitalanlage auf C gemacht wird: Tabelle IV a.
Auf C ist hier das Produkt, gegen Tab. IV, gestiegen von 6 qrs. auf 9, das Surplusprodukt von 2 qrs. auf 3, die Geldrente von 3 £ auf 4½ £. Gegen Tabelle I, wo die Geldrente 12 £, und Tab. I, wo sie 6 £ war, ist sie dagegen gefallen. Das Gesammrental in Korn = 7 qrs. ist gefallen gegen Tab. II (12 qrs.), gestiegen gegen Tab. I (6 qrs.); in Geld (10½ £) ist es gefallen gegen beide (18 £ und 36 £.
Wäre die dritte Kapitalanlage von 2½ £ auf den Boden B ver- wandt worden, so hätte dies zwar die Masse der Produktion ge- ändert, aber die Rente nicht berührt, da die successiven Kapital-
anlagen als keine Differenz auf derselben Bodenart hervorbringend unterstellt sind, und Boden B keine Rente abwirft.
Nehmen wir dagegen an, die dritte Kapitalanlage habe auf D stattgefunden, statt auf C, so haben wir: Tabelle IV, b.
Hier ist das Gesammtprodukt 22 qrs., mehr als doppelt das von Tabelle I, obgleich das vorgeschossne Kapital nur 17½ £ gegen 10 £, also nicht doppelt so gross ist. Das Gesammtprodukt ist ferner um 2 qrs. grösser als das von Tabelle II, obwohl in letztrer das vorgeschossne Kapital grösser ist, nämlich 20 £.
Auf Boden D ist gegen Tabelle I die Kornrente gewachsen von 2 qrs. auf 6, während die Geldrente mit 9 £ dieselbe geblieben ist. Gegen Tabelle II ist die Kornrente von D dieselbe von 6 qrs. geblieben, aber die Geldrente ist gefallen von 18 £ auf 9 £.
Die Gesammtrenten betrachtet, ist die Kornrente von IV b = 8 qrs., grösser als die von I = 6 qrs., und als die von IV a = 7 qrs.; dagegen kleiner als die von II = 12 qrs. Die Geldrente von IVb = 12 £ ist grösser als die von IVa = 10½ £, und kleiner als die von Tabelle I = 18 £ und von II = 36 £.
Damit bei dem Wegfallen der Rente auf B unter den Be- dingungen der Tabelle IV b das Gesammtrental gleich dem von Tabelle I sei, müssen wir noch für 6 £ Surplusprodukt haben, also 4 qrs. zu 1½ £, welches der neue Produktionspreis ist. Wir haben dann wieder ein Gesammtrental von 18 £ wie in Tabelle I. Die Grösse des hierzu erforderlichen Zuschusskapitals wird ver- schieden sein, je nachdem wir es auf C oder D anlegen, oder zwischen beiden vertheilen.
Bei C ergeben 5 £ Kapital 2 qrs. Surplusprodukt, also werden 10 £ Zusatzkapital 4 qrs. zusätzliches Surplusprodukt ergeben. Bei D würden 5 £ Zusatz genügen, um die 4 qrs. zusätzliche Korn- rente zu produciren, unter der hier zu Grunde liegenden Voraus- setzung, dass die Produktivität der zusätzlichen Kapitalanlagen dieselbe bleibt. Danach ergäben sich folgende Aufstellungen.
Tabelle IV c.
Tabelle IV d.
Das Gesammt-Geldrental wäre genau die Hälfte von dem, was es auf Tabelle II war, wo die zuschüssigen Kapitale bei gleich- bleibenden Produktionspreisen angelegt wurden.
Das Wichtigste ist, obige Tabellen mit der Tabelle I zu ver- gleichen.
Wir finden, dass bei einem Fall des Produktionspreises um die Hälfte, von 60 sh. auf 30 sh. per qr., das Gesammt-Geldrental dasselbe geblieben, = 18 £, und dementsprechend die Kornrente sich verdoppelt hat, nämlich von 6 qrs. auf 12. Auf B ist die Rente weggefallen; auf C ist die Geldrente um die Hälfte ge- stiegen in IV c, aber um die Hälfte gefallen in IV d; auf D ist sie dieselbe geblieben = 9 £ in IV c, und von 9 £ auf 15 £ ge- stiegen in IV d. Die Produktion ist von 10 qrs. auf 34 gestiegen in IV c, und auf 30 qrs. in IV d; der Profit von 2 £ auf 5½ in IV c und 4½ in IV d. Die Gesammtkapitalanlage ist gestiegen in dem einen Fall von 10 £ auf 27½ £, im andern von 10 auf 22½ £, beidemal also um mehr als das Doppelte. Die Rentrate, die Rente auf das vorgeschossne Kapital berechnet, ist in allen Tabellen IV bis IV d für jede Bodenart überall dieselbe, was schon darin eingeschlossen war, dass die Rate der Produktivität der beiden successiven Kapitalanlagen auf jeder Bodenart als gleichbleibend angenommen wurde. Gegen Tabelle I ist sie jedoch für den
Durchschnitt aller Bodenarten wie für jede einzelne derselben ge- fallen. Sie war in I = 180 % im Durchschnitt, sie ist in IVc = × 100 = 65 % und in IV d = × 100 = 80 %. Die Durchschnittsgeldrente per Acre ist gestiegen. Ihr Durchschnitt war früher, in I, auf alle 4 Acres 4½ £ per Acre, und ist jetzt, in IVc und d, auf die 3 Acres 6 £ per Acre. Ihr Durchschnitt auf dem Rente tragenden Boden war früher 6 £ und ist jetzt 9 £ per Acre. Der Geldwerth der Rente per Acre ist also ge- stiegen, und stellt jetzt das doppelte Kornprodukt wie früher dar; aber die 12 qrs. Kornrente sind jetzt weniger als einhalb des Gesammtprodukts von 33 resp. 27 qrs., während in Tabelle I die 6 qrs. ⅗ des Gesammtprodukts von 10 qrs. ausmachen. Obgleich also die Rente, als aliquoter Theil des Gesammtprodukts betrachtet, gefallen ist, und ebenso, wenn auf das ausgelegte Kapital be- rechnet, so ist ihr Geldwerth, per Acre berechnet, gestiegen und ihr Produktenwerth noch mehr. Nehmen wir den Boden D in Tabelle IV d, so sind hier die ausgelegten Produktionskosten = 15 £, davon das ausgelegte Kapital = 12½ £. Die Geldrente ist = 15 £. In Tabelle I waren auf demselben Boden D die Produktionskosten = 3 £, das ausgelegte Kapital = 2½ £, die Geldrente = 9 £, diese letztere also das dreifache der Produk- tionskosten und beinahe das vierfache des Kapitals. In Tabelle IV d ist für D die Geldrente von 15 £ genau gleich den Produktions- kosten, und nur um ⅕ grösser als das Kapital. Dennoch ist die Geldrente per Acre um ⅔ grösser, 15 £ statt 9 £. In I ist die Kornrente von 3 qrs. = ¾ des Gesammtprodukts von 4 qrs.; in IV d ist sie, mit 10 qrs., die Hälfte des ganzen Produkts (20 qrs.) des Acre von D. Es zeigt dies, wie Geldwerth und Kornwerth der Rente per Acre steigen kann, obgleich sie einen geringern aliquoten Theil des Gesammtertrags bildet und im Verhältniss zum vorgeschossnen Kapital gefallen ist.
Der Werth des Gesammtprodukts in I ist = 30 £; die Rente = 18 £, mehr als die Hälfte davon. Der Werth des Gesammt- produkts von IV d ist = 45 £, wovon 18 £ die Rente, weniger als die Hälfte.
Der Grund nun, warum trotz des Preisfalls von 1½ £ per qr., also um 50 %, und trotz der Verringerung des konkurrirenden Bodens von 4 Acres auf 3, die Gesammt-Geldrente dieselbe bleibt, und die Kornrente sich verdoppelt, während Kornrente und Geld- rente, per Acre gerechnet, steigen, liegt darin, dass mehr qrs. Sur-
plusprodukt producirt werden. Der Getreidepreis fällt um 50 %, das Surplusprodukt wächst um 100 %. Aber um dies Resultat zu- stande zu bringen, muss die Gesammtproduktion unter unsern Be- dingungen auf das dreifache wachsen, und die Kapitalanlage auf den bessern Bodenlagen sich mehr als verdoppeln. In welchem Verhältniss die letztere wachsen muss, hängt zunächst davon ab, wie die zuschüssigen Kapitalanlagen zwischen den bessern und besten Bodenarten sich vertheilen, stets vorausgesetzt, dass die Produktivität des Kapitals auf jeder Bodenart proportionell zu seiner Grösse wächst.
Wäre der Fall des Produktionspreises geringer, so wäre weniger zuschüssiges Kapital erfordert, um dieselbe Geldrente zu produciren. Wäre die Zufuhr, die nöthig ist um A ausser Bebauung zu werfen — und es hängt dies ab nicht nur von dem Produkt per Acre von A, sondern auch von dem proportionellen Antheil, den A von der ganzen bebauten Fläche einnimmt — wäre also die hierfür nöthige Zufuhr grösser, also auch die erforderliche Masse von Zu- schusskapital auf besserm Boden als A, so wären bei sonst gleich- bleibenden Verhältnissen Geldrente und Kornrente noch mehr ge- wachsen, obgleich beide auf dem Boden B wegfielen.
Wäre das wegfallende Kapital von A = 5 £ gewesen, so wären für diesen Fall die beiden zu vergleichenden Tabellen: II und IV d. Das Gesammtprodukt wäre gewachsen von 20 auf 30 qrs. Die Geldrente wäre nur halb so gross, 18 £ statt 36 £; die Korn- rente wäre dieselbe = 12 qrs.
Könnte auf D ein Gesammtprodukt von 44 qrs. = 66 £ mit einem Kapital = 27½ £ producirt werden — entsprechend dem alten Satz für D, von 4 qrs, auf 2½ £ Kapital — so käme das Gesammt- rental wieder auf die Höhe von II, und die Tabelle stände so:
Die Gesammtproduktion wäre 54 qrs. gegen 20 qrs. in Tabelle II, und die Geldrente wäre dieselbe, = 36 £. Das Gesammtkapital aber wäre 37½ £, während es bei Tabelle II = 20 war. Das vorgeschossne Gssammtkapital hätte sich beinahe verdoppelt, während die Produktion sich fast verdreifachte; die Kornrente hätte sich
verdoppelt, die Geldrente wäre dieselbe geblieben. Fällt also der Preis in Folge der Anlage von zuschüssigem Geldkapital, bei gleich- bleibender Produktivität, auf die bessern Rente tragenden Boden- arten, also auf alle über A, so hat das Gesammtkapital die Tendenz, nicht in demselben Verhältniss zu wachsen, wie Produktion und Kornrente; sodass durch Wachsen der Kornrente der durch den fallenden Preis entstehende Ausfall in der Geldrente wieder aus- geglichen werden kann. Dasselbe Gesetz zeigt sich auch darin, dass das vorgeschossne Kapital grösser sein muss im Verhältniss, wie es mehr auf C als auf D, auf den minder Rente tragenden, als auf den mehr Rente tragenden Boden angewandt wird. Es ist einfach dies: damit die Geldrente dieselbe bleibt oder steigt, muss ein bestimmtes zusätzliches Quantum Surplusprodukt produ- cirt werden, und dies erheischt um so weniger Kapital, je grösser die Fruchtbarkeit der Surplusprodukt abwerfenden Ländereien. Wäre die Differenz zwischen B und C, C und D noch grösser, so wäre noch weniger Zuschusskapital erheischt. Das bestimmte Verhält- niss hängt ab 1) von dem Verhältniss, worin der Preis fällt, also von der Differenz zwischen B, dem jetzt rentelosen, und A, dem früher rentelosen Boden; 2) von dem Verhältniss der Differenzen zwischen den bessern Bodenarten von B aufwärts; 3) von der Masse des neu angelegten zuschüssigen Kapitals, und 4) von seiner Vertheilung auf die verschiednen Bodenqualitäten.
In der That sieht man, dass das Gesetz nichts ausdrückt, als das bereits beim ersten Fall Entwickelte: dass wenn der Produk- tionspreis gegeben ist, welches auch immer seine Grösse, in Folge zuschüssiger Kapitalanlage die Rente steigen kann. Denn in Folge des Herauswerfens von A ist nun eine neue Differentialrente I mit B als dem jetzt schlechtesten Boden, und 1½ £ per qr. als dem neuen Produktionspreis, gegeben. Es gilt dies für die Tabellen IV so gut wie für Tabelle II. Es ist dasselbe Gesetz, bloss dass Boden B statt A, und der Produktionspreis von 1½ £ statt dem von 3 £ als Ausgangspunkt genommen ist.
Die Sache hat hier nur diese Wichtigkeit: Soweit so und so- viel zuschüssiges Kapital nöthig war, um das Kapital von A dem Boden zu entziehn, und die Zufuhr ohne es zu befriedigen, zeigt sich, dass dies von gleichbleibender, steigender oder fallender Rente per Acre, wenn nicht auf allen Ländereien, so doch auf einigen, und für den Durchschnitt der bebauten Ländereien, begleitet sein kann. Man hat gesehn, dass sich Kornrente und Geldrente nicht gleichmäßig verhalten. Indess ist es nur Tradition, dass überhaupt
noch die Kornrente in der Oekonomie eine Rolle spielt. Grade so gut könnte man nachweisen, dass z. B. ein Fabrikant mit seinem Profit von 5 £ viel mehr von seinem eignen Garn kaufen kann als früher mit einem Profit von 10 £. Es zeigt dies aber aller- dings, dass die Herren Grundeigenthümer, wenn sie gleichzeitig Besitzer oder Theilhaber von Manufakturen, Zuckersieder, Schnaps- brenner u. s. w. sind, bei fallender Geldrente als Produzenten ihrer eignen Rohstoffe immer noch sehr bedeutend gewinnen können.(FN34)
Es bewirkt dies in sofern nichts neues, als der Produktionspreis auch hier nur, wie im eben betrachteten Fall, sinken kann, wenn durch die zuschüssigen Kapitalanlagen auf bessern Bodenarten als A, das Produkt von A überflüssig, und daher das Kapital von A entzogen, oder A zur Produktion von andrem Produkt verwandt wird. Dieser Fall ist vorhin erschöpfend auseinandergesetzt. Es ist gezeigt worden, dass bei demselben die Korn- und Geldrente per Acre wachsen, abnehmen oder sich gleichbleiben kann.
Zur Bequemlichkeit der Vergleichung reproduciren wir zunächst: Tabelle I.
Nehmen wir nun an, die Ziffer von 16 qrs., geliefert von B, C, D, mit abnehmender Rate der Produktivität, reiche hin, um A ausser Kultur zu werfen, so verwandelt sich Tabelle III in folgende Tabelle V.
Hier ist bei abnehmender Rate der Produktivität der Zuschuss- kapitale und mit verschiedner Abnahme auf verschiednen Boden- arten, der regulirende Produktionspreis gefallen von 3 £ auf 1 £. Die Kapitalanlage ist um die Hälfte gestiegen von 10 £ auf 15 £. Die Geldrente ist beinahe um die Hälfte gefallen, von 18 £ auf 9 £, aber die Kornrente nur um , von 6 qrs. auf 5½. Das Gesammtprodukt ist gestiegen von 10 auf 16 oder um 160 %. Die Kornrente ist etwas mehr als ein Drittel des Gesammtprodukts. Das vorgeschossne Kapital verhält sich zur Geldrente wie 15:9 während das frühere Verhältniss war 10:18.
Dies unterscheidet sich von Variante I im Anfang dieses Kapitels, wo der Produktionspreis fällt bei gleichbleibender Rate der Produk- tivität, durch nichts als dass, wenn ein gegebnes Zusatzprodukt nöthig ist um den Boden A herauszuwerfen, dies hier rascher geschieht.
Sowohl bei der fallenden, wie der steigenden Produktivität der zusätzlichen Kapitalanlagen kann dies ungleich wirken, je nachdem die Anlagen auf die verschiednen Bodenarten vertheilt sind. Im Maß wie diese verschiedne Wirkung die Differenzen ausgleicht oder verschärft, wird die Differentialrente der bessern Bodenarten, und damit auch das Gesammtrental, fallen oder steigen, wie dieser Fall schon bei Differentialrente I vorkam. Im Uebrigen kommt alles an auf die Grösse der Bodenfläche und des Kapitals, die mit A hinausgeworfen sind, und auf den relativen Kapitalvorschuss, der bei der steigenden Produktivität nöthig ist, um das Zuschussprodukt zu liefern, das die Nachfrage decken soll.
Der einzige Punkt, den hier zu untersuchen der Mühe werth ist,
und der uns überhaupt zurückführt zur Untersuchung, wie sich dieser differentiale Profit in Differentialrente verwandelt, ist dieser:
Beim ersten Fall, wo der Produktionspreis derselbe bleibt, ist das auf Boden A etwa angelegte Zuschusskapital für die Differen- tialrente als solche gleichgültig, da Boden A nach wie vor keine Rente trägt, der Preis seines Produkts derselbe bleibt, und fort- fährt den Markt zu reguliren.
Im zweiten Fall, Variante I, wo der Produktionspreis fällt, bei gleichbleibender Rate der Produktivität, fällt Boden A nothwendig fort, und noch mehr in der Variante II (fallender Produktions- preis bei fallender Rate der Produktivität), da sonst das Zuschuss- kapital auf Boden A den Produktionspreis erhöhen müsste. Aber hier, in Variante III des zweiten Falls, wo der Produktionspreis fällt, weil die Produktivität des zuschüssigen Kapitals steigt, kann dies Zusatzkapital unter Umständen ebensowohl auf Boden A wie auf die bessern Bodenarten angelegt werden.
Wir wollen annehmen dass ein zuschüssiges Kapital von 2½ £, auf A angelegt, statt 1 qr. 1⅕ qr. producirt.
Tabelle VI.
Diese Tabelle ist zu vergleichen, ausser mit der Grundtabelle I, auch mit Tabelle II, wo die doppelte Kapitalanlage mit konstanter Produktivität, proportionell zur Kapitalanlage, verbunden ist.
Nach der Voraussetzung fällt der regulirende Produktionspreis. Bliebe er konstant, = 3 £, so würde der schlechteste, früher, bei Kapitalanlage von nur 2½ £, rentelose Boden A jetzt Rente ab- werfen, ohne dass schlechterer Boden in Bebauung gezogen wäre; und zwar dadurch, dass die Produktivität auf demselben sich ver- mehrt hätte, aber nur für einen Theil des Kapitals, nicht für das ursprüngliche. Die ersten 3 £ Produktionskosten bringen 1 qr.; die zweiten bringen 1⅕ qr.; das ganze Produkt von 2⅕ qr. wird aber jetzt zu seinem Durchschnittspreis verkauft. Da die Rate der
Produktivität wächst mit der zuschüssigen Kapitalanlage, schliesst diese eine Verbesserung ein. Diese mag darin bestehn, dass über- haupt mehr Kapital auf den Acre verwandt wird (mehr Dünger, mehr mechanische Arbeit etc.), oder auch darin, dass es überhaupt nur mit diesem zuschüssigen Kapital möglich wird, eine qualitativ verschiedne, produktivere Anlage des Kapitals zuwege zu bringen. In beiden Fällen ist mit Auslage von 5 £ Kapital per Acre ein Produkt von 2⅕ qr. erreicht worden, während mit der Kapital- anlage von der Hälfte, 2½ £, nur ein Produkt von 1 qr. Das Produkt des Bodens A könnte, von vorübergehenden Marktverhält- nissen abgesehn, nur fortfahren zu einem höhern Produktionspreis, statt zum neuen Durchschnittspreis verkauft zu werden, solange eine bedeutende Fläche der Bodenklasse A fortführe, mit einem Kapital von nur 2½ £ per Acre bewirthschaftet zu werden. So- bald aber das neue Verhältniss von 5 £ Kapital per Acre, und damit die verbesserte Wirthschaft, sich verallgemeinerte, müsste der regulirende Produktionspreis auf 2 £ herabsinken. Der Unter- schied zwischen den beiden Kapitalportionen würde fortfallen, und dann würde in der That ein Acre von A, der nur mit 2½ £ be- baut wäre, anormal, nicht den neuen Produktionsbedingungen ent- sprechend bebaut sein. Es wäre nicht mehr ein Unterschied zwischen dem Ertrag von verschiednen Portionen Kapital auf denselben Acre, sondern zwischen genügender und ungenügender Gesammtkapital- anlage per Acre. Man sieht daraus erstens, dass ungenügendes Kapital in der Hand einer grössren Anzahl Pächter (es muss eine grössre Anzahl sein, denn eine kleine wäre nur gezwungen unter ihrem Produktionspreis zu verkaufen) ganz so wirkt, wie Differen- zirung der Bodenarten selbst in absteigender Stufenfolge. Die schlechtre Kulturart auf schlechtrem Boden vermehrt die Rente auf dem bessern; sie kann sogar auf besser bebautem Boden von gleich schlechter Beschaffenheit eine Rente schaffen, die dieser sonst nicht abwirft. Man sieht zweitens, wie die Differentialrente, soweit sie aus successiver Kapitalanlage auf derselben Gesammtfläche ent- springt, in der Wirklichkeit sich in einen Durchschnitt auflöst, worin die Wirkungen der verschiednen Kapitalanlagen nicht mehr erkennbar und unterscheidbar sind, und daher auf dem schlechtesten Boden nicht Rente erzeugen, sondern 1) den Durchschnittspreis des Gesammtertrags, sage für einen Acre von A, zum neuen regu- lirenden Preis machen, und 2) sich darstellen als Wechsel in dem Gesammtquantum von Kapital per Acre, welches unter den neuen Bedingungen zur genügenden Bebauung des Bodens erheischt ist
und worin sowohl die einzelnen successiven Kapitalanlagen, wie ihre respektiven Wirkungen ununterscheidbar verschmolzen sind. Ebenso verhält es sich dann mit den einzelnen Differentialrenten der bessern Bodenarten. Sie werden in jedem Fall bestimmt durch die Differenz des Durchschnittsprodukts der betreffenden Bodenart, verglichen mit dem Produkt des schlechtesten Bodens, bei der er- höhten, jetzt normal gewordnen Kapitalanlage.
Kein Boden gibt irgend ein Produkt ohne Kapitalanlage. Also selbst bei der einfachen Differentialrente, der Differentialrente I; wenn es da heisst, dass 1 Acre von A, von dem den Produktions- preis regulirenden Boden, so und soviel Produkt zu dem und dem Preis gibt, und dass die bessern Bodenarten B, C, D soviel Diffe- rentialprodukt, und daher bei dem regulirenden Preis so und so- viel Geldrente geben, so ist immer unterstellt, dass ein bestimmtes, unter den gegebnen Produktionsbedingungen als normal betrachtetes Kapital angewandt wird. Ganz wie in der Industrie für jeden Ge- schäftszweig ein bestimmtes Minimum von Kapital erheischt ist, um die Waaren zu ihrem Produktionspreis herstellen zu können.
Aendert sich in Folge der mit Verbesserungen verknüpften, suc- cessiven Anlage von Kapital auf demselben Boden dies Minimum, so geschieht dies allmälig. Solange nicht eine gewisse Anzahl Acres z. B. von A dies zuschüssige Betriebskapital erhalten, wird Rente auf den besser bebauten Acres von A durch den konstant gebliebnen Produktionspreis erzeugt, und die Rente von allen bessern Bodenarten B, C, D erhöht. Sobald indess die neue Betriebsart sich soweit durchgesetzt hat, dass sie die normale geworden ist, fällt der Produktionspreis; die Rente der bessern Ländereien fällt wieder, und der Theil des Bodens A, der nicht das jetzt durch- schnittliche Betriebskapital besitzt, muss unter seinem individuellen Produktionspreis, also unter dem Durchschnittsprofit verkaufen.
Bei fallendem Produktionspreis tritt dies auch ein, selbst bei abnehmender Produktivität des Zuschusskapitals, sobald in Folge der vermehrten Kapitalanlage das nöthige Gesammtprodukt von den bessern Bodenarten geliefert, und also z. B. das Betriebskapital von A entzogen wird, A also nicht mehr bei der Produktion dieses bestimmten Produkts, z. B. von Weizen, konkurrirt. Das Kapital- quantum, das nun durchschnittlich auf den neuen regulirenden, bessern Boden B angewandt wird, gilt jetzt als normal; und wenn von der verschiednen Fruchtbarkeit der Ländereien gesprochen wird, ist unterstellt, dass dies neue Normalquantum Kapital per Acre verwandt wird.
Andrerseits ist klar, dass diese durchschnittliche Kapitalanlage, z. B. 8 £ per Acre in England vor, 12 £ nach 1848, beim Ab- schluss der Pachtkontrakte den Maßstab bildet. Für den Pächter, der mehr verausgabt, verwandelt sich der Surplusprofit während der Dauer des Kontrakts nicht in Rente. Ob dies geschieht nach Ablauf des Kontrakts, wird abhängen von der Konkurrenz der Pächter, die im Stande sind, denselben Extra-Vorschuss zu machen. Es ist hierbei nicht die Rede von permanenten Bodenverbesserungen, die bei gleicher oder selbst abnehmender Kapitalauslage fortfahren, das gesteigerte Produkt zu sichern. Diese, obgleich Produkt des Kapitals, wirken ganz wie natürliche Differentialbonität des Bodens.
Man sieht also, wie bei Differentialrente II ein Moment in Be- tracht kommt, das bei Differentialrente I als solcher sich nicht entwickelt, da diese fortbestehn kann unabhängig von jedem Wechsel der normalen Kapitalanlage per Acre. Es ist einerseits die Verwischung der Resultate verschiedner Kapitalanlagen auf dem regulirenden Boden A, deren Produkt nun einfach als nor- males Durchschnittsprodukt per Acre erscheint. Es ist anderseits der Wechsel im Normalminimum oder in der Durchschnittsgrösse der Kapitalauslage per Acre, sodass dieser Wechsel als Boden- eigenschaft sich darstellt. Es ist endlich der Unterschied in der Art der Verwandlung des Surplusprofits in die Form der Rente.
Die Tabelle VI zeigt nun ferner, verglichen mit Tabelle I und II, dass die Kornrente gegen I um mehr als das Doppelte, gegen II um 1⅕ qr. gestiegen ist; während die Geldrente gegen I sich verdoppelt, gegen II sich nicht verändert hat. Sie wäre bedeutend gewachsen, wenn entweder (bei sonst gleichen Voraussetzungen) der Kapitalzuschuss mehr auf die bessern Bodenarten gefallen, oder andrerseits die Wirkung des Kapitalzuschusses auf A geringer ge- wesen wäre, der regulirende Durchschnittspreis des qr. von A also höher stände.
Wirkte die Erhöhung der Fruchtbarkeit durch Kapitalzuschuss verschieden auf die verschiednen Bodenarten, so würde dies Aen- derung ihrer Differentialrenten hervorbringen.
Jedenfalls ist bewiesen, dass bei fallendem Produktionspreis in Folge steigender Rate der Produktivität zuschüssiger Kapitalan- lage — sobald also diese Produktivität in grösserm Verhältniss wächst als der Kapitalvorschuss — die Rente per Acre z. B. bei doppelter Kapitalanlage nicht nur sich verdoppeln, sondern sich mehr als verdoppeln kann. Sie kann aber auch fallen, wenn in
Folge rascher wachsender Produktivität auf Boden A der Produk- tionspreis viel niedriger fiele.
Nehmen wir an, dass die zusätzlichen Kapitalanlagen z. B. auf B und C die Produktivität nicht in demselben Verhältniss ver- mehrten wie auf A, sodass für B und C die proportionellen Diffe- renzen abnähmen, und das Wachsthum des Produkts nicht den sinkenden Preis ausgliche, so würde, gegen den Fall von Tabelle II, die Rente auf D steigen, auf B und C fallen.
Tabelle VI, a.
Endlich stiege die Geldrente, wenn auf den bessern Ländereien bei derselben proportionellen Steigerung der Fruchtbarkeit mehr Zusatzkapital angelegt würde als auf A, oder wenn die zusätz- lichen Kapitalanlagen auf den bessern Ländereien mit steigender Rate der Produktivität wirkten. In beiden Fällen würden die Diffe- renzen wachsen.
Die Geldrente fällt, wenn die Verbesserung in Folge zuschüssiger Kapitalanlage die Differenzen insgesammt oder zum Theil ver- mindert, mehr auf A wirkt als auf B und C. Sie fällt um so mehr, je geringer die Erhöhung der Produktivität der besten Ländereien. Es hängt von der Proportion der Ungleichheit in der Wirkung ab, ob die Kornrente steigt, fällt oder stationär bleibt.
Die Geldrente steigt, und die Kornrente ebenfalls, wenn ent- weder bei gleichbleibender proportioneller Differenz in der zu- schüssigen Fruchtbarkeit der verschiednen Bodenarten mehr Kapital auf den Rente tragenden Boden zugesetzt wird als auf den rente- losen A, und mehr auf den Boden hoher, als auf den niedriger Rente, oder wenn die Fruchtbarkeit, bei gleichem Zuschusskapital, auf dem bessern und besten Boden mehr wächst als auf A, und zwar im Verhältniss wie diese Zunahme der Fruchtbarkeit in den höhern Bodenklassen höher ist als in den niedern.
Unter allen Umständen aber steigt die Rente relativ, wenn die erhöhte Produktivkraft Folge eines Kapitalzuschusses ist, und nicht Folge einfach erhöhter Fruchtbarkeit bei konstanter Kapitalanlage. Dies ist der absolute Gesichtspunkt, der zeigt, dass hier, wie bei allen frühern Fällen, die Rente, und die erhöhte Rente per Acre (wie bei Differentialrente I auf die ganze bebaute Fläche — die Höhe des Durchschnittsrentals) Folge vermehrter Kapitalanlage auf den Boden ist, ob diese nun mit konstanter Rate der Produk- tivität bei konstanten, oder fallenden Preisen, oder mit abnehmender Rate der Produktivität bei konstanten oder fallenden Preisen, oder mit steigender Rate der Produktivität bei fallenden Preisen fungirt. Denn unsre Annahme: konstanter Preis mit konstanter, fallender oder steigender Rate der Produktivität des zuschüssigen Kapitals, und fallender Preis mit konstanter, fallender, und steigender Rate der Produktivität, löst sich auf in: konstante Rate der Produktivität des Zuschusskapitals bei konstantem oder fallenden Preis, fallende Rate der Produktivität bei konstantem oder fallendem Preis, stei- gende Rate der Produktivität mit konstantem und fallenden Preis. Obgleich in allen diesen Fällen die Rente stationär bleiben und fallen kann, würde sie tiefer fallen, wenn die zuschüssige Anwen- dung des Kapitals, bei sonst gleichbleibenden Umständen, nicht Bedingung der erhöhten Fruchtbarkeit wäre. Der Kapitalzuschuss ist dann immer die Ursache der relativen Höhe der Rente, obgleich sie absolut gefallen.
[Steigender Produktionspreis setzt voraus, dass die Produktivität der geringsten, keine Rente zahlenden Bodenqualität abnimmt. Nur wenn die auf A gelegten 2½ £ weniger als 1 qr., oder die 5 £ weniger als 2 qrs. produziren, oder wenn ein noch schlechterer Boden als A in Bebauung genommen werden muss, kann der als regulirend angenommene Produktionspreis über 3 £ per qr. steigen.
Bei gleichbleibender oder gar steigender Produktivität der zwei- ten Kapitalanlage wäre dies nur möglich, wenn die Produktivität der ersten Kapitalanlage von 2½ £ abgenommen hätte. Dieser Fall kommt oft genug vor. Z. B. wenn bei oberflächlichem Pflügen die erschöpfte obere Ackerkrume bei der alten Bewirthschaftung ab- nehmende Erträge gibt, und dann der durch tieferes Pflügen empor- geworfne Untergrund unter rationeller Behandlung wieder höhere
Erträge als früher liefert. Aber dieser Specialfall gehört, genau genommen, nicht hierher. Das Fallen der Produktivität der ersten Kapitalanlage von 2½ £ bedingt für die bessern Bodenarten, selbst wenn dort die Verhältnisse analog angenommen werden, ein Fallen der Differentialrente I; hier aber betrachten wir nur die Differen- tialrente II. Da aber der vorliegende Specialfall nicht vorkommen kann, ohne dass die Differentialrente II bereits als bestehend vor- ausgesetzt wird, und in der That die Rückwirkung einer Modifi- kation von Differentialrente I auf II darstellt, geben wir ein Bei- spiel davon.
Tabelle VII.
Die Geldrente, wie der Geldertrag, sind dieselben wie in Tabelle II. Der gestiegne regulirende Produktionspreis ersetzt genau, was an der Quantität des Produkts ausgefallen ist; da beide in umge- kehrtem Verhältniss variiren, ist selbstverständlich, dass das Pro- dukt beider dasselbe bleibt.
Im obigen Fall war angenommen, dass die Produktivkraft der zweiten Kapitalanlage höher sei als die ursprüngliche Produk- tivität der ersten Anlage. Die Sache bleibt sich gleich, wenn wir für die zweite Anlage nur dieselbe Produktivität ansetzen, die der ersten ursprünglich zukam, wie in folgender Tabelle VIII.
Auch hier bedingt der in demselben Verhältniss steigende Pro- duktionspreis, dass die Abnahme in der Produktivität für Ertrag wie Geldrente voll aufgewogen wird.
Rein tritt der dritte Fall nur hervor bei fallender Produktivität der zweiten Kapitalanlage, während die der ersten, wie dies für den ersten und zweiten Fall überall angenommen, konstant bleibt. Hier wird Differentialrente I nicht berührt, die Veränderung findet nur statt mit dem aus der Differentialrente II entspringenden An- theil. Wir geben zwei Beispiele; im ersten sei die Produktivität der zweiten Kapitalanlage auf ½, in der zweiten auf ¼ reducirt.
Tabelle IX.
Tabelle IX ist dieselbe wie Tabelle VIII, nur dass die Abnahme der Produktivität in VIII auf die erste, in IX auf die zweite Kapi- talanlage fällt.
Tabelle X.
Auch in dieser Tabelle bleiben Gesammtertrag, Geldrental und Rentrate dieselben wie in Tabelle II, VII und VIII, weil abermals Produkt und Verkaufspreis im umgekehrten Verhältniss variirt haben, die Kapitalanlage aber dieselbe geblieben ist.
Wie steht es aber in dem andern, bei steigendem Produktions- preis möglichen Fall, nämlich wenn ein bisher die Bebauung nicht lohnender, geringrer Boden nun in Bebauung genommen wird?
Nehmen wir an, ein solcher Boden, den wir mit a bezeichnen wollen, käme in Konkurrenz. Dann würde der bisher rentelose Boden A eine Rente abwerfen, und die obigen Tabellen VII, VIII und X würden dann folgende Gestalt annehmen:
Tabelle VII, a.
Durch die Einschiebung von Boden a entsteht eine neue Diffe- rentialrente I; auf dieser neuen Grundlage entwickelt sich dann die Differentialrente II ebenfalls in veränderter Gestalt. Der Boden a
hat in jeder der drei obigen Tabellen eine verschiedne Fruchtbar- keit; die Reihe der proportionell steigenden Fruchtbarkeiten be- ginnt erst mit A. Demgemäß verhält sich auch die Reihe der steigenden Renten. Die Rente des schlechtesten rentetragenden, früher rentelosen Bodens bildet eine Konstante, die allen höheren Renten einfach zuaddirt wird; erst nach Abzug dieser Konstanten tritt bei den höheren Renten die Reihe der Differenzen klar her- vor, und ihr Parallelismus mit der Fruchtbarkeitsreihe der Boden- arten. In allen Tabellen verhalten sich die Fruchtbarkeiten, von A bis D, wie 1 : 2 : 3 : 4, und dementsprechend die Renten: in VIIa, wie 1 : 1 + 7 : 1 + 2 × 7 : 1 + 3 × 7, in VIIIa, wie 1⅕ : 1⅕ + 7⅕ : 1⅕ + 2 × 7⅕ : 1⅕ + 3 × 7⅕, in Xa, wie ⅔ : ⅔ + 6⅔ : ⅔ + 2 × 6⅔ : ⅔ + 3 × 6⅔. Kurz: ist die Rente von A = n, und die Rente des Bodens von nächst höherer Fruchtbarkeit = n + m, so ist die Reihe: wie n : n + m : n + 2m : n + 3m u. s. w. — F. E.]
[Da der obige dritte Fall im Manuskript nicht ausgearbeitet war — es steht nur der Titel da — so blieb es Aufgabe des Her- ausgebers, dies wie vorstehend so gut es ging zu ergänzen. Es bleibt ihm aber auch noch übrig, aus der ganzen bisherigen Unter- suchung der Differentialrente II in ihren drei Hauptfällen und neun Unterfällen die sich ergebenden allgemeinen Schlüsse zu ziehn. Für diesen Zweck aber passen die im Manuskript gegebnen Bei- spiele nur wenig. Sie nehmen erstens Bodenstücke in Vergleich, deren Erträge, für gleichgrosse Flächen, sich verhalten wie 1 : 2 : 3 : 4; also Unterschiede, die schon von vorn herein stark über- treiben, und die im Verlauf der sich auf dieser Grundlage ent- wickelnden Annahmen und Berechnungen zu vollständig gewalt- samen Zahlenverhältnissen führen. Zweitens aber erwecken sie einen durchaus falschen Schein. Wenn für Fruchtbarkeitsgrade, die sich verhalten wie 1 : 2 : 3 : 4 etc., sich Renten ergeben von der Reihe 0 : 1 : 2 : 3 etc., so fühlt man sich sofort versucht, die zweite Reihe aus der ersten abzuleiten, und die Verdopplung, Ver- dreifachung etc. der Renten aus der Verdopplung, Verdreifachung u. s. w. der Gesammterträge zu erklären. Dies wäre aber durch- aus unrichtig. Die Renten verhalten sich wie 0 : 1 : 2 : 3 : 4 auch dann, wenn sich die Fruchtsbarkeitsgrade verhalten wie n : n + 1 : n + 2 : n + 3 : n + 4; die Renten verhalten sich nicht wie die Fruchtbarkeitsgrade, sondern wie die Fruchtbarkeitsunter- schiede, von dem rentelosen Boden als dem Nullpunkt an gerechnet.
Die Tabellen des Originals mussten zur Erklärung des Textes gegeben werden. Um aber für die unten folgenden Resultate der Untersuchung eine anschauliche Grundlage zu erhalten, gebe ich in Folgendem eine neue Reihe von Tabellen, worin die Erträge in Bushels (⅛ Quarter oder 36.35 Liter) und Schillingen (= Mark) angegeben sind.
Die erste Tabelle (XI) entspricht der früheren Tabelle I. Sie gibt die Erträge und Renten für fünf Bodenqualitäten A—E, bei einer ersten Kapitalanlage von 50 sh., was mit 10 sh. Profit = 60 sh. Gesammt-Produktionskosten per Acre ausmacht. Die Korn- erträge sind niedrig angesetzt: 10, 12, 14, 16, 18 Bushels per Acre. Der sich ergebende regulirende Produktionspreis ist 6 sh. per Bushel.
Die folgenden 13 Tabellen entsprechen den in diesem und den beiden vorigen Kapiteln behandelten drei Fällen der Differential- rente II, bei einer zusätzlichen Kapitalanlage auf demselben Boden von 50 sh. per Acre, bei konstantem, fallendem und steigen- dem Produktionspreis. Jeder dieser Fälle wird wieder dargestellt, wie er sich gestaltet 1) bei gleichbleibender, 2) bei fallender, 3) bei steigender Produktivität der zweiten Kapitalanlage gegenüber der ersten. Dabei ergeben sich einige noch besonders zu veranschau- lichende Varianten.
Bei Fall I: konstanter Produktionspreis, haben wir:
Bei Fall II: Fallender Produktionspreis, haben wir:
Bei Fall III: Steigender Produktionspreis, sind zwei Modalitäten möglich; Boden A kann rentelos und preisregulirend bleiben, oder aber, es tritt eine geringere Bodenqualität als A in Konkurrenz und regulirt den Preis, wobei A dann Rente abwirft.
Erste Modalität: Boden A bleibt regulirend.
Zweite Modalität: Eine geringere (mit a bezeichnete) Bodenqua- lität tritt in Konkurrenz; Boden A wirft Rente ab.
Diese drei Varianten gehn unter den allgemeinen Bedingungen des Problems vor sich und geben zu keinen Bemerkungen Anlass.
Wir lassen jetzt die Tabellen folgen.
Tabelle XI.
Bei zweiter Kapitalanlage auf denselben Boden.
Erster Fall : Bei konstant bleibendem Produktionspreis.
Tabelle XII.
1) Wenn Boden B rentelos wird.
Tabelle XIII.
2) Wenn Boden B nicht ganz rentelos wird.
Tabelle XIV.
Tabelle XV.
Zweiter Fall: Bei fallendem Produktionspreis.
Tabelle XVI.
Tabelle XVII.
Tabelle XVIII.
Dritter Fall: Bei steigendem Produktionspreis.
A. Wenn Boden A rentelos und preisregulirend bleibt.
Tabelle XIX.
Tabelle XX.
Tabelle XXI.
B. Wenn ein geringerer (mit a bezeichneter) Boden preisregu- lirend wird und Boden A demnach Rente abwirft. Dies lässt für alle Varianten gleichbleibende Produktivität der zweiten Anlage zu. Variante 1: Gleichbleibende Produktivität der zweiten Kapitalanlage.
Tabelle XXII.
Tabelle XXIII.
Tabelle XXIV.
Diese Tabellen ergeben nun folgendes.
Zunächst, dass die Reihe der Renten sich genau verhält wie die Reihe der Fruchtbarkeitsunterschiede, den rentelosen, regulirenden Boden als Nullpunkt genommen. Nicht die absoluten Erträge, sondern nur die Ertragsdifferenzen sind für die Rente bestimmend. Ob die verschiednen Bodenarten 1, 2, 3, 4, 5 Bushel, ob sie 11, 12, 13, 14, 15 Bushel per Acre Ertrag liefern, die Renten sind in beiden Fällen, der Reihe nach, 0, 1, 2, 3, 4 Bushel, resp. deren Geldertrag.
Weit wichtiger aber ist das Resultat in Beziehung auf die Ge- sammt-Rentenerträge bei wiederholter Kapitalanlage auf demselben Boden.
In fünf Fällen aus den untersuchten dreizehn verdoppelt sich mit der Kapitalanlage auch die Gesammtsumme der Renten; statt 10 × 12 sh. wird sie 10 × 24 sh. = 240 sh. Diese Fälle sind:
Fall I, konstanter Preis, Variante I: gleichbleibende Produktions- steigerung (Tabelle XII).
Fall II, fallender Preis, Variante III: wachsende Produktions- steigerung (Tabelle XVIII).
Fall III, steigender Preis, erste Modalität, wo Boden A regu- lirend bleibt, in allen drei Varianten (Tabelle XIX, XX, XXI).
In vier Fällen steigt die Rente um mehr als das doppelte, nämlich:
Fall I, Variante III, konstanter Preis, aber wachsende Produk- tionssteigerung (Tabelle XV). Die Rentensumme steigt auf 330 sh
Fall III, zweite Modalität, wo Boden A Rente abwirft, in allen drei Varianten (Tabelle XXII, Rente = 15 × 30 = 450 sh.; Tab. XXIII Rente = 5 × 20 + 10 × 28 = 380 sh.; Tabelle XXIV, Rente = 5 × 15 + 15 × 33¾ = 581¼ sh.
In einem Fall steigt sie, aber nicht auf den doppelten Betrag der bei der ersten Kapitalanlage abfallenden Rente:
Fall I, konstanter Preis, Variante II: fallende Produktivität der zweiten Anlage, unter Bedingungen wo B nicht ganz rentelos wird (Tabelle XIV, Rente = 4 × 6 + 6 × 21 = 150 sh.
Endlich, nur in drei Fällen bleibt die Gesammtrente bei zweiter Kapitalanlage, für alle Bodenarten zusammen, auf demselben Stand wie bei der ersten Anlage (Tabelle XI); es sind dies die Fälle wo Boden A ausser Konkurrenz gesetzt und Boden B regulirend und damit rentelos wird. Die Rente für B fällt also nicht nur weg, sie wird auch von jedem folgenden Glied der Rentenreihe abgezogen; da- durch ist das Ergebniss bedingt. Diese Fälle sind:
Fall I, Variante II, wenn die Bedingungen der Art sind, dass Boden A ausfällt. (Tabelle XIII.) Die Rentensumme ist 6 × 20, also = 10 × 12 = 120 wie in Tabelle XI.
Fall II, Variante I und II. Hier fällt Boden A nach den Vor- aussetzungen nothwendig aus (Tabelle XVI und XVII) und die Rentensumme ist wieder 6 × 20 = 10 × 12 = 120 sh.
Dies heisst also: in der grossen Mehrzahl aller möglichen Fälle steigt die Rente, sowohl per Acre des rentetragenden Bodens, wie namentlich in ihrer Gesammtsumme, in Folge vermehrter Kapital- anlage auf den Boden. Nur in 3 Fällen aus dreizehn untersuchten bleibt ihre Gesammtsumme unverändert. Es sind dies die Fälle, wo die niedrigste, bisher rentelose und regulirende Bodenqualität ausser Konkurrenz und die nächsthöhere an ihre Stelle tritt, also rentelos wird. Aber auch in diesen Fällen steigen die Renten auf den besten Bodenarten gegen die der ersten Kapitalanlage ge- schuldeten; wenn die Rente für C von 24 auf 20 fällt, so steigt die für D und E von 36 und 48 auf 40 und 60 sh.
Ein Fall der Gesammtrenten unter den Stand bei erster Kapital- anlage (Tab. XI) wäre nur möglich, wenn ausser Boden A auch Boden B aus der Konkurrenz schiede, und Boden C regulirend und rente- los würde.
Je mehr Kapital also auf den Boden verwandt wird, je höher die Entwicklung des Ackerbaus und der Civilisation überhaupt in einem Lande steht, desto höher steigen die Renten per Acre so- wohl wie die Gesammtsumme der Renten, desto riesiger wird der Tribut, den die Gesellschaft den Grossgrundbesitzern in der Gestalt von Surplusprofiten zahlt — solange die einmal in Bebauung ge- nommenen Bodenarten alle konkurrenzfähig bleiben.
Dies Gesetz erklärt die wunderbare Lebenszähigkeit der Klasse
der grossen Grundbesitzer. Keine Gesellschaftsklasse lebt so ver- schwenderisch, keine nimmt so, wie diese, ein Recht auf einen her- gebrachten „standesgemäßen“ Luxus in Anspruch, einerlei woher das Geld dazu kommt, keine häuft so leichten Herzens Schulden über Schulden auf. Und doch fällt sie immer wieder auf die Füsse — Dank dem in den Boden gesteckten Kapital andrer Leute, das ihr Renten einträgt, ganz ausser allem Verhältniss zu den Profiten, die der Kapitalist daraus zieht.
Dasselbe Gesetz erklärt aber auch, warum diese Lebenszähigkeit des grossen Grundbesitzers allmälig sich erschöpft.
Als die englischen Kornzölle 1846 abgeschafft wurden, glaubten die englischen Fabrikanten, sie hätten dadurch die grundbesitzende Aristokratie in Paupers verwandelt. Statt dessen wurde sie reicher als je vorher. Wie ging das zu? Sehr einfach. Erstens wurde von nun an von den Pächtern kontraktlich verlangt, dass sie 12 £ statt 8 £ jährlich auf den Acre auslegen sollten, und zweitens bewilligten sich die auch im Unterhaus sehr zahlreich ver- tretnen Grundherrn eine starke Staatssubvention zur Drainirung und sonstigen permanenten Verbesserung ihrer Ländereien. Da keine totale Verdrängung des schlechtesten Bodens stattfand, son- dern höchstens eine, auch meist nur zeitweilige, Verwendung zu andern Zwecken, stiegen die Renten im Verhältniss der gesteigerten Kapitalanlage, und die Grundaristokratie war besser daran als je vorher.
Aber alles ist vergänglich. Die transoceanischen Dampfschiffe und die nord- und südamerikanischen und indischen Eisenbahnen brachten ganz eigenthümliche Landstrecken in die Lage, auf den europäischen Kornmärkten zu konkurriren. Da waren einerseits die nordamerikanischen Prairien, die argentinischen Pampas, Steppen, von der Natur selbst urbar gemacht für den Pflug, jungfräulicher Boden, der auf Jahre hinaus selbst bei primitiver Kultur und ohne Dünger reichliche Erträge bot. Und da waren die Ländereien der russischen und indischen kommunistischen Gemeinwesen, die einen Theil ihres Produkts, und zwar einen stets wachsenden, verkaufen mussten, um Geld zu erhalten für die Steuern, die der erbarmungs- lose Despotismus des Staats ihnen abzwang — oft genug durch Tortur. Diese Produkte wurden verkauft ohne Rücksicht auf die Produktionskosten, verkauft für den Preis den der Händler bot, weil der Bauer absolut Geld haben musste zum Zahlungstermin. Und gegen diese Konkurrenz — des jungfräulichen Steppenbodens wie des unter der Steuerschraube erliegenden russischen und in-
dischen Bauern — konnte der europäische Pächter und Bauer bei den alten Renten nicht aufkommen. Ein Theil des Bodens in Europa kam definitiv für den Kornbau ausser Konkurrenz, die Renten fielen überall, unser zweiter Fall, Variante II: fallender Preis und fallende Produktivität der zusätzlichen Kapitalanlagen, wurde die Regel für Europa, und daher der Agrarierjammer von Schottland bis Italien und von Südfrankreich bis nach Ost- preussen. Glücklicher Weise ist noch lange nicht alles Steppen- land in Bebauung genommen; es ist noch übrig genug vorhanden um den ganzen europäischen grossen Grundbesitz zu ruiniren und den kleinen obendrein. — F. E.]
Die Rubriken, worunter die Rente zu behandeln, sind diese:
Als allgemeines Resultat bei der Betrachtung der Differential- rente überhaupt ergibt sich:
Erstens: Die Bildung von Surplusprofiten kann auf verschiednen Wegen erfolgen. Einerseits auf Basis der Differentialrente I, d. h. auf Basis der Anlage des gesammten Agrikulturkapitals auf einer Bodenfläche, welche aus Bodenarten verschiedner Fruchtbarkeit be- steht. Ferner als Differentialrente II, auf Basis der verschiednen Differentialproduktivität successiver Kapitalanlagen auf demselben Boden, d. h. hier grössrer Produktivität, z. B. in qrs. Weizen, als mit derselben Kapitalanlage auf dem geringsten, rentelosen, aber den Produktionspreis regulirenden Boden bewirkt wird. Wie diese
Surplusprofite aber auch entstehn mögen, ihre Verwandlung in Rente, also ihre Uebertragung vom Pächter auf den Grundeigen- thümer, setzt als vorausgehende Bedingung stets voraus, dass die verschiednen wirklichen individuellen Produktionspreise (d. h. unab- hängig von dem allgemeinen, den Markt regulirenden Produktions- preis) welche die Theilprodukte der einzelnen successiven Kapital- anlagen besitzen, vorher zu einem individuellen Durchschnittspro- duktionspreis ausgeglichen werden. Der Ueberschuss des allgemeinen, regulirenden Produktionspreises des Produkts eines Acre über diesen seinen individuellen Durchschnittsproduktionspreis bildet und misst die Rente per Acre. Bei Differentialrente I sind die Differential- resultate an und für sich unterscheidbar, weil sie auf unterschiednem, ausser und nebeneinander liegenden Bodentheilen, bei einer als normal angenommenen Kapitalauslage per Acre und ihr entspre- chender Normalbebauung stattfinden. Bei der Differentialrente II müssen sie erst unterscheidbar gemacht werden; sie müssen in der That in die Differentialrente I rückverwandelt werden und dies kann nur in der angegebnen Weise geschehn. Nehmen wir z. B. die Tabelle III, S. 226.
Boden B gibt für die erste Kapitalanlage von 2½ £ 2 qrs. per Acre, und für die zweite gleich grosse, 1½ qrs.; zusammen 3½ qrs auf demselben Acre. Es ist diesen 3½ qrs., die auf demselben Boden gewachsen, nicht anzusehn, was davon Produkt der Kapital- anlage I und was der Kapitalanlage II ist. Sie sind in der That das Produkt des Gesammtkapitals von 5 £; und die wirkliche Thatsache ist nur die, dass ein Kapital von 2½ £ 2 qrs. ergab, und eins von 5 £ nicht 4 sondern 3½. Der Fall wäre ganz der- selbe, wenn die 5 £ 4 qrs. ergäben, so dass die Erträge beider Kapitalanlagen gleich wären, oder auch 5 qrs., sodass die zweite Kapitalanlage einen Ueberschuss von 1 qr. ergeben würde. Der Produktionspreis der ersten 2 qrs. ist 1½ £ per qr., und der der zweiten 1½ qr. ist 2 £ per qr. Die 3½ qrs. zusammen kosten daher 6 £. Dies ist der individuelle Produktionspreis des Ge- sammtprodukts, und macht im Durchschnitt 1 £ 14 sh. per qr., sage rund 1¾ £. Bei dem durch den Boden A bestimmten all- gemeinen Produktionspreis von 3 £ gibt dies einen Surplusprofit von 1¼ £ per qr., und also für 3½ qrs. zusammen 4⅜ £. Bei dem Durchschnittsproduktionspreis von B stellt sich dies dar in rund 1½ qrs. Der Surplusprofit von B stellt sich also dar in einem aliquoten Theil des Produkts von B, den 1½ qrs., die die Rente in Korn ausgedrückt bilden, und die sich nach dem allge-
meinen Produktionspreis zu 4½ £ verkaufen. Aber umgekehrt ist das überschüssige Produkt eines Acre von B über das eines Acre von A nicht ohne weitres Darstellung von Surplusprofit, und daher Surplusprodukt. Nach der Voraussetzung producirt der Acre B 3½ qrs., der Acre A nur 1 qr. Das überschüssige Produkt auf B ist also 2½ qrs., aber das Surplusprodukt ist nur 1½ qrs.; denn auf B ist das doppelte Kapital angelegt wie auf A, und da- her sind die Produktionskosten hier doppelt. Fände auf A eben- falls Anlage von 5 £ statt, und die Rate der Produktivität bliebe gleich, so wäre das Produkt 2 qrs. statt 1, und es würde sich so zeigen, dass das wirkliche Surplusprodukt gefunden wird durch Vergleichung, nicht von 3½ und 1, sondern von 3½ und 2; dass es also nicht 2½ sondern nur 1½ qr. ist. Ferner aber, wenn B eine dritte Portion Kapital von 2½ £ anlegte, die nur 1 qr. er- gäbe, also dieses qr. 3 £ kostete, wie auf A, so würde dessen Verkaufspreis von 3 £ nur die Produktionskosten decken, nur den Durchschnittsprofit abwerfen aber keinen Surplusprofit, also auch nichts, was sich in Rente verwandeln könnte. Das Produkt per Acre einer beliebigen Bodenart, mit dem Produkt per Acre des Bodens A verglichen, zeigt weder an, ob es das Produkt gleicher Kapitalanlage oder grössrer ist, noch ob das zuschüssige Produkt nur den Produktionspreis deckt, oder ob es höherer Produktivität des zuschüssigen Kapitals geschuldet ist.
Zweitens: Bei abnehmender Rate der Produktivität der zu- schüssigen Kapitalanlagen, deren Grenze, soweit die Neubildung von Surplusprofit in Betracht kommt, diejenige Kapitalanlage ist, die nur die Produktionskosten deckt, d. h. die das qr. so theuer producirt wie dieselbe Kapitalanlage auf einem Acre des Bodens A, also nach der Voraussetzung zu 3 £, folgt aus dem eben Entwickelten: dass die Grenze, wo die Gesammtkapitalanlage auf den Acre von B keine Rente mehr bilden würde, die ist, wo der individuelle Durchschnittsproduktionspreis des Produkts per Acre von B auf den Produktionspreis per Acre von A steigen würde.
Wenn B nur Kapitalanlagen zusetzt, die den Produktionspreis zahlen, also keinen Surplusprofit, also keine neue Rente bilden, so erhöht dies zwar den individuellen Durchschnittsproduktionspreis per qr., afficirt aber nicht den von den frühern Kapitalanlagen gebildeten Surplusprofit, eventuell die Rente. Denn der Durch- schnittsproduktionspreis bleibt immer unter dem von A, und wenn der Preisüberschuss per qr. abnimmt, so nimmt die Zahl der qrs.
im selben Verhältniss zu, sodass der Gesammtüberschuss des Preises konstant bleibt.
Im angenommenen Fall produciren die zwei ersten Kapitalanlagen von 5 £ auf B 3½ qrs., also nach der Voraussetzung 1½ qrs. Rente = 4½ £. Kommt eine dritte Kapitalanlage von 2½ £ hinzu, die aber nur ein zuschüssiges qr. producirt, so ist der Ge- sammtproduktionspreis (incl. 20 % Profit) der 4½ qrs. = 9 £; also der Durchschnittspreis per qr. = 2 £. Der Durchschnitts- produktionspreis per qr. auf B ist also gestiegen von 1 £ auf 2 £, der Surplusprofit per qr., verglichen mit dem regulirenden Preis von A, also gefallen von 1 £ auf 1 £. Aber 1 × 4½ = 4½ £, ganz wie früher 1 × 3½ = 4½ £.
Nehmen wir an, dass noch eine vierte und fünfte zuschüssige Kapitalanlage von je 2½ £ auf B gemacht würde, die das qr. nur zu seinem allgemeinen Produktionspreis producirte, so wäre das Gesammtprodukt per Acre jetzt 6½ qrs., und deren Produk- tionskosten 15 £. Der durchschnittliche Produktionspreis per qr. für B wäre wieder gestiegen von 1 £ auf 2 £, und der Sur- plusprofit per qr., verglichen mit dem regulirenden Produktions- preis von A, wäre wieder gefallen von 1 £ auf £. Aber diese £ wären nun zu berechnen auf 6½ qrs. statt auf 4½. Und × 6½ = 1 × 4½ = 4½ £.
Es folgt daraus zunächst, dass unter diesen Umständen keine Erhöhung des regulirenden Produktionspreises nöthig ist, um zu- schüssige Kapitalanlagen auf den Rente tragenden Bodenarten zu ermöglichen selbst bis zu dem Grad, wo das Zusatzkapital ganz aufhört, Surplusprofit zu liefern, und nur noch den Durchschnitts- profit abwirft. Es folgt ferner, dass hier die Summe des Surplus- profits per Acre dieselbe bleibt, wie sehr immer der Surplusprofit per qr. abnehme; diese Abnahme wird stets ausgeglichen durch ent- sprechende Zunahme der per Acre producirten qrs. Damit der durchschnittliche Produktionspreis auf den allgemeinen Produk- tionspreis sich erhebe (also hier auf 3 £ steige für Boden B) müssten Kapitalzusätze gemacht werden, deren Produkt einen höhern Produktionspreis hat als den regulirenden von 3 £. Aber man wird sehn, dass selbst dies nicht ohne weiteres hinreicht, um den Durchschnittsproduktionspreis per qr. für B auf den allgemeinen Produktionspreis von 3 £ hinaufzutreiben.
Nehmen wir an, es wären auf Boden B producirt worden:
1) 3½ qrs. wie vorhin zu 6 £ Produktionspreis; also zwei
Kapitalanlagen von je 2½ £, die beide Surplusprofite bilden, aber von abnehmender Höhe.
2) 1 qr. zu 3 £; eine Kapitalanlage, wo der individuelle Pro- duktionspreis gleich wäre dem regulirenden Produktionspreis.
3) 1 qr. zu 4 £; eine Kapitalanlage, wo der individuelle Pro- duktionspreis 25 % höher ist als der regulirende Preis.
Wir hätten dann 5½ qrs. per Acre zu 13 £, bei einer Kapital- anlage von 10 £; vier Mal die ursprüngliche Kapitalanlage, aber noch nicht drei Mal das Produkt der ersten Kapitalanlage.
5½ qrs. zu 13 £ gibt 2 £ Durchschnittsproduktionpreis per qr., also beim regulirenden Produktionspreis von 3 £ einen Ueberschuss von £ per qr., der sich in Rente verwandeln kann. 5½ qrs. zum Verkauf zum regulirenden Preis von 3 £ geben 16½ £. Nach Abzug der Produktionskosten von 13 £ bleiben 3½ £ Surplusprofit oder Rente, die zum jetzigen Durch- schnittsproduktionspreis des qrs. für B, also zu 2 £ per qr. berechnet, 1 qr. repräsentiren. Die Geldrente wäre um 1 £ gefallen, die Kornrente um ungefähr ½ qr., aber trotzdem, dass die vierte zuschüssige Kapitalanlage auf B nicht nur keinen Sur- plusprofit, sondern weniger als den Durchschnittsprofit producirt, existirt nach wie vor Surplusprofit und Rente. Nehmen wir an, dass ausser der Kapitalanlage 3) auch die unter 2) über dem regulirenden Produktionspreis producirt, so ist die Gesammtproduk- tion; 3½ qrs. zu 6 £ + 2 qrs. zu 8 £, zusammen 5½ qrs. zu 14 £ Produktionskosten. Der Durchschnittsproduktionspreis per qr. wäre 2 £ und liesse einen Ueberschuss von £. Die 5½ qrs., verkauft zu 3 £, ergeben 16½ £; davon ab die 14 £ Produktionskosten, lässt 2½ £ für Rente. Dies gäbe beim jetzigen durchschnittlichen Produktionspreis auf B qr. Es fällt also noch immer Rente ab, obwohl weniger als vorher.
Es zeigt uns dies jedenfalls, dass auf den bessern Ländereien mit zusätzlichen Kapitalanlagen, deren Produkt mehr kostet als der regulirende Produktionspreis, die Rente, wenigstens innerhalb der Grenzen der zulässigen Praxis, nicht verschwinden, sondern nur abnehmen muss, und zwar im Verhältniss, einerseits des ali- quoten Theils, den dieses unfruchtbarere Kapital von der gesamm- ten Kapitalauslage bildet, andrerseits der Abnahme seiner Frucht- barkeit. Der Durchschnittspreis seines Produkts stände immer noch unter dem regulirenden Preis, und liesse daher immer noch einen, in Rente verwandelbaren Surplusprofit.
Nehmen wir nun an, dass der Durchschnittspreis des qr. von B
zusammenfällt mit dem allgemeinen Produktionspreis, in Folge von vier successiven Kapitalanlagen (2½, 2½, 5 und 5 £) mit ab- nehmender Produktivität.
Der Pächter verkauft hier jedes qr. zu seinem individuellen Produktionspreis, und daher die Gesammtzahl der qrs. zu ihrem Durchschnittsproduktionspreis per qr., der mit dem regulirenden Preis von 3 £ zusammenfällt. Er macht daher auf sein Kapital von 15 £ nach wie vor einen Profit von 20 % = 3 £. Aber die Rente ist verschwunden. Wo ist der Ueberschuss hingekom- kommen bei dieser Ausgleichung der individuellen Produktions- preise jedes qr. mit dem allgemeinen Produktionspreis?
Der Surplusprofit auf die ersten 2½ £ war 3 £; auf die zwei- ten 2½ £ war er 1½ £; zusammen Surplusprofit auf ⅓ des vorgeschossnen Kapitals, also auf 5 £ = 4½ £ = 90 %.
Bei Kapitalanlage 3) geben 5 £ nicht nur keinen Surplusprofit, sondern ihr Produkt von 1½ qr., zum allgemeinen Produktions- preis verkauft, gibt ein Minus von 1½ £. Endlich bei Kapital- anlage 4) von ebenfalls 5 £ gibt ihr Produkt von 1 qr., zum allgemeinen Produktionspreis verkauft, ein Minus von 3 £. Beide Kapitalanlagen zusammen ergeben also ein Minus von 4½ £, gleich dem Surplusprofit von 4½ £, der sich auf Kapitalanlagen 1) und 2) ergab.
Die Surplus- und Minus-Profite gleichen sich aus. Daher ver- schwindet die Rente. In der That ist dies aber nur möglich, weil die Elemente des Mehrwerths, die Surplusprofit oder Rente bildeten, jetzt in die Bildung des Durchschnittsprofits eingehn. Der Pächter macht diesen Durchschnittsprofit von 3 £ auf 15 £ oder von 20 % auf Kosten der Rente.
Die Ausgleichung des individuellen Durchschnitts-Produktions- preises von B zum allgemeinen, den Marktpreis regulirenden Pro- duktionspreis von A setzt voraus, dass die Differenz, um welche
der individuelle Preis des Produkts der ersten Kapitalanlagen unter dem regulirenden Preis steht, mehr und mehr aufgewogen und zuletzt ausgeglichen wird durch die Differenz, um welche das Pro- dukt der spätern Kapitalanlagen über den regulirenden Preis zu stehn kommt. Was als Surplusprofit erscheint, so lange das Pro- dukt der ersten Kapitalanlagen für sich verkauft wird, wird so nach und nach Theil ihres durchschnittlichen Produktionspreises, und geht damit in die Bildung des Durchschnittsprofits ein, bis es schliesslich ganz von ihm absorbirt wird.
Werden, statt 15 £ Kapital auf B anzulegen, nur 5 £ auf B angelegt, und die zuschüssigen 2½ qrs. der letzten Tabelle da- durch producirt, dass 2½ Acres von A mit Kapitalanlage von 2½ £ per Acre neu bebaut würden, so betrüge das ausgelegte Zuschusskapital nur 6¼ £, also die Gesammtauslage auf A und B zur Produktion dieser 6 qrs. nur 11¼ £ statt 15 £, und die Gesammt-Produktionskosten derselben incl. Profit 13½ £. Die 6 qrs. würden nach wie vor zusammen zu 18 £ verkauft, aber die Kapitalauslage hätte um 3¾ £ abgenommen, und die Rente auf B betrüge wie früher 4½ £ per Acre. Anders verhielte sich die Sache, wenn zur Produktion der zuschüssigen 2½ qrs. zu schlechterm Boden als A, zu A—1, A—2, Zuflucht genommen werden müsste; sodass der Produktionspreis per qr., für 1½ qrs. auf Boden A—1 = 4 £, und für das letzte qr. auf A—2 = 6 £. In diesem Fall würde 6 £ der regulirende Produktionspreis per qr. Die 3½ qrs. von B würden verkauft zu 21 £ statt zu 10½ £, was eine Rente gäbe von 15 £ statt 4½ £, und in Korn von 2½ qrs. statt 1½ qr. Ebenso würde auf A das eine qr. jetzt eine Rente von 3 £ tragen = ½ qr.
Bevor wir auf diesen Punkt weiter eingehn, noch eine Be- merkung.
Der Durchschnittspreis des qr. von B gleicht sich aus, fällt zu- sammen mit dem durch A regulirten allgemeinen Produktionspreis von 3 £ per qr., sobald der Theil des Gesammtkapitals, der die überschüssigen 1½ qrs. producirt, aufgewogen wird durch den Theil des Gesammtkapitals, der die unterschüssigen 1½ qrs. pro- ducirt. Wie bald diese Ausgleichung erreicht wird, oder wie viel Kapital mit unterschüssiger Produktivkraft auf B dazu angelegt werden muss, hängt, die Surplusproduktivität der ersten Kapital- anlagen als gegeben vorausgesetzt, ab von der relativen Unter- produktivität der später angelegten Kapitale, verglichen mit gleich- grosser Kapitalanlage auf dem schlechtesten regulirenden Boden A,
oder von dem individuellen Produktionspreis ihres Produkts, ver- glichen mit dem regulirenden Preis.
Es ergibt sich zunächst aus dem Bisherigen:
Erstens. Solange die zuschüssigen Kapitale auf demselben Boden mit Surplusproduktivität, wenn auch abnehmender, ange- legt werden, wächst die absolute Korn- und Geldrente per Acre, obgleich sie relativ, im Verhältniss zum vorgeschossnen Kapital (also die Rate des Surplusprofits oder der Rente) abnimmt. Die Grenze wird hier gebildet durch dasjenige zuschüssige Kapital, welches nur den Durchschnittsprofit abwirft, oder für dessen Pro- dukt der individuelle Produktionspreis mit dem allgemeinen zu- sammenfällt. Der Produktionspreis bleibt unter diesen Umständen derselbe, falls nicht durch die vermehrte Zufuhr die Produktion von den schlechtern Bodenarten überflüssig wird. Selbst bei fallen- dem Preise können diese zuschüssigen Kapitale, innerhalb gewisser Grenzen, noch einen Surplusprofit, wenn auch geringeren, produciren.
Zweitens. Die Anlage von Zuschusskapital, das nur den Durch- schnittsprofit producirt, dessen Surplusproduktivität also = 0, ändert nichts an der Höhe des gebildeten Surplusprofits und daher der Rente. Der individuelle Durchschnittspreis des qr. wächst dadurch auf den bessern Bodenarten; der Ueberschuss per qr. nimmt ab, aber die Anzahl der qrs., die diesen verminderten Ueberschuss tragen, nimmt zu, sodass das Produkt dasselbe bleibt.
Drittens. Zuschüssige Kapitalanlagen, bei deren Produkt der individuelle Produktionspreis über dem regulirenden Preis steht, bei denen also die Surplusproduktivität nicht nur = 0 ist, sondern weniger als Null, ein Minus, d. h. geringer als die Produktivität gleicher Kapitalanlage auf den regulirenden Boden A, bringen den individuellen Durchschnittspreis des Gesammtprodukts des bessern Bodens immer näher dem allgemeinen Produktionspreis, vermindern also immer mehr die Differenz zwischen beiden, die den Surplus- profit, resp. die Rente bildet. Es geht mehr und mehr von dem, was Surplusprofit oder Rente bildete, in die Bildung des Durch- schnittsprofits ein. Aber dennoch fährt das auf den Acre von B angelegte Gesammtkapital fort, Surplusprofit abzuwerfen, obgleich abnehmend mit der zunehmenden Masse des Kapitals von unter- schüssiger Produktivität und mit dem Grad dieser Unterproduk- tivität. Die Rente, bei wachsendem Kapital und zunehmender Produktion, fällt hier absolut per Acre, nicht wie im zweiten Fall nur relativ in Bezug auf die wachsende Grösse des angelegten Kapitals.
Erlöschen kann die Rente nur, sobald der individuelle Durch- schnittsproduktionspreis des Gesammtprodukts auf dem bessern Boden B zusammenfällt mit dem regulirenden Preis, der ganze Surplusprofit der ersten produktiveren Kapitalanlagen also ver- braucht worden ist zur Bildung des Durchschnittsprofits.
Die Minimalgrenze des Falls der Rente per Acre ist der Punkt wo sie verschwindet. Aber dieser Punkt tritt ein, nicht, sobald die zuschüssigen Kapitalanlagen mit Unterproduktivität produciren, sondern sobald die zuschüssige Anlage der unterproduktiven Kapi- taltheile so gross wird, dass ihre Wirkung die überschüssige Pro- duktivität der ersten Kapitalanlagen aufhebt, und die Produktivität des angelegten Gesammtkapitals gleich wird der des Kapitals auf A, und daher der individuelle Durchschnittspreis des qr. auf B gleich dem des qr. auf A.
Auch in diesem Fall bliebe der regulirende Produktionspreis, 3 £ per qr. derselbe, obgleich die Rente verschwunden wäre. Erst über diesen Punkt hinaus müsste der Produktionspreis steigen in Folge von Zunahme, sei es des Grads der Unterproduktivität des zuschüssigen Kapitals, sei es der Grösse des zuschüssigen Kapitals von derselben Unterproduktivität. Würden z. B. oben in der Tabelle S. 265 statt 1½ qr., 2½ qrs. zu 4 £ per qr. auf demselben Boden producirt, so hätten wir im ganzen 7 qrs. zu 22 £ Pro- duktionskosten; das qr. würde kosten 3 £; also um über dem allgemeinen Produktionspreis stehn, der steigen müsste.
Es könnte also noch lange zuschüssiges Kapital mit Unter- produktivität und selbst zunehmender Unterproduktivität angewandt werden, bis der individuelle Durchschnittspreis des qr. auf den besten Ländereien dem allgemeinen Produktionspreis gleich würde, bis der Ueberschuss des letztern über den erstern, und damit der Sur- plusprofit und die Rente ganz verschwunden wäre.
Und selbst in diesem Fall würde mit Auslöschung der Rente auf den bessern Bodenarten der individuelle Durchschnittspreis ihres Produkts erst zusammenfallen mit dem allgemeinen Produktions- preis, wäre also noch kein Steigen des letztern erheischt.
Im obigen Beispiel wurden auf dem bessern Boden B, der aber der unterste in der Reihe der bessern oder Rente tragenden Boden- arten ist, 3½ qrs. durch ein Kapital von 5 £ mit Surplusproduk- tivität und 2½ qrs. durch ein Kapital von 10 £ mit Unterpro- duktivität erzeugt, zusammen 6 qrs., also durch die letztern, mit Unterproduktivität angelegten Kapitaltheile. Und erst auf diesem Punkt steigt der individuelle Durchschnittsproduktionspreis
der 6 qrs. auf 3 £ per qr., fällt also zusammen mit dem allge- meinen Produktionspreis.
Unter dem Gesetz des Grundeigenthums hätten jedoch nicht die letzten 2½ qrs. in dieser Weise zu 3 £ per qr. producirt werden können, mit Ausnahme des Falls, wo sie auf 2½ neuen Acres der Bodenart A producirt werden könnten. Der Fall, wo das zuschüs- sige Kapital nur noch zum allgemeinen Produktionspreis producirt, hätte die Grenze gebildet. Ueber sie hinaus müsste die zuschüs- sige Kapitalanlage auf demselben Boden aufhören.
Hat der Pächter nämlich für die zwei ersten Kapitalanlagen ein- mal 4½ £ Rente zu zahlen, so muss er sie fortzahlen, und jede Kapitalanlage, die das qr. unter 3 £ producirt, würde ihm einen Abzug von seinem Profit verursachen. Die Ausgleichung des in- dividuellen Durchschnittspreises, bei Unterproduktivität, ist dadurch verhindert.
Nehmen wir diesen Fall bei dem vorigen Beispiel, wo der Pro- duktionspreis des Bodens A von 3 £ per qr. den Preis für B regulirt.
Die Produktionkosten der 3½ qrs. auf die zwei ersten Kapital- anlagen sind ebenfalls 3 £ per qr. für den Pächter, da er eine Rente von 4½ £ zu zahlen hat, bei dem also die Differenz zwischen seinem individuellen Produktionspreis und dem allgemeinen Pro- duktionspreis nicht in seine Tasche fliesst. Für ihn also kann der Ueberschuss des Preises des Produkts der zwei ersten Kapital- anlagen nicht zur Ausgleichung des Deficits bei den Produkten der dritten und vierten Kapitalanlage dienen.
Die 1½ qrs. auf Kapitalanlage 3) kosten dem Pächter, Profit eingerechnet, 6 £; er kann sie aber, beim regulirenden Preis von 3 £ per qr., nur für 4½ £ verkaufen. Er würde also nicht nur den ganzen Profit verlieren, sondern obendrein ½ £ oder 10 % vom angelegten Kapital von 5 £. Der Verlust an Profit und
Kapital bei Anlage 3) betrüge für ihn 1½ £ und bei Kapital- anlage 4) 3 £, zusammen 4½ £, gerade soviel wie die Rente für die bessern Kapitalanlagen beträgt, deren individueller Produk- tionspreis aber eben desshalb nicht ausgleichend eingehn kann in den individuellen Durchschnittsproduktionspreis des Gesammtpro- dukts von B, weil sein Ueberschuss als Rente an einen Dritten fortgezahlt ist.
Wäre es für den Bedarf nöthig, die zuschüssigen 1½ qrs. durch die dritte Kapitalanlage zu produciren, so müsste der regulirende Marktpreis auf 4 £ per qr. steigen. In Folge dieser Vertheurung des regulirenden Marktpreises würde die Rente auf B für die erste und zweite Kapitalanlage steigen, und auf A eine Rente gebildet werden.
Obgleich also die Differentialrente nur formelle Verwandlung von Surplusprofit in Rente ist, das Grundeigenthum hier den Eigen- thümer nur befähigt, den Surplusprofit vom Pächter auf sich zu übertragen, zeigt sich doch, dass die successive Anlage von Kapital auf dieselbe Bodenstrecke, oder was dasselbe, die Vermehrung des auf derselben Bodenstrecke angelegten Kapitals, bei abnehmender Rate der Produktivität des Kapitals und gleichbleibendem reguli- renden Preis, viel eher seine Grenze findet, in der That also mehr oder weniger eine künstliche Schranke findet in Folge der bloss formellen Verwandlung von Surplusprofit in Grundrente, welche Folge des Grundeigenthums ist. Das Steigen des allgemeinen Produktionspreises, das hier bei engerer Grenze als sonst nöthig wird, ist hier also nicht nur Grund des Steigens der Differential- rente, sondern die Existenz der Differentialrente als Rente ist zu- gleich Grund des frühern und raschern Steigens des allgemeinen Produktionspreises, um dadurch die Zufuhr des nöthig gewordnen vermehrten Produkts zu sichern.
Es ist ferner zu bemerken:
Durch Zuschuss von Kapital auf Boden B könnte der regulirende Preis nicht, wie oben, auf 4 £ steigen, wenn Boden A durch zweite Kapitalanlage das zuschüssige Produkt unter 4 £ lieferte, oder wenn neuerer schlechterer Boden als A in Konkurrenz käme, dessen Produktionspreis zwar über 3, aber unter 4 £ wäre. Man sieht so, wie Differentialrente I im Differentialrente II, während die erste Basis der zweiten ist, zugleich Grenzen für einander bilden, wodurch bald successive Anlage von Kapital auf derselben Bodenstrecke, bald Nebeneinander-Anlage von Kapital auf neuem zusätzlichem Boden bedingt wird. Ebenso wirken sie als Grenzen
für einander in andern Fällen, wo z. B. besserer Boden an die Reihe kommt.
Gesetzt die Nachfrage nach Korn sei steigend, und die Zufuhr könne nur befriedigt werden durch successive Kapitalanlagen mit Unterproduktivität auf den Rente tragenden Ländereien, oder durch zusätzliche Kapitalanlage, ebenfalls mit abnehmender Produktivität, auf Boden A, oder durch Kapitalanlage auf neuen Ländereien von geringrer Qualität als A.
Nehmen wir als Repräsentanten der Rente tragenden Ländereien den Boden B.
Die zuschüssige Kapitalanlage verlangt ein Steigen des Markt- preises über den bisherigen regulirenden Produktionspreis von 3 £ per qr., um die Mehrproduktion von 1 qr. (das hier eine Million qrs. darstellen mag, wie jeder Acre eine Million Acres) auf B zu ermöglichen. Auf C und D etc., den Bodenarten höchster Rente, mag dann auch Mehrprodukt stattfinden, aber nur mit abnehmen- der Surplusproduktivkraft; das eine qr. von B ist jedoch als noth- wendig vorausgesetzt um die Nachfrage zu decken. Kann dies eine qr. wohlfeiler durch Kapitalzuschuss auf B producirt werden, als bei gleichem Kapitalzuschuss auf A, oder durch Herabsteigen zum Boden A—1, der z. B. das qr. nur zu 4 £ produciren kann, während das Zuschusskapital auf A schon zu 3¾ £ per qr. pro- duciren könnte, so würde das Zuschusskapital auf B den Markt- preis reguliren.
A habe wie bisher 1 qr. zu 3 £ producirt. B ebenfalls wie bisher zusammen 3½ qrs. zum individuellen Produktionspreis von zusammen 6 £. Ist nun auf B ein Zuschuss von 4 £ Produk- tionskosten (incl. Profit) nöthig um ein ferneres qr. zu produciren, während es auf A zu 3¾ £ producirt werden könnte, so würde es selbstverständlich auf A, nicht auf B producirt werden. Nehmen wir also an, es könne auf B mit 3½ £ zuschüssigen Produktions- kosten hergestellt werden. In diesem Fall würde 3½ £ der regu- lirende Preis für die gesammte Produktion. B würde nun sein Produkt von jetzt 4½ qrs. verkaufen zu 15¾ £. Davon gingen ab die Produktionskosten der ersten 3½ qrs. mit 6 £, und die des letzten qr. mit 3½ £, zusammen 9½. Bleibt Surplusprofit für Rente = 6¼ £, gegen früher nur 4½ £. In diesem Fall
würde der Acre A ebenfalls eine Rente von ½ £ abwerfen; aber nicht der schlechteste Boden A, sondern der bessre Boden B würde den Produktionspreis von 3½ £ reguliren. Es ist dabei natürlich unterstellt, dass neuer Boden der Bonität A von derselben günstigen Lage, wie der bisher bebaute, nicht zugänglich ist, sondern eine zweite Kapitalanlage auf die schon bebaute Strecke A, aber zu grössern Produktionskosten, oder Heranziehung noch geringern Bodens A—1 nöthig wäre. Sobald durch successive Kapitalanlagen die Differentialrente II in Wirksamkeit tritt, können die Grenzen des steigenden Produktionspreises durch bessern Boden regulirt sein, und der schlechteste Boden, die Basis der Differentialrente I, kann dann ebenfalls Rente tragen. So würden dann bei blosser Differentialrente alle bebauten Ländereien Rente tragen. Wir hätten dann folgende zwei Aufstellungen, wo unter Produktionskosten die Summe des vorgeschossnen Kapitals plus 20 % Profit verstanden ist, also auf je 2½ £ Kapital ½ £ Profit, zusammen 3 £.
Dies ist der Stand der Dinge, vor der neuen Kapitalanlage von 3½ £ auf B, die nur 1 qr. liefert. Nach dieser Kapitalanlage stellt sich die Sache wie folgt:
[Dies ist wieder nicht ganz richtig gerechnet. Dem Pächter von B kosten die 4½ qrs. erstens an Produktionskosten 9½ £
und zweitens an Rente 4½ £, zusammen 14 £; Durchschnitt per qr. = 3 £. Dieser Durchschnittspreis seiner Gesammtproduk- tion wird hiermit der regulirende Marktpreis. Danach würde die Rente auf A £ statt ½ £ betragen, und die auf B würde bleiben 4½ £ wie bisher: 4½ qrs. à 3 £ = 14 £, davon ab 9½ £ Produktionskosten, bleiben 4½ £ für Surplusprofit. Man sieht: trotz der zu ändernden Zahlen zeigt das Beispiel, wie ver- mittelst Differentialrente II der bessere, schon rentetragende Boden den Preis reguliren und dadurch aller Boden, auch der bisher rentelose, in rentetragenden verwandelt werden kann. — F. E.]
Die Kornrente muss steigen, sobald der regulirende Produktions- preis des Korns steigt, sobald also das qr. Korn auf dem regulirenden Boden, oder die regulirende Kapitalanlage auf einer der Boden- arten steigt. Es ist dasselbe als wären alle Bodenarten unfrucht- barer geworden und producirten z. B. mit 2½ £ neuer Kapital- anlage alle nur qr. statt 1 qr. Was sie mit derselben Kapital- anlage an Korn mehr produciren, verwandelt sich in Surplus- produkt, worin sich der Surplusprofit und daher die Rente dar- stellt. Gesetzt, die Profitrate bliebe dieselbe, so kann der Pächter mit seinem Profit weniger Korn kaufen. Die Profitrate kann die- selbe bleiben, wenn der Arbeitslohn nicht steigt, entweder weil er auf das physische Minimum, also unter den normalen Werth der Arbeitskraft heruntergedrückt wird; oder weil die andern, von der Manufaktur gelieferten Gegenstände des Arbeiterkonsums verhält- nissmäßig wohlfeiler geworden sind; oder weil der Arbeitstag ver- längert oder intensiver geworden ist, und daher die Profitrate in den nicht agrikolen Produktionszweigen, die aber den agrikolen Profit regulirt, gleichgeblieben, wenn nicht gestiegen ist; oder aber, weil bei der Agrikultur zwar dasselbe Kapital ausgelegt ist, aber mehr konstantes und weniger variables.
Wir haben nun die erste Weise betrachtet, worin auf dem bis- her schlechtesten Boden A Rente entstehn kann, ohne dass noch schlechtrer Boden in Bebauung gezogen wird; nämlich durch die Differenz seines individuellen, bisher regulirenden Produktionspreises gegen den neuen, höhern Produktionspreis, wozu das letzte zu- schüssige Kapital mit Unterproduktivkraft auf besserm Boden das nöthige Zuschussprodukt liefert.
Hätte das zuschüssige Produkt von Boden A—1 geliefert werden müssen, der das qr. nur zu 4 £ liefern kann, so wäre die Rente per Acre auf A auf 1 £ gestiegen. Aber in diesem Fall wäre A—1 als der schlechteste kultivirte Boden an die Stelle von A,
und dieser als unterstes Glied in die Reihe der Rente tragenden Bodenarten gerückt. Die Differentialrente I hätte sich geändert. Dieser Fall liegt also ausserhalb der Betrachtung der Differential- rente II, die aus verschiedner Produktivität successiver Kapital- anlagen auf derselben Bodenstrecke entspringt.
Es kann aber ausserdem noch in doppelter Weise Differential- rente auf Boden A entstehn.
Bei gleichbleibendem Preis — irgend einem gegebnen Preis, der selbst ein gefallner sein kann, verglichen mit frühern — wenn die zusätzliche Kapitalanlage Surplusproduktivität erzeugt, was prima facie bis zu einem gewissen Punkt gerade beim schlechtesten Boden immer der Fall sein muss.
Zweitens aber, wenn umgekehrt die Produktivität der successiven Kapitalanlagen auf Boden A abnimmt.
Beidemal ist vorausgesetzt, dass die vermehrte Produktion durch den Stand der Nachfrage erheischt ist.
Aber es bietet sich hier, vom Standpunkt der Differentialrente aus, eine eigenthümliche Schwierigkeit dar wegen des früher ent- wickelten Gesetzes, dass es immer der individuelle Durchschnitts- produktionspreis des qr. auf die Gesammtproduktion (oder die Ge- sammtauslage von Kapital) ist, der bestimmt. Bei dem Boden A aber ist nicht, wie bei den bessern Bodenarten, ein Produktions- preis ausser ihm gegeben, der für neue Kapitalanlagen die Aus- gleichung des individuellen mit dem allgemeinen Produktionspreis beschränkt. Denn der individuelle Produktionspreis von A ist ja grade der allgemeine Produktionspreis, der den Marktpreis regulirt.
Nimm an:
1) Bei steigender Produktivkraft der successiven Kapi- talanlagen können auf 1 Acre von A mit 5 £ Kapitalvorschuss, entsprechend 6 £ Produktionskosten, statt 2 qrs. 3 producirt werden. Die erste Kapitalanlage von 2½ £ liefert 1 qr., die zweite 2 qrs. In diesem Fall geben 6 £ Produktionskosten 3 qrs., der qr. wird also durchschnittlich 2 £ kosten; werden also die 3 qrs. zu 2 £ verkauft, so trägt A nach wie vor keine Rente; sondern es hat sich nur die Basis der Differentialrente II verändert; 2 £ ist der regulirende Produktionspreis geworden statt 3 £ ein Kapital von 2½ £ producirt jetzt durchschnittlich auf dem schlech- testen Boden 1½ statt 1 qr., und dies ist nun die officielle Frucht- barkeit für alle höhern Bodenarten bei Anlage von 2½ £. Ein Theil ihres bisherigen Surplusprodukts geht von nun an ein in die
Bildung ihres nothwendigen Produkts, wie ein Theil ihres Surplus- profits in die Bildung des Durchschnittsprofits.
Wird dagegen gerechnet, wie auf den bessern Bodenarten, wo die Durchschnittsrechnung nichts ändert am absoluten Surplus, weil für sie der allgemeine Produktionspreis als Schranke der Kapitalanlage gegeben ist, so kostet das qr. der ersten Kapital- anlage 3 £ und die 2 qrs. der zweiten jedes nur 1½ £. Es würde also eine Kornrente von 1 qr. und eine Geldrente von 3 £ auf A entstehn, die 3 qrs. aber zum alten Preise zu zusammen 9 £ verkauft werden. Erfolgte eine dritte Kapitalanlage von 2½ £ mit gleichbleibender Fruchtbarkeit wie die zweite, so würden nun zusammen 5 qrs. mit 9 £ Produktionskosten producirt. Bliebe der individuelle Durchschnitts-Produktionspreis von A regulirend, so müsste das qr. nun zu 1⅘ £ verkauft werden. Der Durch- schnittspreis wäre wieder gefallen, nicht durch neues Steigen der Fruchtbarkeit der dritten Kapitalanlage, sondern nur durch Zusätze einer neuen Kapitalanlage mit derselben zuschüssigen Fruchtbar- keit wie die zweite. Statt wie auf den Rente tragenden Boden- arten die Rente zu erhöhen, würden die successiven Kapitalanlagen von höherer aber gleichbleibender Fruchtbarkeit auf Boden A den Produktionspreis, und damit bei sonst gleichbleibenden Umständen die Differentialrente auf allen andern Bodenarten proportionell senken. Bliebe dagegen die erste Kapitalanlage, die 1 qr. zu 3 £ Produktionskosten producirt, für sich maßgebend, so würden die 5 qrs. zu 15 £ verkauft, und die Differentialrente der spätern Kapitalanlagen auf Boden A betrüge 6 £. Der Zusatz von Mehr- kapital auf den Acre von A, in welcher Form immer applicirt, wäre hier eine Verbesserung, und das zusätzliche Kapital hätte auch den ursprünglichen Kapitaltheil produktiver gemacht. Es wäre Unsinn zu sagen, ⅓ des Kapitals hätten 1 qr. und die übrigen ⅔ hätten 4 qrs. producirt. 9 £ per Acre würden immer 5 qrs. produciren, während 3 £ nur 1 qr. produciren würden. Ob oder ob nicht hier eine Rente entstände, ein Surplusprofit, wäre ganz von Umständen abhängig. Normal müsste der regulirende Produktionspreis fallen. Dies wird der Fall sein, wenn diese ver- besserte, aber mit mehr Kosten verknüpfte Bebauung auf Boden A nur stattfindet, weil auch auf den bessern Bodenarten — also allgemeine Revolution in der Agrikultur; sodass jetzt, wenn von der natürlichen Fruchtbarkeit des Bodens A die Rede ist, unter- stellt wird, dass er mit 6 resp. 9 £ statt mit 3 £ bestellt wird. Namentlich gälte dies, wenn die Mehrzahl der bebauten Acres des
Bodens A, welche die Masse der Zufuhr dieses Landes liefern, dieser neuen Methode unterworfen würden. Wenn aber die Ver- besserung zunächst nur einen geringen Theil der Fläche von A ergriffe, so würde dieser besser bebaute Theil einen Surplusprofit liefern, den der Grundbesitzer rasch bei der Hand wäre, ganz oder zum Theil in Rente zu verwandeln und als Rente zu fixiren. So könnte, wenn die Nachfrage Schritt hielte mit der wachsenden Zufuhr, im Maß wie der Boden A seiner ganzen Fläche nach all- mälig der neuen Methode unterworfen würde, sich nach und nach Rente bilden auf allem Boden der Qualität A und die Surpluspro- duktivität ganz oder theilweise, je nach den Marktverhältnissen, konfiscirt werden. Die Ausgleichung des Produktionspreises von A zum Durchschnittspreis seines Produkts bei vermehrter Kapital- auslage könnte so verhindert werden durch die Fixirung des Sur- plusprofits dieser vermehrten Kapitalauslage in Form von Rente. In diesem Fall wäre es wieder, wie wir das früher auf den bessern Ländereien bei abnehmender Produktivkraft der Zusatzkapitale ge- sehn, die Verwandlung des Surplusprofits in Grundrente, d. h. das Dazwischentreten des Grundeigenthums, welches den Produktions- preis erhöhen würde, statt dass die Differentialrente bloss Folge der Differenzen zwischen individuellem und allgemeinem Produk- tionspreis wäre. Es würde für Boden A das Zusammenfallen bei- der Preise, weil die Regelung des Produktionspreises durch den durchschnittlichen Produktionspreis von A, verhindern; es würde also einen höhern Produktionspreis als den nöthigen aufrecht halten, und dadurch Rente schaffen. Selbst bei freier Korneinfuhr vom Ausland könnte dasselbe Resultat hervorgebracht werden oder fortbestehn, indem die Pächter gezwungen würden, den Boden, der bei dem von aussen bestimmten Produktionspreis im Kornbau konkurriren könnte ohne Rente zu tragen, einer andren Bestimmung zuzuwenden, z. B. der Viehweide, und daher nur Rente tragende Ländereien dem Kornbau unterworfen würden, d. h. nur Ländereien, deren individueller durchschnittlicher Produktionspreis per qr. niedriger wäre als der von aussen bestimmte Produktionspreis. Es ist im ganzen anzunehmen, dass im gegebnen Fall der Produktions- preis sinken wird, aber nicht bis auf seinen Durchschnittspreis, sondern höher stehn wird, aber unter dem Produktionspreis des schlechtest bebauten Bodens A, sodass die Konkurrenz von neuem Boden von A beschränkt wird.
2) Bei abnehmender Produktivkraft der Zusatzkapitale.
Gesetzt, Boden A—1 könne das zusätzliche qr. nur zu 4 £
produciren, Boden A aber zu 3¾, also wohlfeiler, aber um ¾ £ theurer als das durch seine erste Kapitalanlage producirte qr. In diesem Fall wäre der Gesammtpreis der beiden auf A producirten qrs. = 6¾ £; also der Durchschnittspreis per qr. = 3⅜ £. Der Produktionspreis würde steigen, aber nur um ⅜ £, während wenn das Zusatzkapital auf neuem Boden angelegt würde, der zu 3¾ £ producirte, er um weitere ⅜ £, bis auf 3¾ £ steigen, und da- mit proportionelle Erhöhung aller andern Differentialrenten be- wirken würde.
Der Produktionspreis von 3⅜ £ per qr. von A wäre so aus- geglichen zu seinem Durchschnittsproduktionspreis bei vermehrter Kapitalanlage, und wäre regulirend; er würde also keine Rente abwerfen, weil keinen Surplusprofit.
Würde aber dies von der zweiten Kapitalanlage producirte qr. zu 3¾ £ verkauft, so würfe jetzt der Boden A eine Rente von ¾ £ ab, und zwar auch auf alle Acres von A, worauf keine zu- schüssige Kapitalanlage stattgefunden, die also nach wie vor das qr. zu 3 £ producirten. Solange noch unbebaute Strecken von A existiren, könnte der Preis nur temporär auf 3¾ £ steigen. Die Mitbewerbung neuer Strecken von A würde den Produktionspreis auf 3 £ halten, bis aller Boden von A erschöpft wäre, dessen günstige Lage ihm erlaubt das qr. wohlfeiler als 3¾ £ zu produ- ciren. Dies wäre also anzunehmen, obgleich der Grundeigenthümer, wenn ein Acre des Bodens Rente trägt, keinen andern rentefrei einem Pächter überlassen wird.
Es hinge wieder von der grössern oder geringern Verallgemei- nerung der zweiten Kapitalanlage auf dem vorhandnen Boden A ab, ob der Produktionspreis zum Durchschnittspreis ausgeglichen oder der individuelle Produktionspreis der zweiten Kapitalanlage mit 3¾ £ regulirend wird. Das letztre ist nur der Fall, sobald der Grundbesitzer Zeit gewinnt, den Surplusprofit, der bis zur Be- friedigung der Nachfrage beim Preis von 3¾ £ per qr. gemacht würde, als Rente zu fixiren.
Ueber die abnehmende Produktivität des Bodens bei successiven Kapitalanlagen ist Liebig nachzusehn. Man hat gesehn, dass die successive Abnahme der Surplusproduktivkraft der Kapitalanlagen die Rente per Acre bei gleichbleibendem Produktionspreis stets vermehrt, und dass sie dies selbst bei fallendem thun kann.
Allgemein aber ist dies zu bemerken:
Vom Standpunkt der kapitalistischen Produktionsweise findet
stets relative Vertheuerung der Produkte statt, wenn um dasselbe Produkt zu erhalten, eine Auslage gemacht, etwas bezahlt werden muss, was früher nicht bezahlt wurde. Denn unter Ersatz des in der Produktion aufgezehrten Kapitals ist nur der Ersatz von Werthen zu verstehn, die sich in bestimmten Produktionsmitteln darstellten. Naturelemente, die in die Produktion als Agentien eingehn, ohne zu kosten, welche Rolle sie immer in der Produktion spielen mögen, gehn nicht als Bestandtheile des Kapitals in sie ein, sondern als Gratisnaturkraft des Kapitals, d. h. als eine Gratis- naturproduktivkraft der Arbeit, die sich aber auf Basis der kapi- talistischen Produktionsweise, wie alle Produktivkraft, als Produk- tivkraft des Kapitals darstellt. Wenn also eine solche Naturkraft, die ursprünglich nichts kostet, in die Produktion eingeht, so zählt sie nicht mit bei der Preisbestimmung, solange das mit ihrer Hülfe gelieferte Produkt für den Bedarf ausreicht. Muss aber im Fort- gang der Entwicklung ein grösseres Produkt geliefert werden als mit Hülfe dieser Naturkraft hergestellt werden kann, muss also dies zusätzliche Produkt ohne Hülfe dieser Naturkraft, oder unter Beihülfe von menschlichem Zuthun, menschlicher Arbeit erzeugt werden, so geht ein neues zusätzliches Element in das Kapital ein. Es findet also relativ mehr Kapitalauslage statt um dasselbe Pro- dukt zu erhalten. Alle andren Umstände gleichbleibend, findet Ver- theurung der Produktion statt.
(Aus einem Heft, „Begonnen Mitte Februar 1876“.)
Differentialrente und Rente als blosser Zins des dem Boden einverleibten Kapitals.
Die sog. ständigen Meliorationen — welche die physikalische, zum Theil auch chemische Beschaffenheit des Bodens verändern durch Operationen, die Kapitalauslage kosten, und als Einverleibung des Kapitals, in den Boden betrachtet werden können — kommen fast alle darauf hinaus, einem bestimmten Bodenstück, dem Boden an einem bestimmten, beschränkten Platz, Eigenschaften zu geben, die andrer Boden, an andrem Platz und oft ganz in der Nähe, von Natur besitzt. Ein Boden ist von Natur nivellirt, der andre muss nivellirt werden; der eine besitzt natürlichen Wasserabfluss, der andre bedarf künstlicher Drainirung; der eine besitzt von Natur eine tiefe Ackerkrume, bei dem andren muss sie künstlich vertieft werden; ein Thonboden ist von Natur mit dem zusagenden Quantum Sand gemischt, bei einem andern muss dies Verhältniss erst ge- schaffen werden; die eine Wiese wird von Natur berieselt oder
überschlammt, die andre muss es werden durch Arbeit, oder in der Sprache der bürgerlichen Oekonomie, durch Kapital.
Es ist nun eine wahrhaft erheiternde Theorie, dass hier bei dem einen Boden, dessen komparative Vortheile erworben sind, die Rente Zins ist, bei dem andren aber, der von Natur diese Vortheile be- sitzt, nicht. (In der That wird die Sache aber in der Ausführung dahin verdreht, dass, weil in dem einen Fall die Rente wirklich mit Zins zusammenfällt, sie auch in den andren Fällen, wo dies positiv nicht der Fall ist, Zins genannt, in Zins umgelogen werden muss.) Der Boden trägt aber nach der gemachten Kapitalanlage die Rente, nicht weil Kapital auf ihm angelegt worden ist, sondern weil die Kapitalanlage den Boden zu einem, gegen früher produk- tiveren Anlagefeld gemacht hat. Gesetzt, aller Boden eines Landes bedürfe dieser Kapitalanlage; so muss jedes Bodenstück, dem sie noch nicht zu Theil geworden, durch dies Stadium erst durch- passiren und die Rente (der Zins, den er abwirft im gegebnen Fall), die der schon mit Kapitalanlage versehene Boden trägt, ist eben so gut eine Differentialrente, als ob er von Natur diesen Vorzug be- sässe, und der andre Boden ihn erst künstlich erwerben müsste.
Auch diese in Zins auflösliche Rente wird zur reinen Differen- tialrente, sobald das ausgelegte Kapital amortisirt ist. Dasselbe Kapital müsste sonst als Kapital doppelt existiren.
Es ist eine der heitersten Erscheinungen, dass alle die Gegner Ricardo’s, die die Bestimmung des Werths ausschliesslich durch die Arbeit bekämpfen, gegenüber der aus Bodenunterschieden her- vorgehenden Differentialrente geltend machen, dass hier die Natur statt der Arbeit werthbestimmend gemacht werde; zugleich aber diese Bestimmung der Lage vindiciren, oder auch, und noch mehr, dem Zins des bei der Bearbeitung in den Boden gesteckten Kapi- tals. Dieselbe Arbeit bringt denselben Werth hervor für das in einer gegebnen Zeit geschaffne Produkt; die Grösse aber oder das Quantum dieses Produkts, also auch der Werththeil, der auf einen aliquoten Theil dieses Produkts fällt, hängt bei gegebner Quantität der Arbeit einzig vom Quantum des Produkts ab, und dies wieder von der Produktivität des gegebnen Quantums Arbeit, nicht von der Grösse dieses Quantums. Ob diese Produktivität der Natur oder Gesellschaft geschuldet ist, ist ganz gleichgültig. Nur in dem Fall, wo sie selbst Arbeit, also Kapital kostet, vermehrt sie die Produktionskosten um einen neuen Bestandtheil, was bei der blossen Natur nicht der Fall ist.
Bei Analyse der Differentialrente wurde ausgegangen von der Voraussetzung, dass der schlechteste Boden keine Grundrente zahlt, oder, um es allgemeiner auszudrücken, dass nur der Boden Grund- rente zahlt, für dessen Produkt der individuelle Produktionspreis unter dem, den Markt regulirenden Produktionspreis steht, sodass in dieser Weise ein Surplusprofit entspringt, der sich in Rente ver- wandelt. Zunächst ist zu bemerken, dass das Gesetz der Differen- tialrente, als Differentialrente, von der Richtigkeit oder Unrichtig- keit jener Voraussetzung durchaus unabhängig ist.
Nennen wir den allgemeinen, den Markt regulirenden Produk- tionspreis P, so fällt P für das Produkt der schlechtesten Boden- art A mit ihrem individuellen Produktionspreis zusammen; d. h. es zahlt der Preis das in der Produktion verzehrte konstante und variable Kapital plus dem Durchschnittsprofit (= Unternehmer- gewinn plus Zins).
Die Rente ist hier gleich Null. Der individuelle Produktions- preis der nächstbessern Bodenart B ist = P', und P > P'; d. h. P zahlt mehr als den wirklichen Produktionspreis des Produkts der Bodenklasse B. Es sei nun P — P' = d; d, der Ueberschuss von P über P', ist daher der Surplusprofit, den der Pächter dieser Klasse B macht. Dies d verwandelt sich in Rente, die dem Grundeigen- thümer zu zahlen ist. Für die dritte Bodenklasse C sei P'' der wirkliche Produktionspreis, und P — P'' = 2 d; so verwandelt sich dies 2 d in Rente; ebenso für die vierte Klasse D der individuelle Produktionspreis P''', und P — P''' = 3 d, das sich in Grundrente verwandelt u. s. w. Gesetzt nun, für die Bodenklasse A sei die Vor- aussetzung falsch, dass die Rente = 0 und daher der Preis ihres Produkts = P + 0. Sie zahle vielmehr auch eine Rente = r. In diesem Falle folgt zweierlei.
Erstens: der Preis des Bodenprodukts der Klasse A wäre nicht regu- lirt durch seinen Produktionspreis, sondern enthielte einen Ueberschuss über diesen, wäre = P + r. Denn die kapitalistische Produktionsweise in ihrer Normalität vorausgesetzt, also vorausgesetzt, dass der Ueber- schuss r, den der Pächter an den Grundeigenthümer zahlt, weder einen Abzug vom Arbeitslohn, noch vom Durchschnittsprofit des Kapitals darstellt, kann er ihn nur dadurch zahlen, dass sein Pro- dukt sich über dem Produktionspreis verkauft, ihm also einen Sur- plusprofit abwerfen würde, hätte er nicht diesen Ueberschuss in
der Form der Rente an den Grundeigenthümer abzutreten. Der regulirende Marktpreis des gesammten, auf dem Markt befindlichen Produkts aller Bodenarten wäre dann nicht der Produktionspreis, den das Kapital überhaupt in allen Produktionssphären abwirft, d. h. ein Preis gleich den Auslagen plus dem Durchschnittsprofit, sondern er wäre der Produktionspreis plus der Rente, P + r, nicht P. Denn der Preis des Bodenprodukts der Klasse A drückt über- haupt die Grenze des regulirenden allgemeinen Marktpreises aus, des Preises, zu dem das Gesammtprodukt geliefert werden kann, und regulirt sofern den Preis dieses Gesammtprodukts.
Dennoch wäre aber zweitens in diesem Fall, obgleich der all- gemeine Preis des Bodenprodukts wesentlich modificirt würde, das Gesetz der Differentialrente in keiner Weise hierdurch aufgehoben. Denn wenn der Preis des Produkts der Klasse A, und damit der allgemeine Marktpreis, = P + r, so wäre der Preis der Klassen B, C, D etc. ebenfalls = P + r. Aber da für Klasse B P — P' = d, so wäre (P + r) — (P' + r) ebenfalls = d, und für C P — P'' = (P + r) — (P'' + r) = 2 d, wie endlich für D P — P''' = (P + r) — P''' + r) = 3 d u. s. w. Die Differentialrente wäre also nach wie vor die- selbe und wäre durch dasselbe Gesetz geregelt, obgleich die Rente ein von diesem Gesetz unabhängiges Element enthielte, und gleich- zeitig mit dem Preis des Bodenprodukts einen allgemeinen Zu- wachs erführe. Es folgt daher, dass, wie es sich immer mit der Rente der unfruchtbarsten Bodenarten verhalten mag, das Gesetz der Differentialrente nicht nur davon unabhängig ist, sondern auch die einzige Weise, die Differentialrente selbst ihrem Charakter ge- mäß aufzufassen, darin besteht, die Rente der Bodenklasse A = 0 zu setzen. Ob diese nämlich = 0 oder > 0, ist gleichgültig, so- weit die Differentialrente in Betracht kommt, und kommt in der That nicht in Rechnung.
Das Gesetz der Differentialrente ist also von dem Ergebniss der folgenden Untersuchung unabhängig.
Fragt man nun weiter nach der Grundlage der Voraussetzung, dass das Produkt der schlechtesten Bodenart A keine Rente zahlt, so lautet die Antwort nothwendig so: Wenn der Marktpreis des Bodenprodukts, sage des Getreides, eine solche Höhe erreicht hat, dass ein zusätzlicher Vorschuss von Kapital, in der Bodenklasse A angelegt, den gewöhnlichen Produktionspreis zahlt, also dem Kapi- tal den gewöhnlichen Durchschnittsprofit abwirft, so genügt diese Bedingung für Anlage des Zusatzkapitals auf der Bodenklasse A. D. h. diese Bedingung genügt dem Kapitalisten, um neues Kapital
mit den gewöhnlichen Profit anzulegen und in der normalen Weise zu verwerthen.
Es ist hier zu bemerken dass auch in diesem Fall der Marktpreis höher stehn muss als der Produktionspreis von A. Denn sobald die zusätz- liche Zufuhr geschaffen, ist offenbar das Verhältniss von Nachfrage und Zufuhr verändert. Früher war die Zufuhr ungenügend, jetzt ist sie genügend. Der Preis muss also fallen. Um fallen zu können, muss er höher gestanden haben als der Produktionspreis von A. Aber der unfruchtbarere Charakter der neu in Bebauung getretnen Klasse A bewirkt, dass er nicht wieder so niedrig fällt, als zur Zeit, wo der Produktionspreis von Klasse B den Markt regulirte. Der Produktionspreis von A bildet die Grenze, nicht für das tem- poräre, sondern für das relativ permanente Steigen des Markt- preises. — Ist dagegen der neu in Bebauung gesetzte Boden frucht- barer als die bisher regulirende Klasse A, und dennoch nur hin- reichend zur Deckung der zusätzlichen Nachfrage, so bleibt der Marktpreis unverändert. Die Untersuchung, ob die unterste Boden- klasse eine Rente zahlt, fällt aber auch in diesem Fall mit der hier zu führenden zusammen, denn auch hier würde die Voraus- setzung, dass die Bodenklasse A keine Rente zahlt, daraus erklärt werden, dass der Marktpreis dem kapitalistischen Pächter genügt, um mit diesem Preise exakt das aufgewandte Kapital plus dem Durchschnittsprofit zu decken; kurz dass der Marktpreis ihm den Produktionspreis seiner Waare liefert.
Jedenfalls kann der kapitalistische Pächter die Bodenklasse A unter diesen Verhältnissen bebauen, soweit er als Kapitalist zu ent- scheiden hat. Die Bedingung für die normale Verwerthung von Kapital auf der Bodenart A ist nun vorhanden. Aus der Prämisse aber, dass das Kapital jetzt vom Pächter, den durchschnittlichen Verwerthungsverhältnissen des Kapitals gemäß, auf Bodenart A angelegt werden könnte, wenn er auch keine Rente zu zahlen hätte, folgt keineswegs der Schluss, dass dieser zur Klasse A gehörige Boden nun dem Pächter ohne Weiteres zur Verfügung steht. Der Umstand, dass der Pächter sein Kapital zum gewöhnlichen Profit verwerthen könnte, wenn er keine Rente zahlt, ist durchaus kein Grund für den Grundeigenthümer, dass er seinen Boden dem Pächter umsonst leiht, und diesem Geschäftsfreund gegenüber so philan- thropisch ist, den crédit gratuit einzuführen. Was eine solche Voraussetzung einschliesst, ist die Abstraktion von Grundeigenthum, die Aufhebung des Grundeigenthums, dessen Existenz gerade eine Schranke für die Anlage von Kapital und für die beliebige Ver-
werthung desselben in Grund und Boden bildet — eine Schranke, die keineswegs fällt vor der blossen Reflexion des Pächters, dass der Stand der Getreidepreise ihm erlaube, wenn er keine Rente zahlte, d. h. wenn er praktisch das Grundeigenthum als nicht exi- stirend behandeln könnte, aus seinem Kapital den gewöhnlichen Profit durch Exploitation der Bodenart A herauszuschlagen. Das Monopol des Grundeigenthums, das Grundeigenthum als Schranke des Kapitals, ist aber vorausgesetzt in der Differentialrente, denn ohne dasselbe würde der Surplusprofit sich nicht in Grundrente verwandeln, und nicht dem Grundeigenthümer statt dem Pächter zufallen. Und das Grundeigenthum als Schranke bleibt fortbe- stehn, auch da wo die Rente als Differentialrente fortfällt, d. h. auf der Bodenart A. Betrachten wir die Fälle, wo in einem Lande kapitalistischer Produktion, Kapitalanlage auf Grund und Boden ohne Zahlung von Rente stattfinden kann, so werden wir finden, dass sie alle eine faktische, wenn auch nicht juristische Aufhebung des Grundeigenthums einschliessen, eine Aufhebung, die aber nur unter ganz bestimmten und ihrer Natur nach zufälligen Umständen stattfinden kann.
Erstens, wenn der Grundeigenthümer selbst Kapitalist, oder der Kapitalist selbst Grundeigenthümer ist. In diesem Fall kann er, sobald der Marktpreis hinreichend gestiegen, um aus dem, was nun Bodenart A ist, den Produktionspreis herauszuschlagen, d. h. Kapitalersatz plus Durchschnittsprofit, sein Grundstück selbst be- wirthschaften. Aber warum? Weil ihm gegenüber das Grund- eigenthum keine Schranke für die Anlegung seines Kapitals bildet. Er kann den Boden als einfaches Naturelement behandeln, und sich daher ausschliesslich durch die Rücksichten der Verwerthung seines Kapitals, durch kapitalistische Rücksichten bestimmen lassen. Solche Fälle kommen in der Praxis vor, aber nur als Ausnahme. Ganz wie die kapitalistische Bebauung des Bodens Trennung des fun- girenden Kapitals und des Grundeigenthums voraussetzt, schliesst sie als Regel Selbstbewirthschaftung des Grundeigenthums aus. Man sieht sofort, dass dies rein zufällig ist. Wenn die vermehrte Nachfrage nach Getreide die Bebauung eines grössern Umfangs von Bodenart A erheischt, als in den Händen selbstwirthschaftender Eigenthümer sich befindet, wenn also ein Theil davon verpachtet werden muss, um überhaupt bebaut zu werden, fällt diese hypo- thetische Auffassung der Schranke, die das Grundeigenthum für die Anlegung des Kapitals bildet, sofort weg. Es ist ein abge- schmackter Widerspruch, von der, der kapitalistischen Produktions-
weise entsprechenden Scheidung zwischen Kapital und Boden, Pächter und Grundeigenthümer auszugehn, und dann umgekehrt die Selbstbewirthschaftung der Grundeigenthümer bis zu dem Um- fang und überall da als Regel vorauszusetzen, wo das Kapital, wenn kein Grundeigenthum ihm unabhängig gegenüber existirte, keine Rente aus der Bebauung des Bodens ziehen würde. (Siehe die Stelle bei A. Smith über Bergwerksrente, citirt weiter unten.) Diese Aufhebung des Grundeigenthums ist zufällig. Sie kann ein- treten oder nicht.
Zweitens: In dem Komplex einer Pachtung mögen sich ein- zelne Bodenstrecken befinden, die bei der gegebnen Höhe der Marktpreise keine Rente zahlen, also in der That umsonst ver- liehen sind, aber vom Grundeigenthümer nicht so betrachtet werden, weil er das Gesammtrental des verpachteten Bodens, nicht die specielle Rente seiner einzelnen Bestandstücke ins Auge fasst. In diesem Fall fällt für den Pächter, soweit die rentelosen Bestand- stücke der Pachtung in Betracht kommen, das Grundeigenthum als Schranke für die Anlegung des Kapitals weg, und zwar durch Vertrag mit dem Grundeigenthümer selbst. Aber er zahlt für diese Stücke keine Rente, nur weil er für den Boden, dessen Acces- sorium sie bilden, Rente zahlt. Es ist hier grade eine Kom- bination vorausgesetzt, wo zur schlechtern Bodenart A nicht als einem selbständigen, neuen Produktionsfeld Zuflucht genommen werden muss, um die mangelnde Zufuhr zu liefern, sondern wo sie nur ein untrennbares Zwischenstück des bessern Bodens bildet. Der Fall aber, der zu untersuchen ist, ist gerade der, wo Strecken der Bodenart A selbständig bewirthschaftet, also unter den allge- meinen Voraussetzungen der kapitalistischen Produktionsweise selb- ständig verpachtet werden müssen.
Drittens: Ein Pächter kann zusätzliches Kapital auf derselben Pachtung anlegen, obgleich bei den bestehenden Marktpreisen das so erzielte zusätzliche Produkt ihm nur den Produktionspreis liefert, ihm den gewöhnlichen Profit abwirft, ihn aber nicht zur Zahlung einer zusätzlichen Rente befähigt. Mit einem Theil des im Boden angelegten Kapitals zahlt er so Grundrente, mit dem andern nicht. Wie wenig diese Unterstellung aber das Problem löst, sieht man daraus: wenn der Marktpreis (und zugleich die Fruchtbarkeit des Bodens) ihn befähigt, mit dem zusätzlichen Kapital einen Mehr- ertrag zu erzielen, der ihm, wie das alte Kapital, ausser dem Pro- duktionspreis einen Surplusprofit abwirft, so steckt er diesen während der Dauer des Pachtvertrages selbst ein. Aber warum?
Weil, so lange der Pachtvertrag dauert, die Schranke des Grund- eigenthums für die Anlage seines Kapitals im Boden weggefallen ist. Der blosse Umstand jedoch, dass um ihm diesen Surplusprofit zu sichern, zusätzlicher schlechterer Boden selbständig in Anbruch genommen und selbständig verpachtet werden muss, beweist un- widerleglich, dass die Anlage von Zusatzkapital auf dem alten Boden zur Herstellung der erforderlichen vermehrten Zufuhr nicht ausreicht. Die eine Annahme schliesst die andre aus. Man könnte nun zwar sagen: die Rente der schlechtesten Bodenart A ist selbst Differentialrente, verglichen entweder mit dem Boden, der vom Eigenthümer selbst bebaut wird (dies kommt jedoch rein als zu- fällige Ausnahme vor), oder mit der zusätzlichen Kapitalanlage auf den alten Pachtungen, die keine Rente abwerfen. Es wäre dies aber 1) eine Differentialrente, die nicht aus der Verschiedenheit der Fruchtbarkeit der Bodenarten entspränge, und daher nicht voraussetzte, dass die Bodenart A keine Rente zahlt und ihr Pro- dukt zum Produktionspreis verkauft. Und 2) der Umstand, ob zu- sätzliche Kapitalanlagen auf derselben Pachtung Rente abwerfen oder nicht, ist ganz so gleichgültig für den Umstand, ob der neu zu bestellende Boden der Klasse A Rente zahlt oder nicht, wie es z. B. für die Anlage eines neuen selbständigen Fabrikgeschäfts gleichgültig ist, ob ein andrer Fabrikant desselben Geschäftszweigs einen Theil seines Kapitals in zinstragenden Papieren anlegt, weil er ihn nicht in seinem Geschäft ganz verwerthen kann; oder ob er einzelne Erweiterungen macht, die ihm nicht den vollen Profit abwerfen, aber doch mehr als den Zins. Für ihn ist das Neben- sache. Die zusätzlichen neuen Etablissements müssen dagegen den Durchschnittsprofit abwerfen, und werden unter dieser Erwartung errichtet. Allerdings bilden die zusätzlichen Kapitalanlagen auf den alten Pachtungen und die zusätzliche Bebauung von Neuland der Bodenart A Schranken für einander. Die Grenze, bis zu der zusätzliches Kapital unter ungünstigeren Produktionsbedingungen auf derselben Pachtung angelegt werden kann, wird gegeben durch die konkurrirenden Neuanlagen auf Bodenklasse A; andrerseits wird die Rente, die diese Bodenklasse abwerfen kann, begrenzt durch die konkurrirenden zusätzlichen Kapitalanlagen auf den alten Pachtungen.
Alle diesen falschen Ausflüchte lösen jedoch nicht das Problem, welches einfach hingestellt dieses ist: Gesetzt, der Marktpreis des Getreides (das uns in dieser Untersuchung alles Bodenprodukt ver- tritt) reiche hin, dass Theile der Bodenklasse A in Anbau genommen
werden könnten, und dass das auf diesen neuen Feldern angelegte Kapital den Produktionspreis des Produkts herausschlüge, d. h. Kapitalersatz plus Durchschnittsprofit. Gesetzt also, die Bedin- gungen für die normale Verwerthung von Kapital auf Bodenklasse A seien vorhanden. Genügt dies? Kann dies Kapital dann wirk- lich angelegt werden? Oder muss der Marktpreis soweit steigen, dass auch der schlechteste Boden A eine Rente abwirft? Schreibt also das Monopol des Grundeigenthümers der Anlage des Kapitals eine Schranke vor, die vom rein kapitalistischen Standpunkt aus nicht vorhanden wäre ohne die Existenz dieses Monopols? Aus den Bedingungen der Fragestellung selbst geht hervor, dass, wenn z. B. auf den alten Pachtungen zusätzliche Kapitalanlagen existiren, die bei dem gegebnen Marktpreis keine Rente, sondern nur den Durchschnittsprofit abwerfen, dieser Umstand keineswegs die Frage löst, ob nun Kapital auf Bodenklasse A, die ebenfalls den Durch- schnittsprofit abwerfen würde, aber keine Rente, nun wirklich an- gelegt werden kann. Dies ist ja gerade die Frage. Dass die zu- sätzlichen Kapitalanlagen, die keine Rente abwerfen, nicht den Bedarf befriedigen, ist bewiesen durch die Nothwendigkeit der Her- beiziehung des neuen Bodens der Klasse A. Wenn die zusätzliche Bebauung des Bodens A nur stattfindet, soweit dieser Rente ab- wirft, also mehr als den Produktionspreis, so sind nur zwei Fälle möglich. Entweder der Marktpreis muss so stehn, dass selbst die letzten zusätzlichen Kapitalanlagen auf den alten Pachtungen Sur- plusprofit abwerfen, werde dieser nun vom Pächter oder vom Grundbesitzer eingesteckt. Diese Steigerung des Preises und dieser Surplusprofit der letzten zusätzlichen Kapitalanlagen wäre dann Folge davon, dass der Boden A nicht bebaut werden kann, ohne Rente abzuwerfen. Denn genügte für eine Bebauung der Produk- tionspreis, das Abwerfen des blossen Durchschnittsprofits, so wäre der Preis nicht soweit gestiegen, und die Konkurrenz der neuen Ländereien wäre schon eingetreten, sobald sie bloss diese Produk- tionspreise abwürfen. Mit den zusätzlichen Kapitalanlagen auf den alten Pachtungen, die keine Rente abwürfen, würden dann Kapital- anlagen auf Boden A konkurriren, die ebenfalls keine Rente ab- würfen. — Oder aber, die letzten Kapitalanlagen auf den alten Pachtungen werfen keine Rente ab, aber dennoch ist der Markt- preis hoch genug gestiegen, dass Boden A in Anbruch genommen werden kann und Rente abwirft. In diesem Fall war die zusätz- liche Kapitalanlage, die keine Rente abwirft, nur möglich weil der Boden A nicht bebaut werden kann, bis der Marktpreis ihm er-
laubt Rente zu zahlen. Ohne diese Bedingung wäre seine Kultur schon bei einem niedrigern Preisstand eingetreten; und jene spätern Kapitalanlagen auf den alten Pachtungen, die den hohen Markt- preis brauchen, um den gewöhnlichen Profit ohne Rente abzuwerfen, hätten nicht stattfinden können. Bei dem hohen Marktpreis werfen sie ja nur den Durchschnittsprofit ab. Bei einem niedrigeren, der mit der Kultur des Bodens A als dessen Produktionspreis regu- lirend geworden wäre, hätten sie diesen Profit also nicht abgeworfen, hätten also unter der Voraussetzung überhaupt nicht stattgefunden. Die Rente des Bodens A würde so zwar eine Differentialrente bilden, verglichen mit diesen Kapitalanlagen auf den alten Pach- tungen, die keine Rente abwerfen. Aber dass die Bodenflächen von A eine solche Differentialrente bilden, ist nur die Folge davon, dass sie überhaupt nicht der Bebauung zugänglich werden, es sei denn, dass sie eine Rente abwerfen; dass also die Nothwendigkeit dieser, an und für sich durch keine Differenz der Bodenarten be- dingten, Rente stattfindet und die Schranke bildet für die mögliche Anlage zusätzlicher Kapitale auf den alten Pachtungen. In beiden Fällen wäre die Rente des Bodens A nicht einfache Folge des Steigens der Getreidepreise, sondern umgekehrt: der Umstand, dass der schlechteste Boden Rente abwerfen muss, damit seine Bebauung überhaupt erlaubt wird, wäre die Ursache des Steigens der Getreide- preise bis zu dem Punkt, wo diese Bedingung erfüllt werden kann.
Die Differentialrente hat das Eigenthümliche, dass das Grund- eigenthum hier nur den Surplusprofit abfängt, den sonst der Pächter einstecken würde, und unter gewissen Umständen während der Dauer seines Pachtkontrakts wirklich einsteckt. Das Grundeigen- thum ist hier nur die Ursache der Uebertragung eines ohne sein Zuthun (vielmehr in Folge der Bestimmung des den Marktpreis regulirenden Produktionspreises durch die Konkurrenz) erwachsenden Theils des Waarenpreises, der sich in Surplusprofit auflöst — der Uebertragung dieses Preistheils von einer Person auf die andre, vom Kapitalisten auf den Grundeigenthümer. Aber das Grund- eigenthum ist hier nicht die Ursache, welche diesen Bestandtheil des Preises schafft, oder die Preissteigerung, die er voraussetzt. Dagegen, wenn die schlechteste Bodenart A nicht bebaut werden kann — obgleich ihre Bebauung den Produktionspreis abwerfen würde — bis sie einen Ueberschuss über diesen Produktionspreis, eine Rente abwirft, so ist das Grundeigenthum der schöpferische Grund dieser Preissteigerung. Das Grundeigenthum selbst hat Rente erzeugt. Es ändert nichts daran, wenn, wie im zweiten
behandelten Fall, die jetzt vom Boden A gezahlte Rente eine Diffe- rentialrente bildet, verglichen mit der letzten zusätzlichen Kapital- anlage auf alten Pachtungen, die nur den Produktionspreis zahlt. Denn der Umstand, dass Boden A nicht bebaut werden kann, bis der regulirende Marktpreis hoch genug gestiegen ist, um Abwerfung einer Rente für Boden A zuzulassen — nur dieser Umstand ist hier der Grund, dass der Marktpreis bis zu einem Punkt steigt, der zwar den letzten Kapitalanlagen auf den alten Pachtungen nur ihren Produktionspreis zahlt, aber einen solchen Produktionspreis, der zugleich eine Rente für Boden A abwirft. Dass dieser über- haupt Rente zahlen muss, ist hier die Ursache der Schöpfung der Differentialrente zwischen Boden A und den letzten Kapitalanlagen auf den alten Pachtungen.
Wenn wir überhaupt davon sprechen, dass — unter der Vor- aussetzung der Regelung des Getreidepreises durch den Produk- tionspreis — Bodenklasse A keine Rente zahlt, so verstehn wir Rente im kategorischen Sinn des Worts. Zahlt der Pächter ein Pachtgeld, das einen Abzug bildet, sei es vom normalen Lohn seiner Arbeiter, sei es von seinem eignen normalen Durchschnitts- profit, so zahlt er keine Rente, keinen von Arbeitslohn und Profit unterschiednen, selbständigen Bestandtheil des Preises seiner Waare. Es ist schon früher bemerkt worden, dass dies in der Praxis be- ständig vorkommt. Soweit der Lohn der Landarbeiter in einem Land allgemein unter das normale Durchschnittsniveau des Arbeits- lohns herabgedrückt wird, und daher ein Abzug vom Arbeitslohn, ein Theil des Arbeitslohns allgemein in die Rente eingeht, bildet dies keinen Ausnahmsfall für den Pächter des schlechtesten Bodens. In demselben Produktionspreis, der die Bebauung des schlechtesten Bodens zulässig macht, bildet bereits dieser niedrige Arbeitslohn einen konstituirenden Posten, und der Verkauf des Produkts zum Produktionspreis befähigt den Pächter dieses Bodens daher nicht, eine Rente zu zahlen. Der Grundeigenthümer kann seinen Boden auch an einen Arbeiter verpachten, der zufrieden ist, alles oder den grössten Theil dessen, was ihm der Verkaufspreis über dem Arbeitslohn gewährt, dem andren in der Form der Rente zu zahlen. In allen diesen Fällen wird jedoch keine wirkliche Rente gezahlt, obgleich Pachtgeld gezahlt wird. Wo aber der kapitalistischen Produktionsweise entsprechende Verhältnisse existiren, müssen Rente und Pachtgeld zusammenfallen. Es ist aber gerade dies normale Verhältniss, das hier zu untersuchen ist.
Wenn schon die oben betrachteten Fälle, worin wirklich, inner-
halb der kapitalistischen Produktionsweise, Kapitalanlagen auf dem Boden stattfinden können ohne Rente abzuwerfen, nichts entscheiden für unser Problem, so noch viel weniger die Verweisung auf Kolo- nialverhältnisse. Was die Kolonie zur Kolonie macht — wir sprechen hier nur von eigentlichen ackerbauenden Kolonien — ist nicht nur die Masse der im Naturzustand befindlichen fruchtbaren Ländereien. Es ist vielmehr der Umstand, dass diese Ländereien nicht angeeignet, nicht unter das Grundeigenthum subsumirt sind. Es ist dies, was den ungeheuren Unterschied macht zwischen den alten Ländern und den Kolonien, soweit der Boden in Betracht kommt: Die legale oder faktische Nichtexistenz des Grundeigen- thums, wie Wakefield(FN35) richtig bemerkt, und schon lange vor ihm Mirabeau père, der Physiokrat, und andre ältre Oekonomen ent- deckt hatten. Es ist hier ganz gleichgültig, ob die Kolonisten ohne weiteres den Boden sich aneignen, oder ob sie dem Staat unter dem Titel eines nominellen Bodenpreises in der That nur eine Gebühr für einen gültigen Rechtstitel auf den Boden zahlen. Es ist auch gleichgültig, dass schon angesiedelte Kolonisten juri- stische Eigenthümer von Grund und Boden sind. Thatsächlich bildet hier das Grundeigenthum keine Schranke für die Anlage von Kapital oder auch von Arbeit ohne Kapital; die Beschlagnahme des einen Bodentheils durch die bereits ansässigen Kolonisten schliesst die neuen Ankömmlinge nicht von der Möglichkeit aus, neuen Boden zum Anwendungsfeld ihres Kapitals oder ihrer Arbeit zu machen. Wenn es also gilt zu untersuchen, wie das Grund- eigenthum auf die Preise der Bodenprodukte und auf die Rente wirkt, da wo es den Boden als Anlagefeld des Kapitals beschränkt, so ist es höchst abgeschmackt, von freien bürgerlichen Kolonien zu sprechen, wo weder die kapitalistische Produktionsweise in der Agrikultur, noch die ihr entsprechende Form des Grundeigenthums existirt, das letztre überhaupt faktisch nicht existirt. So z. B. Ricardo in dem Kapitel über die Grundrente. Im Eingang sagt er, er wolle die Wirkung der Aneignung des Bodens auf den Werth der Bodenprodukte untersuchen und gleich darauf nimmt er als Illustration die Kolonien, wo er unterstellt, dass der Grund und Boden relativ elementarisch vorhanden, und seine Exploitation nicht durch das Monopol des Grundeigenthums beschränkt ist.
Das blosse juristische Eigenthum am Boden schafft dem Eigen- thümer keine Grundrente. Wohl aber gibt es ihm die Macht,
seinen Boden solange der Exploitation zu entziehn, bis die ökono- mischen Verhältnisse eine Verwerthung desselben erlauben, die ihm einen Ueberschuss abwirft, sei es dass der Boden zur eigentlichen Agrikultur verwandt werde, sei es zu andren Produktionszwecken wie Bauten etc. Er kann die absolute Quantität dieses Beschäf- tigungsfeldes nicht vermehren oder vermindern, wohl aber seine auf dem Markt befindliche Quantität. Es ist daher, wie schon Fourier bemerkt hat, eine charakteristische Thatsache, dass in allen civilisirten Ländern ein verhältnissmäßig bedeutender Theil des Bodens stets der Kultur entzogen bleibt.
Den Fall also gesetzt, dass die Nachfrage Aufbrechen neuer Ländereien erheischt, sage unfruchtbarerer Ländereien als die bis- her bebauten, wird der Grundeigenthümer diese Ländereien um- sonst verpachten, weil der Marktpreis des Bodenprodukts hoch ge- nug gestiegen ist, damit die Kapitalanlage in diesem Boden dem Pächter den Produktionspreis zahlt und daher den gewöhnlichen Profit abwirft? Keineswegs. Die Kapitalanlage muss ihm eine Rente abwerfen. Er verpachtet erst, sobald ihm ein Pachtgeld gezahlt werden kann. Der Marktpreis muss also über den Pro- duktionspreis gestiegen sein zu P + r, sodass dem Grundeigenthümer eine Rente gezahlt werden kann. Da das Grundeigenthum der Voraussetzung nach ohne die Verpachtung nichts einträgt, ökono- misch werthlos ist, so ist ein geringes Steigen des Marktpreises über den Produktionspreis hinreichend, um den neuen Grund und Boden schlechtester Sorte in den Markt zu bringen.
Es fragt sich nun: Folgt aus der Grundrente des schlechtesten Bodens, die aus keiner Differenz der Fruchtbarkeit hergeleitet werden kann, dass der Preis des Bodenprodukts nothwendig ein Monopolpreis im gewöhnlichen Sinn ist, oder ein Preis, worin die Rente in der Form eingeht wie eine Steuer, nur dass der Grund- eigenthümer die Steuer erhebt statt des Staats? Dass diese Steuer ihre gegebnen ökonomischen Schranken hat, ist selbstverständlich. Sie ist beschränkt durch zusätzliche Kapitalanlagen auf den alten Pachtungen, durch die Konkurrenz der fremden Bodenprodukte — deren freie Einfuhr vorausgesetzt — durch die Konkurrenz der Grundeigenthümer unter einander, endlich durch Bedürfniss und Zahlungsfähigkeit der Konsumenten. Aber darum handelt es sich hier nicht. Es handelt sich darum, ob die Rente, die der schlech- teste Boden zahlt, in den Preis seines Produkts, der der Voraus- setzung nach den allgemeinen Marktpreis regulirt, in derselben Weise eingeht, wie eine Steuer in den Preis der Waare, auf die
sie gelegt ist, d. h. als ein von ihrem Werthe unabhängiges Element.
Es folgt dies keineswegs nothwendig, und ist nur behauptet worden, weil der Unterschied zwischen dem Werth der Waaren und ihrem Produktionspreis bisher nicht begriffen war. Wir haben gesehn, dass der Produktionspreis einer Waare keineswegs mit ihrem Werth identisch ist, obgleich die Produktionspreise der Waaren, in ihrer Totalität betrachtet, nur durch ihren Gesammt- werth regulirt sind, und obgleich die Bewegung der Produktions- preise der verschiednen Waarensorten, alle andren Umstände gleich- bleibend gesetzt, ausschliesslich durch die Bewegung ihrer Werthe bestimmt ist. Es ist gezeigt worden, dass der Produktionspreis einer Waare über oder unter ihrem Werth stehn kann, und nur ausnahmsweis mit ihrem Werth zusammenfällt. Die Thatsache daher, dass die Bodenprodukte über ihren Produktionspreis ver- kauft werden, beweist noch keineswegs, dass sie auch über ihren Werth verkauft werden; wie die Thatsache, dass im Durchschnitt die Industrieprodukte zu ihrem Produktionspreis verkauft werden, keineswegs beweist, dass sie zu ihrem Werth verkauft werden. Es ist möglich, dass Agrikulturprodukte über ihrem Produktions- preis und unter ihrem Werth verkauft werden, wie andrerseits viele Industrieprodukte nur den Produktionspreis abwerfen, weil sie über ihrem Werth verkauft werden.
Das Verhältniss des Produktionspreises einer Waare zu ihrem Werth ist ausschliesslich bestimmt durch das Verhältniss, worin der variable Theil des Kapitals, womit sie producirt wird, zu seinem konstanten Theil steht, oder durch die organische Zusammensetzung des sie producirenden Kapitals. Ist die Zusammensetzung des Ka- pitals in einer Produktionssphäre niedriger als die des gesellschaft- lichen Durchschnittskapitals, d. h. ist sein variabler, in Arbeitslohn ausgelegter Bestandtheil, im Verhältniss zu seinem konstanten, in den sachlichen Arbeitsbedingungen ausgelegten Bestandtheil, grösser als dies beim gesellschaftlichen Durchschnittskapital der Fall ist, so muss der Werth seines Produkts über seinem Produktionspreis stehn. D. h. ein solches Kapital producirt, weil es mehr lebendige Arbeit anwendet, bei gleicher Exploitation der Arbeit mehr Mehr- werth, also mehr Profit, als ein gleich grosser aliquoter Theil des gesellschaftlichen Durchschnittskapitals. Der Werth seines Pro- dukts steht daher über seinem Produktionspreis, da dieser Produk- tionspreis gleich ist dem Kapitalersatz plus dem Durchschnitts- profit, und der Durchschnittsprofit niedriger ist als der in dieser
Waare producirte Profit. Der vom gesellschaftlichen Durchschnitts- kapital producirte Mehrwerth ist geringer als der von einem Ka- pital dieser niedrigen Zusammensetzung producirte Mehrwerth. Um- gekehrt verhält es sich, wenn das in einer bestimmten Produk- tionssphäre angelegte Kapital von höherer Zusammensetzung ist als das gesellschaftliche Durchschnittskapital. Der Werth der von ihm producirten Waaren steht unter ihrem Produktionspreis, was allgemein bei den Produkten der meist entwickelten Industrien der Fall ist.
Ist das Kapital in einer bestimmten Produktionssphäre niedriger zusammengesetzt als das gesellschaftliche Durchschnittskapital, so ist dies zunächst nur ein andrer Ausdruck dafür, dass die Produk- tivkraft der gesellschaftlichen Arbeit in dieser besondern Produk- tionssphäre unter dem Durchschnittsniveau steht; denn die erreichte Stufe der Produktivkraft stellt sich dar in dem relativen Ueber- gewicht des konstanten Kapitaltheils über den variablen, oder in der beständigen Abnahme des von einem gegebnen Kapital in Arbeitslohn ausgelegten Bestandtheils. Ist umgekehrt das Kapital in einer bestimmten Produktionssphäre höher zusammengesetzt, so drückt dies eine über dem Durchschnittsniveau stehende Entwick- lung der Produktivkraft aus.
Von eigentlich künstlerischen Arbeiten nicht zu reden, deren Betrachtung der Natur der Sache nach von unserm Thema ausge- schlossen ist, versteht es sich übrigens von selbst, dass verschiedne Produktionssphären nach ihrer technischen Besonderheit verschiedne Verhältnisse von konstantem und variablem Kapital erheischen, und dass die lebendige Arbeit in einigen mehr, in andren weniger Raum einnehmen muss. Z. B. in der extraktiven Industrie, die genau zu unterscheiden von der Agrikultur, fällt das Rohmaterial als ein Element des konstanten Kapitals ganz weg, und spielt auch das Hülfsmaterial nur hie und da eine bedeutende Rolle. In der Berg- werksindustrie jedoch spielt der andre Theil des konstanten Kapi- tals, das fixe Kapital, eine bedeutende Rolle. Dennoch wird man auch hier den Fortschritt der Entwicklung messen können am rela- tiven Wachsen des konstanten Kapitals verglichen mit dem variablen.
Ist die Zusammensetzung des Kapitals in der eigentlichen Agri- kultur niedriger als die des gesellschaftlichen Durchschnittskapitals, so würde dies prima facie ausdrücken, dass in Ländern entwickelter Produktion die Agrikultur nicht in demselben Grade fortgeschritten ist wie die verarbeitende Industrie. Solche Thatsache würde, von allen andren und z. Th. entscheidenden ökonomischen Umständen
abgesehn, sich schon aus der frühern und raschern Entwicklung der mechanischen Wissenschaften, und namentlich ihrer Anwendung, verglichen mit der spätern und z. Th. ganz jungen Entwicklung der Chemie, Geologie und Physiologie, und namentlich wieder ihrer Anwendung auf die Agrikultur erklären. Uebrigens ist es eine unzweifelhafte und längst bekannte(FN36) Thatsache, dass die Fort- schritte der Agrikultur selbst sich stetig im relativen Wachsen des konstanten Kapitaltheils gegen den variablen ausdrücken. Ob in einem bestimmten Lande kapitalistischer Produktion, in England z. B., die Zusammensetzung des agrikolen Kapitals niedriger ist als die des gesellschaftlichen Durchschnittskapitals, ist eine Frage, die nur statistisch zu entscheiden ist, und worauf es für unsern Zweck überflüssig im Detail einzugehn. Jedenfalls steht theoretisch das fest, dass nur unter dieser Voraussetzung der Werth der Agri- kulturprodukte über ihrem Produktionspreis stehn kann; d. h. dass der von einem Kapital von gegebner Grösse in der Agrikultur erzeugte Mehrwerth, oder was dasselbe ist, die von ihm in Bewe- gung gesetzte und kommandirte Mehrarbeit (also auch angewandte lebendige Arbeit überhaupt) grösser ist als bei einem gleich grossen Kapital von gesellschaftlicher Durchschnittszusammensetzung.
Es genügt also für die Form der Rente, die wir hier unter- suchen, und die nur unter dieser Annahme stattfinden kann, die Annahme zu machen. Wo die Hypothese wegfällt, fällt auch die ihr entsprechende Form der Rente weg.
Die blosse Thatsache eines Ueberschusses des Werths der Agri- kulturprodukte über ihren Produktionspreis würde jedoch für sich allein in keiner Weise hinreichen, das Dasein einer, von der Diffe- renz in der Fruchtbarkeit der Bodenarten oder successiver Kapital- anlagen auf demselben Boden unabhängigen Grundrente zu erklären, kurz einer von der Differentialrente begrifflich unterschiednen Rente, die wir daher als absolute Rente bezeichnen können. Eine ganze Anzahl Manufakturprodukte besitzen die Eigenschaft, dass ihr Werth über ihrem Produktionspreis steht, ohne dass sie desshalb einen Ueberschuss über den Durchschnittsprofit oder einen Surplusprofit abwärfen, der sich in Rente verwandeln könnte. Umgekehrt. Dasein und Begriff des Produktionspreises und der allgemeinen Profitrate, die er einschliesst, beruhen darauf, dass die einzelnen Waaren nicht zu ihrem Werth verkauft werden. Die Produktionspreise ent- springen aus einer Ausgleichung der Waarenwerthe, die, nach
Rückerstattung der respektiven, in den verschiednen Produktions- sphären aufgezehrten Kapitalwerthe, den gesammten Mehrwerth vertheilt, nicht im Verhältniss worin er in den einzelnen Produk- tionssphären erzeugt ist, und daher in ihren Produkten steckt, sondern im Verhältniss zur Grösse der vorgeschossnen Kapitale. Nur so entspringt ein Durchschnittsprofit und der Produktions- preis der Waaren, dessen charakteristisches Element er ist. Es ist die stete Tendenz der Kapitale, durch die Konkurrenz diese Ausgleichung in der Vertheilung des vom Gesammtkapital erzeugten Mehrwerths zu bewirken, und alle Hindernisse dieser Ausgleichung zu überwältigen. Es ist daher ihre Tendenz, nur solche Surplus- profite zu dulden, wie sie unter allen Umständen, nicht aus dem Unterschied zwischen den Werthen und den Produktionspreisen der Waaren, sondern vielmehr aus dem allgemeinen, den Markt regelnden Produktionspreis und den von ihm unterschiednen indi- viduellen Produktionspreisen entspringen; Surplusprofite, die daher auch nicht zwischen zwei verschiednen Produktionssphären, sondern innerhalb jeder Produktionssphäre stattfinden, also die allgemeinen Produktionspreise der verschiednen Sphären, d. h. die allgemeine Profitrate, nicht berühren und vielmehr die Verwandlung der Werthe in Produktionspreise und die allgemeine Profitrate voraus- setzen. Diese Voraussetzung beruht jedoch, wie früher erörtert, auf der fortwährend wechselnden proportionellen Vertheilung des gesellschaftlichen Gesammtkapitals unter die verschiednen Produk- tionssphären, auf fortwährender Ein- und Auswanderung der Kapitale, auf ihrer Uebertragbarkeit von einer Sphäre zur andern, kurz auf ihrer freien Bewegung zwischen diesen verschiednen Produktions- sphären als ebensoviel disponiblen Anlagefeldern für die selbstän- digen Theile des gesellschaftlichen Gesammtkapitals. Es ist dabei vorausgesetzt, dass keine, oder doch nur eine zufällige und tempo- räre Schranke die Konkurrenz der Kapitale verhindert, z. B. in einer Produktionssphäre, wo der Werth der Waaren über ihrem Produktionspreis steht, oder wo der erzeugte Mehrwerth über dem Durchschnittsprofit steht, den Werth auf den Produktionspreis zu reduciren, und damit den überschüssigen Mehrwerth dieser Pro- duktionssphäre unter alle vom Kapital exploitirten Sphären propor- tionell zu vertheilen. Tritt aber das Gegentheil ein, stösst das Kapital auf eine fremde Macht, die es nur theilweise oder gar nicht überwinden kann, und die seine Anlage in besondren Pro- duktionssphären beschränkt, sie nur unter Bedingungen zulässt, welche jene allgemeine Ausgleichung des Mehrwerths zum Durch-
schnittsprofit ganz oder theilweise ausschliessen, so würde offenbar in solchen Produktionssphären durch den Ueberschuss des Waaren- werths über ihren Produktionspreis ein Surplusprofit entspringen, der in Rente verwandelt und als solche dem Profit gegenüber ver- selbständigt werden könnte. Als eine solche fremde Macht und Schranke tritt aber das Grundeigenthum dem Kapital bei seinen Anlagen in Grund und Boden, oder der Grundeigenthümer dem Kapitalisten gegenüber.
Das Grundeigenthum ist hier die Barriere, die keine neue Kapi- talanlage auf bisher unbebautem oder unverpachtetem Boden er- laubt ohne Zoll zu erheben, d. h. ohne eine Rente zu verlangen, obgleich der in Neubau gezogne Boden einer Art angehört, die keine Differentialrente abwirft, und die, ohne das Grundeigenthum, schon bei einer geringern Steigerung des Marktpreises hätte bebaut werden können, sodass der regulirende Marktpreis dem Bebauer dieses schlechtesten Bodens nur seinen Produktionspreis bezahlt hätte. In Folge der Schranke jedoch, die das Grundeigenthum setzt, muss der Marktpreis bis zu einem Punkt steigen, wo der Boden einen Ueberschuss über den Produktionspreis, d. h. eine Rente zahlen kann. Da aber der Werth der vom agrikolen Ka- pital producirten Waaren der Voraussetzung nach über ihrem Pro- duktionspreis steht, bildet diese Rente (einen gleich zu unter- suchenden Fall ausgenommen) den Ueberschuss des Werths über den Produktionspreis oder einen Theil davon. Ob die Rente gleich der ganzen Differenz zwischen dem Werth und dem Produktions- preis, oder nur gleich einem grössern oder geringern Theil dieser Differenz, hinge ganz und gar ab vom Stand der Zufuhr zur Nach- frage und vom Umfang des in neue Bebauung gezognen Gebiets. Solange die Rente nicht gleich dem Ueberschuss des Werths der Ackerbauprodukte über ihren Produktionspreis, ginge immer ein Theil dieses Ueberschusses ein in die allgemeine Ausgleichung und proportionelle Vertheilung alles Mehrwerths unter die verschiednen Einzelkapitale. Sobald die Rente gleich dem Ueberschuss des Werths über den Produktionspreis, wäre dieser ganze Theil des über den Durchschnittsprofit überschüssigen Mehrwerths dieser Aus- gleichung entzogen. Ob diese absolute Rente aber gleich dem ganzen Ueberschuss des Werths über den Produktionspreis, oder nur gleich einem Theil desselben, die Agrikulturprodukte würden immer zu einem Monopolpreis verkauft, nicht weil ihr Preis über ihrem Werth, sondern weil er gleich ihrem Werth, oder weil er unter ihrem Werth, aber über ihrem Produktionspreis stände. Ihr
Monopol bestände darin, nicht wie andre Industrieprodukte, deren Werth über dem allgemeinen Produktionspreis steht, zum Produk- tionspreis nivellirt zu werden. Da ein Theil des Werths wie des Produktionspreises eine thatsächlich gegebne Konstante ist, nämlich der Kostpreis, das in der Produktion aufgezehrte Kapital = k, so besteht ihr Unterschied in dem andren, variablen Theil, dem Mehr- werth, der im Produktionspreis = p, dem Profit ist, d. h. gleich dem Gesammtmehrwerth berechnet auf das gesellschaftliche Kapital und auf jedes einzelne Kapital als aliquoten Theil desselben; der aber im Werth der Waare gleich dem wirklichen Mehrwerth ist, den dies besondre Kapital erzeugt hat, und der einen integrirenden Theil der von ihm erzeugten Waarenwerthe bildet. Steht der Werth der Waare über ihrem Produktionspreis, so ist der Produk- tionspreis = k + p, der Werth = k + p + d, sodass p + d = dem in ihr steckenden Mehrwerth. Die Differenz zwischen dem Werth und dem Produktionspreis ist also = d, dem Ueberschuss des von diesem Kapital erzeugten Mehrwerths über den durch die allge- meine Profitrate ihm zugewiesenen. Es folgt hieraus, dass der Preis der Agrikulturprodukte über ihrem Produktionspreis stehn kann, ohne dass er ihren Werth erreicht. Es folgt ferner, dass bis zu einem gewissen Punkt eine dauernde Preissteigerung der Agrikulturprodukte stattfinden kann, bevor ihr Preis ihren Werth erreicht hat. Es folgt ebenso, dass nur in Folge des Monopols des Grundeigenthums der Werthüberschuss der Agrikulturprodukte über ihren Produktionspreis zu einem bestimmenden Moment ihres allgemeinen Marktpreises werden kann. Es folgt endlich, dass in diesem Fall nicht die Vertheuerung des Produkts Ursache der Rente, sondern die Rente Ursache der Vertheuerung des Produkts ist. Wenn der Preis des Produkts der Flächeneinheit des schlech- testen Bodens = P + r, so steigen alle Differentialrenten um die entsprechenden Multipeln von r, da nach der Voraussetzung P + r der regulirende Marktpreis wird.
Wäre die Durchschnittszusammensetzung des nicht agrikolen gesellschaftlichen Kapitals = 85c + 15v, und die Rate des Mehr- werths 100 %, so wäre der Produktionspreis = 115. Wäre die Zu- sammensetzung des agrikolen Kapitals = 75c + 25v, so wäre der Werth des Produkts, bei derselben Rate des Mehrwerths, und der regulirende Marktwerth = 125. Gliche sich das agrikole mit dem nicht agrikolen Produkt zum Durchschnittspreis aus (wir setzen der Kürze halber das Gesammtkapital in beiden Produktionszweigen gleich) so wäre der Gesammtmehrwerth = 40, also 20 % auf die
200 Kapital. Das Produkt des einen wie des andern würde zu 120 verkauft. Bei einer Ausgleichung zu den Produktionspreisen würden also die durchschnittlichen Marktpreise des nicht agrikolen Produkts über, und die des agrikolen Produkts unter ihren Werth zu stehn kommen. Würden die Agrikulturprodukte zu ihrem vollen Werth verkauft, so ständen sie um 5 höher, und die Industriepro- dukte um 5 niedriger als bei der Ausgleichung. Erlauben die Marktverhältnisse nicht, die Agrikulturprodukte zu ihrem vollen Werth, zum ganzen Ueberschuss über den Produktionspreis zu ver- kaufen, so steht die Wirkung zwischen beiden Extremen; die Indu- strieprodukte würden etwas über ihrem Werth, und die Ackerbau- produkte etwas über ihrem Produktionspreis verkauft.
Obgleich das Grundeigenthum den Preis der Bodenprodukte über ihren Produktionspreis hinaustreiben kann, hängt es nicht von ihm, sondern von der allgemeinen Marktlage ab, wie weit der Markt- preis über den Produktionspreis hinaus sich dem Werth annähert, und in welchem Maß also der über den gegebnen Durchschnitts- profit hinaus in der Agrikultur erzeugte Mehrwerth sich entweder in Rente verwandelt, oder aber in die allgemeine Ausgleichung des Mehrwerths zum Durchschnittsprofit eingeht. Auf jeden Fall ist diese absolute, aus dem Ueberschuss des Werths über den Pro- duktionspreis entspringende Rente bloss ein Theil des agrikolen Mehrwerths, Verwandlung dieses Mehrwerths in Rente, Abfangung desselben durch den Grundeigenthümer; ganz wie die Differential- rente entspringt aus Verwandlung von Surplusprofit in Rente, Ab- fangung desselben durch das Grundeigenthum, bei allgemein regu- lirendem Produktionspreis. Diese beiden Formen der Rente sind die einzig normalen. Ausserhalb derselben kann die Rente nur auf eigentlichem Monopolpreis beruhen, der weder vom Produktions- preis, noch vom Werth der Waaren, sondern vom Bedürfniss und der Zahlungsfähigkeit der Käufer bestimmt ist, und dessen Be- trachtung in die Lehre von der Konkurrenz gehört, wo die wirk- liche Bewegung der Marktpreise untersucht wird.
Wäre aller zum Ackerbau brauchbare Boden eines Landes ver- pachtet — die kapitalistische Produktionsweise und normale Ver- hältnisse allgemein vorausgesetzt — so gäbe es keinen Boden, der nicht Rente abwürfe, aber es könnte Kapitalanlagen, einzelne Theile des auf den Boden angelegten Kapitals geben, die keine Rente ab- würfen; denn sobald der Boden verpachtet ist, hört das Grund- eigenthum auf als absolute Schranke für die nöthige Kapitalanlage zu wirken. Als relative Schranke wirkt es auch dann noch in
sofern fort, als der Heimfall des dem Boden einverleibten Kapitals an den Grundeigenthümer dem Pächter hier sehr bestimmte Schranken zieht. Nur in diesem Fall würde sich alle Rente in Differential- rente verwandeln, nicht in Differentialrente, bestimmt durch die Differenz in der Bonität des Bodens, sondern durch die Differenz zwischen den, nach den letzten Kapitalanlagen auf einen bestimmten Boden sich ergebenden Surplusprofiten, und der Rente, die für Pachtung des Bodens schlechtester Klasse gezahlt würde. Als Schranke wirkt das Grundeigenthum nur absolut, soweit die Zu- lassung zum Boden überhaupt, als zu einem Anlagefeld des Kapi- tals, den Tribut an den Grundeigenthümer bedingt. Hat diese Zu- lassung stattgefunden, so kann dieser dem quantitativen Umfang der Kapitalanlage auf gegebnem Bodenstück keine absoluten Schranken mehr entgegensetzen. Dem Häuserbau überhaupt ist eine Schranke gelegt durch das Grundeigenthum eines dritten an dem Boden, worauf das Haus gebaut werden soll. Ist dieser Boden aber ein- mal zum Häuserbau gepachtet, so hängt es vom Pächter ab, ob er ein hohes oder niedriges Haus darauf errichten will.
Wäre die Durchschnittszusammensetzung des agrikolen Kapitals dieselbe oder höher als die des gesellschaftlichen Durchschnitts- kapitals, so fiele die absolute Rente, immer in dem entwickelten Sinn, fort; d. h. die Rente, die ebenso von der Differentialrente, wie von der auf eigentlichen Monopolpreis beruhenden Rente ver- schieden ist. Der Werth des Ackerbauprodukts stände dann nicht über seinem Produktionspreis, und das agrikole Kapital setzte nicht mehr Arbeit in Bewegung, realisirte also auch nicht mehr Mehr- arbeit, als das nichtagrikole Kapital. Dasselbe fände statt, wenn die Zusammensetzung des agrikolen Kapitals sich im Fortschritt der Kultur mit der des gesellschaftlichen Durchschnittskapitals ausgliche.
Auf den ersten Blick scheint es ein Widerspruch, anzunehmen, dass einerseits die Zusammensetzung des agrikolen Kapitals sich erhöht, also sein konstanter Theil gegen seinen variablen wächst, und andrerseits der Preis des Bodenprodukts hoch genug stiege, damit neuer und schlechterer Boden als der bisherige eine Rente, zahle, die in diesem Fall nur aus einem Ueberschuss des Markt- preises über den Werth und den Produktionspreis, kurz nur aus einem Monopolpreis des Produkts herstammen könnte.
Es ist hier zu unterscheiden.
Zunächst haben wir bei Betrachtung der Bildung der Profitrate gesehn, dass Kapitale, die, technologisch betrachtet, gleichmäßig zusammengesetzt sind, d. h. gleich viel Arbeit in Bewegung setzen
im Verhältniss zu Maschinerie und Rohstoff, dennoch durch die verschiednen Werthe der konstanten Kapitaltheile verschieden zu- sammengesetzt sein können. Der Rohstoff oder die Maschinerie können in dem einen Fall theurer sein als in dem andern. Um dieselbe Masse Arbeit in Bewegung zu setzen (und dies wäre der Voraussetzung nach nöthig um dieselbe Masse Rohmaterial zu ver- arbeiten) müsste in dem einen Fall ein grössres Kapital vorge- schossen werden als in dem andern, da ich z. B. mit einem Ka- pital von 100 nicht gleich viel Arbeit in Bewegung setzen kann, wenn das Rohmaterial, das ebenfalls aus den 100 bestritten werden muss, in dem einen Fall 40 kostet in dem andern 20. Dass diese Kapitale aber dennoch technologisch gleichmäßig zusammengesetzt sind, würde sich sofort zeigen, wenn der Preis des theureren Roh- materials auf den des niedrigern fiele. Die Werthverhältnisse zwischen variablem und konstantem Kapital wären dann dieselben geworden, obwohl in dem technischen Verhältniss zwischen der an- gewandten lebendigen Arbeit und der Masse und Natur der ange- wandten Arbeitsbedingungen keine Veränderung vorgegangen. And- rerseits könnte ein Kapital von niedrigerer organischer Zusammen- setzung durch blosses Steigen der Werthe seiner konstanten Theile vom Standpunkt der blossen Werthzusammensetzung aus betrachtet, dem Schein nach auf gleiche Stufe mit einem Kapital höherer organischer Zusammensetzung treten. Es sei gegeben ein Kapital = 60c + 40v weil es viel Maschinerie und Rohmaterial im Ver- hältniss zur lebendigen Arbeitskraft anwendet, und ein andres = 40c + 60v weil es viel lebendige Arbeit, (60 %) wenig Maschinerie, (sage 10 %) und im Verhältniss zur Arbeitskraft wenig und wohl- feiles Rohmaterial (sage 30 %) anwendet; so könnte durch blosses Steigen im Werth der Roh- und Hülfsstoffe von 30 auf 80 die Zusammensetzung ausgeglichen werden, sodass nun beim zweiten Kapital auf 10 Maschinen 80 Rohstoff und 60 Arbeitskraft kämen, also 90c + 60v, was, procentig vertheilt, ebenfalls = 60c + 40v wäre, ohne das irgend welcher technische Zusammensetzungswechsel statt- gefunden hätte. Kapitale gleicher organischer Zusammensetzung können also eine verschiedne Werthzusammensetzung haben, und Kapitale gleicher procentiger Werthzusammensetzung können auf verschiednen Stufen organischer Zusammensetzung stehn, also ver- schiedne Entwicklungsstufen der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit ausdrücken. Der blosse Umstand also, dass der Werth- zusammensetzung nach das agrikole Kapital auf dem allgemeinen Niveau stände, würde nicht beweisen dass die gesellschaftliche Pro-
duktivkraft der Arbeit gleich hoch bei ihm entwickelt ist. Sie könnte nur zeigen, dass sein eignes Produkt, welches wieder einen Theil seiner Produktionsbedingungen bildet, theurer ist, oder dass Hülfsstoffe, wie Dünger, früher nahe zur Hand, jetzt weit herge- schleppt werden müssten u. dergl.
Aber hiervon abgesehn ist der eigenthümliche Charakter der Agrikultur zu erwägen.
Gesetzt, dass Arbeit sparende Maschinerie, chemische Hülfs- mittel etc. hier einen grössern Raum einnehmen, also das konstante Kapital technisch, nicht nur dem Werth, sondern auch der Masse nach, gegen die Masse der angewandten Arbeitskraft wächst, so handelt es sich bei der Agrikultur (wie bei der Bergwerksindustrie) nicht nur um die gesellschaftliche, sondern auch um die natur- wüchsige Produktivität der Arbeit, die von den Naturbedingungen der Arbeit abhängt. Es ist möglich, dass die Zunahme der gesell- schaftlichen Produktivkraft in der Agrikultur die Abnahme der Naturkraft nur kompensirt oder nicht einmal kompensirt — diese Kompensation kann immer nur für eine Zeit wirken — sodass dort trotz der technischen Entwicklung das Produkt nicht verwohl- feilert, sondern nur eine noch grössre Vertheurung desselben ver- hindert wird. Es ist auch möglich dass bei steigendem Getreide- preis die absolute Produktmasse abnimmt, während das verhältniss- mäßige Surplusprodukt wächst; nämlich bei verhältnissmäßiger Zunahme des konstanten Kapitals, das grossentheils aus Maschinen oder Vieh besteht, wovon nur der Verschleiss zu ersetzen, und bei entsprechender Abnahme des variablen, in Arbeitslohn ausgelegten Kapitaltheils, der stets ganz aus dem Produkt ersetzt werden muss.
Es ist aber auch möglich, dass bei dem Fortschritt der Agri- kultur nur ein mäßiges Steigen des Marktpreises über den Durch- schnitt nöthig ist, damit schlechterer Boden, der bei niedrigerm Stand der technischen Hülfsmittel höheres Steigen des Marktpreises erheischt hätte, bebaut werden und zugleich eine Rente abwerfen kann.
Der Umstand, dass z. B. bei der Viehzucht im Grossen die Masse der angewandten Arbeitskraft sehr gering ist, verglichen mit dem im Vieh selbst existirenden konstanten Kapital, könnte als ent- seheidend dagegen betrachtet werden, dass agrikoles Kapital, pro- centig berechnet, mehr Arbeitskraft in Bewegung setze als das nichtagrikole gesellschaftliche Durchschnittskapital. Hier ist aber zu bemerken, dass wir bei Entwicklung der Rente von dem Theil des agrikolen Kapitals, der das entscheidende pflanzliche Nahrungs- mittel, also überhaupt das Hauptlebensmittel bei civilisirten Völkern
producirt, als bestimmend ausgehn. A. Smith — und das ist eins seiner Verdienste — hat schon nachgewiesen, dass in der Vieh- zucht, und überhaupt im Durchschnitt aller nicht in der Produktion der Hauptlebensmittel, also z. B. des Korns, auf dem Boden ange- legten Kapitale, eine ganz andre Bestimmung des Preises stattfindet. Dieser ist nämlich hier dadurch bestimmt, dass der Preis des Pro- dukts von Boden, der, sage als künstliche Wiese zur Viehzucht benutzt wird, der aber ebenso gut in Ackerbauland von gewisser Güte verwandelt werden könnte, hoch genug steigen muss, um die- selbe Rente abzuwerfen, wie gleich guter Ackerboden; die Rente des Kornlands geht hier also bestimmend in den Viehpreis ein, weswegen Ramsay mit Recht bemerkt hat, dass in dieser Weise durch die Rente, durch den ökonomischen Ausdruck des Grund- eigenthums, also durch das Grundeigenthum, der Viehpreis künst- lich gesteigert wird.
„In Folge der Ausdehnung der Kultur reicht das unbebaute Oed- land nicht mehr hin für die Zufuhr von Schlachtvieh. Ein grosser Theil der bebauten Ländereien muss verwandt werden auf Züchtung und Mästung von Vieh, dessen Preis daher hoch genug sein muss um nicht nur die darauf verwandte Arbeit zu zahlen, sondern auch die Rente, die der Grundbesitzer, und den Profit, den der Pächter von diesem Boden hätten ziehn können, wäre er als Ackerland bebaut worden. Das auf den unbebautesten Torfmooren gezüchtete Vieh wird, je nach Gewicht und Qualität, im selben Markt zum selben Preis verkauft, wie das auf dem bestkultivirten Land ge- züchtete. Die Besitzer dieser Torfmoore profitiren davon, und steigern die Rente ihrer Ländereien im Verhältniss zu den Vieh- preisen.“ (A. Smith, Book I, Chap. XI. part. I.) Hier also auch im Unterschied von der Kornrente die Differentialrente zu Gunsten des schlechtern Bodens.
Die absolute Rente erklärt einige Erscheinungen, die auf den ersten Blick die Rente einem blossen Monopolpreis geschuldet sein lassen. Nehmen wir z. B. den Besitzer eines ohne alles mensch- liche Zuthun, also nicht als Produkt der Forstung existirenden Waldes, etwa in Norwegen, um an A. Smith’s Beispiel anzuknüpfen. Wird ihm eine Rente gezahlt von einem Kapitalisten, der Holz fällen lässt, etwa in Folge englischer Nachfrage, oder lässt er es auch selbst als Kapitalist fällen, so wird ihm im Holz, ausser dem Profit auf das vorgeschossne Kapital, eine grössre oder geringre Rente gezahlt werden. Dies scheint bei diesem reinen Naturpro- dukt reiner Monopolzuschlag. In der That aber besteht das Kapital
hier fast nur aus variablem, in Arbeit ausgelegtem Kapital, setzt also auch mehr Mehrarbeit in Bewegung als andres Kapital gleicher Grösse. Es steckt also in dem Holzwerth ein grössrer Ueberschuss von unbezahlter Arbeit, oder von Mehrwerth, als im Produkt von Kapitalen höherer Zusammensetzung. Es kann daher der Durch- schnittsprofit aus dem Holz bezahlt werden und ein bedeutender Ueberschuss in Form von Rente dem Waldeigenthümer zufallen. Umgekehrt ist anzunehmen, dass bei der Leichtigkeit, womit das Holzfällen ausgedehnt werden, also diese Produktion sich rasch vermehren kann, die Nachfrage sehr bedeutend steigen muss, damit der Preis des Holzes seinem Werth gleichkommt und daher der ganze Ueberschuss unbezahlter Arbeit (über den dem Kapitalisten als Durchschnittsprofit zufallenden Theil derselben) in Form der Rente dem Eigenthümer zufällt.
Wir haben angenommen, dass der neu in Bebauung gezogne Boden von noch geringrer Qualität ist als der schlechteste letzt- bebaute. Ist er besser, so trägt er eine Differentialrente. Wir untersuchen hier aber gerade den Fall, wo die Rente nicht als Differentialrente erscheint. Da sind nur zwei Fälle möglich. Der neu in Angriff genommene Boden ist schlechter, oder er ist eben- sogut wie der letztbebaute. Ist er schlechter, so ist dies bereits untersucht. Zu untersuchen ist also nur noch der Fall wo er ebenso gut ist.
Gleich guter und selbst besserer Boden kann, wie dies schon bei der Differentialrente entwickelt ist, ebensowohl im Fortgang der Kultur in den Neubau eintreten wie schlechterer.
Erstens weil bei der Differentialrente (und der Rente überhaupt, da auch bei der Nicht-Differentialrente immer die Frage eintritt, ob einerseits die Fruchtbarkeit des Bodens überhaupt, und andrer- seits seine Lage erlaubt, ihn bei dem regulirenden Marktpreis mit Profit und Rente zu bebauen) zwei Bedingungen in umgekehrter Richtung wirken, die sich bald wechselseitig paralysiren, bald eine um die andre den Ausschlag geben können. Das Steigen des Marktpreises — vorausgesetzt dass der Kostpreis der Bebauung nicht gefallen ist, in andren Worten, dass nicht Fortschritte tech- nischer Art ein neu hinzutretendes Moment für den Neuanbau bilden — kann fruchtbareren Boden in Bebauung bringen, der früher durch seine Lage von der Konkurrenz ausgeschlossen war. Oder es kann bei unfruchtbarerem Boden den Vortheil der Lage soweit steigern, dass die geringre Ertragsfähigkeit dadurch ausge- glichen wird. Oder ohne Steigen des Marktpreises kann die Lage
durch verbesserte Kommunikationsmittel die bessern Ländereien in Mitbewerbung bringen, wie wir dies in grossem Maßstab bei den Prairiestaaten in Nordamerika sehn. Auch in altcivilisirten Ländern findet dies beständig statt, obgleich nicht in demselben Maß wie in Kolonien, wo, wie Wakefield richtig bemerkt, die Lage ent- scheidend ist. Also erstens die kontradiktorischen Wirkungen von Lage und Fruchtbarkeit, und die Variabilität des Faktors der Lage, der beständig ausgeglichen wird, beständige progressive, zur Aus- gleichung strebende Veränderungen durchmacht, bringen ab- wechselnd gleichgute, bessere oder schlechtere Bodenstrecken in neue Konkurrenz mit den altbebauten.
Zweitens. Mit der Entwicklung der Naturwissenschaft und der Agronomie ändert sich auch die Fruchtbarkeit des Bodens, indem sich die Mittel ändern, wodurch die Elemente des Bodens sofort verwerthbar gemacht werden können. So haben in jüngst ver- flossner Zeit leichte Bodenarten in Frankreich und in den östlichen Grafschaften Englands, die früher für schlecht galten, sich auf den ersten Rang erhoben. (Siehe Passy.) Andrerseits wird Boden, der nicht seiner chemischen Zusammensetzung wegen für schlecht galt, sondern nur der Bebauung gewisse mechanisch-physikalische Hinder- nisse entgegensetzte, in gutes Land verwandelt, sobald die Mittel zur Bewältigung dieser Hindernisse entdeckt sind.
Drittens. In allen altcivilisirten Ländern haben alte historische und traditionelle Verhältnisse, z. B. in der Form von Staatsländereien, Gemeindeländereien etc., rein zufällig grosse Bodenstrecken der Kultur entzogen, in die sie nur nach und nach eintreten. Die Reihenfolge, in der sie der Bebauung unterworfen werden, hängt weder von ihrer Bonität noch von ihrer Lage ab, sondern von ganz äusser- lichen Umständen. Wenn man die Geschichte der englischen Ge- meindeländereien verfolgte, wie sie nach einander durch die Enclosure Bills in Privateigenthum verwandelt und urbar gemacht wurden, so wäre nichts lächerlicher als die phantastische Voraussetzung, ein moderner Agrikulturchemiker, Liebig z. B., habe die Wahl dieser Reihenfolge geleitet, habe gewisse Felder ihrer chemischen Eigen- schaften wegen für die Kultur bezeichnet, andre ausgeschlossen. Was hier entschied, war vielmehr die Gelegenheit, die Diebe macht; die mehr oder minder plausiblen juristischen Vorwände der An- eignung, die sich den grossen Grundherrn darboten.
Viertens. Abgesehn davon, dass die jedesmal erreichte Ent- wicklungsstufe des Bevölkerungs- und Kapitalzuwachses der Aus- dehnung der Bodenkultur eine wenn auch elastische Schranke zieht;
abgesehn von der Wirkung von Zufällen, die den Marktpreis tem- porär beeinflussen, wie eine Reihe günstiger und ungünstiger Jahres- zeiten, hängt die räumliche Ausdehnung der Bodenkultur ab vom gesammten Stand des Kapitalmarkts und der Geschäftslage eines Landes. In Perioden der Knappheit wird es nicht genügen, dass unbebauter Boden dem Pächter den Durchschnittsprofit abwerfen kann — ob er Rente zahle oder nicht — um zusätzliches Kapital dem Ackerbau zuzuwenden. In andren Perioden der Plethora des Kapitals strömt es dem Landbau zu, selbst ohne Steigerung des Marktpreises, wenn nur sonst die normalen Bedingungen erfüllt sind. Besserer Boden als der bisher angebaute würde in der That nur durch das Moment der Lage, oder durch bisher nicht durch- brechbare Schranken seiner Ausschliessbarkeit, oder durch den Zufall von der Konkurrenz ausgeschlossen. Wir haben uns daher nur mit Bodenarten zu beschäftigen, die ebensogut sind wie die letzt- bebauten. Zwischen dem neuen Boden und dem letztbebauten be- steht aber immer der Unterschied der Kosten der Urbarmachung, und es hängt vom Stand der Marktpreise und der Kreditverhält- nisse ab, ob diese unternommen wird — oder nicht. Sobald dieser Boden dann wirklich in Konkurrenz tritt, fällt bei sonst gleich- bleibenden Verhältnissen der Marktpreis wieder auf seinen frühern Stand, wobei der neu zugetretne Boden dann dieselbe Rente tragen wird, wie der ihm entsprechende alte. Die Voraussetzung, dass er keine Rente tragen wird, wird von ihren Anhängern bewiesen durch die Annahme dessen, was bewiesen werden soll, nämlich: dass der letzte Boden keine Rente getragen hat. Man könnte in derselben Art beweisen, dass die zuletzt gebauten Häuser ausser dem eigent- lichen Miethzins für das Gebäude keine Rente abwerfen, obgleich sie vermiethet werden. Die Thatsache ist, dass sie Rente abwerfen schon bevor sie Miethzins bringen, indem sie oft lange leer stehn Ganz wie successive Kapitalanlagen auf ein Bodenstück einen pro- portionellen Mehrertrag abwerfen können, und daher dieselbe Rente wie die ersten, so können Felder von gleicher Güte wie die letzt- bebauten denselben Ertrag zu denselben Kosten abwerfen. Es wäre sonst überhaupt unbegreiflich, wie Felder derselben Bonität jemals successive in Anbau genommen werden, und nicht alle auf einmal, oder vielmehr kein einziges, um nicht die Konkurrenz aller nach sich zu ziehn. Der Grundeigenthümer ist stets bereit eine Rente zu ziehn, d. h. etwas umsonst zu erhalten; aber das Kapital braucht gewisse Umstände, um seinen Wunsch zu erfüllen. Die Konkurrenz der Ländereien unter einander hängt daher nicht davon
ab, dass der Grundeigenthümer sie konkurriren lassen will, sondern davon, dass sich Kapital findet, um auf den neuen Feldern mit den andern zu konkurriren.
Soweit die eigentliche Ackerbaurente blosser Monopolpreis, kann dieser nur klein sein, wie hier auch die absolute Rente unter nor- malen Verhältnissen nur klein sein kann, welches immer der Ueber- schuss des Werths des Produkts über seinen Produktionspreis sei. Das Wesen der absoluten Rente besteht also darin: gleichgrosse Kapitale in verschiednen Produktionssphären produciren, je nach ihrer verschiednen Durchschnittszusammensetzung, bei gleicher Rate des Mehrwerths oder gleicher Exploitation der Arbeit, verschiedne Massen von Mehrwerth. In der Industrie gleichen sich diese ver- schiednen Massen von Mehrwerth zum Durchschnittsprofit aus, und vertheilen sich auf die einzelnen Kapitale gleichmäßig als auf aliquote Theile des Gesellschaftskapitals. Das Grundeigenthum, so- bald die Produktion Grund und Boden braucht, sei es zur Agri- kultur, sei es zur Extraktion von Rohstoffen, hindert diese Aus- gleichung für die im Boden angelegten Kapitale, und fängt einen Theil des Mehrwerths ab, der sonst in die Ausgleichung zur allge- meinen Profitrate eingehn würde. Die Rente bildet dann einen Theil des Werths, specieller des Mehrwerths der Waaren, der nur statt der Kapitalistenklasse, die ihn aus den Arbeitern extrahirt hat, den Grundeigenthümern zufällt, die ihn aus den Kapitalisten extra- hiren. Es ist hierbei vorausgesetzt, dass das agrikole Kapital mehr Arbeit in Bewegung setzt, als ein gleichgrosser Theil des nicht agrikolen Kapitals. Wie weit die Abweichung geht, oder ob sie überhaupt existirt, hängt ab von der relativen Entwicklung dér Agrikultur gegenüber der Industrie. Der Natur der Sache nach muss mit dem Fortschritt der Agrikultur diese Differenz abnehmen, wenn nicht das Verhältniss, worin der variable gegenüber dem konstanten Theil des Kapitals abnimmt, beim industriellen Kapital noch grösser ist als beim agrikolen.
Diese absolute Rente spielt eine noch bedeutendere Rolle in der eigentlichen extraktiven Industrie, wo ein Element des konstanten Kapitals, das Rohmaterial, ganz wegfällt, und wo mit Ausnahme der Zweige, bei denen der aus Maschinerie und sonstigem fixen Kapital bestehende Theil sehr bedeutend ist, unbedingt die niedrigste Zusammensetzung des Kapitals vorherrscht. Grade hier, wo die Rente allein einem Monopolpreis geschuldet scheint, sind ausser- ordentlich günstige Marktverhältnisse erheischt, damit die Waaren zu ihrem Werth verkauft werden, oder die Rente gleich dem ganzen
Ueberschuss des Mehrwerths der Waare über ihren Produktions- preis wird. So z. B. bei der Rente von fischbaren Wassern, Stein- brüchen, wildgewachsnen Wäldern etc.(FN37)
Die Differentialrente tritt überall ein und folgt überall denselben Gesetzen wie die agrikole Differentialrente, wo überhaupt Rente existirt. Ueberall wo Naturkräfte monopolisirbar sind und dem Industriellen, der sie anwendet, einen Surplusprofit sichern, sei es ein Wassergefälle, oder ein reichhaltiges Bergwerk, oder ein fisch- reiches Wasser, oder ein gutgelegner Bauplatz, fängt der durch seinen Titel auf einen Theil des Erdballs zum Eigenthümer dieser Naturgegenstände Gestempelte diesen Surplusprofit dem fungirenden Kapital in der Form der Rente ab. Was Land zu Bauzwecken betrifft, so hat A. Smith auseinandergesetzt, wie die Grundlage seiner Rente, wie die aller nicht agrikolen Ländereien, durch die eigentliche Ackerbaurente geregelt ist. (Book I, chap. XI, 2 und 3.) Es zeichnet sich diese Rente aus erstens durch den überwiegenden Einfluss, den hier die Lage auf die Differentialrente ausübt (sehr bedeutend z. B. beim Weinbau und bei Bauplätzen in grossen Städten); zweitens durch die Handgreiflichkeit der gänzlichen Passi- vität des Eigenthümers, dessen Aktivität bloss darin besteht (nament- lich bei Bergwerken), den Fortschritt der gesellschaftlichen Ent- wicklung auszubeuten, zu dem er nichts beiträgt und bei dem er nichts riskirt, wie doch der industrielle Kapitalist thut, und endlich durch das Vorwiegen des Monopolpreises in vielen Fällen, speciell der schamlosesten Ausbeutung des Elends (denn das Elend ist für die Hausrente eine ergiebigere Quelle als die Minen von Potosi je für Spanien waren(FN38) und die ungeheure Macht, die dies Grund- eigenthum gibt, wenn es mit dem industriellen Kapital in derselben Hand vereinigt, dieses befähigt, die Arbeiter im Kampf um dem Arbeitslohn praktisch von der Erde als ihrem Wohnsitz auszu- schliessen.(FN39) Ein Theil der Gesellschaft verlangt hier von den andern einen Tribut für das Recht, die Erde bewohnen zu dürfen,
wie überhaupt im Grundeigenthum das Recht der Eigenthümer ein- geschlossen ist, den Erdkörper, die Eingeweide der Erde, die Luft und damit die Erhaltung und Entwicklung des Lebens zu exploitiren. Nicht nur das Steigen der Bevölkerung, und damit das wachsende Bedürfniss der Behausung, sondern auch die Entwicklung des fixen Kapitals, das sich entweder der Erde einverleibt oder Wurzeln in ihr schlägt, auf ihr ruht, wie alle industriellen Gebäude, Eisen- bahnen, Waarenhäuser, Fabrikgebäude, Docks u. s. w., steigert die Baurente nothwendig. Eine Verwechslung zwischen der Haus- miethe, soweit sie Zins und Amortisation des im Haus angelegten Kapitals, und der Rente für den blossen Boden, ist hier selbst bei Carey’schem gutem Willen nicht möglich, namentlich wenn wie in England, der Grundeigenthümer und der Bauspekulant ganz ver- schiedne Personen sind. Es kommen hier zwei Elemente in Be- tracht: auf der einen Seite die Exploitation der Erde zum Zweck der Reproduktion oder Extraktion, auf der andern der Raum, der als ein Element aller Produktion und alles menschlichen Wirkens erheischt ist. Und nach beiden Seiten hin verlangt das Grund- eigenthum seinen Tribut. Die Nachfrage für Bauterrain hebt den Werth des Bodens als Raum und Grundlage, während dadurch zu- gleich die Nachfrage nach Elementen des Erdkörpers wächst die als Baumaterial dienen.(FN40)
Wie in rasch fortschreitenden Städten, besonders wo das Bauen wie in London fabrikmäßig betrieben wird, die Bodenrente, nicht das Haus den eigentlichen Grundgegenstand der Bauspekulation bildet, davon haben wir ein Beispiel gegeben Buch II, Kap. XII, S. 215, 216, in den Aussagen eines grossen Londoner Bauspeku- lanten, Edward Capps, vor dem Bank-Ausschuss von 1857. Er sagt dort No. 5435: „Ich glaube, ein Mann der in der Welt vor- ankommen will, kann kaum erwarten voranzukommen durch Ein- haltung eines soliden Geschäfts (fair trade) … er muss nothwendig ausserdem auf Spekulation bauen, und das auf grossem Maßstab; denn der Unternehmer macht sehr wenig Profit aus den Gebäuden selbst, er macht seinen Hauptprofit aus den gesteigerten Grund- renten. Er übernimmt meinetwegen ein Stück Land und gibt jähr- lich 300 £ dafür; wenn er nach einem sorgfältigen Bauplan die richtige Klasse von Häusern darauf errichtet, kann es ihm gelingen 400 oder 450 £ jährlich daraus zu machen, und sein Profit würde
viel mehr in der vermehrten Grundrente von 100 oder 150 £ jähr- lich bestehn als in dem Profit aus den Gebäuden, den er in vielen Fällen überhaupt kaum in Betracht zieht.“ Wobei nicht zu ver- gessen ist, dass nach Ablauf des Miethkontrakts von meistens 99 Jahren der Boden mit allen darauf befindlichen Gebäuden, und mit der inzwischen meist auf mehr als das Doppelte und Dreifache gesteigerten Grundrente, von dem Bauspekulanten oder seinem Rechts- nachfolger wieder an den ursprünglichen letzten Grundeigenthümer zurückfällt.
Die eigentliche Bergwerksrente ist bestimmt ganz wie die Acker- baurente. „Es gibt einige Bergwerke, deren Produkt kaum hin- reicht, die Arbeit zu bezahlen und das darin angelegte Kapital sammt dem gewöhnlichen Profit zu ersetzen. Sie werfen dem Unternehmer einigen Profit ab, aber keine Rente für den Grund- eigenthümer. Sie können mit Vortheil nur vom Grundeigenthümer bearbeitet werden, der als sein eigner Unternehmer den gewöhn- lichen Profit aus seinem angelegten Kapital macht. Viele Kohlen- gruben in Schottland werden in dieser Art betrieben, und können in keiner andern Art betrieben werden. Der Grundeigenthümer erlaubt niemand anders sie ohne Rentezahlung zu betreiben, aber niemand kann Rente dafür zahlen.“ (A. Smith, Book I, chap. XI, 2.)
Man muss unterscheiden, ob die Rente aus einem Monopolpreis fliesst, weil ein von ihr unabhängiger Monopolpreis der Produkte oder des Bodens selbst existirt, oder ob die Produkte zu einem Monopolpreis verkauft werden, weil eine Rente existirt. Wenn wir von Monopolpreis sprechen, so meinen wir überhaupt einen Preis, der nur durch die Kauflust und Zahlungsfähigkeit der Käufer bestimmt ist, unabhängig von dem durch den allgemeinen Produk- tionspreis, wie von dem durch den Werth der Produkte bestimmten Preis. Ein Weinberg, der Wein von ganz ausserordentlicher Güte erzeugt, Wein der überhaupt nur in relativ geringer Quantität er- zeugt werden kann, trägt einen Monopolpreis. Der Weinzüchter würde in Folge dieses Monopolpreises, dessen Ueberschuss über den Werth des Produkts allein durch den Reichthum und die Lieb- haberei der vornehmen Weintrinker bestimmt ist, einen bedeutenden Surplusprofit realisiren. Dieser Surplusprofit, der hier aus einem Monopolpreis fliesst, verwandelt sich in Rente und fällt in dieser Form dem Grundeigenthümer anheim, in Folge seines Titels auf dies mit besondern Eigenschaften begabte Stück des Erdkörpers. Hier schafft also der Monopolpreis die Rente. Umgekehrt würde die Rente den Monopolpreis schaffen, wenn Getreide nicht nur über
seinen Produktionspreis, sondern auch über seinen Werth verkauft würde in Folge der Schranke, die das Grundeigenthum der rente- losen Anlage von Kapital auf unbebautem Boden zieht. Dass es nur der Titel einer Anzahl von Personen auf das Eigenthum am Erdball ist, der sie befähigt einen Theil der Mehrarbeit der Gesell- schaft sich als Tribut anzueignen, und mit der Entwicklung der Produktion sich in stets steigendem Maß anzueignen, wird durch den Umstand verdeckt, dass die kapitalisirte Rente, also eben dieser kapitalisirte Tribut als Preis des Bodens erscheint und dieser daher wie jeder andre Handelsartikel verkauft werden kann. Für den Käufer erscheint daher sein Anspruch auf die Rente nicht als um- sonst erhalten, und ohne die Arbeit, das Risiko und den Unter- nehmungsgeist des Kapitals umsonst erhalten, sondern als zu seinem Aequivalent bezahlt. Ihm erscheint, wie schon früher bemerkt, die Rente nur als Zins des Kapitals, womit er den Boden, und damit den Anspruch auf die Rente erkauft hat. Ganz so erscheint einem Sklavenhalter, der einen Neger gekauft hat, sein Eigenthum an dem Neger nicht durch die Institution der Sklaverei als solche, sondern durch Kauf und Verkauf von Waare erworben. Aber der Titel selbst wird durch den Verkauf nicht erzeugt, sondern nur übertragen. Der Titel muss da sein, bevor er verkauft werden kann, und so wenig wie ein Verkauf, kann eine Reihe von solchen Verkäufen, ihre beständige Wiederholung, diesen Titel schaffen. Was ihn überhaupt geschaffen hat, waren die Produktionsverhält- nisse. Sobald diese auf einem Punkt angelangt sind, wo sie sich umhäuten müssen, fällt die materielle, die ökonomisch und historisch berechtigte, die aus dem Process der gesellschaftlichen Lebenser- zeugung entspringende Quelle des Titels und aller auf ihm be- gründeten Transaktionen fort. Vom Standpunkt einer höhern ökonomischen Gesellschaftsformation wird das Privateigenthum ein- zelner Individuen am Erdball ganz so abgeschmackt erscheinen, wie das Privateigenthum eines Menschen an einem andern Menschen. Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen sind nicht Eigenthümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutzniesser, und haben sie als boni patres familias den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen.
Bei der folgenden Untersuchung des Bodenpreises sehn wir ab von allen Konkurrenzschwankungen, von allen Bodenspekulationen, oder auch vom kleinen Grundeigenthum, wo die Erde das Haupt-
instrument der Producenten bildet, und daher zu jedem Preis von ihnen gekauft werden muss.
I. Der Preis des Bodens kann steigen, ohne dass die Rente steigt; nämlich
1) durch das blosse Fallen des Zinsfusses, welches bewirkt, dass die Rente theurer verkauft wird, und daher die kapitalisirte Rente, der Bodenpreis wächst;
2) weil der Zins des dem Boden einverleibten Kapitals wächst.
II. Der Bodenpreis kann steigen, weil die Rente wächst.
Die Rente kann wachsen, weil der Preis des Bodenprodukts steigt, in welchem Fall immer die Rate der Differentialrente steigt, ob die Rente auf dem schlechtesten bebauten Boden gross, klein oder gar nicht vorhanden sei. Unter der Rate verstehn wir das Verhält- niss des Theils des Mehrwerths, der sich in Rente verwandelt, zum vorgeschossnen Kapital, welches das Bodenprodukt producirt. Es ist dies verschieden von dem Verhältniss des Surplusprodukts zum Gesammtprodukt, denn das Gesammtprodukt schliesst nicht das ganze vorgeschossne Kapital ein, nämlich nicht das fixe Kapital, das neben dem Produkt fortexistirt. Dagegen ist dies darin ein- geschlossen, dass auf den Bodenarten, die eine Differentialrente tragen, ein wachsender Theil des Produkts sich in überschüssiges Surpluspro- dukt verwandelt. Auf dem schlechtesten Boden schafft die Preisstei- gerung des Bodenprodukts erst Rente und daher Preis des Bodens.
Die Rente kann aber auch wachsen, ohne dass der Preis des Bodenprodukts steigt. Er kann konstant bleiben oder selbst abnehmen.
Wenn er konstant bleibt, so kann die Rente nur wachsen (von Monopolpreisen abgesehn), entweder weil bei gleich grosser Kapital- anlage auf den alten Ländereien, neue Ländereien besserer Qualität bebaut werden, die aber nur hinreichen die gewachsene Nachfrage zu decken, sodass der regulirende Marktpreis unverändert bleibt. In diesem Fall steigt nicht der Preis der alten Ländereien, aber für den neu in Angriff genommenen Boden steigt der Preis über den des alten.
Oder aber die Rente steigt, weil bei gleichbleibender relativer Ergiebigkeit und gleichbleibenden Marktpreis die Masse des den Boden exploitirenden Kapitals wächst. Obgleich daher die Rente im Verhältniss zum vorgeschossnen Kapital dieselbe bleibt, ver- doppelt sich z. B. ihre Masse, weil sich das Kapital selbst ver- doppelt hat. Da kein Fallen des Preises eingetreten ist, wirft die zweite Kapitalanlage ebenso gut wie die erste einen Surplusprofit ab, der sich nach Ablauf der Pachtzeit ebenfalls in Rente ver- wandelt. Die Masse der Rente steigt hier, weil die Masse des
Rente erzeugenden Kapitals steigt. Die Behauptung, dass ver- schiedne successive Kapitalanlagen auf derselben Bodenstrecke eine Rente nur erzeugen können, soweit ihr Ertrag ungleich ist, und daher eine Differentialrente entsteht, kommt auf die Behauptung hinaus dass, wenn zwei Kapitale von je 1000 £ auf zwei Feldern von gleicher Ergiebigkeit angelegt sind, nur eins derselben Rente abwerfen könne, obgleich diese beiden Felder zur bessern Boden- klasse gehören, die eine Differentialrente abwirft. (Die Masse des Rentals, die Gesammtrente eines Landes, wächst daher mit der Masse der Kapitalanlage, ohne dass der Preis des einzelnen Boden- stücks, oder die Rentrate, oder auch die Rentmasse auf dem ein- zelnen Bodenstücke nothwendig wächst; die Masse des Rentals wächst in diesem Fall mit der räumlichen Ausbreitung der Kultur. Dies kann sogar mit dem Fallen der Rente auf den einzelnen Be- sitzungen verbunden sein.) Sonst käme diese Behauptung auf die andre hinaus, dass die Kapitalanlage auf zwei verschiednen Boden- stücken nebeneinander andern Gesetzen folge, als die successive Kapitalanlage auf demselben Bodenstück, während man doch gerade die Differentialrente ableitet aus der Identität des Gesetzes in beiden Fällen, aus dem Zuwachs der Ergiebigkeit der Kapitalanlage so- wohl auf demselben Felde wie auf verschiednen Feldern. Die ein- zige Modifikation, die hier existirt und die übersehn wird, ist die, dass successive Kapitalanlage bei ihrer Anwendung auf räumlich verschiednen Boden auf die Schranke des Grundeigenthums stösst, was bei successiven Kapitalanlagen auf demselben Boden nicht der Fall ist. Daher auch die entgegengesetzte Wirkung, wodurch diese verschiednen Formen der Anlage sich in der Praxis wechselseitig in Schranken halten. Es tritt hier nie ein Unterschied vom Kapital ein. Bleibt die Zusammensetzung des Kapitals dieselbe, und ebenso die Rate des Mehrwerths, so bleibt die Profitrate unverändert, so- dass bei verdoppeltem Kapital die Profitmasse sich verdoppelt. Ebenso bleibt unter den angenommenen Verhältnissen die Rentrate dieselbe. Wenn ein Kapital von 1000 £ eine Rente von x, wirft unter den vorausgesetzten Umständen eines von 2000 £ eine Rente von 2x ab. Aber mit Bezug auf die Bodenfläche berechnet, die unver- ändert geblieben ist, da der Annahme nach das doppelte Kapital in demselben Feld arbeitet, ist in Folge des Steigens der Masse der Rente auch ihre Höhe gestiegen. Derselbe Acre, der 2 £ Rente einbrachte, bringt jetzt 4 £.(FN41)
Das Verhältniss eines Theils des Mehrwerths, der Geldrente — denn das Geld ist der selbständige Ausdruck des Werths — zum Boden ist an sich abgeschmackt und irrationell; denn es sind in- kommensurable Grössen, die hier an einander gemessen werden, ein bestimmter Gebrauchswerth, Bodenstück von so und so viel Quadratfuss auf der einen Seite, und Werth, speciell Mehrwerth auf der andern. Es drückt dies in der That nichts aus als dass unter den gegebnen Verhältnissen das Eigenthum an den Quadrat- füssen Boden den Grundeigenthümer befähigt, ein bestimmtes Quantum unbezahlter Arbeit abzufangen, die das in den Quadrat- füssen wie ein Schwein in den Kartoffeln wühlende Kapital [hier steht im Ms. in Klammern, aber durchstrichen: Liebig] realisirt hat. Prima facie ist der Ausdruck aber derselbe, als wollte man vom Verhältniss einer Fünfpfundnote zum Durchmesser der Erde sprechen. Die Vermittlungen der irrationellen Formen, worin be- stimmte ökonomische Verhältnisse erscheinen und sich praktisch zusammenfassen, gehn die praktischen Träger dieser Verhältnisse in ihrem Handel und Wandel jedoch nichts an; und da sie gewohnt sind sich darin zu bewegen, findet ihr Verstand nicht im geringsten Anstoss daran. Ein vollkommner Widerspruch hat durchaus nichts Geheimnissvolles für sie. In den, dem innern Zusammenhang ent- fremdeten und, für sich isolirt genommen, abgeschmackten Er- scheinungsformen fühlen sie sich ebenfalls so zu Haus wie ein Fisch im Wasser. Es gilt hier, was Hegel mit Bezug auf gewisse mathematische Formeln sagt, dass was der gemeine Menschenver- stand irrationell findet, das Rationelle, und sein Rationelles die Irrationallität selbst ist.
Mit Bezug auf die Bodenfläche selbst betrachtet, drückt sich also das Steigen in der Masse der Rente aus, ganz wie ein Steigen
in der Rate der Rente, und daher die Verlegenheit, wenn die Bedin- gungen die den einen Fall erklären würden, bei dem andern fehlen.
Der Bodenpreis kann aber auch steigen, selbst wenn der Preis des Bodenprodukts abnimmt.
In diesem Fall kann sich durch weitre Differenzirung die Diffe- rentialrente, und daher der Bodenpreis, der bessern Ländereien ver- mehrt haben. Oder wenn dies nicht der Fall ist, kann bei ver- mehrter Produktivkraft der Arbeit der Preis des Bodenprodukts ge- fallen sein, sodass aber die vermehrte Produktion dies mehr als aufwiegt. Nimm an das Quarter habe 60 sh. gekostet. Werden von demselben Acre mit demselben Kapital 2 qrs. statt einem pro- ducirt, und das qr. falle auf 40 sh., so bringen 2 qrs. 80 sh., so- dass der Werth des Produkts desselben Kapitals auf demselben Acre um eindrittel gestiegen, obgleich der Preis per qr. um ein- drittel gefallen ist. Wie dies möglich ohne dass das Produkt über seinem Produktionspreis oder Werth verkauft wird, wurde bei der Differentialrente entwickelt. Es ist in der That nur in zwei Arten möglich. Entweder schlechter Boden wird ausser Konkurrenz ge- setzt, aber der Preis des bessern Bodens wächst, wenn die Differen- tialrente wächst, die allgemeine Verbesserung also ungleichmäßig auf die verschiednen Bodenarten wirkt. Oder auf dem schlechtesten Boden drückt sich derselbe Produktionspreis (und derselbe Werth, falls absolute Rente gezahlt wird) wegen gesteigerter Produktivität der Arbeit in grössrer Masse Produkt aus. Das Produkt stellt nach wie vor denselben Werth dar, aber der Preis seiner aliquoten Theile ist gefallen, während ihre Anzahl sich vermehrt hat. Wenn dasselbe Kapital angewandt, ist dies unmöglich; denn in diesem Fall drückt sich stets derselbe Werth in jeder beliebigen Menge Produkt aus. Es ist aber möglich, wenn ein Kapitalzuschuss ge- macht worden ist für Gyps, Guano etc., kurz für Verbesserungen deren Wirkung sich über mehrere Jahre erstreckt. Die Bedingung ist, dass der Preis des einzelnen qr. zwar fällt, aber nicht in dem- selben Verhältniss wie die Zahl der qrs. wächst.
III. Diese verschiednen Bedingungen des Steigens der Rente und daher des Bodenpreises überhaupt oder für einzelne Bodenarten können z. Th. konkurriren, z. Th. schliessen sie einander aus, und können nur abwechselnd wirken. Es folgt aber aus dem Ent- wickelten, dass aus einem Steigen des Bodenpreises nicht ohne weiteres auf ein Steigen der Rente, und dass aus einem Steigen der Rente, welches immer ein Steigen des Bodenpreises nach sich
zieht, nicht ohne Weiteres auf ein Steigen der Bodenprodukte ge- schlossen werden kann.(FN42)
Statt auf die wirklichen naturgemäßen Ursachen der Erschöpfung des Bodens zurückzugehn, welche übrigens sämmtlichen Oekonomen die über Differentialrente geschrieben haben, unbekannt waren wegen des Zustands der Agrikulturchemie zu ihrer Zeit, ist die flache Auf- fassung zu Hülfe genommen worden, dass man nicht jede beliebige Masse Kapital in einem räumlich begrenzten Feld anlegen kann; wie z. B. die Westminster Review dem Richard Jones entgegen- hielt, dass man nicht ganz England durch Bebauung von Soho Square füttern kann. Wenn dies als ein besondrer Nachtheil der Agrikultur angesehn wird, so ist gerade das Umgekehrte wahr. Es können hier successive Kapitalanlagen fruchtbringend angelegt werden, weil die Erde selbst als Produktionsinstrument wirkt, was bei einer Fabrik, wo sie nur als Unterlage, als Platz, als räum- liche Operationsbasis fungirt, nicht oder nur innerhalb sehr enger Grenzen der Fall ist. Man kann zwar — und dies thut die grosse Industrie — in einem, verglichen mit dem parcellirten Handwerk, kleinen Raum eine grosse Produktionsanlage koncentriren. Aber, die Entwicklungsstufe der Produktivkraft gegeben, ist immer ein bestimmter Raum erforderlich, und das Bauen in die Höhe hat auch seine bestimmten praktischen Grenzen. Ueber diese hinaus erfordert Ausdehnung der Produktion auch Erweiterung des Boden- raums. Das in Maschinen u. s. w. angelegte fixe Kapital verbessert sich nicht durch den Gebrauch, sondern verschleisst im Gegentheil. In Folge neuer Erfindungen können auch hier einzelne Verbesse- rungen angebracht werden, aber die Entwicklung der Produktiv- kraft als gegeben vorausgesetzt, kann sich die Maschine nur ver- schlechtern. Bei rascher Entwicklung der Produktivkraft muss die ganze alte Maschinerie durch vortheilhaftere ersetzt werden, also verloren gehn. Die Erde dagegen, richtig behandelt, verbessert sich fortwährend. Der Vorzug der Erde, dass successive Kapital- anlagen Vortheil bringen können, ohne dass die frühern verloren gehn, schliesst zugleich die Möglichkeit der Ertragsdifferenz dieser successiven Kapitalanlagen ein.
Man muss sich klar machen, worin eigentlich die Schwierigkeit der Behandlung der Grundrente, vom Standpunkt der modernen Oekonomie, als des theoretischen Ausdrucks der kapitalistischen Produktionsweise besteht. Dies ist selbst von einer grossen Anzahl neuerer Schriftsteller immer noch nicht begriffen worden, wie jeder erneuerte Versuch, die Grundrente „neu“ zu erklären, beweist. Die Neuheit besteht hier fast immer in dem Rückfall in längst über- wundne Standpunkte. Die Schwierigkeit besteht nicht darin, das vom agrikolen Kapital erzeugte Mehrprodukt und den ihm ent- sprechenden Mehrwerth überhaupt zu erklären. Diese Frage ist vielmehr gelöst in der Analyse des Mehrwerths, den alles produk- tive Kapital erzeugt, in welcher Sphäre immer es angelegt sei. Die Schwierigkeit besteht darin, nachzuweisen, woher nach Aus- gleichung des Mehrwerths unter den verschiednen Kapitalen zum Durchschnittsprofit, zu einem ihren verhältnissmäßigen Grössen entsprechenden proportionellen Antheil an dem Gesammtmehrwerth, den das gesellschaftliche Kapital in allen Produktionssphären zu- sammen erzeugt hat, woher nach dieser Ausgleichung, nach der scheinbar bereits stattgehabten Vertheilung alles Mehrwerths, der überhaupt zu vertheilen ist, woher da noch der überschüssige Theil dieses Mehrwerths stammt, den das im Boden angelegte Kapital unter der Form der Grundrente an den Grundeigenthümer zahlt. Ganz abgesehn von den praktischen Motiven, welche den modernen Oekonomen als Wortführer des industriellen Kapitals gegen das Grundeigenthum zur Untersuchung dieser Frage stachelten — Motive, die wir in dem Kapitel über die Geschichte der Grundrente näher andeuten werden — war die Frage für sie als Theoretiker von entscheidendem Interesse. Zugeben, dass die Erscheinung der Rente für das im Ackerbau angelegte Kapital aus einer besondren Wirkung der Anlagesphäre selbst, aus, der Erdkruste als solcher angehörigen, Eigenschaften stamme — das hiess verzichten auf den Werthbegriff selbst, also verzichten auf jede Möglichkeit wissenschaftlicher Er- kenntniss auf diesem Gebiet. Selbst die einfache Wahrnehmung, dass die Rente aus dem Preise des Bodenprodukts bezahlt wird — was selbst da stattfindet wo sie in Naturalform gezahlt wird, wenn der Pächter seinen Produktionspreis herausschlagen soll — zeigte die Abgeschmacktheit, den Ueberschuss dieses Preises über den
gewöhnlichen Produktionspreis, also die relative Theuerkeit des Ackerbauprodukts aus dem Ueberschuss der naturwüchsigen Produk- tivität der agrikolen Industrie über die Produktivität der andern Industriezweige zu erklären; da umgekehrt, je produktiver die Arbeit, desto wohlfeiler jeder aliquote Theil ihres Produkts, weil desto grösser die Masse der Gebrauchswerthe, worin dasselbe Quantum Arbeit, also derselbe Werth sich darstellt.
Die ganze Schwierigkeit in der Analyse der Rente bestand also darin, den Ueberschuss des agrikolen Profits über den Durchschnitts- profit zu erklären, nicht den Mehrwerth, sondern den dieser Pro- duktionssphäre eigenthümlichen überschüssigen Mehrwerth, also auch nicht das „Nettoprodukt“, sondern den Ueberschuss dieses Netto- produkts über das Nettoprodukt der andren Industriezweige. Der Durchschnittsprofit selbst ist ein Produkt, eine Bildung des unter ganz bestimmten historischen Produktionsverhältnissen vor sich gehenden socialen Lebensprocesses, ein Produkt, das wie wir gesehn haben, sehr weitläuftige Vermittlung voraussetzt. Um überhaupt von einem Ueberschuss über den Durchschnittsprofit sprechen zu können, muss dieser Durchschnittsprofit selbst als Maßstab und, wie es in der kapitalistischen Produktionsweise der Fall ist, als Regulator der Produktion überhaupt hergestellt sein. In Gesell- schaftsformen also, wo es noch nicht das Kapital ist, das die Funktion vollzieht, alle Mehrarbeit zu erzwingen und allen Mehr- werth in erster Hand sich selbst anzueignen, wo also das Kapital sich die gesellschaftliche Arbeit noch nicht, oder nur sporadisch subsumirt hat, kann von der Rente im modernen Sinn, von der Rente als einem Ueberschuss über den Durchschnittsprofit, d. h. über den proportionellen Antheil jedes Einzelkapitals an dem vom gesellschaftlichen Gesammtkapital producirten Mehrwerth, überhaupt nicht die Rede sein. Es zeigt die Naivetät z. B. des Herrn Passy (siehe weiter unten) wenn er schon im Urzustand von Rente spricht als von Ueberschuss über den Profit — über eine historisch be- stimmte gesellschaftliche Form des Mehrwerths, die also nach Herrn Passy so ziemlich auch ohne Gesellschaft existiren kann.
Für die ältern Oekonomen, die überhaupt mit der Analyse der, zu ihrer Zeit noch unentwickelten, kapitalistischen Produktionsweise erst beginnen, bot die Analyse der Rente entweder überhaupt keine Schwierigkeit oder doch Schwierigkeit ganz andrer Art. Petty, Cantillon, überhaupt die der Feudalzeit näher stehenden Schrift- steller nehmen die Grundrente als die normale Form des Mehr- werths überhaupt an, während der Profit ihnen noch unbestimmt
mit dem Arbeitslohn zerfliesst, oder höchstens als ein vom Kapi- talisten dem Grundeigenthümer abgepresster Theil dieses Mehr- werths erscheint. Sie gehn also von einem Zustand aus, wo erstens die agrikole Bevölkerung noch den weit überwiegenden Theil der Nation ausmacht, und wo zweitens der Grundeigenthümer noch als die Person erscheint, die in erster Hand die überschüssige Arbeit der unmittelbaren Producenten vermittelst des Monopols des Grund- eigenthums sich aneignet, wo also das Grundeigenthum auch noch als die Hauptbedingung der Produktion erscheint. Für sie konnte eine Fragestellung noch nicht existiren, die umgekehrt, vom Stand- punkt der kapitalistischen Produktionsweise aus zu erforschen sucht, wie das Grundeigenthum es fertig bringt, dem Kapital einen Theil des von diesem producirten (d. h. den unmittelbaren Producenten ausgepressten) und in erster Hand bereits angeeigneten Mehrwerths wieder zu entziehn.
Bei den Physiokraten ist die Schwierigkeit schon andrer Natur. Als in der That die ersten systematischen Dollmetscher des Kapi- tals, suchen sie die Natur des Mehrwerths überhaupt zu analysiren. Die Analyse fällt für sie zusammen mit der Analyse der Rente, der einzigen Form, worin der Mehrwerth für sie existirt. Das Rente tragende oder agrikole Kapital ist für sie daher das einzige Mehrwerth erzeugende Kapital, und die von ihm in Bewegung gesetzte agrikole Arbeit die allein Mehrwerth setzende, also vom kapitalistischen Standpunkt aus ganz richtig die einzige produktive Arbeit. Die Erzeugung von Mehrwerth gilt ihnen ganz richtig als das bestimmende. Sie haben, von andren in Buch IV auseinander zu setzenden Verdiensten abgesehn, zunächst das grosse Verdienst, von dem allein in der Cirkulationssphäre fungirenden Handels- kapital zurückzugehn zum produktiven Kapital, im Gegensatz zum Merkantilsystem, das in seinem groben Realismus die eigentliche Vulgärökonomie jener Zeit bildet, vor deren praktischen Interessen die Anfänge wissenschaftlicher Analyse durch Petty und seine Nach- folger ganz in den Hintergrund gedrängt waren. Beiläufig handelt es sich hier, bei der Kritik des Merkantilsystems, nur um seine Anschauungen von Kapital und Mehrwerth. Es ist schon früher bemerkt worden, dass das Monetarsystem die Produktion für den Weltmarkt und die Verwandlung des Produkts in Waare, daher in Geld, richtig als Voraussetzung und Bedingung der kapitalistischen Produktion verkündet. In seiner Fortsetzung im Merkantilsystem entscheidet nicht mehr die Verwandlung des Waarenwerths in Geld, sondern die Erzeugung von Mehrwerth, aber vom begriffslosen
Standpunkt der Cirkulationssphäre aus, und zugleich so, dass dieser Mehrwerth sich darstellt in Surplusgeld, im Ueberschuss der Handels- bilanz. Es ist aber zugleich das, die interessirten Kaufleute und Fabrikanten von damals richtig Charakterisirende, und das der Periode der kapitalistischen Entwicklung, die sie darstellen, Adä- quate darin, dass es bei der Verwandlung der feudalen Ackerbau- Gesellschaften in industrielle, und bei dem entsprechenden indu- striellen Kampf der Nationen auf dem Weltmarkt, auf eine be- schleunigte Entwicklung des Kapitals ankommt, die nicht auf dem sog. naturgemäßen Weg, sondern durch Zwangsmittel zu erreichen ist. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob das nationale Kapital allmälig und langsam sich in industrielles verwandelt, oder ob diese Verwandlung zeitlich beschleunigt wird durch die Steuer, die sie vermittelst der Schutzzölle hauptsächlich auf Grundeigen- thümer, Mittel- und Kleinbauern und Handwerk legen, durch die beschleunigte Expropriation der selbständigen unmittelbaren Produ- centen, durch gewaltsam beschleunigte Akkumulation und Kon- centration der Kapitale, kurz durch beschleunigte Herstellung der Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise. Es macht zu- gleich enormen Unterschied in der kapitalistischen und industriellen Exploitation der natürlichen nationalen Produktivkraft. Der nationale Charakter des Merkantilsystems ist daher nicht blosse Phrase im Munde seiner Wortführer. Unter dem Vorwand, sich nur mit dem Reichthum der Nation und den Hülfsquellen des Staats zu be- schäftigen, erklären sie in der That die Interessen der Kapitalisten- klasse und die Bereicherung überhaupt für den letzten Staatszweck, und proklamiren sie die bürgerliche Gesellschaft gegen den alten überirdischen Staat. Aber zugleich ist das Bewusstsein vorhanden, dass die Entwicklung der Interessen des Kapitals und der Kapita- listenklasse, der kapitalistischen Produktion, die Basis der nationalen Macht und des nationalen Uebergewichts in der modernen Gesell- schaft geworden ist.
Es ist ferner das Richtige bei den Physiokraten, dass in der That alle Produktion von Mehrwerth, also auch alle Entwicklung des Kapitals, der natürlichen Grundlage nach, auf der Produktivität der agrikolen Arbeit beruht. Wenn die Menschen überhaupt nicht fähig, in einem Arbeitstag mehr Lebensmittel, also im engsten Sinn mehr Ackerbauprodukte zu erzeugen, als jeder Arbeiter zu seiner eignen Reproduktion bedarf, wenn die tägliche Verausgabung seiner ganzen Arbeitskraft nur dazu hinreicht, die zu seinem indi- viduellen Bedarf unentbehrlichen Lebensmittel herzustellen, so könnte
überhaupt weder von Mehrprodukt noch von Mehrwerth die Rede sein. Eine über das individuelle Bedürfniss des Arbeiters hinaus- gehende Produktivität der agrikolen Arbeit ist die Basis aller Ge- sellschaft, und ist vor allem die Basis der kapitalistischen Pro- duktion, die einen immer wachsenden Theil der Gesellschaft von der Produktion der unmittelbaren Lebensmittel loslöst und sie, wie Steuart sagt, in free heads verwandelt, sie zur Exploitation in andren Sphären disponibel macht.
Was soll man aber zu neuern ökonomischen Schriftstellern, wie Daire, Passy etc. sagen, welche am Lebensabend der ganzen klas- sischen Oekonomie, ja am Sterbebett derselben, die ursprünglichsten Vorstellungen über die Naturbedingungen der Mehrarbeit und daher des Mehrwerths überhaupt wiederholen, und damit etwas Neues und Schlagendes über die Grundrente vorzubringen glauben, nach- dem diese Grundrente längst als eine besondre Form, und ein specifischer Theil des Mehrwerths entwickelt ist? Es charakterisirt eben die Vulgärökonomie, dass sie das, was in einer bestimmten überlebten Entwicklungsstufe neu, originell, tief und berechtigt war, zu einer Zeit wiederholt, wo es platt, abgestanden und falsch ist. Sie bekennt damit, dass sie auch nicht einmal eine Ahnung über die Probleme besitzt, die die klassische Oekonomie beschäftigt haben. Sie verwechselt sie mit Fragen, wie sie nur auf einem niedrigern Standpunkt der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft gestellt werden konnten. Ebenso verhält es sich mit ihrem rastlosen und selbstgefälligen Wiederkäuen der physiokratischen Sätze über den Freihandel. Diese Sätze haben längst alles und jedes theoretische Interesse verloren, so sehr sie diesen oder jenen Staat praktisch interessiren mögen.
Bei der eigentlichen Naturalwirthschaft, wo gar kein oder nur ein sehr unbedeutender Theil des agrikolen Produkts in den Cir- kulationsprocess eintritt, und selbst nur ein relativ unbedeutender Theil des Theils des Produkts, der die Revenue des Grundeigen- thümers darstellt, wie z. B. auf vielen altrömischen Latifundien, wie auf den Villen Karls des Grossen, und wie (sieh Vinçard, histoire du travail) mehr oder weniger während des ganzen Mittelalters, besteht das Produkt und das Mehrprodukt der grossen Güter keines- wegs bloss aus den Produkten der agrikolen Arbeit. Es umfasst ebensowohl die Produkte der industriellen Arbeit. Häusliche Hand- werks- und Manufakturarbeit, als Nebenbetrieb des Ackerbaus, der die Basis bildet, ist die Bedingung der Produktionsweise, worauf diese Naturalwirthschaft beruht, im europäischen Alterthum und
Mittelalter sowohl wie noch heutzutage in der indischen Gemeinde, wo deren traditionelle Organisation noch nicht zerstört ist. Die kapitalistische Produktionsweise hebt diesen Zusammenhang völlig auf; ein Process den man im grossen namentlich während des letzten Drittels des 18. Jahrhunderts in England studiren kann. Köpfe die in mehr oder minder halb feudalen Gesellschaften auf- gewachsen waren, Herrenschwand z. B., betrachten noch Ende des 18. Jahrhunderts diese Trennung von Ackerbau und Manufaktur als tollkühnes gesellschaftliches Wagstück, als eine unbegreiflich riskirte Existenzweise. Und selbst in den Ackerbauwirthschaften des Alterthums, die die meiste Analogie mit der kapitalistischen Landwirthschaft zeigen, in Karthago und Rom, ist die Aehnlich- keit grösser mit der Plantagenwirthschaft als mit der der wirklich kapitalistischen Exploitationsweise entsprechenden Form.(FN42) Eine formelle Analogie, die aber auch in allen wesentlichen Punkten durchaus als Täuschung erscheint für den, der die kapitalistische Produktionsweise begriffen hat, und der nicht etwa wie Herr Mommsen(FN43) in jeder Geldwirthschaft auch schon kapitalistische Produktionsweise entdeckt — eine formelle Analogie findet sich im Alterthum im kontinentalen Italien überhaupt nicht, sondern nur etwa in Sicilien, weil dies als agrikoles Tributland für Rom existirte, der Ackerbau daher wesentlich auf den Export gerichtet war. Hier finden sich Pächter im modernen Sinn.
Eine unrichtige Auffassung der Natur der Rente basirt auf dem Umstand, dass aus der Naturalwirthschaft des Mittelalters her, und ganz den Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise wider- sprechend, die Rente in Naturalform zum Theil in den Zehnten der Kirche, zum Theil als Kuriosität, durch alte Kontrakte ver- ewigt, sich in die moderne Zeit herübergeschleppt hat. Es gewinnt dadurch den Anschein, dass die Rente nicht aus dem Preis des Agrikulturprodukts, sondern aus seiner Masse entspringt, also nicht
aus gesellschaftlichen Verhältnissen, sondern aus der Erde. Wir haben schon früher gezeigt, dass, obgleich der Mehrwerth sich in einem Surplusprodukt darstellt, nicht umgekehrt ein Surplusprodukt im Sinn einer blossen Zunahme der Masse des Produkts, einen Mehrwerth darstellt. Es kann ein Minus von Werth darstellen. Die Baumwollindustrie müsste sonst 1860, verglichen mit 1840, einen enormen Mehrwerth darstellen, während im Gegentheil der Preis des Garns gefallen ist. Die Rente kann in Folge einer Reihe von Missjahren enorm wachsen, weil der Preis des Getreides steigt, obgleich dieser Surpluswerth sich in einer absolut abnehmenden Masse von theurerem Weizen darstellt. Umgekehrt, in Folge einer Reihe fruchtbarer Jahre kann die Rente sinken, weil der Preis sinkt, obgleich die gesunkene Rente sich in einer grössern Masse wohlfeilern Weizens darstellt. Zunächst ist nun zu bemerken über die Produktenrente, dass sie blosse, aus einer verlebten Produk- tionsweise herübergeschleppte und als Ruine ihr Dasein fristende Tradition ist, deren Widerspruch mit der kapitalistischen Produk- tionsweise sich darin zeigt, dass sie aus den Privatkontrakten von selbst verschwand, und dass sie da, wo die Gesetzgebung eingreifen konnte; wie bei den Kirchenzehnten in England, gewaltsam als Inkongruität abgeschüttelt wurde. Zweitens aber, wo sie auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise fortexistirte, war sie nichts und konnte nichts andres sein als ein mittelalterlich verkleideter Ausdruck der Geldrente. Das qr. Weizen steht z. B. auf 40 sh. Von diesem qr. muss ein Theil den in ihm enthaltnen Arbeitslohn ersetzen, und verkauft werden, um ihn von neuem auslegen zu können; ein andrer Theil muss verkauft werden, um den auf ihn fallenden Theil der Steuern zu zahlen. Aussaat und ein Theil des Düngers selbst gehn da, wo die kapitalistische Produktionsweise und mit ihr die Theilung der gesellschaftlichen Arbeit entwickelt ist, als Waaren in die Reproduktion ein, müssen also zum Ersatz gekauft werden; und es muss wieder ein Theil des qr. verkauft werden, um das Geld hierfür zu liefern. Soweit sie nicht wirklich als Waare gekauft werden müssen, sondern aus dem Produkt selbst in natura entnommen werden, um von neuem als Produktionsbe- dingungen in seine Reproduktion einzugehn — wie dies nicht nur im Ackerbau, sondern in vielen Produktionszweigen geschieht, die konstantes Kapital produciren — gehn sie in die Rechnung, in Rechengeld ausgedrückt, ein und kommen als Bestandtheile des Kostpreises in Abzug. Der Verschleiss der Maschinerie und des fixen Kapitals überhaupt muss in Geld ersetzt werden. Endlich
kommt der Profit, der auf die Summe dieser, in wirklichem Geld oder in Rechengeld ausgedrückten Kosten berechnet ist. Dieser Profit stellt sich in einem bestimmten Theil des Bruttoprodukts dar, der durch seinen Preis bestimmt ist. Und der Theil, der dann übrig bleibt, bildet die Rente. Ist die kontraktliche Pro- duktenrente grösser als dieser durch den Preis bestimmte Rest, so bildet sie keine Rente, sondern ist Abzug vom Profit. Wegen dieser Möglichkeit schon ist die Produktenrente, die dem Preis des Produkts nicht folgt, die also mehr oder weniger betragen kann als die wirkliche Rente, und die daher nicht nur einen Abzug vom Profit, sondern auch von Bestandtheilen des Kapitalersatzes bilden kann, eine veraltete Form. In der That ist diese Produktenrente, soweit sie nicht dem Namen, sondern der Sache nach Rente ist, ausschliesslich bestimmt durch den Ueberschuss des Preises des Produkts über seine Produktionskosten. Nur unterstellt sie diese variable Grösse als eine konstante. Aber es ist eine so anheimelnde Vorstellung, dass das Produkt in natura erstens hinreicht die Ar- beiter zu ernähren, dann dem kapitalistischen Pächter mehr Nahrung zu lassen als er braucht, und dass der Ueberschuss darüber die natürliche Rente bildet. Ganz wie wenn ein Kattunfabrikant 200000 Ellen fabricirt. Diese Ellen reichen nicht nur hin seine Arbeiter zu kleiden, seine Frau und alle seine Nachkommenschaft und ihn selbst mehr als zu kleiden, ihm ausserdem noch Kattun zum Ver- kauf zu lassen, und endlich eine gewaltige Rente in Kattun zu zahlen. Die Sache ist so einfach! Man ziehe von 200000 Ellen Kattun die Produktionskosten ab, und es muss ein Ueberschuss von Kattun als Rente bleiben. Von 200000 Ellen Kattun z. B. die Produktionskosten von 10000 £ abziehn, ohne den Verkaufs- preis des Kattuns zu kennen, von Kattun Geld abziehn, von einem Gebrauchswerth als solchem einen Tauschwerth, und dann den Ueberschuss der Ellen Kattun über die Pfunde Sterling bestimmen, ist in der That eine naive Vorstellung. Es ist schlimmer als die Quadratur des Cirkels, der wenigstens der Begriff der Grenzen, in denen gerade Linie und Curve verschwimmen, zu Grunde liegt. Aber es ist das Recept des Herrn Passy. Man ziehe Geld von Kattun ab, be- vor der Kattun im Kopf oder in der Wirklichkeit in Geld verwandelt ist! Der Ueberschuss ist die Rente, die aber naturaliter (siehe z. B. Karl Arnd) und nicht durch „sophistische“ Teufeleien handgegriffen werden soll! Auf diese Narrheit, den Abzug des Produktionspreises von so und soviel Scheffeln Weizen, die Subtraktion einer Geldsumme von einem Kubikmaß kommt diese ganze Restauration der Naturalrente hinaus.
Betrachtet man die Grundrente in ihrer einfachsten Form, der Arbeitsrente, wo der unmittelbare Producent einen Theil der Woche mit faktisch oder juristisch ihm gehörigen Arbeitswerk- zeugen (Pflug, Vieh etc.) den ihm faktisch gehörigen Boden bestellt, und die andern Tage der Woche auf dem Gute des Grundherrn arbeitet, für den Grundherrn, unentgeltlich, so ist hier die Sache noch ganz klar, Rente und Mehrwerth sind hier identisch. Die Rente, nicht der Profit, ist die Form worin sich hier die unbe- zahlte Mehrarbeit ausdrückt. Wie weit der Arbeiter (self-sustaining serf) hier einen Ueberschuss über seine unentbehrlichen Subsistenz- mittel gewinnen kann, also einen Ueberschuss über das, was wir in der kapitalistischen Produktionsweise den Arbeitslohn nennen würden, dies hängt bei sonst gleichbleibenden Umständen ab von dem Verhältniss, worin seine Arbeitszeit sich theilt in Arbeitszeit für ihn selbst und Frohnarbeitszeit für den Grundherrn. Dieser Ueberschuss über die nothwendigsten Subsistenzmittel, der Keim dessen was in der kapitalistischen Produktionsweise als Profit er- scheint, ist also ganz und gar bestimmt durch die Höhe der Grund- rente, welche hier nicht nur unmittelbar unbezahlte Mehrarbeit ist, sondern auch als solche erscheint; unbezahlte Mehrarbeit für den „Eigenthümer“ der Produktionsbedingungen, die hier mit dem Grund und Boden zusammenfallen, und soweit sie sich von ihm unter- scheiden, nur als sein Zubehör gelten. Dass das Produkt des Fröhners hier hinreichen muss, ausser seiner Subsistenz seine Arbeits- bedingungen zu ersetzen, ist ein Umstand, der in allen Produk- tionsweisen derselbe bleibt, da es kein Resultat ihrer specifischen Form, sondern eine Naturbedingung aller kontinuirlichen und repro- duktiven Arbeit überhaupt, jeder fortgesetzten Produktion ist, die immer zugleich Reproduktion, also auch Reproduktion ihrer eignen Wirkungsbedingungen ist. Es ist ferner klar, dass in allen Formen, worin der unmittelbare Arbeiter „Besitzer“ der zur Produktion seiner eignen Subsistenzmittel nothwendigen Produktionsmittel und Arbeitsbedingungen bleibt, das Eigenthumsverhältniss zugleich als unmittelbares Herrschafts- und Knechtschaftsverhältniss auftreten muss, der unmittelbare Producent also als Unfreier; eine Unfreiheit, die sich von der Leibeigenschaft mit Frohnarbeit, bis zur blossen Tributpflichtigkeit abschwächen kann. Der unmittelbare Producent befindet sich hier der Voraussetzung nach im Besitz seiner eignen Produktionsmittel, der zur Verwirklichung seiner Arbeit und zur Erzeugung seiner Subsistenzmittel nothwendigen gegenständlichen
Arbeitsbedingungen; er betreibt seinen Ackerbau wie die damit ver- knüpfte ländlich-häusliche Industrie selbständig. Diese Selbständig- keit ist nicht dadurch aufgehoben dass, etwa wie in Indien, diese Kleinbauern unter sich ein mehr oder minder naturwüchsiges Produk- tionsgemeinwesen bilden, da es sich hier nur von der Selbständigkeit gegenüber dem nominellen Grundherrn handelt. Unter diesen Be- dingungen kann ihnen die Mehrarbeit für den nominellen Grund- eigenthümer nur durch ausserökonomischen Zwang abgepresst werden, welche Form dieser auch immer annehme.(FN44) Es unterscheidet sie dies von der Sklaven- oder Plantagenwirthschaft, dass der Sklave hier mit fremden Produktionsbedingungen arbeitet und nicht selb- ständig. Es sind also persönliche Abhängigkeitsverhältnisse nöthig, persönliche Unfreiheit, in welchem Grad immer, und Gefesseltsein an den Boden als Zubehör desselben, Hörigkeit im eigentlichen Sinn. Sind es nicht Privatgrundeigenthümer, sondern ist es wie in Asien der Staat, der ihnen direkt als Grundeigenthümer und gleichzeitig Souverain gegenübertritt, so fallen Rente und Steuer zusammen, oder es existirt vielmehr dann keine von dieser Form der Grundrente verschiedne Steuer. Unter diesen Umständen braucht das Abhängigkeitsverhältniss politisch wie ökonomisch keine härtere Form zu besitzen als die ist, welche aller Unterthanenschaft gegen- über diesem Staat gemeinsam ist. Der Staat ist hier der oberste Grundherr. Die Souveränität ist hier das auf nationaler Stufe kon- centrirte Grundeigenthum. Dafür existirt dann aber auch kein Privatgrundeigenthum, obgleich sowohl Privat- wie gemeinschaft- licher Besitz und Nutzniessung des Bodens.
Die specifische ökonomische Form, in der unbezahlte Mehrarbeit aus den unmittelbaren Producenten ausgepumpt wird, bestimmt das Herrschafts- und Knechtschaftsverhältniss, wie es unmittelbar aus der Produktion selbst hervorwächst, und seinerseits bestimmend auf sie zurückwirkt. Hierauf aber gründet sich die ganze Gestaltung des ökonomischen, aus den Produktionsverhältnissen selbst hervor- wachsenden Gemeinwesens, und damit zugleich seine specifische politische Gestalt. Es ist jedesmal das unmittelbare Verhältniss der Eigenthümer der Produktionsbedingungen zu den unmittelbaren Producenten — ein Verhältniss, dessen jedesmalige Form stets naturgemäß einer bestimmten Entwicklungsstufe der Art und Weise der Arbeit, und daher ihrer gesellschaftlichen Produktivkraft ent- spricht — worin wir das innerste Geheimniss, die verborgne Grund-
lage der ganzen gesellschaftlichen Konstruktion, und daher auch der politischen Form des Souveränitäts- und Abhängigkeitsverhält- nisses, kurz, der jedesmaligen specifischen Staatsform finden. Dies hindert nicht, dass dieselbe ökonomische Basis — dieselbe den Hauptbedingungen nach — durch zahllos verschiedne empirische Um- stände, Naturbedingungen, Racenverhältnisse, von aussen wirkende geschichtliche Einflüsse u. s. w. unendliche Variationen und Ab- stufungen in der Erscheinung zeigen kann, die nur durch Analyse dieser empirisch gegebnen Umstände zu begreifen sind.
Mit Bezug auf die Arbeitsrente, die einfachste und ursprünglichste Form der Rente, ist soviel einleuchtend: Die Rente ist hier die ursprüngliche Form des Mehrwerths und fällt mit ihm zusammen. Ferner aber bedarf das Zusammenfallen des Mehrwerths mit unbe- zahlter fremder Arbeit hier keiner Analyse, da es noch in seiner sichtbaren, handgreiflichen Form existirt, denn die Arbeit des un- mittelbaren Producenten für sich selbst ist hier noch räumlich und zeitlich geschieden von seiner Arbeit für den Grundherrn und die letztre erscheint unmittelbar in der brutalen Form der Zwangs- arbeit für einen Dritten. Ebenso ist die „Eigenschaft“, die der Boden hat, eine Rente abzuwerfen, hier auf ein handgreiflich offen- kundiges Geheimniss reducirt, denn zu der Natur, die die Rente liefert, gehört auch die an den Boden gekettete menschliche Arbeitskraft, und das Eigenthumsverhältniss, das ihren Besitzer zwingt, diese Arbeitskraft anzustrengen und zu bethätigen über das Maß hinaus, welches zur Befriedigung seiner eignen unent- behrlichen Bedürfnisse erheischt wäre. Die Rente besteht direkt in der Aneignung dieser überschüssigen Verausgabung der Arbeits- kraft durch den Grundeigenthümer; denn weiter zahlt der unmittel- bare Producent diesem keine Rente. Hier wo nicht nur Mehrwerth und Rente identisch sind, sondern der Mehrwerth handgreiflich noch die Form von Mehrarbeit besitzt, liegen denn auch die natür- lichen Bedingungen oder Schranken der Rente, weil der Mehrarbeit überhaupt, auf flacher Hand. Der unmittelbare Producent muss 1) genug Arbeitskraft besitzen und 2) die Naturbedingungen seiner Arbeit, in erster Instanz also des bearbeiteten Bodens, müssen fruchtbar genug sein, mit einem Wort die naturwüchsige Produk- tivität seiner Arbeit muss gross genug sein, damit ihm die Mög- lichkeit überschüssiger Arbeit bleibe, über die zur Befriedigung seiner eignen unentbehrlichen Bedürfnisse nöthige Arbeit hinaus. Diese Möglichkeit schafft nicht die Rente, dies thut erst der Zwang, der aus der Möglichkeit eine Wirklichkeit macht. Aber die Mög-
lichkeit selbst ist an subjektive und objektive Naturbedingungen gebunden. Auch hierin liegt durchaus nichts Mysteriöses. Ist die Arbeitskraft klein, und sind die Naturbedingungen der Arbeit dürftig, so ist die Mehrarbeit klein, aber so sind dann auch einer- seits die Bedürfnisse der Producenten, andrerseits die relative Zahl der Ausbeuter der Mehrarbeit, endlich das Mehrprodukt, worin sich diese wenig erträgliche Mehrarbeit für diese geringre Zahl von ausbeutenden Eigenthümern verwirklicht.
Endlich ergibt sich bei der Arbeitsrente von selbst, dass, alle andren Umstände als gleichbleibend vorausgesetzt, es ganz und gar abhängt von dem relativen Umfang der Mehr- oder Frohnarbeit, wie weit der unmittelbare Producent fähig sein wird, seine eigne Lage zu verbessern, sich zu bereichern, einen Ueberschuss über die unentbehrlichen Subsistenzmittel zu erzeugen, oder wenn wir die kapitalistische Ausdrucksweise anticipiren wollen, ob oder wie weit er irgend einen Profit für sich selbst, d. h. einen Ueberschuss über seinen von ihm selbst producirten Arbeitslohn produciren kann. Die Rente ist hier die normale, alles absorbirende, sozusagen legi- time Form der Mehrarbeit, und weit entfernt davon ein Ueberschuss über den Profit, d. h. hier über irgend einen andern Ueberschuss über den Arbeitslohn zu sein, hängt nicht nur der Umfang eines solchen Profits, sondern selbst sein Dasein, bei sonst gleichen Um- ständen, ab von dem Umfang der Rente, d. h. der dem Eigenthümer zwangsweise zu leistenden Mehrarbeit.
Einige Historiker haben ihre Verwunderung darüber ausgesprochen, dass, da der unmittelbare Producent nicht Eigenthümer, sondern nur Besitzer ist, und in der That de jure alle seine Mehrarbeit dem Grundeigenthümer gehört, unter diesen Verhältnissen überhaupt eine selbständige Entwicklung von Vermögen und, relativ gesprochen, Reichthum auf Seiten der Frohnpflichtigen oder Leibeignen vor sich gehn kann. Es ist indess klar, dass in den naturwüchsigen und unentwickelten Zuständen, worauf dies gesellschaftliche Produk- tionsverhältniss und die ihr entsprechende Produktionsweise beruht, die Tradition eine übermächtige Rolle spielen muss. Es ist ferner klar, dass es hier wie immer im Interesse des herrschenden Theils der Gesellschaft ist, das Bestehende als Gesetz zu heiligen, und seine durch Gebrauch und Tradition gegebnen Schranken als ge- setzliche zu fixiren. Von allem andern abgesehn, macht sich dies übrigens von selbst, sobald die beständige Reproduktion der Basis des bestehenden Zustandes, des ihm zu Grunde liegenden Verhält- nisses, im Lauf der Zeit geregelte und geordnete Form annimmt;
und diese Regel und Ordnung ist selbst ein unentbehrliches Moment jeder Produktionsweise, die gesellschaftliche Festigkeit und Unab- hängigkeit von blossem Zufall oder Willkür annehmen soll. Sie ist eben die Form ihrer gesellschaftlichen Befestigung, und daher ihrer relativen Emancipation von blosser Willkür und blossem Zufall. Sie erreicht diese Form bei stagnanten Zuständen sowohl des Produktionsprocesses, wie der ihm entsprechenden gesellschaft- lichen Verhältnisse, durch die blosse wiederholte Reproduktion ihrer selbst. Hat diese eine Zeitlang gedauert, so befestigt sie sich als Brauch und Tradition, und wird endlich geheiligt als ausdrückliches Gesetz. Da nun die Form dieser Mehrarbeit, die Frohnarbeit, auf der Unentwickeltheit aller gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit, auf der Roheit der Arbeitsweise selbst beruht, muss sie naturgemäß einen viel kleinern aliquoten Theil der Gesammtarbeit der unmittelbaren Producenten wegnehmen, als in entwickelten Produktionsweisen, und namentlich als in der kapitalistischen Pro- duktion. Nehmen wir z. B. an, die Frohnarbeit für den Grundherrn sei ursprünglich zwei Tage der Woche gewesen. Diese zwei Tage wöchentlicher Frohnarbeit stehn damit fest, sind eine konstante Grösse, gesetzlich regulirt durch Gewohnheitsrecht oder geschriebnes. Aber die Produktivität der übrigen Wochentage, worüber der un- mittelbare Producent selbst verfügt, ist eine variable Grösse, die sich im Fortgang seiner Erfahrung entwickeln muss, ganz wie die neuen Bedürfnisse, mit denen er bekannt wird, ganz wie die Aus- dehnung des Markts für sein Produkt, die wachsende Sicherheit, mit der er über diesen Theil seiner Arbeitskraft verfügt, ihn zu erhöhter Anspannung seiner Arbeitskraft spornen wird, wobei nicht zu vergessen, dass die Verwendung dieser Arbeitskraft keineswegs auf Ackerbau beschränkt ist, sondern ländliche Hausindustrie ein- schliesst. Die Möglichkeit einer gewissen ökonomischen Entwicklung, natürlich abhängig von der Gunst der Umstände, vom angebornen Racencharakter u. s. w., ist hier gegeben.
Die Verwandlung der Arbeitsrente in Produktenrente ändert, ökonomisch gesprochen, nichts am Wesen der Grundrente. Dies besteht in den Formen, die wir hier betrachten, darin dass sie die einzige herrschende und normale Form des Mehrwerths oder der Mehrarbeit ist; was sich wieder so ausdrückt, dass sie die einzige Mehrarbeit oder das einzige Mehrprodukt ist, welches der unmittel- bare Producent, der sich im Besitz der zu seiner eignen Repro-
duktion nöthigen Arbeitsbedingungen befindet, dem Eigenthümer der in diesem Zustand alles einbegreifenden Arbeitsbedingung, des Bodens, zu leisten hat; und dass es andrerseits nur der Boden ist, der ihm als in fremdem Eigenthum befindliche, ihm gegenüber ver- selbständigte und in Grundeigenthümer personificirte Arbeitsbedingung gegenübertritt. Soweit die Produktenrente herrschende und weitest entwickelte Form der Grundrente ist, wird sie übrigens stets noch mehr oder minder begleitet von Ueberbleibseln der frühern Form, d. h. von Rente, die direkt in Arbeit abzutragen ist, also mit Frohn- arbeit, und dies gleichmäßig, ob der Grundherr eine Privatperson oder der Staat sei. Die Produktenrente unterstellt einen höhern Kulturzustand des unmittelbaren Producenten, also eine höhere Ent- wicklungsstufe seiner Arbeit und der Gesellschaft überhaupt; und sie unterscheidet sich dadurch von der vorhergehenden Form, dass die Mehrarbeit nicht mehr in ihrer Naturalgestalt, also auch nicht mehr unter direkter Aufsicht und Zwang des Grundherrn oder seiner Vertreter zu verrichten ist; vielmehr der unmittelbare Pro- ducent durch die Macht der Verhältnisse statt durch direkten Zwang, und durch die gesetzliche Bestimmung statt durch die Peitsche an- getrieben, unter seiner eignen Verantwortlichkeit sie zu leisten hat. Die Mehrproduktion, in dem Sinn der Produktion über die unent- behrlichen Bedürfnisse des unmittelbaren Producenten hinaus, und innerhalb des ihm selbst faktisch zugehörigen Produktionsfeldes, des von ihm selbst exploitirten Bodens, statt wie früher auf dem herrschaftlichen Gut neben und ausser dem seinigen, ist hier schon sich von selbst verstehende Regel geworden. In diesem Verhält- niss verfügt der unmittelbare Producent mehr oder minder über die Verwendung seiner ganzen Arbeitszeit, obgleich nach wie vor ein Theil dieser Arbeitszeit, ursprünglich so ziemlich der ganze äberschüssige Theil derselben, dem Grundeigenthümer unentgeltlich gehört; nur dass dieser sie nicht mehr unmittelbar in ihrer eignen Naturalform empfängt, sondern in der Naturalform des Produkts, worin sie sich realisirt. Die lästige und je nach der Regelung der Frohnarbeit mehr oder minder störend eingreifende Unterbrechung durch die Arbeit für den Grundeigenthümer (vergleiche Buch I, Kap. VIII, 2, Fabrikant und Bojar) fällt weg, wo die Produkten- rente rein ist, oder ist wenigstens auf wenige kurze Intervalle im Jahr reducirt, wo gewisse Frohnden neben der Produktenrente fort- dauern. Die Arbeit des Producenten für sich selbst und seine Arbeit für den Grundeigenthümer sind nicht mehr handgreiflich der Zeit und dem Raum nach geschieden. Diese Produktenrente
in ihrer Reinheit, obgleich sie trümmerweise sich in weiter ent- wickelte Produktionsweisen und Produktionsverhältnisse fort- schleppen kann, setzt nach wie vor Naturalwirthschaft voraus, d. h. dass die Wirthschaftsbedingungen ganz oder doch zum allergrössten Theil auf der Wirthschaft selbst erzeugt, aus dem Bruttoprodukt derselben unmittelbar ersetzt und reproducirt werden. Sie setzt ferner voraus die Vereinigung ländlicher Hausindustrie mit dem Ackerbau; das Mehrprodukt, welches die Rente bildet, ist das Pro- dukt dieser vereinigten agrikol-industriellen Familienarbeit, ob nun, wie dies häufig im Mittelalter der Fall, die Produktenrente mehr oder minder industrielle Produkte einschliesst, oder nur in der Form von eigentlichem Bodenprodukt geleistet wird. Bei dieser Form der Rente braucht die Produktenrente, worin sich die Mehrarbeit dar- stellt, keineswegs die ganze überschüssige Arbeit der ländlichen Familie zu erschöpfen. Dem Producenten ist vielmehr, verglichen mit der Arbeitsrente, ein grössrer Spielraum gegeben, um Zeit für überschüssige Arbeit zu gewinnen, deren Produkt ihm selbst gehört, so gut wie das Produkt seiner Arbeit, das seine unentbehrlichsten Bedürfnisse befriedigt. Ebenso werden mit dieser Form grössere Unterschiede in der ökonomischen Lage der einzelnen unmittelbaren Producenten eintreten. Wenigstens ist die Möglichkeit dazu da, und die Möglichkeit, dass dieser unmittelbare Producent die Mittel erworben hat, selbst wieder fremde Arbeit unmittelbar auszubeuten. Doch geht uns dies hier nichts an, wo wir es mit der reinen Form der Produktenrente zu thun haben; wie wir überhaupt nicht eingehn können auf die endlos verschiednen Kombinationen, worin sich die verschiednen Formen der Rente verbinden, verfälschen und ver- quicken können. Durch die, an bestimmte Art des Produkts und der Produktion selbst gebundne Form der Produktenrente, durch die ihr unentbehrliche Verbindung von Landwirthschaft und Haus- industrie, durch die fast völlige Selbstgenügsamkeit, die die Bauern- familie hierdurch erhält, durch ihre Unabhängigkeit vom Markt und von der Produktions- und Geschichtsbewegung des ausserhalb ihrer stehenden Theils der Gesellschaft, kurz dureh den Charakter der Naturalwirthschaft überhaupt ist diese Form ganz geeignet, die Basis stationärer Gesellschaftszustände abzugeben, wie wir dies z. B. in Asien sehn. Hier, wie in der frühern Form der Arbeits- rente, ist die Grundrente die normale Form des Mehrwerths, und daher der Mehrarbeit, d. h. der ganzen überschüssigen Arbeit, die der unmittelbare Producent umsonst, in der That also zwangsweise — obgleich dieser Zwang ihm nicht mehr in der alten brutalen
Form gegenübertritt — dem Eigenthümer seiner wesentlichsten Arbeitsbedingung, des Bodens leisten muss. Der Profit, wenn wir so, falsch anticipirend, den Bruchtheil des Ueberschusses seiner Arbeit über die nothwendige Arbeit hinaus nennen, den er sich selbst aneignet, bestimmt so wenig die Produktenrente, dass er vielmehr hinter ihrem Rücken aufwächst und seine natürliche Grenze an dem Umfang der Produktenrente hat. Diese letztere kann einen Umfang besitzen, der die Reproduktion der Arbeits- bedingungen, der Produktionsmittel selbst, ernsthaft gefährdet, Er- weiterung der Produktion mehr oder minder unmöglich macht, und die unmittelbaren Producenten auf das physische Minimum von Lebensmitteln herabsetzt. Es ist dies namentlich der Fall, wo diese Form von einer erobernden Handelsnation, wie z. B. von den Engländern in Indien, vorgefunden und exploitirt wird.
Unter der Geldrente verstehn wir hier — im Unterschied von der auf der kapitalistischen Produktionsweise beruhenden indu- striellen oder kommerciellen Grundrente, die nur ein Ueberschuss über den Durchschnittsprofit ist — die Grundrente, die aus einer blossen Formverwandlung der Produktenrente entspringt, wie diese selbst nur die verwandelte Arbeitsrente war. Statt des Produkts hat der unmittelbare Producent hier seinem Grundeigenthümer (ob dieser nun der Staat oder ein Privatmann) den Preis desselben zu zahlen. Ein Ueberschuss an Produkt in seiner Naturalform genügt also nicht mehr; er muss aus dieser Naturalform in die Geldform verwandelt werden. Obgleich der unmittelbare Producent nach wie vor fortfährt, mindestens den grössten Theil seiner Subsistenz- mittel selbst zu produciren, muss jetzt ein Theil seines Produkts in Waare verwandelt, als Waare producirt werden. Der Charakter der ganzen Produktionsweise wird also mehr oder weniger ver- ändert. Sie verliert ihre Unabhängigkeit, ihr Losgelöstsein vom gesellschaftlichen Zusammenhang. Das Verhältniss der Produktions- kosten, in welche nun mehr oder minder Geldausgaben eingehn, wird entscheidend; jedenfalls wird entscheidend der Ueberschuss des in Geld zu verwandelnden Theils des Bruttoprodukts über den Theil, der einerseits wieder als Reproduktionsmittel, andrerseits als unmittelbares Subsistenzmittel dienen muss. Indess die Basis dieser Art Rente, obgleich sie ihrer Auflösung entgegengeht, bleibt die- selbe wie in der Produktenrente, die den Ausgangspunkt bildet. Der unmittelbare Producent ist nach wie vor erblicher oder sonst
traditioneller Besitzer des Bodens, der dem Grundherrn als dem Eigenthümer dieser seiner wesentlichsten Produktionsbedingung, überschüssige Zwangsarbeit, d. h. unbezahlte, ohne Aequivalent ge- leistete Arbeit in der Form des in Geld verwandelten Mehrprodukts zu entrichten hat. Das Eigenthum an den vom Boden verschiednen Arbeitsbedingungen, Ackergeräthschaft und sonstigem Mobiliar, ver- wandelt sich schon in den frühern Formen erst faktisch, dann auch rechtlich in das Eigenthum der unmittelbaren Producenten, und noch mehr ist dies für die Form der Geldrente vorausgesetzt. Die erst sporadisch, sodann auf mehr oder minder nationalem Maßstab vor sich gehende Verwandlung der Produktenrente in Geldrente setzt eine schon bedeutendere Entwicklung des Handels, der städ- tischen Industrie, der Waarenproduktion überhaupt, und damit der Geldcirkulation voraus. Sie setzt ferner voraus einen Marktpreis der Produkte, und dass selbe mehr oder minder ihrem Werth an- nähernd verkauft werden, was unter den frühern Formen keines- wegs der Fall zu sein braucht. Im Osten von Europa können wir zum Theil noch unter unsern Augen diese Verwandlung vorgehn sehn. Wie wenig sie ohne eine bestimmte Entwicklung der gesell- schaftlichen Produktivkraft der Arbeit durchführbar ist, bezeugen verschiedne unter dem römischen Kaiserthum gescheiterte Versuche dieser Verwandlung, und Rückfälle in die Naturalrente, nachdem man wenigstens den als Staatssteuer existirenden Theil dieser Rente allgemein in Geldrente hatte verwandeln wollen. Dieselbe Schwierig- keit des Uebergangs zeigt z. B. vor der Revolution in Frankreich die Verquickung und Verfälschung der Geldrente durch Reste ihrer frühern Formen.
Die Geldrente als verwandelte Form der Produktenrente, und im Gegensatz zu ihr, ist aber die letzte Form, und zugleich die Form der Auflösung, der Art von Grundrente, die wir bisher betrachtet haben, nämlich der Grundrente als der normalen Form des Mehr- werths und der dem Eigenthümer der Produktionsbedingungen zu entrichtenden unbezahlten Mehrarbeit. In ihrer reinen Form stellt diese Rente, wie die Arbeits- und Produktenrente, keinen Ueber- schuss über den Profit dar. Sie absorbirt ihn dem Begriff nach. Soweit er faktisch als ein besondrer Theil der überschüssigen Arbeit neben ihr entspringt, ist die Geldrente, wie die Rente in ihren frühern Formen, immer noch die normale Schranke dieses embryo- nischen Profits, der sich erst entwickeln kann im Verhältniss zu der Möglichkeit der Ausbeutung, sei es eigner überschüssiger, sei es fremder Arbeit, welche übrig bleibt nach Leistung der in der
Geldrente dargestellten Mehrarbeit. Entspringt wirklich ein Profit neben dieser Rente, so ist also nicht der Profit die Schranke der Rente, sondern umgekehrt die Rente die Schranke für den Profit. Aber wie bereits gesagt, die Geldrente ist zugleich die Auflösungs- form der bisher betrachteten, mit dem Mehrwerth und der Mehr- arbeit prima facie zusammenfallenden Grundrente, der Grundrente als der normalen und herrschenden Form des Mehrwerths.
In ihrer weitern Entwicklung muss die Geldrente führen — von allen Zwischenformen abgesehn, wie z. B. von der des kleinbäuer- lichen Pächters — entweder zur Verwandlung des Bodens in freies Bauerneigenthum, oder zur Form der kapitalistischen Produktions- weise, zur Rente, die der kapitalistische Pächter zahlt.
Mit Geldrente verwandelt sich nothwendig das traditionelle ge- wohnheitsrechtliche Verhältniss zwischen den, einen Theil des Bodens besitzenden und bearbeitenden, Untersassen und dem Grundeigen- thümer in ein kontraktliches, nach festen Regeln des positiven Gesetzes bestimmtes, reines Geldverhältniss. Der bebauende Besitzer wird daher der Sache nach zum blossen Pächter. Diese Verwand- lung wird einerseits, unter sonst geeigneten allgemeinen Produk- tionsverhältnissen, dazu benutzt, die alten bäuerlichen Besitzer nach und nach zu expropriiren und an ihre Stelle einen kapitalistischen Pächter zu setzen; andrerseits führt sie zum Loskauf des bisherign Besitzers von seiner Rentpflichtigkeit, und zu seiner Verwandlung in einen unabhängigen Bauer, mit vollem Eigenthum an dem von ihm bestellten Boden. Die Verwandlung der Naturalrente in Geld- rente wird ferner nicht nur nothwendig begleitet, sondern selbst anticipirt durch Bildung einer Klasse besitzloser und für Geld sich verdingender Taglöhner. Während ihrer Entstehungsperiode, wo diese neue Klasse nur noch sporadisch auftritt, hat sich daher noth- wendig bei den besser gestellten rentepflichtigen Bauern die Ge- wohnheit entwickelt, auf eigne Rechnung ländliche Lohnarbeiter zu exploitiren, ganz wie schon in der Feudalzeit die vermögenderen hörigen Bauern selbst wieder Hörige hielten. So entwickelt sich nach und nach bei ihnen die Möglichkeit, ein gewisses Vermögen anzusammeln und sich selbst in zukünftige Kapitalisten zu ver- wandeln. Unter den alten, selbstarbeitenden Besitzern des Bodens selbst entsteht so eine Pflanzschule von kapitalistischen Pächtern, deren Entwicklung durch die allgemeine Entwicklung der kapita- listischen Produktion ausserhalb des flachen Landes bedingt ist, und die besonders rasch aufschiesst, wenn ihr, wie im 16. Jahr- hundert in England, so besonders günstige Umstände zu Hülfe
kommen wie die damalige progressive Entwerthung des Geldes, die bei den herkömmlichen langen Pachtkontrakten sie auf Kosten der Grundeigenthümer bereicherte.
Ferner: Sobald die Rente die Form der Geldrente, und damit das Verhältniss zwischen Rente zahlendem Bauer und Grundeigen- thümer die eines kontraktlichen Verhältnisses annimmt — eine Ver- wandlung, die überhaupt nur bei schon gegebner relativer Ent- wicklungshöhe des Weltmarkts, des Handels und der Manufaktur möglich ist — tritt nothwendig auch Verpachtung des Bodens an Kapitalisten ein, welche bisher ausserhalb der ländlichen Schranken standen, und welche nun städtisch erworbnes Kapital und die in den Städten bereits entwickelte kapitalistische Betriebsweise, die Herstellung des Produkts als blosser Waare und als blosses Mittels zur Aneignung von Mehrwerth, auf das Land und die Landwirth- schaft übertragen. Allgemeine Regel kann diese Form nur in den Ländern werden, die beim Uebergang aus der feudalen in die kapitalistische Produktionsweise den Weltmarkt beherrschen. Mit dem Dazwischentreten des kapitalistischen Pächters zwischen den Grundeigenthümer und den wirklich arbeitenden Ackerbauer, sind alle Verhältnisse zerrissen, die aus der alten ländlichen Produk- tionsweise entsprangen. Der Pächter wird der wirkliche Komman- dant dieser Ackerarbeiter und der wirkliche Exploiteur ihrer Mehr- arbeit, während der Grundeigenthümer in einem direkten Verhält- niss, und zwar einem blossen Geld- und Kontraktsverhältniss, nur noch zu diesem kapitalistischen Pächter steht. Damit verwandelt sich auch die Natur der Rente, nicht nur thatsächlich und zufällig, was sie zum Theil schon unter den frühern Formen gethan, sondern normal, in ihrer anerkannten und herrschenden Form. Von der normalen Form des Mehrwerths und der Mehrarbeit sinkt sie herab zum Ueberschuss dieser Mehrarbeit über den Theil derselben, der vom exploitirenden Kapitalisten unter der Form des Profits ange- eignet wird; wie die ganze Mehrarbeit, Profit und Ueberschuss über den Profit, jetzt unmittelbar von ihm extrahirt, in der Form des totalen Mehrprodukts eingenommen und versilbert wird. Es ist nur noch ein überschüssiger Theil dieses von ihm, vermöge seines Kapitals, durch direkte Exploitation der Landarbeiter extrahirten Mehrwerths, den er als Rente an den Grundeigenthümer weggibt. Wie viel oder wie wenig er an ihn weggibt, ist bestimmt, im Durchschnitt, als Grenze, durch den Durchschnittsprofit, den das Kapital in den nichtagrikolen Produktionssphären abwirft, und durch die, durch ihn geregelten, nicht agrikolen Produktionspreise. Aus
der normalen Form des Mehrwerths und der Mehrarbeit hat sich die Rente jetzt also verwandelt in einen dieser besondern Produk- tionssphäre, der agrikolen, eigenthümlichen Ueberschuss über den Theil der Mehrarbeit, der von dem Kapital als ihm vorweg und normaliter zukommend in Anspruch genommen wird. Statt der Rente ist jetzt der Profit die normale Form des Mehrwerths ge- worden, und die Rente gilt nur noch als eine unter besondern Um- ständen verselbständigte Form, nicht des Mehrwerths überhaupt, sondern eines bestimmten Ablegers desselben, des Surplusprofits. Es ist nicht nöthig weiter darauf einzugehn, wie dieser Verwand- lung eine allmälige Verwandlung in der Produktionsweise selbst entspricht. Dies geht schon daraus hervor, dass das Normale für diesen kapitalistischen Pächter ist, das Bodenprodukt als Waare zu produciren, und dass, während sonst nur der Ueberschuss über seine Subsistenzmittel sich in Waare verwandelt, jetzt nur ein relativ verschwindender Theil dieser Waaren sich unmittelbar in Subsistenzmittel für ihn verwandelt. Es ist nicht mehr das Land, sondern es ist das Kapital, welches sich und seiner Produktivität jetzt selbst die Landarbeit unmittelbar subsumirt hat.
Der Durchschnittsprofit und der durch ihn geregelte Produktions- preis bildet sich ausserhalb der Verhältnisse des flachen Landes im Kreise des städtischen Handels und der Manufaktur. Der Profit des rentpflichtigen Bauern geht nicht ausgleichend in ihn ein, denn sein Verhältniss zum Grundeigenthümer ist kein kapitalistisches. Soweit er Profit macht, d. h. einen Ueberschuss über seine noth- wendigen Subsistenzmittel realisirt, sei es durch eigne Arbeit, sei es durch Ausbeutung fremder Arbeit, geschieht es hinter dem Rücken des normalen Verhältnisses, und ist, bei sonst gleichen Umständen, die Höhe dieses Profits nicht die Rente bestimmend, sondern um- gekehrt durch sie als seine Grenze bestimmt. Die hohe Profitrate im Mittelalter ist nicht nur geschuldet der niedrigen Zusammen- setzung des Kapitals, worin das variable, in Arbeitslohn ausgelegte Element vorherrscht. Sie ist geschuldet der am flachen Land ver- übten Prellerei, der Aneignung eines Theils der Rente des Grund- eigenthümers und des Einkommens seiner Untersassen. Wenn das Land im Mittelalter die Stadt politisch ausbeutet, überall da wo der Feudalismus nicht durch ausnahmsweise städtische Entwicklung gebrochen ist, wie in Italien, so exploitirt die Stadt überall und ohne Ausnahme das Land ökonomisch durch ihre Monopolpreise, ihr Steuersystem, ihr Zunftwesen, ihren direkten kaufmännischen Betrug und ihren Wucher.
Man könnte sich einbilden, dass das blosse Eintreten des kapi- talistischen Pächters in die landwirthschaftliche Produktion den Beweis liefre, dass der Preis der Bodenprodukte, die von jeher in der einen oder andern Form eine Rente zahlten, wenigstens zur Zeit dieses Eintritts über den Produktionspreisen der Manufaktur stehn muss; sei es weil er die Höhe eines Monopolpreises erreicht, sei es weil er bis auf den Werth der Bodenprodukte gestiegen, und ihr Werth in der That über dem durch den Durchschnitts- profit regulirten Produktionspreis steht. Denn wenn nicht, so könnte der kapitalistische Pächter, bei den vorgefundnen Preisen der Bodenprodukte, unmöglich erst den Durchschnittsprofit aus dem Preis dieser Produkte realisiren und dann aus demselben Preis noch einen Ueberschuss über diesen Profit unter der Form der Rente zahlen. Man könnte danach schliessen, dass die allgemeine Profit- rate, die den kapitalistischen Pächter in seinem Kontrakt mit dem Grundeigenthümer bestimmt, gebildet war ohne Einbegriff der Rente und daher, sobald sie regulirend in die ländliche Produktion ein- tritt, diesen Ueberschuss vorfindet und an den Grundeigenthümer zahlt. Es ist in dieser traditionellen Weise, dass sich z. B. Herr Rodbertus die Sache erklärt. Aber:
Erstens. Dieser Eintritt des Kapitals als selbständiger und leitender Macht in den Ackerbau findet nicht auf einmal und all- gemein, sondern allmälig und in besondren Produktionszweigen statt. Er ergreift zuerst nicht den eigentlichen Ackerbau, sondern Produktionszweige wie die Viehzucht, namentlich Schafzucht, deren Hauptprodukt, die Wolle, bei Emporkommen der Industrie zunächst beständigen Ueberschuss des Marktpreises über den Produktions- preis bietet, was sich erst später ausgleicht. So in England während des 16. Jahrhunderts.
Zweitens. Da diese kapitalistische Produktion zunächst nur sporadisch eintritt, so ist keineswegs etwas gegen die Annahme aufzubringen, dass sie zunächst nur solcher Komplexe von Lände- reien sich bemächtigt, die in Folge ihrer specifischen Fruchtbarkeit oder besonders günstigen Lage, im Ganzen eine Differentialrente zahlen können.
Drittens. Gesetzt selbst, die Preise des Bodenprodukts ständen beim Eintritt dieser Produktionsweise, die in der That ein zu- nehmendes Gewicht der städtischen Nachfrage voraussetzt, über dem Produktionspreis, wie dies z. B. im letzten Drittel des 17. Jahr- hunderts in England zweifelsohne der Fall war; so wird, sobald diese Produktionsweise sich einigermaßen aus der blossen Subsumtion
der Agrikultur unter das Kapital herausgearbeitet, und sobald die mit ihrer Entwicklung nothwendig verbundne Verbesserung in der Agrikultur und Herabdrückung der Produktionskosten eingetreten, sich dies durch eine Reaktion, einen Fall im Preis der Bodenprodukte ausgleichen, wie dies in der ersten Hälfte des 18. Jahrhnnderts in England der Fall war.
Auf diesem traditionellen Weg kann also die Rente als Ueber- schuss über den Durchschnittsprofit nicht erklärt werden. Unter welchen geschichtlich vorgefundnen Umständen immer sie zuerst eintreten mag — sobald sie einmal Wurzel geschlagen, kann die Rente nur noch unter den früher entwickelten modernen Bedin- gungen stattfinden.
Schliesslich ist noch bei der Verwandlung der Produktenrente in Geldrente zu bemerken, dass mit ihr die kapitalisirte Rente, der Preis des Bodens, und damit seine Veräusserlichkeit und Ver- äusserung ein wesentliches Moment wird, und dass damit nicht nur der früher Rentpflichtige sich in den unabhängigen bäuerlichen Eigenthümer verwandeln kann, sondern auch städtische und andre Geldbesitzer Grundstücke kaufen, um sie sei es an Bauern, sei es an Kapitalisten zu verpachten, und die Rente als Form des Zinses ihres so angelegten Kapitals zu geniessen; dass also auch dieser Umstand die Umwandlung der frühern Exploitationsweise, des Ver- hältnisses zwischen Eigenthümer und wirklichem Bebauer, und der Rente selbst fördern hilft.
Wir sind hier am Schluss unsrer Entwicklungsreihe der Grund- rente angelangt.
In allen diesen Formen der Grundrente: Arbeitsrente, Produkten- rente, Geldrente (als bloss verwandelte Form der Produktenrente) ist der Rentzahler stets als der wirkliche Bearbeiter und Besitzer des Bodens vorausgesetzt, dessen unbezahlte Mehrarbeit direkt an den Grundeigenthümer geht. Selbst in der letzten Form, der Geld- rente — soweit sie rein ist, d. h. bloss verwandelte Form der Produkten- rente — ist dies nicht nur möglich, sondern thatsächlich der Fall.
Als eine Uebergangsform von der ursprünglichen Form der Rente zur kapitalistischen Rente kann betrachtet werden das Metairie- System oder Theilwirthschaft-System, wo der Bewirthschafter (Pächter) ausser seiner Arbeit (eigner oder fremder) einen Theil des Betriebs- kapitals, und der Grundeigenthümer ausser dem Boden einen andern
Theil des Betriebskapitals (z. B. das Vieh) stellt, und das Produkt in bestimmten, in verschiednen Ländern wechselnden Pro- portionen zwischen dem Maier und dem Grundeigenthümer getheilt wird. Zur vollen kapitalistischen Bewirthschaftung fehlt hier einer- seits dem Pächter das hinreichende Kapital. Der Antheil, den der Grundeigenthümer hier bezieht, hat andrerseits nicht die reine Form der Rente. Er mag thatsächlich Zins auf das von ihm vorge- schossne Kapital und eine überschüssige Rente einschliessen. Er mag auch thatsächlich die ganze Mehrarbeit des Pächters absor- biren, oder ihm auch grössern oder kleinern Antheil an dieser Mehr- arbeit lassen. Das Wesentliche aber ist, dass die Rente hier nicht mehr als die normale Form des Mehrwerths überhaupt erscheint. Auf der einen Seite soll der Maier, ob er nur eigne, oder auch fremde Arbeit anwende, Anspruch haben auf einen Theil des Pro- dukts, nicht in seiner Qualität als Arbeiter, sondern als Besitzer eines Theils der Arbeitswerkzeuge, als sein eigner Kapitalist. Auf der andren Seite beansprucht der Grundeigenthümer seinen Antheil nicht ausschliesslich auf Grund seines Eigenthums am Boden, sondern auch als Verleiher von Kapital.(FN44)
Ein Rest des alten Gemeineigenthums am Boden, der sich nach dem Uebergang zur selbständigen Bauernwirthschaft z. B. in Polen und Rumänien erhalten hatte, hat dort zum Vorwand gedient um den Uebergang zu den niedrigern Formen der Grundrente zu be- werkstelligen. Ein Theil des Bodens gehört den einzelnen Bauern und wird von ihnen selbständig bebaut. Ein andrer wird gemein- schaftlich bebaut und bildet ein Mehrprodukt, das theils zur Be- streitung von Gemeindeausgaben, theils als Reserve für Missernten u. s. w. dient. Diese beiden letztern Theile des Mehrprodukts, und schliesslich das ganze Mehrprodukt sammt dem Boden, worauf es gewachsen, werden nach und nach von Staatsbeamten und Privat- personen usurpirt, und die ursprünglich freien bäuerlichen Grund- eigenthümer, deren Verpflichtung zur gemeinsamen Bebauung dieses Bodens aufrecht erhalten wird, so in Frohnpflichtige resp. Produkten- rentpflichtige verwandelt, während die Usurpatoren des Gemeinlandes sich in die Grundeigenthümer, nicht nur des usurpirten Gemein- landes, sondern auch der Bauerngüter selbst verwandeln.
Auf die eigentliche Sklavenwirthschaft (die auch eine Stufenleiter durchläuft vom patriarchalischen, vorwiegend für Selbstgebrauch, bis zu dem, für den Weltmarkt arbeitenden, eigentlichen Plantagen-
system) und die Gutswirthschaft, worin der Grundeigenthümer die Bebauung für eigne Rechnung betreibt, die sämmtlichen Produk- tionsinstrumente besitzt, und die Arbeit sei es unfreier, sei es freier, mit Naturallieferung oder mit Geld bezahlter Knechte ausbeutet, brauchen wir hier nicht näher einzugehn. Grundeigenthümer und Eigenthümer der Produktionsinstrumente, daher auch direkter Ex- ploiteur der unter diese Produktionselemente zählenden Arbeiter, fallen hier zusammen. Ebenso fallen Rente und Profit zusammen, es findet keine Trennung der verschiednen Formen des Mehrwerths statt. Die ganze Mehrarbeit der Arbeiter, die sich hier im Mehr- produkt darstellt, wird ihnen direkt vom Eigenthümer sämmtlicher Produktionsinstrumente, zu denen der Boden und in der ursprüng- lichen Form der Sklaverei die unmittelbaren Producenten selbst zählen, extrahirt. Wo kapitalistische Anschauung vorherrscht, wie in den amerikanischen Plantagen, wird dieser ganze Mehrwerth als Profit aufgefasst; wo weder die kapitalistische Produktionsweise selbst existirt, noch die ihr entsprechende Anschauungsweise aus kapitalistischen Ländern übertragen ist, erscheint er als Rente. Jedenfalls bietet diese Form keine Schwierigkeit. Das Einkommen des Grundeigenthümers, welchen Namen man ihm immer geben mag, das von ihm angeeignete disponible Mehrprodukt ist hier die normale und herrschende Form, worin unmittelbar die ganze unbe- zahlte Mehrarbeit angeeignet wird, und das Grundeigenthum bildet die Basis dieser Aneignung.
Ferner das Parcelleneigenthum. Der Bauer ist hier zugleich freier Eigenthümer seines Bodens, der als sein Hauptproduktions- instrument erscheint, als das unentbehrliche Beschäftigungsfeld für seine Arbeit und sein Kapital. Es wird in dieser Form kein Pachtgeld gezahlt; die Rente erscheint also nicht als eine geson- derte Form des Mehrwerths, obgleich sie sich in Ländern, wo sonst die kapitalistische Produktionsweise entwickelt ist, als Surplusprofit durch den Vergleich mit andern Produktionszweigen darstellt, aber als Surplusprofit, der dem Bauer, wie überhaupt der ganze Ertrag seiner Arbeit zufällt.
Diese Form des Grundeigenthums setzt voraus, dass, wie in den frühern ältern Formen desselben, die ländliche Bevölkerung ein grosses numerisches Uebergewicht über die städtische besitzt, dass also, wenn auch sonst kapitalistische Produktionsweise herrscht, sie relativ nur wenig entwickelt ist, und daher auch in den andern Produktionszweigen die Koncentration der Kapitale sich in engen Schranken bewegt, Kapitalzersplitterung vorwiegt. Der Natur der
Sache nach muss hier ein überwiegender Theil des ländlichen Pro- dukts als unmittelbares Subsistenzmittel von seinen Producenten, den Bauern, selbst verzehrt werden, und nur der Ueberschuss dar- über als Waare in den Handel mit den Städten eingehn. Wie immer der durchschnittliche Marktpreis des Bodenprodukts hier geregelt sei, die Differentialrente, ein überschüssiger Theil des Preises der Waaren für die bessern oder besser gelegnen Ländereien, muss hier offenbar ebenso existiren wie bei kapitalistischer Produk- tionsweise. Selbst wenn diese Form in Gesellschaftszuständen vor- kommt, wo überhaupt noch kein allgemeiner Marktpreis entwickelt ist, existirt diese Differentialrente; sie erscheint dann im über- schüssigen Mehrprodukt. Nur fliesst sie in die Tasche des Bauern, dessen Arbeit unter günstigern Naturbedingungen sich realisirt. Gerade in dieser Form, wo der Bodenpreis als ein Element in die faktischen Produktionskosten für den Bauer eingeht, indem bei weiterer Entwicklung dieser Form, entweder bei Erbtheilungen der Boden für einen gewissen Geldwerth übernommen ist, oder bei dem beständigen Wechsel sei es des ganzen Eigenthums, sei es seiner Bestandstücke, der Boden vom Bebauer selbst gekauft ist, zum grossen Theil durch Aufnahme von Geld auf Hypothek; wo also der Bodenpreis, der nichts ist als die kapitalisirte Rente, ein voraus- gesetztes Element ist, und daher die Rente zu existiren scheint unabhängig von jeder Differenzirung in der Fruchtbarkeit und Lage des Bodens — gerade hier ist im Durchschnitt anzunehmen, dass keine absolute Rente existirt, dass also der schlechteste Boden keine Rente zahlt; denn die absolute Rente unterstellt entweder realisirten Ueberschuss des Werths des Produkts über seinen Pro- duktionspreis, oder einen über den Werth des Produkts über- schüssigen Monopolpreis. Da aber die Landwirthschaft hier grossen- theils als Ackerbau für die unmittelbare Subsistenz, und der Boden als ein für die Mehrzahl der Bevölkerung unentbehrliches Beschäf- tigungsfeld ihrer Arbeit und ihres Kapitals besteht, so wird der regulirende Marktpreis des Produkts nur unter ausserordentlichen Umständen seinen Werth erreichen; dieser Werth aber wird in der Regel über dem Produktionspreis stehn wegen des Vorwiegens des Elements der lebendigen Arbeit, obgleich dieser Ueberschuss des Werths über den Produktionspreis wieder beschränkt sein wird durch die niedrige Zusammensetzung auch des nicht agrikolen Kapi- tals in Ländern vorherrschender Parcellenwirthschaft. Als Schranke der Exploitation für den Parcellenbauer erscheint einerseits nicht der Durchschnittsprofit des Kapitals, soweit er kleiner Kapitalist
ist; noch andrerseits die Nothwendigkeit einer Rente, soweit er Grundeigenthümer ist. Als absolute Schranke für ihn als kleinen Kapitalisten erscheint nichts als der Arbeitslohn, den er sich selbst zahlt, nach Abzug der eigentlichen Kosten. Solange der Preis des Produkts ihm diesen deckt, wird er sein Land bebauen, und dies oft bis herab zu einem physischen Minimum des Arbeitslohns. Was seine Qualität als Grundeigenthümer angeht, so fällt für ihn die Eigenthumsschranke fort, die sich nur geltend machen kann im Gegensatz zu dem von ihr getrennten Kapital (incl. Arbeit) indem sie ein Hinderniss gegen dessen Anlegung aufwirft. Aller- dings ist der Zins des Bodenpreises, der meist auch noch an eine dritte Person zu entrichten ist, an den Hypothekargläubiger, eine Schranke. Aber dieser Zins kann eben gezahlt werden aus dem Theil der Mehrarbeit, der unter kapitalistischen Verhältnissen den Profit bilden würde. Die im Bodenpreis, und in dem für ihn ge- zahlten Zins, anticipirte Rente kann also nichts sein als ein Theil der kapitalisirten Mehrarbeit des Bauern, über die zu seiner Sub- sistenz unentbehrliche Arbeit hinaus, ohne dass diese Mehrarbeit sich in einem Werththeil der Waare, gleich dem ganzen Durch- schnittsprofit, realisirt, und noch weniger in einem Ueberschuss über die im Durchschnittsprofit realisirte Mehrarbeit, in einem Sur- plusprofit. Die Rente kann ein Abzug vom Durchschnittsprofit sein, oder selbst der einzige Theil desselben, der realisirt wird. Damit der Parcellenbauer sein Land bebaue oder Land zum Be- bauen kaufe, ist es also nicht, wie in der normalen kapitalistischen Produktionsweise, nöthig, dass der Marktpreis des Bodenprodukts hoch genug steige, um ihm den Durchschnittsprofit abzuwerfen, und noch weniger einen in der Form der Rente fixirten Ueber- schuss über diesen Durchschnittsprofit. Es ist also nicht nöthig, dass der Marktpreis steige, sei es zum Werth, sei es zum Produk- tionspreis seines Produkts. Es ist dies eine der Ursachen, warum der Getreidepreis in Ländern vorherrschenden Parcelleneigenthums niedriger steht als in den Ländern kapitalistischer Produktions- weise. Ein Theil der Mehrarbeit der Bauern, die unter den un- günstigsten Bedingungen arbeiten, wird der Gesellschaft umsonst geschenkt und geht nicht in die Regelung der Produktionspreise oder in die Werthbildung überhaupt ein. Dieser niedrigere Preis ist also ein Resultat der Armuth der Producenten und keineswegs der Produktivität ihrer Arbeit.
Diese Form des freien Parcelleneigenthums selbstwirthschaftender Bauern als herrschende, normale Form bildet einerseits die öko-
nomische Grundlage der Gesellschaft in den besten Zeiten des klassischen Alterthums, andrerseits finden wir sie bei den modernen Völkern als eine der Formen vor, die aus der Auflösung des feu- dalen Grundeigenthums hervorgehn. So die yeomanry in England der Bauernstand in Schweden, die französischen und westdeutschen Bauern. Von den Kolonien sprechen wir hier nicht, da der unab- hängige Bauer sich hier unter andern Bedingungen entwickelt.
Das freie Eigenthum des selbstwirthschaftenden Bauern ist offen- bar die normalste Form des Grundeigenthums für den kleinen Betrieb; d. h. für eine Produktionsweise, worin der Besitz des Bodens eine Bedingung für das Eigenthum des Arbeiters an dem Produkt seiner eignen Arbeit ist, und worin, er mag freier Eigen- thümer oder Untersasse sein, der Ackerbauer stets seine Subsistenz- mittel sich selbst, unabhängig, als vereinzelter Arbeiter mit seiner Familie zu produciren hat. Das Eigenthum am Boden ist zur vollständigen Entwicklung dieser Betriebsweise ebenso nöthig, wie das Eigenthum am Instrument zur freien Entwicklung des hand- werksmäßigen Betriebs. Es bildet hier die Basis für die Entwick- lung der persönlichen Selbständigkeit. Es ist für die Entwicklung der Agrikultur selbst ein nothwendiger Durchgangspunkt. Die Ursachen, an denen es untergeht, zeigen seine Schranke. Sie sind: Vernichtung der ländlichen Hausindustrie, die seine normale Er- gänzung bildet, in Folge der Entwicklung der grossen Industrie; allmälige Verarmung und Aussaugung des dieser Kultur unter- worfnen Bodens; Usurpation, durch grosse Grundeigenthümer, des Gemeineigenthums, das überall die zweite Ergänzung der Parcellen- wirthschaft bildet und ihr allein die Haltung von Vieh ermöglicht; Konkurrenz der, sei es als Plantagenwirthschaft, sei es kapitalistisch betriebnen Grosskultur. Verbesserungen in der Agrikultur, die einerseits Sinken der Preise der Bodenprodukte herbeiführen, andrer- seits grössre Auslagen und reichere gegenständliche Produktions- bedingungen erheischen, tragen auch dazu bei, wie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in England.
Das Parcelleneigenthum schliesst seiner Natur nach aus: Ent- wicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit, gesell- schaftliche Formen der Arbeit, gesellschaftliche Koncentration der Kapitale, Viehzucht auf grossem Maßstab, progressive Anwendung der Wissenschaft.
Wucher und Steuersystem müssen es überall verelenden. Die Auslage des Kapitals im Bodenpreis entzieht dies Kapital der Kultur. Unendliche Zersplitterung der Produktionsmittel und Ver-
einzelung der Producenten selbst. Ungeheure Verschwendung von Menschenkraft. Progressive Verschlechterung der Produktionsbe- dingungen und Vertheuerung der Produktionsmittel ein nothwendiges Gesetz des Parcelleneigenthums. Unglück fruchtbarer Jahreszeiten für diese Produktionsweise.(FN45)
Eines der specifischen Uebel der kleinen Agrikultur, wo sie mit freiem Eigenthum am Boden verknüpft ist, entspringt daraus, dass der Bebauer ein Kapital im Ankauf des Bodens auslegt. (Dasselbe gilt für die Uebergangsform, wo der grosse Gutsbesitzer erstens ein Kapital auslegt, um Land zu kaufen, zweitens um es selbst als sein eigner Pächter zu bewirthschaften.) Bei der beweglichen Natur, die hier der Boden als blosse Waare annimmt, wachsen die Besitzveränderungen(FN46), sodass bei jeder neuen Generation, mit jeder Erbtheilung, der Boden, vom Standpunkt des Bauern aus, von neuem als Kapitalanlage eingeht, d. h. dass es von ihm gekaufter Boden wird. Der Bodenpreis bildet hier ein überwiegendes Element der individuellen falschen Produktionskosten oder des Kostpreises des Produkts für den Einzelproducenten.
Der Bodenpreis ist nichts als die kapitalisirte und daher anti- cipirte Rente. Wird die Agrikultur kapitalistisch betrieben, sodass der Grundeigenthümer nur die Rente empfängt, und der Pächter für den Boden nichts zahlt ausser dieser jährlichen Rente, so ist es handgreiflich, dass das vom Grundeigenthümer selbst im Ankauf des Bodens angelegte Kapital zwar für ihn zinstragende Kapitalanlage ist, aber mit dem in der Agrikultur selbst angelegten Kapital durch- aus nichts zu thun hat. Es bildet weder einen Theil des hier fungirenden fixen noch des cirkulirenden Kapitals(FN47); es verschafft vielmehr nur dem Käufer einen Titel auf Empfang der jährlichen Rente, hat aber mit der Produktion dieser Rente absolut nichts
zu thun. Der Käufer des Bodens zahlt das Kapital ja gerade weg an den, der den Boden verkauft, und der Verkäufer verzichtet dafür auf sein Eigenthum am Boden. Dies Kapital existirt also nicht mehr als Kapital des Käufers; er hat es nicht mehr; es gehört also nicht zu dem Kapital, das er in Boden selbst im irgend einer Weise anlegen kann. Ob er den Boden theuer oder wohlfeil ge- kauft, oder ob er ihn umsonst erhalten hat, ändert nichts an dem vom Pächter in der Bewirthschaftung angelegten Kapital, und ändert nichts an der Rente, sondern ändert nur dies, ob sie ihm als Zins oder Nichtzins erscheint, resp. als hoher oder niedriger Zins.
Man nehme z. B. die Sklavenwirthschaft. Der Preis, der hier für den Sklaven gezahlt wird, ist nichts als der anticipirte und kapitalisirte Mehrwerth oder Profit, der aus ihm herausgeschlagen werden soll. Aber das im Ankauf des Sklaven gezahlte Kapital gehört nicht zu dem Kapital, wodurch Profit, Mehrarbeit, aus den Sklaven extrahirt wird. Umgekehrt. Es ist Kapital, dessen sich der Sklavenbesitzer entäussert hat, Abzug von dem Kapital, worüber er in der wirklichen Produktion verfügt. Es hat aufgehört für ihn zu existiren, ganz wie das im Ankauf des Bodens ausgelegte Kapital aufgehört hat für die Agrikultur zu existiren. Der beste Beweis ist, dass es für den Sklavenbesitzer oder den Bodeneigner nur wieder in Existenz tritt, sobald er den Sklaven oder den Boden wieder verkanft. Dann tritt aber dasselbe Verhältniss für den Käufer ein. Der Umstand, dass er den Sklaven gekauft hat, be- fähigt ihn noch nicht ohne weiteres den Sklaven zu exploitiren Dazu ist er erst befähigt durch ferneres Kapital, das er in die Sklavenwirthschaft selbst steckt.
Dasselbe Kapital existirt nicht zweimal, das eine Mal in der Hand des Verkäufers, das andre Mal in der Hand des Käufers des Bodens. Es geht aus der Hand des Käufers in die des Verkäufers über, und damit ist die Sache zu Ende. Der Käufer hat jetzt kein Kapital, sondern an seiner Stelle ein Grundstück. Der Umstand, dass nun die aus der wirklichen Anlage von Kapital in diesem Grundstück erzielte Rente von dem neuen Grundeigenthümer be- rechnet wird als Zins des Kapitals, das er nicht im Boden ange- legt, sondern zum Erwerb des Bodens weggegeben hat, ändert an der ökonomischen Natur des Faktors Boden nicht das Geringste, so wenig wie der Umstand, dass jemand 1000 £ für dreiprocentige Konsols gezahlt hat, irgend etwas zu thun hat mit dem Kapital, aus dessen Revenue die Zinsen der Staatsschuld gezahlt werden.
In der That ist das für den Ankauf des Bodens, ganz wie das
im Ankauf von Staatspapieren verausgabte Geld nur an sich Kapital, wie jede Werthsumme auf Basis der kapitalistischen Pro- duktionsweise an sich Kapital, potentielles Kapital ist. Was für den Boden gezahlt worden ist, wie für die Staatsfonds, wie für andre gekaufte Waaren, ist eine Geldsumme. Diese ist an sich Kapital, weil sie in Kapital verwandelt werden kann. Es hängt ab von dem Gebrauch, den der Verkäufer davon macht, ob das von ihm erhaltne Geld sich wirklich in Kapital verwandelt oder nicht. Für den Käufer kann es nie mehr als solches fungiren, so wenig wie jedes andre Geld, das er definitiv verausgabt hat. In seiner Berechnung figurirt es für ihn als zinstragendes Kapital, weil er die Einnahme, die er als Rente vom Boden oder als Schuldzins vom Staat erhält, als Zins des Geldes berechnet, das ihm der Ankauf des Titels auf diese Revenue gekostet hat. Als Kapital kann er es nur realisiren durch den Wiederverkauf. Dann tritt aber ein andrer, der neue Käufer, in dasselbe Verhältniss worin jener war, und durch keinen Wechsel der Hände kann das so ver- ausgabte Geld sich für den Verausgaber in wirkliches Kapital ver- wandeln.
Beim kleinen Grundeigenthum befestigt sich noch viel mehr die Illusion, dass der Boden selbst Werth hat, und daher als Kapital in den Produktionspreis des Produkts eingeht, ganz wie eine Maschine oder ein Rohstoff. Man hat aber gesehn, dass nur in zwei Fällen die Rente, und daher die kapitalisirte Rente, der Boden- preis, bestimmend in den Preis des Bodenprodukts eingehn kann. Erstens, wenn der Werth des Bodenprodukts in Folge der Zu- sammensetzung des agrikolen Kapitals — eines Kapitals, welches nichts gemein hat mit dem für den Ankauf des Bodens ausgelegten Kapital — über seinem Produktionspreis steht, und die Marktver- hältnisse den Grundeigenthümer befähigen diese Differenz zu ver- werthen. Zweitens, wenn Monopolpreis stattfindet. Und beides ist am wenigsten der Fall bei der Parcellenwirthschaft und dem kleinen Grundeigenthum, weil gerade hier die Produktion zum sehr grossen Theil den Selbstbedarf befriedigt, und unabhängig von der Regu- lirung durch die allgemeine Profitrate erfolgt. Selbst wo die Parcellenwirthschaft auf gepachtetem Boden betrieben wird, um- fasst das Pachtgeld weit mehr als unter irgend welchen andern Verhältnissen einen Theil des Profits und selbst einen Abzug vom Arbeitslohn; es ist dann nur nominell Rente, nicht Rente als eine selbständige Kategorie gegenüber Arbeitslohn und Profit.
Die Ausgabe von Geldkapital für Ankauf des Bodens ist also
keine Anlage von agrikolem Kapital. Sie ist pro tanto eine Ver- minderung des Kapitals, über das die Kleinbauern in ihrer Produk- tionssphäre selbst verfügen können. Sie vermindert pro tanto den Umfang ihrer Produktionsmittel und verengert daher die ökonomische Basis der Reproduktion. Sie unterwirft den Kleinbauer dem Wucher, da in dieser Sphäre überhaupt weniger eigentlicher Kredit vor- kommt. Sie ist ein Hemmniss der Agrikultur, auch wo dieser Kauf bei grossen Gutswirthschaften stattfindet. Sie widerspricht in der That der kapitalistischen Produktionsweise, der die Ver- schuldung des Grundeigenthümers, ob er sein Gut geerbt oder ge- kauft hat, im ganzen gleichgültig ist. Ob er die Rente selbst ein- steckt, oder sie wieder an Hypothekargläubiger wegzahlen muss, ändert an der Bewirthschaftung des verpachteten Landguts selbst an sich nichts.
Man hat gesehn, dass bei gegebner Grundrente der Bodenpreis regulirt ist durch den Zinsfuss. Ist dieser niedrig, so ist der Bodenpreis hoch, und umgekehrt. Normal also müssten hoher Bodenpreis und niedriger Zinsfuss zusammengehn, sodass wenn der Bauer in Folge des niedrigen Zinsfusses den Boden hoch zahlte, derselbe niedrige Zinsfuss ihm auch zu günstigen Bedingungen Betriebskapital auf Kredit verschaffen müsste. In der Wirklichkeit verhält sich die Sache anders bei vorherrschendem Parcelleneigen- thum. Zunächst passen auf den Bauern die allgemeinen Gesetze des Kredits nicht, da diese den Producenten als Kapitalisten vor- aussetzen. Zweitens, wo das Parcelleneigenthum vorherrscht — von Kolonien ist hier nicht die Rede — und der Parcellenbauer den Grundstock der Nation bildet, ist die Kapitalbildung, d. h. die gesellschaftliche Reproduktion, relativ schwach, und noch schwächer die Bildung von leihbarem Geldkapital in dem früher entwickelten Sinn. Diese setzt voraus Koncentration und die Existenz einer Klasse reicher müssiger Kapitalisten (Massie). Drittens, hier wo das Eigenthum am Boden eine Lebensbedingung für den grössten Theil der Producenten bildet, und ein unentbehrliches Anlagefeld für ihr Kapital, wird der Bodenpreis gesteigert, unabhängig vom Zinsfuss und oft im umgekehrten Verhältniss zu ihm, durch das Uebergewicht der Nachfrage nach Grundeigenthum über das Angebot. In Par- cellen verkauft, bringt der Boden hier einen weit höhern Preis als beim Verkauf grosser Massen, weil hier die Zahl der kleinen Käufer gross, und die der grossen Käufer klein ist (Bandes Noires, Rubichon; Newman). Aus allen diesen Gründen steigt hier der Bodenpreis bei relativ hohem Zinsfuss. Dem relativ niedrigen Zins, den der Bauer
hier aus dem im Ankauf des Bodens ausgelegten Kapital zieht (Mounier) entspricht hier auf der entgegengesetzten Seite der hohe Wucher- zinsfuss, den er selbst seinen Hypothekargläubigern zu zahlen hat. Das irische System zeigt dieselbe Sache, nur in einer anderen Form.
Dies der Produktion an sich fremde Element, der Bodenpreis, kann hier daher zu einer Höhe steigen, worin er die Produktion unmöglich macht. (Dombasle.)
Dass der Bodenpreis eine solche Rolle spielt, dass Kauf und Ver- kauf von Land, Cirkuliren von Land als Waare, sich zu diesem Um- fang entwickelt, ist praktisch Folge der Entwickelung der kapita- listischen Produktionsweise, soweit die Waare hier die allgemeine Form alles Produkts und aller Produktionsinstrumente wird. Andrer- seits findet diese Entwicklung nur statt, wo sich die kapitalistische Produktionsweise nur beschränkt entwickelt und nicht alle ihre Eigen- thümlichkeiten entfaltet; weil sie gerade darauf beruht, dass der Ackerbau nicht mehr, oder noch nicht, der kapitalistischen Produk- tionsweise, sondern einer, aus untergegangnen Gesellschaftsformen überkommenen Produktionsweise unterworfen ist. Die Nachtheile der kapitalistischen Produktionsweise, mit ihrer Abhängigkeit des Producenten vom Geldpreis seines Produkts, fallen hier also zusammen mit den Nachtheilen, die aus der unvollkommenen Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise hervorgehn. Der Bauer wird Kauf- mann und Industrieller ohne die Bedingungen, unter denen er sein Produkt als Waare produciren kann.
Der Konflikt zwischen dem Bodenpreis, als Element des Kostpreises für den Producenten, und Nichtelement des Produktionspreises für das Produkt (selbst wenn die Rente bestimmend in den Preis des Bodenprodukts eingeht, geht die kapitalisirte Rente, die für 20 oder mehr Jahre vorgeschossen wird, auf keinen Fall bestimmend darin ein) ist nur eine der Formen, worin sich überhaupt der Wider- spruch des Privateigenthums am Boden mit einer rationellen Agri- kultur, mit normaler gesellschaftlicher Benutzung des Bodens dar- stellt. Andrerseits ist aber Privateigenthum am Boden, daher Ex- propriation der unmittelbaren Producenten vom Boden — Privateigen- thum der einen, das das Nichteigenthum der andern am Boden ein- begreift — Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise.
Hier, bei der kleinen Kultur, tritt der Bodenpreis, Form und Resultat des Privateigenthums am Boden, als Schranke der Pro- duktion selbst auf. Bei der grossen Agrikultur und dem auf ka- pitalistischer Betriebsweise beruhenden grossen Grundeigenthum tritt das Eigenthum ebenso als Schranke auf, weil es den Pächter in
der produktiven Kapitalanlage beschränkt, die in letzter Instanz nicht ihm, sondern dem Grundeigenthümer zu gut kommt. Bei beiden Formen tritt an die Stelle selbstbewusster rationeller Behand- lung des Bodens als des gemeinschaftlichen ewigen Eigenthums, der unveräusserlichen Existenz- und Reproduktionsbedingung der Kette sich ablösender Menschengeschlechter, die Exploitation und Ver- geudung der Bodenkräfte (abgesehn von der Abhängigmachung der Exploitation, nicht von der erreichten Höhe der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern von den zufälligen, ungleichen Umständen der einzelnen Producenten). Bei dem kleinen Eigenthum geschieht dies aus Mangel an Mitteln und Wissenschaft zur Anwendung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit. Bei dem grossen, durch Exploitation dieser Mittel zur möglichst raschen Bereicherung von Pächter und Eigenthümer. Bei beiden durch die Abhängigkeit vom Marktpreis.
Alle Kritik des kleinen Grundeigenthums löst sich in letzter Instanz auf in Kritik des Privateigenthums als Schranke und Hinder- niss der Agrikultur. So auch alle Gegenkritik des grossen Grund- eigenthums. Von politischen Nebenrücksichten wird hier natürlich in beiden Fällen abgesehn. Diese Schranke und dies Hinderniss, welche alles Privateigenthum am Boden der agrikolen Produktion und der rationellen Behandlung, Erhaltung und Verbesserung des Bodens selbst entgegensetzt, entwickelt sich hüben und drüben nur in verschiednen Formen, und im Zank über diese specifischen Formen des Uebels wird sein letzter Grund vergessen.
Das kleine Grundeigenthum setzt voraus, dass die bei weitem über- wiegende Majorität der Bevölkerung ländlich ist, und nicht die ge- sellschaftliche, sondern die isolirte Arbeit vorherrscht; dass daher der Reichthum und die Entwicklung der Reproduktion, sowohl ihrer materiellen wie geistigen Bedingungen, unter solchen Umständen ausgeschlossen ist, daher auch die Bedingungen einer rationellen Kultur. Auf der anderen Seite reducirt das grosse Grundeigenthum die agrikole Bevölkerung auf ein beständig sinkendes Minimum, und setzt ihr eine beständig wachsende, in grossen Städten zusammen- gedrängte Industriebevölkerung entgegen; es erzeugt dadurch Be- dingungen, die einen unheilbaren Riss hervorrufen in dem Zu- sammenhang des gesellschaftlichen und durch die Naturgesetze des Lebens vorgeschriebnen Stoffwechsels, in Folge wovon die Boden- kraft verschleudert, und diese Verschleuderung durch den Handel weit über die Grenzen des eignen Landes hinausgetragen wird. (Liebig.)
Wenn das kleine Grundeigenthum eine halb ausserhalb der Ge-
sellschaft stehende Klasse von Barbaren schafft, die alle Roheit primitiver Gesellschaftsformen mit allen Qualen und aller Misère civilisirter Länder verbindet, so untergräbt das grosse Grundeigen- thum die Arbeitskraft in der letzten Region, wohin sich ihre natur- wüchsige Energie flüchtet, und wo sie als Reservefonds für die Er- neuerung der Lebenskraft der Nationen sich aufspeichert, auf dem Lande selbst. Grosse Industrie und industriell betriebene grosse Agrikultur wirken zusammen. Wenn sie sich ursprünglich dadurch scheiden, dass die erste mehr die Arbeitskraft, und daher die Natur- kraft des Menschen, die letztere mehr direkt die Naturkraft des Bodens verwüstet und ruinirt, so reichen sich später im Fortgang beide die Hand, indem das industrielle System auf dem Land auch die Arbeiter entkräftet, und Industrie und Handel ihrerseits der Agri- kultur die Mittel zur Erschöpfung des Bodens verschaffen.
Kapital — Profit (Unternehmergewinn plus Zins), Boden — Grund- rente, Arbeit — Arbeitslohn, dies ist die trinitarische Form, die alle Geheimnisse des gesellschaftlichen Produktionsprocesses einbegreift.
Da ferner, wie früher gezeigt, der Zins als das eigentliche, charak- teristische Produkt des Kapitals, und der Unternehmergewinn im Gegensatz dazu als vom Kapital unabhängiger Arbeitslohn erscheint, reducirt sich jene trinitarische Form näher auf diese:
Kapital — Zins, Boden — Grundrente, Arbeit — Arbeitslohn, wo der Profit, die die kapitalistische Produktionsweise specifisch charakterisirende Form des Mehrwerths, glücklich beseitigt ist.
Sieht man sich nun diese ökonomische Dreieinigkeit näher an, so findet man:
Erstens, die angeblichen Quellen des jährlich disponiblen Reich- thums gehören ganz disparaten Sphären an und haben nicht die geringste Analogie unter einander. Sie verhalten sich gegenseitig etwa wie Notariatsgebühren, rothe Rüben und Musik.
Kapital, Boden, Arbeit! Aber das Kapital ist kein Ding, sondern ein bestimmtes, gesellschaftliches, einer bestimmten historischen Ge- sellschaftsformation angehöriges Produktionsverhältniss, das sich an einem Ding darstellt und diesem Ding einen specifischen gesell- schaftlichen Charakter gibt. Das Kapital ist nicht die Summe der materiellen und producirten Produktionsmittel. Das Kapital, das sind die in Kapital verwandelten Produktionsmittel, die an sich so wenig Kapital sind, wie Gold oder Silber an sich Geld ist. Es sind die von einem bestimmten Theil der Gesellschaft monopoli- sirten Produktionsmittel, die der lebendigen Arbeitskraft gegenüber verselbständigten Produkte und Bethätigungs - Bedingungen eben
dieser Arbeitskraft, die durch diesen Gegensatz im Kapital per- sonificirt werden. Es sind nicht nur die, in selbständige Mächte verwandelten Produkte der Arbeiter, die Produkte als Beherrscher und Käufer ihrer Producenten, sondern es sind auch die gesell- schaftlichen Kräfte und die zukünftige … [? unleserlich] Form dieser Arbeit, die als Eigenschaften ihres Produkts ihnen gegenübertreten. Also hier haben wir eine bestimmte, auf den ersten Blick sehr mystische, gesellschaftliche Form eines der Faktoren eines historisch fabricirten gesellschaftlichen Produktionsprocesses.
Und nun daneben den Boden, die unorganische Natur als solche, rudis indigestaque moles, in ihrer ganzen Waldursprünglichkeit. Werth ist Arbeit. Mehrwerth kann daher nicht Erde sein. Ab- solute Fruchtbarkeit des Bodens bewirkt nichts, als dass ein ge- wisses Quantum Arbeit ein gewisses, von der natürlichen Frucht- barkeit des Bodens bedingtes Produkt gibt. Die Differenz in der Fruchtbarkeit des Bodens bewirkt, dass dieselben Mengen von Arbeit und Kapital, also derselbe Werth, sich in verschiednen Mengen von Bodenprodukten ausdrückt; dass diese Produkte also verschiedne individuelle Werthe haben. Die Ausgleichung dieser individuellen Werthe zu Marktwerthen bewirkt, dass die advantages of fertile over inferior soil … are transferred from the cultivator or consumer to the landlord. (Ricardo, Principles. p. 6.)
Und endlich als Dritten im Bunde ein blosses Gespenst — „die“ Arbeit, die nichts ist als eine Abstraktion und für sich genommen überhaupt nicht existirt oder wenn wir die … [unleserlich] nehmen, die produktive Thätigkeit des Menschen überhaupt, wodurch er den Stoffwechsel mit der Natur vermittelt, entkleidet nicht nur jeder gesellschaftlichen Form und Charakterbestimmtheit, sondern selbst in ihrem blossen Naturdasein, unabhängig von der Gesellschaft, allen Gesellschaften enthoben, und als Lebensäusserung und Lebens- bewährung dem überhaupt noch nicht gesellschaftlichen Menschen gemeinsam mit dem irgendwie gesellschaftlich bestimmten.
Kapital — Zins; Grundeigenthum, Privateigenthum am Erdball, und zwar modernes, der kapitalistischen Produktionsweise ent- sprechendes — Rente; Lohnarbeit — Arbeitslohn. In dieser Form soll also Zusammenhang zwischen den Quellen der Revenue bestehn. Wie das Kapital, so sind Lohnarbeit und Grundeigenthum geschicht- lich bestimmte gesellschaftliche Formen; die eine der Arbeit, das andre des monopolisirten Erdballs, und zwar sind sie beide, dem
Kapital entsprechende, und derselben ökonomischen Gesellschafts- formation angehörende Formen.
Das erste Auffällige an dieser Formel ist, dass neben dem Ka- pital, neben dieser, einer bestimmten Produktionsweise, einer be- stimmten historischen Gestalt des gesellschaftlichen Produktions- processes angehörigen Form eines Produktionselements, neben einem Produktionselement verquickt mit, und dargestellt in einer bestimmten socialen Form, ohne weitres rangirt werden: die Erde auf der einen Seite, die Arbeit auf der andern, zwei Elemente des realen Arbeitsprocesses, die in dieser stofflichen Form allen Produktions- weisen gemeinsam, die die stofflichen Elemente jedes Produktions- processes sind, und mit der gesellschaftlichen Form desselben nichts zu schaffen haben.
Zweitens. In der Formel: Kapital — Zins, Erde — Bodenrente, Arbeit — Arbeitslohn, erscheinen Kapital, Erde, Arbeit, respektive als Quellen von Zins (statt Profit), Grundrente und Arbeitslohn als ihren Produkten, Früchten; sie der Grund, jene die Folge, sie die Ursache, jene die Wirkung; und zwar so, dass jede einzelne Quelle auf ihr Produkt als das von ihr Abgestossene und Producirte be- zogen ist. Alle drei Einkommen, Zins (statt Profit), Rente, Arbeits- lohn, sind drei Theile vom Werth des Produkts, also überhaupt Werththeile, oder in Geld ausgedrückt, gewisse Geldtheile, Preis- theile. Die Formel: Kapital — Zins, ist nun zwar die begriffs- loseste Formel des Kapitals, aber sie ist eine Formel desselben. Aber wie soll die Erde einen Werth, d. h. ein gesellschaftlich be- stimmtes Quantum Arbeit schaffen und nun gar den besondren Werththeil ihrer eignen Produkte, der die Rente bildet? Die Erde ist z. B. als Produktionsagent bei der Herstellung eines Gebrauchs- werths, eines materiellen Produkts, des Weizens, thätig. Aber sie hat nichts zu thun mit der Produktion des Weizenwerths. So- weit sich Werth im Weizen darstellt, wird der Weizen nur als ein bestimmtes Quantum vergegenständlichter gesellschaftlicher Arbeit betrachtet, ganz gleichgültig gegen den besondren Stoff worin sich diese Arbeit darstellt, oder den besondren Gebrauchs- werth dieses Stoffs. Es widerspricht dem nicht, 1) dass bei sonst gleichen Umständen die Wohlfeilheit oder Theuerkeit des Weizens von der Produktivität der Erde abhängt. Die Produktivität der agrikolen Arbeit ist an Naturbedingungen geknüpft, und je nach der Produktivität derselben stellt sich dasselbe Quantum Arbeit in viel oder wenig Produkten, Gebrauchswerthen dar. Wie gross das Quantum Arbeit ist, das sich in einem Scheffel darstellt, hängt ab
von der Masse der Scheffel, die dasselbe Quantum Arbeit liefert. Es hängt hier von der Produktivität der Erde ab, in welchen Mengen von Produkt der Werth sich darstellt; aber dieser Werth ist gegeben, unabhängig von dieser Vertheilung. Werth stellt sich in Gebrauchswerth dar; und Gebrauchswerth ist eine Bedingung der Werthschöpfung; aber es ist Narrheit einen Gegensatz zu bilden, wo auf der einen Seite ein Gebrauchswerth, die Erde, steht und auf der andern ein Werth, und noch dazu ein besondrer Werth- theil. 2) [Hier bricht das Ms. ab.]
Die Vulgärökonomie thut in der That nichts, als die Vorstellungen der in den bürgerlichen Produktionsverhältnissen befangenen Agenten dieser Produktion doktrinär zu verdollmetschen, zu systematisiren und zu apologetisiren. Es darf uns also nicht Wunder nehmen, dass sie gerade in der entfremdeten Erscheinungsform der ökonomischen Verhältnisse, worin diese prima facie abgeschmackt und vollkommene Widersprüche sind — und alle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge unmittelbar zu- sammenfielen — wenn gerade hier die Vulgärökonomie sich voll- kommen bei sich selbst fühlt, und ihr diese Verhältnisse um so selbstverständlicher erscheinen, je mehr der innere Zusammenhang an ihnen verborgen ist, sie aber der ordinären Vorstellung geläufig sind. Daher hat sie nicht die geringste Ahnung darüber, dass die Trinität von der sie ausgeht: Grund und Boden — Rente, Kapital — Zins, Arbeit — Arbeitslohn oder Preis der Arbeit drei prima facie unmögliche Kompositionen sind. Erst haben wir den Gebrauchs- werth Boden, der keinen Werth hat, und den Tauschwerth Rente: sodass ein sociales Verhältniss, als Ding gefasst, zur Natur in eine Proportion gesetzt ist; also zwei inkommensurable Grössen, die ein Verhältniss zu einander haben sollen. Dann Kapital — Zins. Wird das Kapital als eine gewisse, in Geld selbständig dargestellte Werthsumme gefasst, so ist es prima facie Unsinn, dass ein Werth mehr Werth sein soll als er werth ist. Gerade in der Form: Ka- pital — Zins fällt alle Vermittlung fort, und ist das Kapital auf seine allgemeinste, aber darum auch aus sich selbst unerklärliche und absurde Formel reducirt. Eben darum zieht der Vulgärökonom die Formel Kapital — Zins, mit der okkulten Qualität eines Werths sich selbst ungleich zu sein, der Formel Kapital — Profit vor, weil hier schon dem wirklichen Kapitalverhältniss näher gekommen
wird. Dann wieder, in dem unruhigen Gefühl, dass 4 nicht 5 ist, und daher 100 Thaler unmöglich 110 Thaler sein können, flüchtet er vom Kapital als Werth zur stofflichen Substanz des Kapitals; zu seinem Gebrauchswerth als Produktionsbedingung der Arbeit, Maschinerie, Rohstoff etc. So gelingt es dann wieder, statt des unbegreiflichen ersten Verhältnisses, wonach 4=5, ein ganz inkom- mensurables herauszubringen zwischen einem Gebrauchswerth, einem Ding auf der einen Seite, und einem bestimmten gesellschaftlichen Produktionsverhältniss, dem Mehrwerth, auf der andern; wie beim Grundeigenthum. Sobald er bei diesem Inkommensurablen ange- langt, wird dem Vulgärökonomen alles klar, und fühlt er nicht mehr das Bedürfniss weiter nachzudenken. Denn er ist eben beim „Ratio- nale“ der Bürgervorstellung angelangt. Endlich, Arbeit — Arbeits- lohn, Preis der Arbeit, ist wie in Buch I nachgewiesen, ein Ausdruck, der prima facie dem Begriff des Werths widerspricht und ebenso dem des Preises, der allgemein selbst nur ein bestimmter Ausdruck des Werths ist; und „Preis der Arbeit“ ist ebenso irrationell wie ein gelber Logarithmus. Aber hier ist der Vulgärökonom erst recht befriedigt, da er nun bei der tiefen Einsicht des Bürgers angelangt ist, dass er Geld für die Arbeit zahlt, und da grade der Wider- spruch der Formel gegen den Begriff des Werths ihn der Ver- pflichtung überhebt den letztren zu begreifen.
Wir(FN49) haben gesehn, dass der kapitalistische Produktionsprocess eine geschichtlich bestimmte Form des gesellschaftlichen Produk- tionsprocesses überhaupt ist. Dieser letztere ist sowohl Produktions- process der materiellen Existenzbedingungen des menschlichen Lebens, wie ein in specifischen, historisch-ökonomischen Produktionsverhält- nissen vor sich gehender, diese Produktionsverhältnisse selbst, und damit die Träger dieses Processes, ihre materiellen Existenzbedin- gungen und ihre gegenseitigen Verhältnisse, d. h. ihre bestimmte ökonomische Gesellschaftsform producirender und reproducirender Process. Denn das Ganze dieser Beziehungen, worin sich die Träger dieser Produktion zur Natur und zu einander befinden, worin sie produciren, dies Ganze ist eben die Gesellschaft, nach ihrer ökono- mischen Struktur betrachtet. Wie alle seine Vorgänger, geht der kapitalistische Produktionsprocess unter bestimmten materiellen Be- dingungen vor sich, die aber zugleich Träger bestimmter gesell- schaftlicher Verhältnisse sind, welche die Individuen im Process
ihrer Lebensreproduktion eingehn. Jene Bedingungen, wie diese Verhältnisse, sind einerseits Voraussetzungen, andrerseits Resul- tate und Schöpfungen des kapitalistischen Produktionsprocesses; sie werden von ihm producirt und reproducirt. Wir sahen ferner: das Kapital — und der Kapitalist ist nur das personificirte Kapital, fungirt im Produktionsprocess nur als Träger des Kapitals — also das Kapital pumpt in dem ihm entsprechenden gesellschaftlichen Produktions- process ein bestimmtes Quantum Mehrarbeit aus den unmittelbaren Producenten oder Arbeitern heraus, Mehrarbeit, die jenes ohne Aequivalent erhält, und die ihrem Wesen nach immer Zwangsarbeit bleibt, wie sehr sie auch als das Resultat freier kontraktlicher Uebereinkunft erscheinen mag. Diese Mehrarbeit stellt sich dar in einem Mehrwerth, und dieser Mehrwerth existirt in einem Mehr- produkt. Mehrarbeit überhaupt, als Arbeit über das Maß der gegebnen Bedürfnisse hinaus, muss immer bleiben. Im kapitali- stischen wie im Sklavensystem u. s. w. hat sie nur eine antagoni- stische Form, und wird ergänzt durch reinen Müssiggang eines Theils der Gesellschaft. Ein bestimmtes Quantum Mehrarbeit ist erheischt durch die Assekuranz gegen Zufälle, durch die noth- wendige, der Entwicklung der Bedürfnisse und dem Fortschritt der Bevölkerung entsprechende, progressive Ausdehnung des Reproduk- tionsprocesses, was vom kapitalistischen Standpunkt aus Akkumu- lation heisst. Es ist eine der civilisatorischen Seiten des Kapitals, dass es diese Mehrarbeit in einer Weise und unter Bedingungen erzwingt, die der Entwicklung der Produktivkräfte, der gesell- schaftlichen Verhältnisse und der Schöpfung der Elemente für eine höhere Neubildung vortheilhafter sind als unter den frühern Formen der Sklaverei, Leibeigenschaft u. s. w. Es führt so einerseits eine Stufe herbei, wo der Zwang und die Monopolisirung der gesell- schaftlichen Entwicklung (einschliesslich ihrer materiellen und in- tellektuellen Vortheile) durch einen Theil der Gesellschaft auf Kosten des andern wegfällt; andrerseits schafft sie die materiellen Mittel und den Keim zu Verhältnissen, die in einer höhern Form der Gesellschaft erlauben, diese Mehrarbeit zu verbinden mit einer grössern Beschränkung der, der materiellen Arbeit überhaupt ge- widmeten Zeit. Denn die Mehrarbeit kann, je nach der Entwick- lung der Produktivkraft der Arbeit, gross sein bei kleinem Gesammt- arbeitstag, und relativ klein bei grossem Gesammtarbeitstag. Ist die nothwendige Arbeitszeit = 3, und die Mehrarbeit = 3, so ist der Gesammtarbeitstag = 6, und die Rate der Mehrarbeit = 100 %. Ist die nothwendige Arbeit = 9 und die Mehrarbeit = 3, so der Ge-
sammtarbeitstag = 12, und die Rate der Mehrarbeit nur = 33⅓ %. Sodann aber hängt es von der Produktivität der Arbeit ab, wie viel Gebrauchswerth in bestimmter Zeit, also auch in be- stimmter Mehrarbeitszeit hergestellt wird. Der wirkliche Reich- thum der Gesellschaft, und die Möglichkeit beständiger Er- weiterung ihres Reproduktionsprocesses hängt also nicht ab von der Länge der Mehrarbeit, sondern von ihrer Produktivität und von den mehr oder minder reichhaltigen Produktionsbedin- gungen, worin sie sich vollzieht. Das Reich der Freiheit beginnt in der That erst da, wo das Arbeiten, das durch Noth und äussere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Pro- duktion. Wie der Wilde mit der Natur ringen muss, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduciren, so muss es der Civilisirte, und er muss es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen. Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnoth- wendigkeit, weil die Bedürfnisse; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehn, dass der vergesellschaftete Mensch, die associirten Producenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den, ihrer mensch- lichen Natur würdigsten und ädaquatesten Bedingungen vollziehn. Aber es bleibt dies immer ein Reich der Nothwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Nothwendigkeit als seiner Basis aufblühn kann. Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung.
In der kapitalistischen Gesellschaft vertheilt sich dieser Mehr- werth oder dies Mehrprodukt — wenn wir von den zufälligen Schwankungen der Vertheilung absehn, und ihr regelndes Gesetz, ihre normirenden Grenzen betrachten — unter den Kapitalisten als Dividende im Verhältniss zu der Quote, die jedem vom gesell- schaftlichen Kapital gehört. In dieser Gestalt erscheint der Mehr- werth als der Durchschnittsprofit, der dem Kapital zufällt, ein Durchschnittsprofit, der sich selbst wieder in Unternehmergewinn und Zins spaltet, und unter diesen beiden Kategorien verschiednen Sorten von Kapitalisten zufallen kann. Diese Aneignung und Ver- theilung des Mehrwerths resp. Mehrprodukts durch das Kapital
besitzt jedoch ihre Schranke am Grundeigenthum. Wie der fun- girende Kapitalist die Mehrarbeit, und damit unter der Form des Profits den Mehrwerth und das Mehrprodukt aus dem Arbeiter aus- pumpt, so pumpt der Grundeigenthümer einen Theil dieses Mehr- werths oder Mehrprodukts wieder dem Kapitalisten aus, unter der Form der Rente, nach früher entwickelten Gesetzen.
Wenn wir also hier vom Profit als dem, dem Kapital zufallenden, Antheil des Mehrwerths sprechen, so meinen wir den Durchschnitts- profit (gleich Unternehmergewinn plus Zins), der durch den Abzug der Rente vom Gesammtprofit (in seiner Masse identisch mit dem Gesammtmehrwerth) bereits beschränkt ist; der Abzug der Rente ist vorausgesetzt. Kapitalprofit (Unternehmergewinn plus Zins) und Grundrente sind also nichts als besondre Bestandtheile des Mehrwerths, Kategorien worin dieser, je nach seinem Anheimfall an das Kapital oder das Grundeigenthum, unterschieden wird, Rubriken, die aber an seinem Wesen nichts ändern. Zusammen- addirt bilden sie die Summe des gesellschaftlichen Mehrwerths. Das Kapital pumpt die Mehrarbeit, die sich im Mehrwerth und Mehrprodukt darstellt, direkt aus den Arbeitern aus. Es kann also in diesem Sinn als Producent des Mehrwerths betrachtet werden. Das Grundeigenthum hat mit dem wirklichen Produktionsprocess nichts zu schaffen. Seine Rolle beschränkt sich darauf, einen Theil des producirten Mehrwerths aus der Tasche des Kapitals in seine eigne hinüberzuführen. Jedoch spielt der Grundeigenthümer eine Rolle im kapitalistischen Produktionsprocess, nicht nur durch den Druck, den er auf das Kapital ausübt, auch nicht bloss dadurch, dass grosses Grundeigenthum eine Voraussetzung und Bedingung der kapi- talistischen Produktion, weil der Expropriation des Arbeiters von den Arbeitsbedingungen ist, sondern speciell dadurch, dass er als Personi- fikation einer der wesentlichsten Produktionsbedingungen erscheint.
Der Arbeiter endlich, als Eigenthümer und Verkäufer seiner per- sönlichen Arbeitskraft, erhält unter dem Namen Arbeitslohn einen Theil des Produkts, worin sich der Theil seiner Arbeit darstellt, den wir nothwendige Arbeit nennen, d. h. die zur Erhaltung und Reproduktion dieser Arbeitskraft nothwendige Arbeit, seien die Bedingungen dieser Erhaltung und Reproduktion nun ärmlicher oder reicher, günstiger oder ungünstiger.
So disparat diese Verhältnisse nun sonst erscheinen mögen, sie haben alle eins gemein: Das Kapital wirft jahraus, jahrein dem Kapitalisten Profit ab, der Boden dem Grundeigenthümer Grund- rente, und die Arbeitskraft — unter normalen Verhältnissen, und
so lange sie eine brauchbare Arbeitskraft bleibt — dem Arbeiter Arbeitslohn. Diese drei Werththeile des jährlich producirten Ge- sammtwerths, und die ihnen entsprechenden Theile des jährlich producirten Gesammtprodukts können — wir sehn hier zunächst von der Akkumulation ab — von ihren respektiven Besitzern jähr- lich verzehrt werden, ohne dass die Quelle ihrer Reproduktion ver- siegt. Sie erscheinen als jährlich zu verzehrende Früchte eines perennirenden Baums, oder vielmehr dreier Bäume, sie bilden das jährliche Einkommen dreier Klassen, des Kapitalisten, des Grund- eigenthümers und des Arbeiters, Revenuen, die der fungirende Kapi- talist als der unmittelbare Auspumper der Mehrarbeit und An- wender der Arbeit überhaupt vertheilt. Dem Kapitalisten erscheint sein Kapital, dem Grundeigenthümer sein Boden, und dem Arbeiter seine Arbeitskraft oder vielmehr seine Arbeit selbst (da er die Arbeitskraft nur als sich äussernde wirklich verkauft, und ihm der Preis der Arbeitskraft, wie früher gezeigt, auf Basis der kapita- listischen Produktionsweise sich nothwendig als Preis der Arbeit darstellt) so als drei verschiedne Quellen ihrer specifischen Revenuen, des Profits, der Grundrente und des Arbeitslohns. Sie sind es in der That in dem Sinne, dass das Kapital für den Kapitalisten eine perennirende Pumpmaschine von Mehrarbeit, der Boden für den Grundeigenthümer ein perennirender Magnet zur Anziehung eines Theils des vom Kapital ausgepumpten Mehrwerths, und endlich die Arbeit die beständig sich erneuernde Bedingung und das stets sich erneuernde Mittel ist, um einen Theil des vom Arbeiter ge- schaffnen Werths, und daher einen durch diesen Werththeil ge- messnen Theil des gesellschaftlichen Produkts, die nothwendigen Lebensmittel, unter dem Titel des Arbeitslohns zu erwerben. Sie sind es ferner in dem Sinn, dass das Kapital einen Theil des Werths und daher des Produkts der jährlichen Arbeit in der Form des Profits, das Grundeigenthum einen andern Theil in der Form der Rente, und die Lohnarbeit einen dritten Theil in der Form des Arbeitslohns fixirt, und grade durch diese Verwandlung um- setzt in die Revenuen des Kapitalisten, des Grundeigenthümers und des Arbeiters, ohne aber die Substanz selbst zu schaffen, die sich in diese verschiednen Kategorien verwandelt. Die Vertheilung setzt vielmehr diese Substanz als vorhanden voraus, nämlich den Gesammtwerth des jährlichen Produkts, der nichts ist als vergegen- ständlichte gesellschaftliche Arbeit. Es ist jedoch nicht in dieser Form, dass sich die Sache den Produktionsagenten, den Trägern der verschiednen Funktionen des Produktionsprocesses darstellt,
sondern vielmehr in einer verkehrten Form. Warum dies geschieht, werden wir im Fortgang der Untersuchung weiter entwickeln. Kapital, Grundeigenthum und Arbeit erscheinen jenen Produktions- agenten als drei verschiedne, unabhängige Quellen, aus denen als solchen drei verschiedne Bestandtheile des jährlich producirten Werths — und daher des Produkts, worin er existirt — ent- springen; aus denen also nicht nur die verschiednen Formen dieses Werths als Revenuen, welche besondren Faktoren des gesellschaft- licken Produktionsprocesses zufallen, sondern dieser Werth selbst entspringt, und damit die Substanz dieser Revenueformen.
[Hier fehlt ein Foliobogen im Ms.]
… Differentialrente ist gebunden an die relative Fruchtbarkeit der Ländereien, also an Eigenschaften, die aus dem Boden als solchem entspringen. Aber soweit sie erstens beruht auf den verschiednen individuellen Werthen der Produkte verschiedner Bodenarten, ist es nur die eben erwähnte Bestimmung; soweit sie zweitens beruht auf dem von diesen individuellen Werthen unterschiednen, reguli- renden allgemeinen Marktwerth, ist es ein gesellschaftliches, ver- mittelst der Konkurrenz durchgeführtes Gesetz, das weder mit dem Boden noch mit den verschiednen Graden seiner Fruchtbarkeit etwas zu thun hat.
Es könnte scheinen, als wenn wenigstens in: „Arbeit — Arbeits- lohn“ ein rationelles Verhältniss ausgesprochen wäre. Aber dies ist ebensowenig der Fall wie mit: „Boden — Grundrente“. Soweit die Arbeit werthbildend ist, und sich im Werth der Waaren dar- stellt, hat sie nichts zu thun mit der Vertheilung dieses Werths unter verschiedne Kategorien. Soweit sie den specifisch gesell- schaftlichen Charakter der Lohnarbeit hat, ist sie nicht werth- bildend. Es ist überhaupt früher gezeigt worden, dass Arbeitslohn oder Preis der Arbeit nur ein irrationeller Ausdruck für den Werth oder Preis der Arbeitskraft ist; und die bestimmten gesellschaft- lichen Bedingungen, unter denen diese Arbeitskraft verkauft wird, haben mit der Arbeit als allgemeinem Produktionsagenten nichts zu schaffen. Die Arbeit vergegenständlicht sich auch in dem Werth- bestandtheil der Waare, der als Arbeitslohn den Preis der Arbeits- kraft bildet; sie schafft diesen Theil ebensogut wie die andern Theile des Produkts; aber sie vergegenständlicht sich in diesem Theil nicht mehr und nichts anders, als in den Theilen, die Rente oder Profit bilden. Und überhaupt, wenn wir die Arbeit als werthbildend fixiren, betrachten wir sie nicht in ihrer konkreten Gestalt als Pro-
duktionsbedingung, sondern in einer gesellschaftlichen Bestimmtheit, die von der der Lohnarbeit verschieden ist.
Selbst der Ausdruck: „Kapital — Profit“ ist hier inkorrekt. Wenn das Kapital in der einzigen Beziehung gefasst wird, worin es Mehr- werth producirt, nämlich in seinem Verhältniss zum Arbeiter, worin es Mehrarbeit erpresst durch den Zwang, den es auf die Arbeits- kraft, d. h. auf den Lohnarbeiter ausübt, so umfasst dieser Mehr- werth ausser Profit (Unternehmergewinn plus Zins) auch die Rente, kurz den ganzen ungetheilten Mehrwerth. Hier dagegen, als Quelle von Revenue, wird es nur auf den Theil in Beziehung gesetzt, der dem Kapitalisten anheimfällt. Es ist dies nicht der Mehrwerth, den es über- haupt extrahirt, sondern nur der Theil, den es für den Kapitalisten extrahirt. Noch mehr fällt aller Zusammenhang fort, sobald sich die Formel verwandelt in die: „Kapital — Zins.“
Wenn wir erstens das Disparate der drei Quellen betrachteten, so jetzt zweitens, dass dagegen ihre Produkte, ihre Abkömmlinge, die Revenuen, alle derselben Sphäre, der des Werths angehören. Indess gleicht sich dies dadurch aus (dies Verhältniss nicht nur zwischen inkommensurablen Grössen, sondern zwischen ganz un- gleichmäßigen, unter sich beziehungslosen und unvergleichbaren Dingen) dass in der That das Kapital, gleich der Erde und der Arbeit, bloss seiner stofflichen Substanz nach, also einfach als producirtes Produktionsmittel genommen wird, wobei sowohl von ihm als Ver- hältniss zum Arbeiter, wie von ihm als Werth abstrahirt wird.
Drittens. In diesem Sinn also bietet die Formel: Kapital — Zins (Profit), Erde — Rente, Arbeit — Arbeitslohn, gleichmäßige und symmetrische Inkongruität. In der That, indem die Lohnarbeit nicht als eine gesellschaftlich bestimmte Form der Arbeit, sondern alle Arbeit ihrer Natur nach als Lohnarbeit erscheint (sich dem in den kapitalistischen Produktionsverhältnissen Befangnen so vor- stellt), fallen auch die bestimmten, specifischen gesellschaftlichen Formen, welche die gegenständlichen Arbeitsbedingungen — die producirten Produktionsmittel und die Erde — der Lohnarbeit ge- genüber einnehmen (wie sie umgekehrt ihrerseits die Lohnarbeit vor- aussetzen), ohne Weiteres zusammen mit dem stofflichen Dasein dieser Arbeitsbedingungen, oder mit der Gestalt, die sie überhaupt im wirklichen Arbeitsprocess besitzen, unabhängig von jeder ge- schichtlich bestimmten gesellschaftlichen, ja unabhängig von jeder gesellschaftlichen Form desselben. Die der Arbeit entfremdete, ihr gegenüber verselbständigte, und somit verwandelte Gestalt der Arbeits- bedingungen, worin also die producirten Produktionsmittel sich in
Kapital verwandeln, und die Erde in monopolisirte Erde, in Grund- eigenthum, diese einer bestimmten Geschichtsperiode angehörige Ge- stalt fällt daher zusammen mit dem Dasein und der Funktion der producirten Produktionsmittel und der Erde im Produktionsprocess überhaupt. Jene Produktionsmittel sind an und für sich, von Natur, Kapital; Kapital ist nichts als ein blosser „ökonomischer Name“ für jene Produktionsmittel; und so ist die Erde an und für sich, von Natur, die von einer gewissen Zahl Grundeigenthümer mono- polisirte Erde. Wie im Kapital und Kapitalisten — der in der That nichts ist als das personificirte Kapital — die Produkte eine selbständige Macht werden gegenüber den Producenten, so wird im Grundeigenthümer der Grund und Boden personificirt, der sich eben- falls auf die Hinterfüsse stellt, und als selbständige Macht seinen Antheil fordert von dem mit seiner Hülfe erzeugten Produkt; so- dass nicht der Boden den ihm gehörigen Theil des Produkts zu Ersatz und Steigerung seiner Produktivität erhält, sondern statt seiner der Grundeigenthümer einen Antheil dieses Produkts zur Verschacherung und Verschwendung. Es ist klar, dass das Kapital die Arbeit als Lohnarbeit voraussetzt. Es ist aber ebenso klar, dass wenn von der Arbeit als Lohnarbeit ausgegangen wird, sodass das Zusammenfallen der Arbeit überhaupt mit der Lohnarbeit selbst- verständlich scheint, dann auch als natürliche Form der Arbeits- bedingungen, gegenüber der Arbeit überhaupt, das Kapital und die monopolisirte Erde erscheinen müssen. Kapital zu sein, erscheint nun als natürliche Form der Arbeitsmittel, und daher als rein ding- licher und aus ihrer Funktion im Arbeitsprocess überhaupt entsprin- gender Charakter. Kapital und producirtes Produktionsmittel werden so identische Ausdrücke. Ebenso werden Erdboden und durch Privat- eigenthum monopolisirter Erdboden identische Ausdrücke. Die Ar- beitsmittel als solche, die von Natur Kapital sind, werden daher zur Quelle des Profits, wie die Erde als solche zur Quelle der Rente.
Die Arbeit als solche, in ihrer einfachen Bestimmtheit als zweck- mäßige produktive Thätigkeit, bezieht sich auf die Produktions- mittel, nicht in deren gesellschaftlicher Formbestimmtheit, sondern in ihrer stofflichen Substanz, als Material und Mittel der Arbeit, die sich ebenfalls nur stofflich, als Gebrauchswerthe von einander unterscheiden, die Erde als unproducirtes, die andren als producirte Arbeitsmittel. Fällt also die Arbeit mit der Lohnarbeit zusammen, so fällt auch die bestimmte gesellschaftliche Form, worin die Arbeits- bedingungen nun der Arbeit gegenüberstehn, zusammen mit ihrem stofflichen Dasein. Die Arbeitsmittel sind dann als solche Kapital,
und die Erde als solche ist Grundeigenthum. Die formale Ver- selbständigung dieser Arbeitsbedingungen gegenüber der Arbeit, die besondre Form dieser Verselbständigung, die sie gegenüber der Lohnarbeit besitzen, ist dann eine von ihnen als Dingen, als materiellen Produktionsbedingungen untrennbare Eigenschaft, ein ihnen als Produktionselementen nothwendig zukommender, imma- nent eingewachsener Charakter. Ihr durch eine bestimmte Geschichts- epoche bestimmter socialer Charakter im kapitalistischen Produk- tionsprocess ist ein ihnen naturgemäß, und sozusagen von Ewigkeit her, als Elementen des Produktionsprocesses eingeborner dinglicher Charakter. Der respektive Antheil daher, den die Erde als das ursprüngliche Beschäftigungsfeld der Arbeit, als das Reich der Naturkräfte, als das vorgefundne Arsenal aller Arbeitsgegenstände, und der andre respektive Antheil, den die producirten Produktions- mittel (Instrumente, Rohstoffe etc.) an dem Produktionsprocess über- haupt nehmen, müssen dann sich auszudrücken scheinen in den respektiven Antheilen, die ihnen als Kapital und Grundeigenthum d. h. die ihren socialen Repräsentanten in der Form von Profit (Zins) und Rente zufallen, wie dem Arbeiter im Arbeitslohn der Antheil, den seine Arbeit am Produktionsprocess nimmt. Rente, Profit, Arbeitslohn, scheinen so aus der Rolle herauszuwachsen, die die Erde, die producirten Produktionsmittel, und die Arbeit im ein- fachen Arbeitsprocess spielen, selbst soweit wir diesen Arbeitsprocess als bloss zwischen dem Menschen und der Natur vorgehend, und abgesehn von jeder geschichtlichen Bestimmtheit betrachten. Es ist nur wieder dieselbe Sache in einer andern Form, wenn gesagt wird: das Produkt, worin sich die Arbeit des Lohnarbeiters für ihn selbst, als sein Ertrag, seine Revenue darstellt, ist nur der Arbeits- lohn, der Theil des Werths (und daher des durch diesen Werth gemessnen socialen Produkts), der seinen Arbeitslohn darstellt. Fällt also die Lohnarbeit mit der Arbeit überhaupt zusammen, so auch der Arbeitslohn mit dem Produkt der Arbeit, und der Werth- theil, den der Arbeitslohn darstellt, mit dem durch die Arbeit geschaffnen Werth überhaupt. Dadurch treten aber die andern Werththeile, Profit und Rente, ebenso selbständig dem Arbeitslohn gegenüber, und müssen aus eignen, von der Arbeit specifisch ver- schiednen und unabhängigen Quellen entspringen; sie müssen aus den mitwirkenden Produktionselementen entspringen, deren Besitzern sie zufallen, also der Profit aus den Produktionsmitteln, den stoff- lichen Elementen des Kapitals, und die Rente aus der vom Grund- eigenthümer repräsentirten Erde oder der Natur. (Roscher.)
Grundeigenthum, Kapital und Lohnarbeit verwandeln sich daher aus Quellen der Revenue in dem Sinn, dass das Kapital dem Kapi- talisten einen Theil des Mehrwerths, den er aus der Arbeit extrahirt, in der Form des Profits, das Monopol an der Erde dem Grund- eigenthümer einen andern Theil in der Form der Rente attrahirt, und die Arbeit dem Arbeiter den letzten noch disponiblen Werth- theil in der Form des Arbeitslohns zuschlägt, aus Quellen, ver- mittelst deren ein Theil des Werths in die Form des Profits, ein zweiter in die Form der Rente, und ein dritter in die Form des Arbeitslohns sich verwandelt — in wirkliche Quellen, aus denen diese Werththeile und die bezüglichen Theile des Produkts, worin sie existiren oder wogegen sie umsetzbar sind, selbst entspringen, und aus denen als letzter Quelle daher der Werth des Produkts selbst entspringt.(FN50)
Wir haben bereits bei den einfachsten Kategorien der kapita- listischen Produktionsweise, und selbst der Waarenproduktion, bei der Waare und dem Geld den mystificirenden Charakter nachge- wiesen, der die gesellschaftlichen Verhältnisse, denen die stofflichen Elemente des Reichthums bei der Produktion als Träger dienen, in Eigenschaften dieser Dinge selbst verwandelt (Waare) und noch ausgesprochener das Produktionsverhältniss selbst in ein Ding (Geld). Alle Gesellschaftsformen, soweit sie es zur Waarenproduktion und Geldcirkulation bringen, nehmen an dieser Verkehrung Theil. Aber in der kapitalistischen Produktionsweise und beim Kapital, welches ihre herrschende Kategorie, ihr bestimmendes Produktions- verhältniss bildet, entwickelt sich diese verzauberte und verkehrte Welt noch viel weiter. Betrachtet man das Kapital zunächst im unmittelbaren Produktionsprocess — als Auspumper von Mehrarbeit so ist dies Verhältniss noch sehr einfach; und der wirkliche Zu- sammenhang drängt sich den Trägern dieses Processes, den Ka- pitalisten selbst auf und ist noch in ihrem Bewusstsein. Der heftige Kampf um die Grenzen des Arbeitstags beweist dies schlagend. Aber selbst innerhalb dieser nicht vermittelten Sphäre, der Sphäre des unmittelbaren Processes zwischen Arbeit und Kapital, bleibt es nicht bei dieser Einfachheit. Mit der Entwicklung des relativen Mehrwerths in der eigentlichen specifisch kapitalistischen Produk- tionsweise, womit sich die gesellschaftlichen Produktivkräfte der
Arbeit entwickeln, erscheinen diese Produktivkräfte und die gesell- schaftlichen Zusammenhänge der Arbeit im unmittelbaren Arbeits- process als aus der Arbeit in das Kapital verlegt. Damit wird das Kapital schon ein sehr mystisches Wesen, indem alle gesell- schaftlichen Produktivkräfte der Arbeit als ihm, und nicht der Arbeit als solcher, zukommende und aus seinem eignen Schoss hervorsprossende Kräfte erscheinen. Dann kommt der Cirkulations- process dazwischen, dessen Stoff- und Formwechsel alle Theile des Kapitals, selbst des agrikolen Kapitals, in demselben Grad anheim- fallen, wie sich die specifisch kapitalistische Produktionsweise ent- wickelt. Es ist dies eine Sphäre, worin die Verhältnisse der ur- sprünglichen Werthproduktion völlig in den Hintergrund treten. Schon im unmittelbaren Produktionsprocess ist der Kapitalist zu- gleich als Waarenproducent, als Leiter der Waarenproduktion thätig. Dieser Produktionsprocess stellt sich ihm daher keineswegs einfach als Produktionsprocess von Mehrwerth dar. Welches aber immer der Mehrwerth sei, den das Kapital im unmittelbaren Pro- duktionsprocess ausgepumpt und in Waaren dargestellt hat, der in den Waaren enthaltne Werth und Mehrwerth muss erst im Cirku- lationsprocess realisirt werden. Und sowohl die Rückerstattung der in der Produktion vorgeschossnen Werthe, wie namentlich der in den Waaren enthaltne Mehrwerth scheint nicht in der Cirku- lation sich bloss zu realisiren, sondern aus ihr zu entspringen; ein Schein, den namentlich zwei Umstände befestigen: erstens der Profit bei Veräusserung, der von Prellerei, List, Sachkenntniss, Ge- schick und tausend Marktkonjunkturen abhängt; dann aber der Umstand, dass hier neben der Arbeitszeit ein zweites bestimmendes Element hinzutritt, die Cirkulationszeit. Diese fungirt zwar nur als negative Schranke der Werth- und Mehrwerthbildung, hat aber den Schein, als sei sie ein ebenso positiver Grund wie die Arbeit selbst, und als bringe sie eine, aus der Natur des Kapitals hervor- gehende, von der Arbeit unabhängige Bestimmung herein. Wir hatten in Buch II diese Cirkulationssphäre natürlich nur darzu- stellen in Bezug auf die Formbestimmungen, die sie erzeugt, die Fortentwicklung der Gestalt des Kapitals nachzuweisen, die in ihr vorgeht. In der Wirklichkeit aber ist diese Sphäre die Sphäre der Konkurrenz, die, jeden einzelnen Fall betrachtet, vom Zufall beherrscht ist; wo also das innere Gesetz, das in diesen Zufällen sich durchsetzt und sie regulirt, nur sichtbar wird, sobald diese Zufälle in grossen Massen zusammengefasst werden, wo es also den einzelnen Agenten der Produktion selbst unsichtbar und unver-
ständlich bleibt. Weiter aber: der wirkliche Produktionsprocess, als Einheit des unmittelbaren Produktionsprocesses und des Cirku- lationsprocesses, erzeugt neue Gestaltungen, worin mehr und mehr die Ader des innern Zusammenhangs verloren geht, die Produktions- verhältnisse sich gegen einander verselbständigen, und die Werth- bestandtheile sich gegen einander in selbständigen Formen ver- knöchern.
Die Verwandlung des Mehrwerths in Profit ist, wie wir sahen, ebensosehr durch den Cirkulationsprocess wie durch den Produk- tionsprocess bestimmt. Der Mehrwerth, in der Form des Profits, wird nicht mehr auf den in Arbeit ausgelegten Kapitaltheil, aus dem er entspringt, sondern auf das Gesammtkapital bezogen. Die Profitrate wird durch eigne Gesetze regulirt, die einen Wechsel derselben bei gleichbleibender Rate des Mehrwerths zulassen und selbst bedingen. Alles dies verhüllt mehr und mehr die wahre Natur des Mehrwerths und daher das wirkliche Triebwerk des Kapitals. Noch mehr geschieht dies durch die Verwandlung des Profits im Durchschnittsprofit und der Werthe in Produktions- preise, in die regulirenden Durchschnitte der Marktpreise. Es tritt hier ein komplicirter gesellschaftlicher Process dazwischen, der Aus- gleichungsprocess der Kapitale, der die relativen Durchschnittspreise der Waaren von ihren Werthen, und die Durchschnittsprofite in den verschiednen Produktionssphären (ganz abgesehn von den indi- viduellen Kapitalanlagen in jeder besondren Produktionssphäre) von der wirklichen Exploitation der Arbeit durch die besondren Kapi- tale losscheidet. Es scheint nicht nur so, sondern es ist hier in der That der Durchschnittspreis der Waaren verschieden von ihrem Werth, also von der in ihnen realisirten Arbeit und der Durch- schnittsprofit eines besondren Kapitals verschieden von dem Mehr- werth, den dies Kapital aus den von ihm beschäftigten Arbeitern extrahirt hat. Der Werth der Waaren erscheint unmittelbar nur noch in dem Einfluss der wechselnden Produktivkraft der Arbeit auf Sinken und Steigen der Produktionspreise, auf ihre Bewegung, nicht auf ihre letzten Grenzen. Der Profit erscheint nur noch accessorisch bestimmt durch die unmittelbare Exploitation der Arbeit, soweit diese nämlich dem Kapitalisten erlaubt, bei den, scheinbar unabhängig von dieser Exploitation vorhandnen, regulirenden Markt- preisen, einen vom Durchschnittsprofit abweichenden Profit zu reali- siren. Die normalen Durchschnittsprofite selbst scheinen dem Kapital immanent, unabhängig von der Exploitation; die anormale Exploi- tation, oder auch die durchschnittliche Exploitation unter günstigen
Ausnahmsbedingungen, scheint nur die Abweichungen vom Durch- schnittsprofit, nicht diesen selbst zu bedingen. Die Spaltung des Profits in Unternehmergewinn und Zins (gar nicht zu sprechen von der Dazwischenkunft des kommerciellen Profits und des Geld- handlungsprofits, die auf der Cirkulation gegründet sind und ganz und gar aus ihr, und nicht aus dem Produktionsprocess selbst zu entspringen scheinen) vollendet die Verselbständigung der Form des Mehrwerths, die Verknöcherung seiner Form gegen seine Sub- stanz, sein Wesen. Ein Theil des Profits, im Gegensatz zu dem andren, löst sich ganz von dem Kapitalverhältniss als solchem los, und stellt sich dar als entspringend, nicht aus der Funktion der Ausbeutung der Lohnarbeit, sondern aus der Lohnarbeit des Kapi- talisten selbst. Im Gegensatz dazu scheint dann der Zins als unab- hängig, sei es von der Lohnarbeit des Arbeiters, sei es von der eignen Arbeit des Kapitalisten, aus dem Kapital als seiner eignen unabhängigen Quelle zu entspringen. Wenn das Kapital ursprüng- lich, auf der Oberfläche der Cirkulation, erschien als Kapitalfetisch, wertherzeugender Werth, so stellt es sich jetzt wieder in der Ge- stalt des zinstragenden Kapitals als in seiner entfremdetsten und eigenthümlichsten Form dar. Wesshalb auch die Form: „Kapital — Zins“ als drittes zu „Erde — Rente“ und „Arbeit — Arbeitslohn“ viel konsequenter ist als „Kapital — Profit“, indem im Profit immer noch eine Erinnerung an seinen Ursprung bleibt, die im Zins nicht nur ausgelöscht, sondern in feste gegensätzliche Form zu diesem Ursprung gestellt ist.
Endlich tritt neben das Kapital als selbständige Quelle von Mehr- werth das Grundeigenthum, als Schranke des Durchschnittsprofits und als einen Theil des Mehrwerths an eine Klasse übertragend, die weder selbst arbeitet, noch Arbeiter direkt exploitirt, noch sich wie das zinstragende Kapital in moralisch erbaulichen Trostgründen, z. B. dem Risiko und dem Opfer im Wegleihen des Kapitals, er- gehn kann. Indem hier ein Theil des Mehrwerths direkt nicht an Gesellschaftsverhältnisse, sondern an ein Naturelement, die Erde gebunden scheint, ist die Form der Entfremdung und Verknöcherung der verschiednen Theile des Mehrwerths gegen einander vollendet, der innere Zusammenhang endgültig zerrissen, und seine Quelle voll- ständig verschüttet, eben durch die Verselbständigung der, an die verschiednen stofflichen Elemente des Produktionsprocesses ge- bundnen, Produktionsverhältnisse gegeneinander.
Im Kapital — Profit oder noch besser Kapital — Zins, Boden — Grundrente, Arbeit — Arbeitslohn, in dieser ökonomischen
Trinität als dem Zusammenhang der Bestandtheile des Werths und des Reichthums überhaupt mit seinen Quellen, ist die Mystifikation der kapitalistischen Produktionsweise, die Verdinglichung der ge- sellschaftlichen Verhältnisse, das unmittelbare Zusammenwachsen der stofflichen Produktionsverhältnisse mit ihrer geschichtlich-so- cialen Bestimmtheit vollendet: die verzauberte, verkehrte und auf den Kopf gestellte Welt, wo Monsieur le Capital und Madame la Terre als sociale Charaktere, und zugleich unmittelbar als blosse Dinge ihren Spuk treiben. Es ist das grosse Verdienst der klas- sischen Oekonomie, diesen falschen Schein und Trug, diese Ver- selbständigung und Verknöcherung der verschiednen gesellschaft- lichen Elemente des Reichthums gegen einander, diese Personifici- rung der Sachen und Versachlichung der Produktionsverhältnisse diese Religion des Alltagslebens aufgelöst zu haben, indem sie den Zins auf einen Theil des Profits, und die Rente auf den Ueberschuss über den Durchschnittsprofit reducirt, sodass beide im Mehrwerth zusammenfallen; indem sie den Cirkulationsprocess als blosse Meta- morphose der Formen darstellt, und endlich im unmittelbaren Pro- duktionsprocess Werth und Mehrwerth der Waaren auf die Arbeit reducirt. Dennoch bleiben selbst die besten ihrer Wortführer, wie es vom bürgerlichen Standpunkt nicht anders möglich ist, mehr oder weniger in der von ihnen kritisch aufgelösten Welt des Scheins befangen, und fallen daher alle mehr oder weniger in Inkonsequenzen, Halbheiten und ungelöste Widersprüche. Es ist dagegen andrer- seits ebenso natürlich, dass die wirklichen Produktionsagenten in diesen entfremdeten und irrationellen Formen von Kapital — Zins, Boden — Rente, Arbeit — Arbeitslohn, sich völlig zu Hause fühlen, denn es sind eben die Gestaltungen des Scheins, in welchem sie sich be- wegen und womit sie täglich zu thun haben. Es ist daher ebenso natürlich, dass die Vulgärökonomie, die nichts als eine didaktische. mehr oder minder doktrinäre Uebersetzung der Alltagsvorstellungen der wirklichen Produktionsagenten ist, und eine gewisse verstän- dige Ordnung unter sie bringt, grade in dieser Trinität, worin der ganze innere Zusammenhang ausgelöscht ist, die naturgemäße und über allen Zweifel erhabene Basis ihrer seichten Wichtigthuerei findet. Diese Formel entspricht zugleich dem Interesse der herrschenden Klassen, indem sie die Naturnothwendigkeit und ewige Berechti- gung ihrer Einnahmequellen proklamirt und zu einem Dogma erhebt.
In der Darstellung der Versachlichung der Produktionsverhält- nisse und ihrer Verselbständigung gegenüber den Produktionsagenten gehn wir nicht ein auf die Art und Weise, wie die Zusammen-
hänge durch den Weltmarkt, seine Konjunkturen, die Bewegung der Marktpreise, die Perioden des Kredits, die Cyklen der Industrie und des Handels, die Abwechslung der Prosperität und Krise, ihren als übermächtige, sie willenlos beherrschende Naturgesetze erscheinen und sich ihnen gegenüber als blinde Nothwendigkeit geltend machen. Desswegen nicht, weil die wirkliche Bewegung der Konkurrenz ausserhalb unsers Plans liegt, und wir nur die innere Organisation der kapitalistischen Produktionsweise, sozusagen in ihrem idealen Durchschnitt, darzustellen haben.
In frühern Gesellschaftsformen tritt diese ökonomische Mysti- fikation nur ein hauptsächlich in Bezug auf das Geld und das zins- tragende Kapital. Sie ist der Natur der Sache nach ausgeschlossen, erstens wo die Produktion für den Gebrauchswerth, für den un- mittelbaren Selbstbedarf vorwiegt; zweitens wo, wie in der antiken Zeit und im Mittelalter, Sklaverei oder Leibeigenschaft die breite Basis der gesellschaftlichen Produktion bildet: die Herrschaft der Produktionsbedingungen über die Producenten ist hier versteckt durch die Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnisse, die als un- mittelbare Triebfedern des Produktionsprocesses erscheinen und sichtbar sind. In den ursprünglichen Gemeinwesen, wo naturwüch- siger Kommunismus herrscht, und selbst in den antiken städtischen Gemeinwesen, ist es dies Gemeinwesen selbst mit seinen Bedingungen, das als Basis der Produktion sich darstellt, wie seine Reproduktion als ihr letzter Zweck. Selbst im mittelalterlichen Zunftwesen er- scheint weder das Kapital noch die Arbeit ungebunden, sondern ihre Beziehungen durch das Korporationswesen und mit demselben zusammenhängende Verhältnisse und ihnen entsprechende Vorstel- lungen von Berufspflicht, Meisterschaft etc. bestimmt. Erst in der kapitalistischen Produktionsweise …
Für die nun folgende Untersuchung kann von dem Unterschied von Produktionspreis und Werth abgesehn werden, da dieser Unter- schied überhaupt wegfällt, wenn, wie es hier geschieht, der Werth des jährlichen Gesammtprodukts der Arbeit betrachtet wird, also des Produkts des gesellschaftlichen Gesammtkapitals.
Profit (Unternehmergewinn plus Zins) und Rente sind nichts als eigenthümliche Formen, welche besondre Theile des Mehrwerts der Waaren annehmen. Die Grösse des Mehrwerths ist die Schranke
der Grössensumme der Theile, worin er zerfallen kann. Durch- schnittsprofit plus Rente sind daher gleich dem Mehrwerth. Es ist möglich, dass ein Theil der in den Waaren enthaltnen Mehr- arbeit, und daher des Mehrwerths, nicht direkt in die Ausgleichung zum Durchschnittsprofit eingeht; sodass ein Theil des Waarenwerths überhaupt nicht in ihrem Preise ausgedrückt wird. Allein erstens kompensirt sich dies dadurch, dass entweder die Profitrate wächst, wenn die unter ihrem Werth verkaufte Waare ein Element des konstanten Kapitals bildet, oder dass Profit und Rente sich in einem grössern Produkt darstellen, wenn die unter ihrem Werth verkaufte Waare als Artikel der individuellen Konsumtion in den als Revenue verzehrten Theil des Werths eingeht. Zweitens aber hebt sich dies in der Durchschnittsbewegung auf. Jedenfalls, selbst wenn ein nicht im Preis der Waare ausgedrückter Theil des Mehrwerths für die Preisbildung verloren geht, kann die Summe von Durchschnitts- profit plus Rente in ihrer normalen Form nie grösser, obwohl kleiner als der Gesammtmehrwerth sein. Ihre normale Form setzt einen, dem Werth der Arbeitskraft entsprechenden Arbeitslohn voraus. Selbst die Monopolrente, soweit sie nicht Abzug vom Arbeitslohn ist, also keine besondre Kategorie bildet, muss indirekt immer einen Theil des Mehrwerths bilden; wenn nicht Theil des Preisüberschusses über die Produktionskosten der Waare selbst, von der sie einen Bestandtheil bildet, wie bei der Differentialrente, oder überschüssigen Theil des Mehrwerths der Waare selbst, von der sie einen Bestandtheil bildet, über den durch den Durchschnitts- profit gemessnen Theil ihres eignen Mehrwerths (wie bei der ab- soluten Rente), so doch des Mehrwerths andrer Waaren, d. h. der Waaren, die gegen diese Waare, die einen Monopolpreis hat, aus- getauscht werden. — Die Summe von Durchschnittsprofit plus Grundrente kann nie grösser sein als die Grösse, deren Theile sie sind, und die vor dieser Theilung schon gegeben ist. Ob der ganze Mehrwerth der Waaren, d. h. alle in den Waaren enthaltne Mehr- arbeit, in ihrem Preise realisirt wird oder nicht, ist daher für unsre Betrachtung gleichgültig. Die Mehrarbeit wird schon desswegen nicht ganz realisirt, weil bei dem beständigen Grössenwechsel der zur Produktion einer gegebnen Waare gesellschaftlich nothwendigen Arbeit, der aus dem beständigen Wechsel in der Produktivkraft der Arbeit entspringt, ein Theil der Waaren stets unter anormalen Be- dingungen producirt, und daher unter ihrem individuellen Werth verkauft werden muss. Jedenfalls sind Profit plus Rente gleich dem ganzen realisirten Mehrwerth (Mehrarbeit) und für die Betrach-
tung, um die es sich hier handelt, kann der realisirte Mehrwerth gleichgesetzt werden mit allem Mehrwerth; denn Profit und Rente sind realisirter Mehrwerth, also überhaupt der Mehrwerth, der in die Preise der Waaren eingeht, also praktisch genommen aller Mehr- werth, der einen Bestandtheil dieses Preises bildet.
Andrerseits der Arbeitslohn, der die dritte eigenthümliche Form der Revenue bildet, ist stets gleich dem variablen Bestandtheil des Kapitals, d. h. dem Bestandtheil, der nicht in Arbeitsmitteln, son- dern im Ankauf der lebendigen Arbeitskraft, in Zahlung von Arbeitern ausgelegt ist. (Die Arbeit, die in der Verausgabung von Revenue bezahlt wird, wird selbst gezahlt durch Arbeitslohn, Profit oder Rente, und bildet daher keinen Werththeil der Waaren, womit sie gezahlt wird. Sie kommt also nicht in Betracht in der Analyse des Waarenwerths und der Bestandtheile, worin dieser zerfällt.) Es ist die Vergegenständlichung des Theils des Gesammtarbeits- tags der Arbeiter, worin der Werth des variablen Kapitals, und daher der Preis der Arbeit reproducirt wird; der Theil des Waaren- werths, worin der Arbeiter den Werth seiner eignen Arbeitskraft oder den Preis seiner Arbeit reproducirt. Der Gesammtarbeitstag des Arbeiters zerfällt in zwei Theile. Einen Theil, worin er das Quantum Arbeit verrichtet, nothwendig um den Werth seiner eignen Lebensmittel zu reproduciren: der bezahlte Theil seiner Gesammt- arbeit, der für seine eigne Erhaltung und Reproduktion nothwendige Theil seiner Arbeit. Der ganze übrige Theil des Arbeitstags, das ganze überschüssige Arbeitsquantum, das er über die im Werth seines Arbeitslohns realisirte Arbeit hinaus verrichtet, ist Mehrarbeit, unbezahlte Arbeit, die sich im Mehrwerth seiner gesammten Waaren- produktion darstellt (und daher in einem überschüssigen Quantum Waare), Mehrwerth, welcher seinerseits in verschieden benannte Theile zerfällt, in Profit (Unternehmergewinn plus Zins) und Rente.
Der gesammte Werththeil der Waaren also, worin sich die während eines Tages oder eines Jahres zugesetzte Gesammtarbeit der Arbeiter realisirt, der Gesammtwerth des jährlichen Produkts, den diese Arbeit schafft, zerfällt in den Werth des Arbeitslohns, den Profit und die Rente. Denn diese Gesammtarbeit zerfällt in noth- wendige Arbeit, wodurch der Arbeiter den Werththeil des Produkts schafft, womit er selbst bezahlt wird, also den Arbeitslohn, und in unbezahlte Mehrarbeit, wodurch er den Werththeil des Produkts schafft, der den Mehrwerth darstellt, und der später in Profit und Rente auseinandergeht. Ausser dieser Arbeit verrichtet der Arbeiter keine Arbeit, und ausser dem Gesammtwerth des Produkts, der die
Formen von Arbeitslohn, Profit, Rente annimmt, schafft er keinen Werth. Der Werth des jährlichen Produkts, worin sich seine während des Jahres neu zugesetzte Arbeit darstellt, ist gleich dem Arbeitslohn oder dem Werth des variablen Kapitals plus dem Mehr- werth, der wieder in die Formen von Profit und Rente zerfällt wird.
Der gesammte Werththeil des jährlichen Produkts also, den der Arbeiter im Laufe des Jahres schafft, drückt sich aus in der jähr- lichen Werthsumme der drei Revenuen, dem Werth von Arbeits- lohn, Profit und Rente. Offenbar ist daher in dem jährlich ge- schaffnen Produktenwerth der Werth des konstanten Kapitaltheils nicht reproducirt, denn der Arbeitslohn ist nur gleich dem Werth des in der Produktion vorgeschossnen variablen Kapitaltheils, und Rente und Profit sind nur gleich dem Mehrwerth, dem producirten Werthüberschuss über den Gesammtwerth des vorgeschossnen Ka- pitals, welcher gleich dem Werth des konstanten Kapitals plus dem Werth des variablen Kapitals ist.
Es ist für die hier zu lösende Schwierigkeit vollständig gleich- gültig, dass ein Theil des in die Form von Profit nnd Rente ver- wandelten Mehrwerths nicht als Revenue verzehrt wird, sondern zur Akkumulation dient. Der Theil davon, der als Akkumulations- fonds aufgespart wird, dient zur Bildung von neuem, zusätzlichem Kapital, aber nicht zum Ersatz des alten, weder des in Arbeits- kraft, noch des in Arbeitsmitteln ausgelegten Bestandtheils des alten Kapitals. Es kann hier also der Einfachheit wegen ange- nommen werden, die Revenuen gingen ganz in die individuelle Konsumtion ein. Die Schwierigkeit stellt sich doppelt dar. Einer- seits: Der Werth des jährlichen Produkts, worin diese Revenuen, Arbeitslohn, Profit, Rente, verzehrt werden, enthält in sich einen Werththeil, gleich dem Werththeil des in ihm aufgegangnen kon- stanten Kapitaltheils. Es enthält diesen Werththeil, ausser dem Werththeil, der sich in Arbeitslohn, und dem Werththeil, der sich in Profit und Rente auflöst. Sein Werth ist also = Arbeitslohn + Profit + Rente + C, welches seinen konstanten Werththeil vor- stellt. Wie soll nun der jährlich producirte Werth, der nur = Arbeitslohn + Profit + Rente, ein Produkt kaufen, dessen Werth = (Arbeitslohn + Profit + Rente) + C? Wie kann der jährlich pro- ducirte Werth ein Produkt kaufen, das einen höhern Werth hat als er selbst?
Andrerseits: Wenn wir von dem Theil des konstanten Kapitals absehn, der nicht in das Produkt eingegangen ist, und der daher, obgleich mit vermindertem Werth, fortexistirt nach wie vor der
Jahresproduktion der Waaren; wenn wir also von dem angewandten, aber nicht verzehrten fixen Kapital, einstweilen abstrahiren, so ist der konstante Theil des vorgeschossnen Kapitals in Form von Roh- und Hülfsstoffen ganz in das neue Produkt aufgegangen, während ein Theil der Arbeitsmittel ganz verbraucht, einer andrer nur zum Theil vernutzt worden, und so nur ein Theil seines Werths in der Produktion verzehrt worden ist. Dieser ganze in der Produktion aufgebrauchte Theil des konstanten Kapitals muss in natura ersetzt werden. Alle andren Umstände, namentlich die Produktivkraft der Arbeit, als unverändert vorausgesetzt, kostet er dasselbe Arbeits- quantum wie vorher zu seinem Ersatz, d. h. er muss durch ein Werthäquivalent ersetzt werden. Wo nicht, kann die Reproduktion selbst nicht auf der alten Stufenleiter stattfinden. Aber wer soll diese Arbeiten verrichten und wer verrichtet sie?
Bei der ersten Schwierigkeit: Wer soll den im Produkt ent- haltnen konstanten Werththeil zahlen und womit? ist unterstellt, dass der Werth des in der Produktion aufgegangnen konstanten Kapitals als Werththeil des Produkts wieder erscheint. Dies wider- spricht nicht den Voraussetzungen der zweiten Schwierigkeit. Denn es ist schon Buch I, Kap. V (Arbeitsprocess und Verwerthungs- process) nachgewiesen worden, wie durch blossen Zusatz neuer Arbeit, obgleich sie den alten Werth nicht reproducirt, sondern nur Zusatz zu demselben schafft, nur zusätzlichen Werth schafft, doch gleichzeitig der alte Werth im Produkt erhalten bleibt; dass dies aber geschieht von der Arbeit, nicht soweit sie werthschaffende, also Arbeit überhaupt ist, sondern in ihrer Funktion als bestimmte produktive Arbeit. Es war also keine zusätzliche Arbeit nöthig, um den Werth des konstanten Theils in dem Produkt, worin die Revenue, d. h. der ganze während des Jahres geschaffne Werth, verausgabt wird, fortzuerhalten. Wohl aber ist neue zusätzliche Arbeit nöthig, um das während des vergangnen Jahrs nach seinem Werth und Gebrauchswerth aufgezehrte konstante Kapital zu er- setzen, ohne welchen Ersatz die Reproduktion überhaupt unmög- lich ist.
Alle neu zugesetzte Arbeit ist dargestellt in dem während des Jahrs neu geschaffnen Werth, der wiederum ganz aufgeht in die drei Revenuen: Arbeitslohn, Profit und Rente. — Einerseits bleibt also keine überschüssige gesellschaftliche Arbeit übrig für den Er- satz des verzehrten konstanten Kapitals, das theilweise in natura und seinem Werth nach, theilweise bloss seinem Werth nach (für blossen Verschleiss des fixen Kapitals) wiederherzustellen ist
Andrerseits scheint der jährlich von der Arbeit geschaffne und in die Formen von Arbeitslohn, Profit und Rente zerfallende und in ihnen zu verausgabende Werth nicht hinreichend, um den kon- stanten Kapitaltheil, der ausser ihrem eignen Werth im Jahres- produkt stecken muss, zu bezahlen oder zu kaufen.
Man sieht: das hier gestellte Problem ist bereits gelöst bei der Betrachtung der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesammtkapitals, Buch II, Abschn. III. Wir kommen hier darauf zurück, zunächst weil dort der Mehrwerth noch nicht in seinen Revenueformen: Profit (Unternehmergewinn plus Zins) und Rente, entwickelt war, und daher auch nicht in diesen Formen behandelt werden konnte; dann aber auch weil sich grade an die Form von Arbeitslohn, Profit und Rente ein unglaublicher Verstoss in der Analyse an- schliesst, der die ganze politische Oekonomie seit A. Smith durchzieht.
Wir haben dort alles Kapital in zwei grosse Klassen getheilt: Klasse I, welche Produktionsmittel, und Klasse II, welche Mittel der indi- viduellen Konsumtion producirt. Der Umstand, dass gewisse Produkte ebensowohl zum persönlichen Genuss wie als Produktionsmittel dienen können (ein Pferd, Korn u. s. w.), hebt die absolute Richtigkeit dieser Eintheilung in keiner Weise auf. Sie ist in der That keine Hypothese, sondern nur Ausdruck einer Thatsache. Man nehme das jährliche Produkt eines Landes. Ein Theil des Produkts, welches immer seine Fähigkeit als Produktionsmittel zu dienen, geht in die indi- viduelle Konsumtion ein. Es ist das Produkt, worin Arbeitslohn, Profit und Rente verausgabt werden. Dies Produkt ist das Pro- dukt einer bestimmten Abtheilung des gesellschaftlichen Kapitals. Es ist möglich, dass dies selbe Kapital auch der Klasse I angehörige Produkte producirt. Soweit es dies thut, ist es nicht der im Pro- dukt der Klasse II, in wirklich der individuellen Konsumtion an- heimfallendem Produkt, aufgezehrte Theil dieses Kapitals, welcher die der Klasse I zufallenden, produktiv konsumirten Produkte liefert. Dies ganze Produkt II, welches in die individuelle Konsumtion ein- geht, und worin sich daher die Revenue verausgabt, ist das Dasein des in ihm verzehrten Kapitals plus dem producirten Ueberschuss. Es ist also Produkt eines in der blossen Produktion von Konsum- tionsmitteln angelegten Kapitals. Und in derselben Art ist Ab- theilung I des jährlichen Produkts, die als Reproduktionsmittel dient, Rohmaterial und Arbeitsinstrumente, welche Fähigkeit dies Produkt sonst naturaliter haben möge als Konsumtionsmittel zu dienen, Produkt eines in der blossen Produktion von Produktions-
mitteln angelegten Kapitals. Der bei weitem grösste Theil der Produkte, die das konstante Kapital bilden, besteht auch stofflich in einer Form, worin er nicht in die individuelle Konsumtion ein- gehn kann. Soweit er es könnte, wie z. B. ein Bauer sein Saat- korn essen, sein Zugvieh schlachten könnte, leistet die ökonomische Schranke für ihn ganz dasselbe, als ob dieser Theil in einer nicht konsumablen Form bestände.
Wie schon gesagt, abstrahiren wir bei beiden Klassen von dem fixen Theil des konstanten Kapitals, der in natura und dem Werth nach fortexistirt, unabhängig von dem Jahresprodukt beider Klassen.
In der Klasse II, in deren Produkten Arbeitslohn, Profit und Rente verausgabt, kurz die Revenuen verzehrt werden, besteht das Produkt, seinem Werth nach, selbst aus drei Bestandtheilen. Ein Bestandtheil ist gleich dem Werth des in der Produktion aufge- zehrten konstanten Kapitaltheils; ein zweiter Bestandtheil ist gleich dem Werth des in der Produktion vorgeschossnen variablen, in Arbeitslohn ausgelegten Kapitaltheils; endlich ein dritter Bestand- theil ist gleich dem producirten Mehrwerth, also = Profit + Rente. Der erste Bestandtheil des Produkts von Klasse II, der Werth des konstanten Kapitaltheils, kann weder von den Kapitalisten noch von den Arbeitern der Klasse II, noch von den Grundeigenthümern verzehrt werden. Er bildet keinen Theil ihrer Revenue, sondern muss in natura ersetzt werden, und muss verkauft werden, damit dies geschehn kann. Dagegen die zwei andern Bestandtheile dieses Produkts sind gleich dem Werth der in dieser Klasse erzeugten Revenuen, = Arbeitslohn + Profit + Rente.
In Klasse I besteht das Produkt der Form nach aus denselben Bestandtheilen. Der Theil aber, der hier Revenue bildet, Arbeits- lohn + Profit + Rente, kurz der variable Kapitaltheil + dem Mehr- werth, wird hier nicht in der Naturalform der Produkte dieser Klasse I verzehrt, sondern in den Produkten der Klasse II. Der Werth der Revenuen der Klasse I muss also verzehrt werden in dem Theil des Produkts von Klasse II, der das zu ersetzende kon- stante Kapital von II bildet. Der Theil des Produkts der Klasse II, der ihr konstantes Kapital ersetzen muss, wird in seiner Natural- form verzehrt von den Arbeitern, den Kapitalisten und den Grund- eigenthümern von Klasse I. Sie legen ihre Revenuen in diesem Produkt II aus. Andrerseits wird das Produkt von I in seiner Naturalform, soweit es Revenue der Klasse I repräsentirt, produktiv konsumirt von Klasse II, deren konstantes Kapital es in natura ersetzt. Endlich der verbrauchte konstante Kapitaltheil der Klasse I
wird aus den eignen Produkten dieser Klasse, welche eben aus Arbeitsmitteln, Roh- und Hülfsstoffen etc. bestehn, ersetzt, theils durch Austausch der Kapitalisten I unter einander, theils dadurch dass ein Theil dieser Kapitalisten sein eignes Produkt direkt wieder als Produktionsmittel anwenden kann.
Nehmen wir das frühere Schema (Buch II, Kap. XX, II) ein- facher Reproduktion: I. 4000c + 1000v + 1000m = 6000 II. 2000c + 500v + 500m = 3000 = 9000
Hiernach wird in II von den Producenten und Grundeigenthümern 500v + 500m = 1000 als Revenue verzehrt; bleibt 2000c zu er- setzen. Dies wird verzehrt von den Arbeitern, Kapitalisten und Rentenbeziehern von I, deren Einnahme = 1000v + 1000m = 2000. Das verzehrte Produkt von II wird als Revenue von I verzehrt, und der im unverzehrbaren Produkt dargestellte Revenuetheil von I wird als konstantes Kapital von II konsumirt. Es bleibt also Rechenschaft abzulegen über die 4000c bei I. Dies wird aus dem eignen Produkt von I = 6000, oder vielmehr = 6000 — 2000 ersetzt; denn diese 2000 sind bereits umgesetzt in konstantes Kapital für II. Es ist zu bemerken, dass die Zahlen allerdings willkürlich ange- nommen sind, also auch das Verhältniss zwischen dem Werth der Revenue von I und dem Werth des konstanten Kapitals von II willkürlich scheint. Es ist jedoch einleuchtend, dass soweit der Reproduktionsprocess normal und unter sonst gleichbleibenden Um- ständen, also abgesehn von der Akkumulation vor sich geht, die Werthsumme von Arbeitslohn, Profit und Rente in Klasse I gleich dem Werth des konstanten Kapitaltheils von Klasse II sein muss. Sonst kann entweder Klasse II ihr konstantes Kapital nicht er- setzen, oder Klasse I ihre Revenue aus der unverzehrbaren nicht in die verzehrbare Form umsetzen.
Der Werth des jährlichen Waarenprodukts, ganz wie der Werth des Waarenprodukts einer besondren Kapitalanlage, und wie der Werth jeder einzelnen Waare, löst sich also auf in zwei Werth- bestandtheile: den einen A, der den Werth des vorgeschossnen konstanten Kapitals ersetzt, und einen andern B, der sich in der Form von Revenue, als Arbeitslohn, Profit und Rente darstellt. Der letztre Werthbestandtheil B bildet insofern einen Gegensatz gegen den erstern A, als dieser, bei sonst gleichen Umständen, 1) nie die Form der Revenue annimmt, 2) stets in der Form von Kapital, und zwar von konstantem Kapital zurückfliesst. Der andre Bestandtheil B ist jedoch auch wieder in sich selbst entgegengesetzt.
Profit und Rente haben das mit dem Arbeitslohn gemein, dass sie alle dreie Revenueformen bilden. Trotzdem sind sie wesentlich da- durch unterschieden, dass sich in Profit und Rente Mehrwerth, also unbezahlte Arbeit darstellt, und im Arbeitslohn bezahlte. Der Werththeil des Produkts, der verausgabten Arbeitslohn darstellt, also den Arbeitslohn ersetzt, und unter unsern Voraussetzungen, wo die Reproduktion auf derselben Stufenleiter und unter denselben Bedingungen sich vollzieht, sich wieder in Arbeitslohn rückver- wandelt, fliesst zurück zunächst als variables Kapital, als ein Be- standtheil des, der Reproduktion von neuem vorzuschiessenden Ka- pitals. Dieser Bestandtheil fungirt doppelt. Er existirt erst in der Form von Kapital und tauscht sich als solches gegen die Arbeits- kraft aus. In der Hand des Arbeiters verwandelt er sich in die Revenue, die dieser aus dem Verkauf seiner Arbeitskraft zieht, wird als Revenue in Lebensmittel umgesetzt und verzehrt. Bei der Ver- mittlung durch die Geldcirkulation zeigt sich dieser doppelte Process. Das variable Kapital wird in Geld vorgeschossen, in Arbeitslohn weggezahlt. Dies ist seine erste Funktion als Kapital. Es wird umgesetzt gegen die Arbeitskraft und verwandelt in die Aeusserung dieser Arbeitskraft, in Arbeit. Dies ist der Process für den Kapi- talisten. Zweitens aber: mit diesem Geld kaufen die Arbeiter einen Theil ihres Waarenprodukts, der durch dies Geld gemessen ist, und von ihnen als Revenue verzehrt wird. Denken wir uns die Geld- cirkulation weg, so ist ein Theil des Produkts des Arbeiters in der Hand des Kapitalisten in der Form von vorhandnem Kapital. Diesen Theil schiesst er vor als Kapital, gibt ihn an den Arbeiter für neue Arbeitskraft, während der Arbeiter ihn direkt oder vermittelst Austausches gegen andre Waaren als Revenue verzehrt. Der Werth- theil des Produkts also, der bei der Reproduktion bestimmt ist, sich in Arbeitslohn, in Revenue für die Arbeiter zu verwandeln, fliesst zunächst zurück in die Hand des Kapitalisten in der Form von Kapital, näher von variablem Kapital. Dass er in dieser Form zurückfliesst, ist eine wesentliche Bedingung dafür, dass die Arbeit als Lohn- arbeit, die Produktionsmittel als Kapital, und der Produktionspro- cess selbst als kapitalistischer sich stets neu reproducirt.
Will man sich nicht in nutzlose Schwierigkeiten verwickeln, so muss man Rohertrag und Reinertrag von Roheinkommen und Rein- einkommen unterscheiden.
Der Rohertrag oder das Rohprodukt ist das ganze reproducirte Pro- dukt. Mit Ausschluss des angewandten, aber nicht konsumirten Theils des fixen Kapitals, ist der Werth des Rohertrags oder des Brutto-
produkts gleich dem Werth des vorgeschossnen und in der Pro- duktion verzehrten Kapitals, des konstanten und variablen, plus dem Mehrwerth, der sich in Profit und Rente auflöst. Oder wenn man nicht das Produkt des einzelnen Kapitals, sondern des gesell- schaftlichen Gesammtkapitals betrachtet, ist der Rohertrag gleich den stofflichen Elementen, die das konstante und variable Kapital bilden, plus den stofflichen Elementen des Mehrprodukts, worin sich Profit und Rente darstellen.
Das Roheinkommen ist der Werththeil und der durch ihn ge- messne Theil des Bruttoprodukts oder Rohprodukts, der übrig bleibt nach Abzug des Werththeils und des durch ihn gemessnen Pro- duktentheils der Gesammtproduktion, welcher das vorgeschossne und in der Produktion aufgezehrte konstante Kapital ersetzt. Das Roheinkommen ist also gleich dem Arbeitslohn (oder dem Theil des Produkts, der die Bestimmung hat, wieder zum Einkommen des Arbeiters zu werden) + dem Profit + der Rente. Das Reineinkommen dagegen ist der Mehrwerth, und daher das Mehrprodukt, das nach Abzug des Arbeitslohns übrig bleibt, und in der That also den vom Kapital realisirten und mit den Grundeigenthümern zu theilenden Mehrwerth, und das durch ihn gemessne Mehrprodukt darstellen.
Man hat nun gesehn, dass der Werth jeder einzelnen Waare, und der Werth des ganzen Waarenprodukts jedes einzelnen Kapi- tals in zwei Theile zerfällt; den einen, der bloss konstantes Kapital ersetzt, und einen andern der, obgleich ein Bruchtheil davon als variables Kapital rückfliesst, also auch in der Form von Kapital rückfliesst, doch die Bestimmung hat, sich ganz in Roheinkommen zu verwandeln, und die Form des Arbeitslohns, des Profits und der Rente anzunehmen, deren Summe das Roheinkommen ausmacht. Man hat ferner gesehn, dass dasselbe mit Bezug auf den Werth des jähr- lichen Gesammtprodukts einer Gesellschaft der Fall ist. Ein Unter- schied zwischen dem Produkt des einzelnen Kapitalisten und der Gesellschaft findet nur insofern statt: vom Standpunkt des einzelnen Kapitalisten betrachtet, unterscheidet sich das Reineinkommen vom Roheinkommen, denn dieses schliesst den Arbeitslohn ein, jenes schliesst ihn aus. Das Einkommen der ganzen Gesellschaft be- trachtet, besteht das Nationaleinkommen aus Arbeitslohn plus Profit plus Rente, also aus dem Roheinkommen. Indess ist auch dies insofern Abstraktion, als die ganze Gesellschaft, auf Grundlage der kapitalistischen Produktion, sich auf den kapitalistischen Stand- punkt stellt und daher nur das in Profit und Rente sich auflösende Einkommen als Reineinkommen betrachtet.
Dagegen die Phantasie, wie z. B. bei Herrn Say, dass der ganze Ertrag, das gesammte Rohprodukt, für eine Nation sich in Rein- ertrag auflöst oder nicht davon unterscheidet, dass also dieser Unter- schied vom nationalen Standpunkt aufhört, ist nur der nothwen- dige und letzte Ausdruck des seit A. Smith die ganze politische Oekonomie durchziehenden absurden Dogmas, dass der Werth der Waaren sich in letzter Instanz ganz zersetzt in Einkommen, in Arbeitslohn, Profit und Rente.(FN51)
Einzusehn, im Fall jedes einzelnen Kapitalisten, dass ein Theil seines Produkts sich in Kapital rückverwandeln muss (auch ab- gesehn von der Erweiterung der Reproduktion oder der Akku- mulation) und zwar nicht nur in variables Kapital, das sich selbst wieder in Einkommen für die Arbeiter, also in eine Revenueform zu verwandeln bestimmt ist, sondern in konstantes Kapital, das sich nie in Einkommen verwandeln kann — diese Einsicht ist natürlich ausserordentlich wohlfeil. Die einfachste Wahrnehmung des Pro- duktionsprocesses zeigt dies augenscheinlich. Die Schwierigkeit be- ginnt erst, sobald der Produktionsprocess im ganzen und grossen betrachtet wird. Der Umstand, dass der Werth des ganzen Pro- dukttheils, der als Revenue, in der Form von Arbeitslohn, Profit und Rente verzehrt wird (wobei es ganz gleichgültig, ob indivi- duell oder produktiv verzehrt), in der That in der Analyse ganz aufgeht in die Werthsumme, gebildet aus Arbeitslohn plus Profit plus Rente, also in den Gesammtwerth der drei Revenuen, obgleich der Werth dieses Produkttheils ganz ebensogut wie der, der nicht in die Revenue eingeht, einen Werththeil enthält = C, gleich dem Werth des in ihnen enthaltenen konstanten Kapitals, also prima facie unmöglich begrenzt sein kann durch den Werth der Revenue: auf der einen Seite die praktisch unleugbare Thatsache, auf der
andern Seite der ebenso unleugbare theoretische Widerspruch — diese Schwierigkeit wird am leichtesten übertölpelt durch den Aus- spruch, dass der Waarenwerth nur zum Schein, vom Standpunkt des einzelnen Kapitalisten aus, einen von dem in Revenueform existirenden Theil unterschiednen weitern Werththeil enthält. Die Phrase: dass für den einen als Revenue erscheint, was für den andern Kapital bildet, erspart alles weitere Nachdenken. Wie da- bei, wenn der Werth des ganzen Produkts in der Form von Re- venuen verzehrbar ist, das alte Kapital ersetzt werden kann; und wie der Werth des Produkts jedes einzelnen Kapitals gleich der Werthsumme der drei Revenuen plus C, dem konstanten Kapital, sein kann, aber die zusammenaddirte Werthsumme der Produkte aller Kapitale gleich der Werthsumme der drei Revenuen plus 0, dies erscheint dabei natürlich als unlösbares Räthsel, und muss dadurch erklärt werden, dass die Analyse überhaupt unfähig ist, den einfachen Elementen des Preises auf die Sprünge zu kommen, sich vielmehr bei dem fehlerhaften Kreislauf und dem Progress ins Unendliche begnügen muss. Sodass, was als konstantes Kapital erscheint, in Arbeitslohn, Profit, Rente auflösbar, die Waarenwerthe aber, worin Arbeitslohn, Profit, Rente sich darstellen, ihrerseits wieder bestimmt sind durch Arbeitslohn, Profit, Rente, und so fort ins Unendliche.(FN52)
Das grundfalsche Dogma, dass der Werth der Waaren in letzter Instanz auflösbar ist in Arbeitslohn + Profit + Rente, drückt sich auch so aus, dass der Konsument in letzter Instanz den Gesammt- werth des Gesammtprodukts zahlen muss; oder auch so, dass die Geldcirkulation zwischen Producenten und Konsumenten in letzter Instanz gleich sein muss der Geldcirkulation zwischen den Produ-
centen selbst (Tooke); Sätze die alle ebenso falsch sind, wie der Grundsatz, auf dem sie beruhen.
Die Schwierigkeiten, die zu dieser falschen und prima facie ab- surden Analyse führen, sind kurz folgende:
1) Dass das Grundverhältniss von konstantem und variablem Kapital, also auch die Natur des Mehrwerths, und damit die ganze Basis der kapitalistischen Produktionsweise nicht begriffen ist. Der Werth jedes Theilprodukts des Kapitals, jeder einzelnen Waare, schliesst einen Werththeil = konstantes Kapital, einen Werththeil = variables Kapital (verwandelt in Arbeitslohn für die Arbeiter) und einen Werththeil = Mehrwerth (später in Profit und Rente ge- sondert) ein. Wie ist es also möglich, dass der Arbeiter mit seinem Arbeitslohn, der Kapitalist mit seinem Profit, der Grundeigenthümer mit seiner Rente Waaren kaufen soll, die jede nicht nur einen dieser Bestandtheile, sondern alle drei enthalten, und wie ist es möglich, dass die Werthsumme von Arbeitslohn, Profit, Rente, also der drei Ein- kommenquellen zusammen, die in den Gesammtkonsum der Empfänger dieser Einkommen eingehenden Waaren kaufen sollen, Waaren, die ausser diesen drei Werthbestandtheilen noch einen überschüssigen Werthbestandtheil, nämlich konstantes Kapital enthalten? Wie sollen sie mit einem Werth von drei einen Werth von vier kaufen?(FN53)
Wir haben die Analyse gegeben Buch II, Abschnitt III.
2) Dass die Art und Weise nicht begriffen ist, wie die Arbeit, indem sie Neuwerth zusetzt, alten Werth in neuer Form erhält, ohne diesen Werth neu zu produciren.
3) Dass der Zusammenhang des Reproduktionsprocesses nicht begriffen wird, wie er sich darstellt, nicht vom Standpunkt des einzelnen Kapitals, sondern von dem des Gesammtkapitals aus be- trachtet; die Schwierigkeit, wie das Produkt, worin Arbeitslohn und Mehrwerth, worin also der ganze Werth, den alle während des Jahres neu zugesetzte Arbeit geschaffen hat, sich realisirt, seinen konstanten Werththeil ersetzen, und sich noch gleichzeitig in, bloss durch die Revenuen begrenzten, Werth auflösen kann; wie ferner das in der Produktion aufgezehrte konstante Kapital stofflich und dem Werth nach durch neues ersetzt werden kann, obgleich die Gesammtsumme der neu zugesetzten Arbeit sich nur in Arbeitslohn und Mehrwerth realisirt, und in der Summe des Werths beider sich erschöpfend darstellt. Gerade hier ist es, wo die Hauptschwierigkeit liegt, in der Analyse der Reproduktion und des Verhältnisses ihrer verschiednen Bestandtheile, sowohl ihrem stofflichen Charakter, wie ihren Werthverhältnissen nach.
4) Es kommt aber eine fernere Schwierigkeit hinzu, die sich noch steigert, sobald die verschiednen Bestandtheile des Mehrwerths in der Form gegen einander selbständiger Revenuen erscheinen. Nämlich die, dass die festen Bestimmungen von Re- venue und Kapital sich austauschen und ihre Stelle ändern, sodass sie nur relative Bestimmungen vom Standpunkt des einzelnen Kapi- talisten zu sein, beim Ueberblick des gesammten Produktionspro- cesses aber zu verschwinden scheinen. Z. B. die Revenue der Arbeiter und Kapitalisten der Klasse I, die konstantes Kapital pro- ducirt, ersetzt dem Werth und dem Stoff nach das konstante Kapital der Kapitalistenklasse II, die Konsumtionsmittel producirt. Man kann sich also an der Schwierigkeit vorbeidrücken mit der Vor-
stellung, dass was für den einen Revenue, für den andren Kapital sei, und diese Bestimmungen daher nichts zu thun haben mit der wirklichen Besonderung der Werthbestandtheile der Waare. Ferner: Waaren, die schliesslich bestimmt sind, die stofflichen Elemente der Revenue-Verausgabung zu bilden, also Konsumtionsmittel, durch- laufen während des Jahres verschiedne Stufen, z. B. Wollengarn, Tuch. Auf der einen Stufe bilden sie Theil des konstanten Kapitals, auf der andern werden sie individuell konsumirt, gehn also ganz in die Revenue ein. Man kann sich also mit A. Smith einbilden, dass das konstante Kapital nur ein scheinbares Element des Waarenwerths sei, das im Gesammtzusammenhang verschwindet. So findet ferner Austausch von variablem Kapital gegen Revenue statt. Der Arbeiter kauft mit seinem Arbeitslohn den Theil der Waaren, der seine Revenue bildet. Damit ersetzt er zugleich dem Kapitalisten die Geldform des variablen Kapi- tals. Endlich: ein Theil der Produkte, die konstantes Kapital bilden, wird in natura oder durch Austausch von den Producenten des konstanten Kapitals selbst ersetzt; ein Process, mit dem die Kon- sumenten nichts zu thun haben. Indem man dies übersieht, ent- steht der Schein, dass die Revenue der Konsumenten das ganze Produkt, also auch den konstanten Werththeil ersetzt.
5) Abgesehn von der Konfusion, die die Verwandlung der Werthe in Produktionspreise hervorbringt, entsteht eine weitere durch die Verwandlung des Mehrwerths in verschiedne besondre, gegen einander selbständige und auf die verschiednen Produktionselemente bezogne Formen von Revenue, in Profit und Rente. Es wird vergessen, dass die Werthe der Waaren die Grundlage sind, und dass das Zerfallen dieses Waarenwerths in besondre Bestandtheile, und die Fortentwicklung dieser Werthbestandtheile zu Revenueformen, ihre Verwandlung in Verhältnisse der verschiednen Besitzer der verschiednen Produktionsagentien zu diesen einzelnen Werthbestandtheilen, ihre Vertheilung unter diese Besitzer nach bestimmten Kategorien und Titeln, an der Werthbestimmung und ihrem Gesetz selbst durch- aus nichts ändert. Ebensowenig wird das Werthgesetz geändert durch den Umstand, dass die Ausgleichung des Profits, d. h. die Vertheilung des Gesammtmehrwerths unter die verschiednen Kapi- tale, und die Hindernisse, die zum Theil (in der absoluten Rente) das Grundeigenthum dieser Ausgleichung in den Weg legt, die regulirenden Durchschnittspreise der Waaren von ihren individuellen Werthen abweichend bestimmen. Dies afficirt wieder nur den Zu- schlag des Mehrwerths auf die verschiednen Waarenpreise, hebt
aber den Mehrwerth selbst, und den Gesammtwerth der Waaren als Quelle dieser verschiednen Preisbestandtheile, nicht auf.
Es ist dies das quid pro quo, das wir im folgenden Kapitel be- trachten, und das nothwendig zusammenhängt mit dem Schein. als entspringe der Werth aus seinen eignen Bestandtheilen. Zuerst nämlich erhalten die verschiednen Werthbestandtheile der Waare in den Revenuen selbständige Formen, und werden als solche Reve- nuen, statt auf den Werth der Waare als ihre Quelle, auf die be- sondren stofflichen Produktionselemente als ihre Quellen bezogen. Sie sind darauf wirklich bezogen, aber nicht als Werthbestandtheile, sondern als Revenuen, als diesen bestimmten Kategorien der Produk- tionsagenten, dem Arbeiter, dem Kapitalisten, dem Grundeigenthümer zufallende Werthbestandtheile. Man kann sich nun jedoch einbilden, dass diese Werthbestandtheile, statt aus der Zersetzung des Waaren- werths zu entspringen, ihn umgekehrt durch ihr Zusammentreten erst bilden, wo dann der schöne fehlerhafte Kreislauf herauskommt, dass der Werth der Waaren entspringt aus der Werthsumme von Arbeitslohn, Profit, Rente, und der Werth von Arbeitslohn, Profit, Rente seinerseits wieder durch den Werth der Waaren bestimmt ist u. s. w.(FN54)
Den normalen Zustand der Reproduktion betrachtet, wird nur ein Theil der neu zugesetzten Arbeit auf Produktion und daher Ersatz von konstantem Kapital verwandt; nämlich gerade der Theil, der das in der Produktion von Konsumtionsmitteln, von stoff- lichen Elementen der Revenue aufgebrauchte konstante Kapital ersetzt. Es wird dies dadurch ausgeglichen, dass dieser konstante Theil der Klasse II keine zusätzliche Arbeit kostet. Nun aber ist das konstante Kapital, das (den gesammten Reproduktionsprocess betrachtet, worin also jene Ausgleichung von Klasse I und II ein- begriffen) kein Produkt der neu zugesetzten Arbeit ist, obgleich dies Produkt ohne es nicht herzustellen wäre, — dies konstante Kapital ist während des Reproduktionsprocesses, stofflich betrachtet, Zufällen und Gefahren ausgesetzt die es decimiren können. (Ferner aber kann es, auch dem Werth nach betrachtet, in Folge einer Aenderung in der Produktivkraft der Arbeit entwerthet werden; dies bezieht sich jedoch nur auf den einzelnen Kapitalisten.) Dem- gemäss dient ein Theil des Profits, also des Mehrwerths und daher auch des Mehrprodukts, worin sich (dem Werth nach betrachtet) nur neu zugesetzte Arbeit darstellt, als Assekuranzfonds. Wobei es an der Natur der Sache nichts ändert, ob dieser Assekuranzfonds durch Assekuranzgesellschaften als ein separates Geschäft verwaltet wird oder nicht. Dies ist der einzige Theil der Revenue, der weder als solche verzehrt wird, noch auch nothwendig als Akkumulations- fonds dient. Ob er faktisch als solcher dient, oder nur den Aus- fall der Reproduktion deckt, hängt vom Zufall ab. Es ist dies auch der einzige Theil des Mehrwerths und Mehrprodukts, also der Mehrarbeit der ausser dem Theil, der zur Akkumulation, also zur Erweiterung des Reproduktionsprocesses dient, auch nach Auf- hebung der kapitalistischen Produktionsweise fortexistiren müsste. Dies setzt natürlich voraus, dass der von den unmittelbaren Pro- ducenten regelmäßig verzehrte Theil nicht auf sein jetziges Mini- malmaß beschränkt bliebe. Ausser der Mehrarbeit für die, die Alters wegen noch nicht oder nicht mehr sich an der Produktion betheiligen können, fiele alle Arbeit fort, zum Unterhalt von solchen,
die nicht arbeiten. Denkt man sich an den Anfang der Gesell- schaft, so existiren noch keine producirten Produktionsmittel, also kein konstantes Kapital, dessen Werth in das Produkt eingeht, und das bei Reproduktion auf derselben Stufenleiter in natura aus dem Produkt, in einem durch seinen Werth bestimmten Maß, er- setzt werden muss. Aber die Natur gibt hier unmittelbar die Lebensmittel, die nicht erst producirt zu werden brauchen. Sie gibt daher auch dem Wilden, der nur wenige Bedürfnisse zu be- friedigen hat, die Zeit, nicht die noch nicht vorhandnen Produk- tionsmittel zur Neuproduktion zu benutzen, sondern neben der Arbeit, die die Aneignung der von Natur vorhandnen Lebensmittel kostet, andre Naturprodukte in Produktionsmittel, Bogen, Stein- messer, Boot etc. zu verwandeln. Dieser Process bei dem Wilden entspricht, bloss nach der stofflichen Seite betrachtet, ganz der Rückverwandlung von Mehrarbeit in neues Kapital. In dem Akku- mulationsprocess findet noch fortwährend die Verwandlung solches Produkts überschüssiger Arbeit in Kapital statt; und der Umstand, dass alles neue Kapital aus Profit, Rente oder andren Formen der Revenue, d. h. der Mehrarbeit entspringt, führt zur falschen Vor- stellung, dass aller Werth der Waaren aus einer Revenue ent- springt. Diese Rückverwandlung des Profits in Kapital zeigt viel- mehr bei näherer Analyse umgekehrt, dass die zusätzliche Arbeit — die sich stets in Form von Revenue darstellt — nicht zur Er- haltung, resp. Reproduktion des alten Kapitalwerths dient, sondern soweit sie nicht als Revenue verzehrt wird, zur Schöpfung von neuem überschüssigem Kapital.
Die ganze Schwierigkeit entspringt daraus, dass alle neu zuge- setzte Arbeit, soweit der von ihr geschaffne Werth sich nicht in Arbeitslohn auflöst, als Profit — hier als Form des Mehrwerths überhaupt gefasst — erscheint, d. h. als ein Werth, der dem Kapi- talisten nichts gekostet, also ihm sicher auch nichts vorgeschossnes, kein Kapital, zu ersetzen hat. Dieser Werth existirt daher in der Form des disponiblen, zusätzlichen Reichthums, kurz vom Stand- punkte des individuellen Kapitalisten aus, in der Form seiner Re- venue. Aber dieser neugeschaffne Werth kann ebensogut produktiv wie individuell konsumirt werden, ebensogut als Kapital wie als Revenue. Er muss zum Theil schon seiner Naturalform nach pro- duktiv konsumirt werden. Es ist also klar, dass die jährlich zu- gesetzte Arbeit ebensowohl Kapital schafft wie Revenue; wie sich dies denn auch im Akkumulationsprocess zeigt. Der für die Neu- schöpfung von Kapital verwandte Theil der Arbeitskraft (also per
Analogie der Theil des Arbeitstags, den der Wilde verwendet, nicht um die Nahrung anzueignen, sondern um das Werkzeug anzu- fertigen, womit er die Nahrung aneignet), wird aber dadurch un- sichtbar, dass das ganze Produkt der Mehrarbeit sich zunächst in der Form von Profit darstellt; eine Bestimmung, die in der That mit diesem Mehrprodukt selbst nichts zu thun hat, sondern sich nur auf das Privatverhältniss des Kapitalisten zu dem von ihm ein- kassirten Mehrwerth bezieht. In der That zerfällt der Mehrwerth, den der Arbeiter schafft, in Revenue und Kapital; d. h. in Kon- sumtionsmittel und in zusätzliche Produktionsmittel. Aber das alte, vom Vorjahr übernommene konstante Kapital (abgesehn von dem Theil, der beschädigt, also pro tanto vernichtet wird, also so- weit es nicht reproducirt werden muss, und solche Störungen des Reproduktionsprocesses fallen unter die Assekuranz) wird, seinem Werth nach betrachtet, nicht reproducirt durch die neu zugesetzte Arbeit.
Ferner sehn wir, dass ein Theil der neu zugesetzten Arbeit be- ständig in Reproduktion und Ersatz von aufgezehrtem konstantem Kapital absorbirt ist, obgleich sich diese neu zugesetzte Arbeit nur in Revenuen, Arbeitslohn, Profit und Rente auflöst. Es wird aber dabei übersehn, 1) dass ein Werththeil des Produkts dieser Arbeit kein Produkt dieser neu zugesetzten Arbeit ist, sondern vorge- fundnes und verbrauchtes konstantes Kapital; dass der Produkten- theil, worin dieser Werththeil sich darstellt, sich daher auch nicht in Revenue verwandelt, sondern in natura die Produktionsmittel dieses konstanten Kapitals ersetzt; 2) dass der Werththeil, worin sich diese neu zugesetzte Arbeit wirklich darstellt, nicht in natura als Revenue verzehrt wird, sondern das konstante Kapital in einer andren Sphäre ersetzt, wo es in eine Naturalform übergeführt worden, in der es als Revenue verzehrt werden kann, die aber ihrerseits wieder nicht ausschliessliches Produkt neu zugesetzter Arbeit ist.
Soweit die Reproduktion auf gleichbleibender Stufenleiter vor sich geht, muss jedes verbrauchte Element des konstanten Kapi- tals, wenn nicht dem Quantum und der Form, doch der Wirkungs- fähigkeit nach, in natura ersetzt werden durch ein neues Exemplar entsprechender Art. Bleibt die Produktivkraft der Arbeit dieselbe, so schliesst dieser Naturalersatz den Ersatz desselben Werths ein, den das konstante Kapital in seiner alten Form hatte. Steigert sich aber die Produktivkraft der Arbeit, sodass dieselben stofflichen Elemente mit weniger Arbeit reproducirt werden können, so kann
ein geringerer Werththeil des Produkts den konstanten Theil völlig in natura ersetzen. Der Ueberschuss kann dann zur Bildung von neuem Zusatzkapital dienen, oder es kann einem grössern Theil des Produkts die Form von Konsumtionsmitteln gegeben, oder die Mehrarbeit kann vermindert werden. Nimmt dagegen die Produk- tivkraft der Arbeit ab, so muss ein grössrer Theil des Produkts in den Ersatz des alten Kapitals eingehn; das Mehrprodukt nimmt ab.
Die Rückverwandlung von Profit, oder überhaupt irgend einer Form des Mehrwerths, in Kapital zeigt — wenn wir von der geschichtlich bestimmten ökonomischen Form absehn und sie nur als einfache Bildung neuer Produktionsmittel betrachten — dass der Zustand immer noch fortbesteht, worin der Arbeiter ausser der Arbeit zur Erwerbung unmittelbarer Lebensmittel, Arbeit anwendet um Pro- duktionsmittel zu produciren. Verwandlung von Profit in Kapital heisst nichts als Anwendung eines Theils der überschüssigen Arbeit zur Bildung neuer, zuschüssiger Produktionsmittel. Dass dies in der Form der Verwandlung von Profit in Kapital geschieht, heisst nur, dass nicht der Arbeiter, sondern der Kapitalist über die über- schüssige Arbeit verfügt. Dass diese überschüssige Arbeit erst durch ein Stadium durchgehn muss, wo sie als Revenue erscheint (während sie z. B. beim Wilden als direkt auf Produktion von Produktionsmitteln gerichtete überschüssige Arbeit erscheint) heisst nur, dass diese Arbeit oder ihr Produkt vom Nichtarbeiter ange- eignet wird. Was aber in der That in Kapital verwandelt wird, ist nicht der Profit als solcher. Verwandlung von Mehrwerth in Kapital heisst nur, dass der Mehrwerth und das Mehrprodukt vom Kapitalisten nicht als Revenue individuell konsumirt wird. Was aber wirklich so verwandelt wird, ist Werth, vergegenständlichte Arbeit, resp. das Produkt worin dieser Werth sich unmittelbar darstellt, oder wogegen er, nach vorheriger Verwandlung in Geld, ausgetauscht wird. Auch wenn der Profit in Kapital rückverwandelt wird, bildet nicht diese bestimmte Form des Mehrwerths, der Profit, die Quelle des neuen Kapitals. Der Mehrwerth wird dabei nur aus einer Form in die andre verwandelt. Aber es ist nicht diese Form- verwandlung, die ihn zu Kapital macht. Es ist die Waare und ihr Werth, die nun als Kapital fungiren. Aber dass der Werth der Waare nicht bezahlt ist — und nur dadurch wird er Mehrwerth — ist für die Vergegenständlichung der Arbeit, den Werth selbst, durchaus gleichgültig.
Das Missverständniss drückt sich in verschiednen Formen aus. Z. B. dass die Waaren, aus denen das konstante Kapital besteht,
ebenfalls Elemente von Arbeitslohn, Profit und Rente enthalten. Oder aber dass, was Revenue für den einen, Kapital für den andern vorstellt, und dies daher bloss subjektive Beziehungen sind. So enthält das Garn des Spinners einen Werththeil, der Profit für ihn vorstellt. Kauft der Weber also das Garn, so realisirt er den Profit des Spinners, für ihn selbst aber ist dies Garn nur ein Theil seines konstanten Kapitals.
Ausser dem, schon früher über das Verhältniss von Revenue und Kapital Entwickelten, ist hier zu bemerken: Was dem Werth nach betrachtet, als konstituirend mit dem Garn in das Kapital des Webers eingeht, ist der Werth des Garns. Wie die Theile dieses Werths sich in Kapital und Revenue, mit andern Worten in be- zahlte und unbezahlte Arbeit, für den Spinner selbst aufgelöst haben, ist vollständig gleichgültig für die Werthbestimmung der Waare selbst (abgesehn von den Modifikationen durch den Durchschnitts- profit). Es lauert hier immer im Hintergrund, dass der Profit, überhaupt der Mehrwerth, ein Ueberschuss über den Werth der Waare ist, der nur durch Zuschlag, wechselseitige Prellerei, Ver- äusserungsgewinn gemacht wird. Indem der Produktionspreis, oder auch der Werth der Waare gezahlt wird, werden natürlich auch die Werthbestandtheile der Waare gezahlt, die sich für ihren Ver- käufer in Revenueform darstellen. Von Monopolpreisen ist hier natürlich nicht die Rede.
Zweitens ist es ganz richtig, dass die Waarenbestandtheile, woraus das konstante Kapital besteht, wie aller andre Waarenwerth auf Werththeile reducirbar ist, die sich für die Producenten und die Eigner der Produktionsmittel in Arbeitslohn, Profit und Rente auf- lösten. Es ist dies nur die kapitalistische Ausdrucksform der That- sache, dass aller Waarenwerth nur das Maß der in einer Waare enthaltnen, gesellschaftlich nothwendigen Arbeit ist. Aber es ist schon im ersten Buch gezeigt worden, dass dies durchaus nicht hindert, das Waarenprodukt eines jeden Kapitals in separate Theile zu zerfällen, wovon der eine ausschliesslich den konstanten Kapital- theil darstellt, der andre den variablen Kapitaltheil, und ein dritter nur den Mehrwerth.
Storch drückt die Meinung auch vieler andern aus, wenn er sagt: „Les produits vendables qui constituent le revenu national doivent être considérés dans l’économie politique de deux manières différentes: relativement aux individus comme des valeurs; et rela- tivement à la nation comme des biens; car le revenu d’une nation ne s’apprécie pas comme celui d’un individu, d’après sa valeur,
mais d’après son utilité ou d’après les besoins auxquels il peut satisfaire.“ (Consid. sur le revenu national, p. 19.)
Es ist erstens eine falsche Abstraktion, eine Nation, deren Pro- duktionsweise auf dem Werth beruht, weiter kapitalistisch organisirt ist, als einen blos für die nationalen Bedürfnisse arbeitenden Ge- sammtkörper zu betrachten.
Zweitens bleibt, nach Aufhebung der kapitalistischen Produk- tionsweise, aber mit Beibehaltung gesellschaftlicher Produktion, die Werthbestimmung vorherrschend in dem Sinn, dass die Rege- lung der Arbeitszeit und die Vertheilung der gesellschaftlichen Arbeit unter die verschiednen Produktionsgruppen, endlich die Buchführung hierüber, wesentlicher denn je wird.
Es ist gezeigt worden, dass der Werth der Waaren, oder der durch ihren Gesammtwerth regulirte Produktionspreis sich auflöst in:
1) Einen Werththeil, der konstantes Kapital ersetzt, oder die früher vergangne Arbeit darstellt, die in der Form von Produk- tionsmitteln bei Herstellung der Waare verbraucht wurde; in einem Wort, den Werth oder Preis, womit diese Produktionsmittel in den Produktionsprocess der Waare eingingen. Wir sprechen hier nie von der einzelnen Waare, sondern vom Waarenkapital, d. h. der Form, worin sich das Produkt des Kapitals in einem bestimmten Zeitabschnitt, z. B. jährlich darstellt, und wovon die einzelne Waare nur ein Element bildet, das übrigens auch, seinem Werth nach, analog in dieselben Bestandtheile zerfällt.
2) Den Werththeil des variablen Kapitals, der das Einkommen des Arbeiters misst und sich für diesen in Arbeitslohn verwandelt; welchen Arbeitslohn also der Arbeiter in diesem variablen Werth- theil reproducirt hat; kurz den Werththeil, worin sich der bezahlte Theil der, dem ersten konstanten Theil in der Produktion der Waare neu zugesetzten Arbeit darstellt.
3) Den Mehrwerth, d. h. den Werththeil des Waarenprodukts, worin sich die unbezahlte Arbeit oder Mehrarbeit darstellt. Dieser letzte Werththeil nimmt wieder die selbständigen Formen an, die zugleich Revenueformen sind: die Formen von Profit des Kapitals (Zins des Kapitals als solchem, und Unternehmergewinn des Kapi- tals als fungirendem Kapital) und Grundrente, die dem Eigner des
im Produktionsprocess mitwirkenden Bodens zufällt. Die Bestand- theile 2) und 3), d. h. der Werthbestandtheil, der stets die Revenue- formen von Arbeitslohn (dies immer nur, nachdem er vorher die Form von variablem Kapital durchgemacht), Profit und Rente an- nimmt, unterscheidet sich von dem konstanten Bestandtheil 1) da- durch, dass in ihn sich der ganze Werth auflöst, worin sich die, jenem konstanten Theil, den Produktionsmitteln der Waare neu zugesetzte Arbeit vergegenständlicht. Sehn wir nun ab vom kon- stanten Werththeil, so ist es richtig zu sagen, dass der Werth der Waare, soweit er also neu zugesetzte Arbeit darstellt, sich be- ständig auflöst in drei Theile, die drei Revenueformen bilden, in Arbeitslohn, Profit und Rente,(FN55) bei denen die respektiven Werth- grössen, d. h. die aliquoten Theile, die sie vom Gesammtwerth bilden, durch verschiedne, eigenthümliche und früher entwickelte Gesetze bestimmt werden. Aber es wäre falsch, umgekehrt zu sagen, dass der Werth des Arbeitslohns, die Rate des Profits und die Rate der Rente selbständige konstituirende Werthelemente bilden, aus deren Zusammensetzung der Werth der Waare, abgesehn vom konstanten Bestandtheil, entspringe; in andern Worten, es wäre falsch zu sagen, dass sie komponirende Bestandtheile des Waaren- werths oder des Produktionspreises bilden.(FN56)
Man sieht den Unterschied sofort ein.
Gesetzt, der Produktenwerth eines Kapitals von 500 sei = 400c
+ 100v + 150m = 650; die 150m seien weiter zerfällt in 75 Profit + 75 Rente. Wir wollen ferner, zur Vermeidung unnützer Schwierig- keiten, annehmen, dies Kapital sei mittlerer Zusammensetzung, so- dass sein Produktionspreis mit seinem Werth zusammenfällt; ein Zusammenfallen, das immer stattfindet, wenn das Produkt dieses Einzelkapitals als Produkt eines seiner Grösse entsprechenden Theils des Gesammtkapitals betrachtet werden kann.
Hier bildet der Arbeitslohn, gemessen durch das variable Kapital, 20 % vom vorgeschossnen Kapital; der Mehrwerth, auf das Gesammt- kapital berechnet, 30 %, nämlich 15 % Profit und 15 % Rente. Der gesammte Werthbestandtheil der Waare, worin sich die neu zugesetzte Arbeit vergegenständlicht, ist gleich 100v + 150m = 250. Seine Grösse ist unabhängig von seiner Zerfällung in Arbeitslohn, Profit und Rente. Wir sehn aus dem Verhältniss dieser Theile zu einander, dass die Arbeitskraft, die mit 100 in Geld, sage 100 £ bezahlt wurde, ein Arbeitsquantum geliefert hat, das sich in einem Geldquantum von 250 £ darstellt. Wir sehn daraus, dass der Arbeiter 1½ mal so viel Mehrarbeit wie Arbeit für sich selbst gethan hat. War der Arbeitstag = 10 Stunden, so arbeitete er 4 Stunden für sich und 6 für den Kapitalisten. Die Arbeit der mit 100 £ gezahlten Arbeiter drückt sich daher aus in einem Geldwerth von 250 £. Ausser diesem Werth von 250 £ ist nichts zu theilen zwischen Arbeiter und Kapitalist, zwischen Kapitalist und Grund- eigenthümer. Es ist der dem Werth der Produktionsmittel von 400 neu zugesetzte Gesammtwerth. Der so producirte und durch das Quantum in ihm vergegenständlichter Arbeit bestimmte Waaren- werth von 250 bildet daher die Grenze für die Dividenden, die Arbeiter, Kapitalist und Grundeigenthümer, in der Form von Revenue, von Arbeitslohn, Profit und Rente aus diesem Werth ziehn können.
Gesetzt, ein Kapital von derselben organischen Komposition, d. h. demselben Verhältniss der angewandten lebendigen Arbeitskraft zu dem in Bewegung gesetzten konstanten Kapital, sei gezwungen, für dieselbe Arbeitskraft, die das konstante Kapital von 400 in Bewegung setzt, 150 £ statt 100 zu zahlen; und gesetzt ferner, Profit und Rente theilten sich auch in verschiednen Verhältnissen in den Mehrwerth. Da vorausgesetzt, dass das variable Kapital von 150 £ dieselbe Arbeitsmasse in Bewegung setzt wie früher das von 100, wäre der neu producirte Werth nach wie vor = 250, und der Werth des Gesammtprodukts nach wie vor = 650, aber wir hätten dann: 400c + 150v + 100m; und diese 100m zerfielen etwa in 45 Profit plus 55 Rente. Die Proportion, worin sich der
neu producirte Gesammtwerth in Arbeitslohn, Profit und Rente ver- theilt, wäre sehr verschieden; ebenso wäre die Grösse des vorge- schossnen Gesammtkapitals verschieden, obgleich es nur dieselbe Gesammtmasse von Arbeit in Bewegung setzt. Der Arbeitslohn betrüge 27 %, der Profit 8 %, die Rente 10 % auf das vor- geschossne Kapital; der Gesammtmehrwerth also etwas über 18 %
In Folge der Erhöhung des Arbeitslohns wäre der unbezahlte Theil der Gesammtarbeit verändert und damit der Mehrwerth. Der Arbeiter hätte bei zehnstündigem Arbeitstag 6 Stunden für sich und nur 4 Stunden für den Kapitalisten gearbeitet. Auch die Ver- hältnisse von Profit und Rente wären verschieden, der verminderte Mehrwerth wäre in verändertem Verhältniss zwischen Kapitalist und Grundeigenthümer getheilt. Endlich, da der Werth des kon- stanten Kapitals unverändert geblieben, und der Werth des vor- geschossnen variablen Kapitals gestiegen, drückte sich der vermin- derte Mehrwerth in einer noch mehr verminderten Bruttoprofitrate aus, worunter wir hier das Verhältniss des Gesammtmehrwerths zum ganzen vorgeschossnen Kapital verstehn.
Der Wechsel im Werth des Arbeitslohns, in der Rate des Profits, in der Rate der Rente könnte sich, welches auch immer die Wir- kung der Gesetze wäre, die das Verhältniss dieser Theile reguliren, nur bewegen in den Grenzen, die der neugeschaffne Waarenwerth von 250 setzt. Eine Ausnahme fände nur statt, wenn die Rente auf einem Monopolpreis beruhte. Dies würde am Gesetz nichts ändern, sondern nur die Betrachtung kompliciren. Denn betrachten wir in diesem Fall bloss das Produkt selbst, so wäre nur die Theilung des Mehrwerths verschieden; betrachten wir aber seinen relativen Werth gegenüber andern Waaren, so fände sich nur diese Ver- schiedenheit, dass ein Theil des Mehrwerths von ihnen auf diese specifische Waare übertragen wurde.
Rekapituliren wir:
Erstens fällt der Mehrwerth um ein Drittel seines frühern Betrags, von 150 auf 100. Die Profitrate fällt um etwas mehr als ein Drittel, von 30 % auf 18 %, weil der verminderte Mehrwerth auf ein gewachsenes vorgeschossnes Gesammtkapital zu berechnen ist. Sie fällt aber keineswegs in demselben Verhältniss wie die Rate des Mehrwerths. Diese fällt von auf , also von 150 % auf
66⅔ %, während die Profitrate nur fällt von auf oder von 30 % auf 18 %. Die Profitrate fällt also im Verhältniss mehr, als die Masse des Mehrwerths, aber weniger als die Rate des Mehr- werths. Ferner zeigt sich, dass die Werthe wie die Massen der Produkte dieselben bleiben, wenn nach wie vor dieselbe Arbeits- masse angewandt wird, obgleich das vorgeschossne Kapital in Folge der Vermehrung seines variablen Bestandtheils sich vergrössert hat. Diese Vergrösserung des vorgeschossnen Kapitals würde sich aller- dings dem Kapitalisten sehr fühlbar machen, der ein neues Geschäft begänne. Aber das Ganze der Reproduktion betrachtet, heisst Ver- mehrung des variablen Kapitals weiter nichts, als dass ein grössrer Theil des, von der neu zugesetzten Arbeit neu geschaffnen Werths sich in Arbeitslohn, und daher zunächst in variables Kapital, statt in Mehrwerth und Mehrprodukt verwandelt. Der Werth des Produkts bleibt also derselbe, weil er einerseits durch den konstanten Kapital- werth = 400, andrerseits durch die Zahl 250 beschränkt ist, worin sich die neu zugesetzte Arbeit darstellt. Beide sind aber unver- ändert geblieben. Dies Produkt, soweit es selbst wieder in kon- stantes Kapital einginge, würde nach wie vor in derselben Werth- grösse gleichviel Masse von Gebrauchswerth darstellen; also dieselbe Masse von Elementen des konstanten Kapitals behielte denselben Werth. Anders verhielte sich die Sache, wenn der Arbeitslohn stiege, nicht weil der Arbeiter einen grössern Theil seiner eignen Arbeit erhielte, sondern wenn er einen grössern Theil seiner eignen Arbeit erhielte, weil die Produktivität der Arbeit abgenommen hätte. In diesem Fall bliebe der Gesammtwerth, worin sich dieselbe Arbeit, bezahlte plus unbezahlte darstellte, dieselbe; aber die Masse Produkt, worin sich diese Masse Arbeit darstellte, hätte sich vermindert, also stiege der Preis jedes aliquoten Theils des Produkts, weil jeder Theil mehr Arbeit darstellte. Der erhöhte Arbeitslohn von 150 stellte nicht mehr Produkt dar wie früher der von 100; der ver- ringerte Mehrwerth von 100 stellte nur noch ⅔ des Produkts dar gegen früher, 66⅔ % der Masse von Gebrauchswerthen, die sich früher in 100 darstellten. In diesem Fall würde auch das kon- stante Kapital vertheuert, soweit dies Produkt in es einginge. Dies wäre aber nicht Folge der Erhöhung des Arbeitslohns, sondern die Erhöhung des Arbeitslohns wäre Folge der Vertheuerung der Waare, und Folge der verminderten Produktivität desselben Quantums Arbeit. Hier entsteht der Schein, als ob die Steigerung des Arbeitslohns das Produkt vertheuert hätte; sie ist aber hier nicht Ursache, sondern
Folge eines Werthwechsels der Waare in Folge der verminderten Produktivität der Arbeit.
Wenn dagegen bei sonst gleichen Umständen, wo also dieselbe angewandte Arbeitsmenge sich nach wie vor in 250 darstellt, der Werth der von ihr angewandten Produktionsmittel stiege oder fiele, so würde der Werth derselben Produktenmasse um dieselbe Grösse steigen oder fallen. 450c + 100v + 150m gibt Produktwerth = 700; dagegen 350c + 100v + 150m für den Werth derselben Produkten- masse nur 600, gegen früher 650. Wenn also das vorgeschossne Kapital wächst oder abnimmt, welches dieselbe Arbeitsmenge in Bewe- gung setzt, so steigt oder fällt der Werth des Produkts, bei sonst gleichen Umständen, wenn die Zunahme oder Abnahme des vorge- schossnen Kapitals von einer Aenderung der Werthgrösse des kon- stanten Kapitaltheils herrührt. Er bleibt dagegen unverändert, wenn die Zunahme oder Abnahme des vorgeschossnen Kapitals von verän- derter Werthgrösse des variablen Kapitaltheils, bei gleichbleibender Produktivkraft der Arbeit, herrührt. Beim konstanten Kapital ist Zunahme oder Abnahme seines Werths durch keine entgegen- gesetzte Bewegung kompensirt. Beim variablen Kapital, gleich- bleibende Produktivität der Arbeit vorausgesetzt, ist Zunahme oder Abnahme seines Werths kompensirt durch die umgekehrte Be- wegung auf Seiten des Mehrwerths, sodass der Werth des variablen Kapitals plus dem Mehrwerth, also der den Produktionsmitteln durch die Arbeit neu zugesetzte und im Produkt neu dargestellte Werth unverändert bleibt.
Ist dagegen Zu- oder Abnahme des Werths des variablen Kapi- tals oder des Arbeitslohns Folge der Vertheuerung oder Preissenkung der Waaren, d. h. der Verminderung oder Steigerung der Produk- tivität der in dieser Kapitalanlage angewandten Arbeit, so wirkt dies auf den Werth des Produkts. Aber das Steigen oder Fallen des Arbeitslohns ist hier nicht Ursache, sondern nur Folge.
Wäre dagegen im obigen Beispiel, bei gleichbleibendem kon- stantem Kapital = 400c, die Veränderung von 100 + 150m auf 150v + 100m, also das Steigen des variablen Kapitals, Folge der Abnahme der Produktivkraft der Arbeit, nicht in diesem besondren Zweige, z. B. der Baumwollspinnerei, sondern etwa in der Agri- kultur, welche die Nahrungsmittel des Arbeiters liefert, also Folge der Vertheuerung dieser Nahrungsmittel, so bliebe der Werth des Produkts unverändert. Der Werth von 650 würde sich nach wie vor in derselben Masse Baumwollgarn darstellen.
Aus dem Entwickelten geht ferner hervor: Wenn die Ver-
minderung in der Auslage von konstantem Kapital durch Oeko- nomie etc. in Produktionszweigen eintritt, deren Produkte in die Konsumtion der Arbeiter eingehn, so könnte dies, ebensogut wie die direkte Vermehrung der Produktivität der angewandten Arbeit selbst, eine Verminderung des Arbeitslohns, weil Verwohlfeilerung der Lebensmittel des Arbeiters herbeiführen, und daher Wachsen des Mehrwerths; sodass die Profitrate hier aus doppelten Gründen wüchse, nämlich einerseits, weil der Werth des konstanten Kapitals abnimmt, und andrerseits, weil der Mehrwerth zunimmt. Bei unsrer Betrachtung der Verwandlung des Mehrwerths in Profit nahmen wir an, dass der Arbeitslohn nicht fällt, sondern konstant bleibt, weil wir dort die Schwankungen der Profitrate, unabhängig von Veränderungen der Mehrwerthsrate, zu untersuchen hatten. Ausser- dem sind die dort entwickelten Gesetze allgemein, und gelten auch für Kapitalanlagen, deren Produkte nicht in den Konsum des Ar- beiters eingehn, bei denen Werthveränderungen des Produkts also ohne Einfluss auf den Arbeitslohn sind.
Die Besonderung und Auflösung des, den Produktionsmitteln oder dem konstanten Kapitaltheil jährlich durch die neu zugesetzte Arbeit neu zugefügten Werths in die verschiednen Revenueformen von Arbeitslohn, Profit und Rente, ändert also nichts an den Grenzen des Werths selbst, an der Werthsumme, die sich unter diese ver- schiednen Kategorien vertheilt; ebensowenig wie ein Wechsel im Verhältniss dieser einzelnen Theile zu einander ihre Summe, diese gegebne Werthgrösse verändern kann. Die gegebne Zahl 100 bleibt immer dieselbe, ob sie sich in 50 + 50, oder in 20 + 70 + 10, oder in 40 + 30 + 30 zerlegt. Der Werththeil des Produkts, der in diese Revenuen zerfällt, ist bestimmt, ganz wie der konstante Werththeil des Kapitals, durch den Werth der Waaren, d. h. durch das Quantum der jedesmal in ihnen vergegenständlichten Arbeit. Es ist also erstens gegeben die Werthmasse der Waaren, die sich in Arbeitslohn, Profit und Rente vertheilt; also die absolute Grenze der Summe der Werthstücke dieser Waaren. Zweitens, was die einzelnen Kategorien selbst angeht, so sind ihre durchschnittlichen und regulirenden Grenzen ebenfalls gegeben. Der Arbeitslohn bildet bei dieser Begrenzung derselben die Basis. Er ist nach einer Seite hin durch ein Naturgesetz regulirt; seine Minimalgrenze ist gegeben durch das physische Minimum von Lebensmitteln, das der Arbeiter beziehen muss, um seine Arbeitskraft zu erhalten und zu repro- duciren; also durch ein bestimmtes Quantum Waaren. Der Werth
dieser Waaren ist bestimmt durch die Arbeitszeit, die ihre Repro- duktion erheischt; also durch den Theil der, den Produktionsmitteln neu zugesetzten Arbeit, oder auch jedes Arbeitstags, den der Ar- beiter zur Produktion und Reproduktion eines Aequivalents für den Werth dieser nothwendigen Lebensmittel erheischt. Sind z. B. seine durchschnittlichen täglichen Lebensmittel dem Werth nach = 6 Stunden Durchschnittsarbeit, so muss er durchschnittlich 6 Stunden seiner Tagesarbeit für sich selbst arbeiten. Der wirkliche Werth seiner Arbeitskraft weicht von diesem physischen Minimum ab; er ist verschieden je nach dem Klima und dem Stand der ge- sellschaftlichen Entwicklung; er hängt ab nicht nur von den physischen, sondern auch von den historisch entwickelten gesell- schaftlichen Bedürfnissen, die zur zweiten Natur werden. Aber in jedem Land zu einer gegebnen Periode ist dieser regulirende durch- schnittliche Arbeitslohn eine gegebne Grösse. Der Werth der sämmtlichen übrigen Revenuen hat so eine Grenze. Er ist stets gleich dem Werth, worin sich der Gesammtarbeitstag (der hier mit dem Durchschnittsarbeitstag zusammenfällt, da er die vom ge- sellschaftlichen Gesammtkapital in Bewegung gesetzte Gesammt- arbeitsmasse umfasst) verkörpert, minus dem Theil desselben, der sich in Arbeitslohn verkörpert. Seine Grenze ist also gegeben durch die Grenze des Werths, in welchem sich die unbezahlte Arbeit ausdrückt, d. h. durch das Quantum dieser unbezahlten Arbeit. Wenn der Theil des Arbeitstags, den der Arbeiter zur Reproduktion des Werths seines Lohns braucht, in dem physischen Minimum seines Lohns seine letzte Schranke hat, so hat der andre Theil des Arbeitstags, worin sich seine Mehrarbeit darstellt, also auch der Werththeil, der den Mehrwerth ausdrückt, seine Schranke an dem physischen Maximum des Arbeitstags, d. h. an dem Ge- sammtquantum täglicher Arbeitszeit, das der Arbeiter bei Erhaltung und Reproduktion seiner Arbeitskraft überhaupt geben kann. Da es sich bei der jetzigen Betrachtung um Vertheilung des Werths handelt, worin die jährlich neu zugesetzte Gesammtarbeit sich dar- gestellt hat, so kann der Arbeitstag hier als konstante Grösse be- trachtet werden, und ist als solche vorausgesetzt, wie viel oder wie wenig er von seinem physischen Maximum auch abweiche. Die ab- solute Grenze des Werththeils, der den Mehrwerth bildet, und der sich in Profit und Grundrente auflöst, ist also gegeben; er ist bestimmt durch den Ueberschuss des unbezahlten Theils des Arbeits- tags über seinen bezahlten, also durch den Werththeil des Gesammt- produkts, worin diese Mehrarbeit sich verwirklicht. Nennen wir,
wie ich es gethan habe, den so in seinen Grenzen bestimmten, und auf das vorgeschossne Gesammtkapital berechneten Mehrwerth den Profit, so ist dieser Profit, seiner absoluten Grösse nach betrachtet, gleich dem Mehrwerth, also in seinen Grenzen ebenso gesetzlich bestimmt wie dieser. Die Höhe der Profitrate aber ist ebenfalls eine in gewissen, durch den Werth der Waaren bestimmten Grenzen eingeschlossne Grösse. Sie ist das Verhältniss des Gesammtmehr- werths zu dem, der Produktion vorgeschossnen gesellschaftlichen Gesammtkapital. Ist dies Kapital = 500 (meinetwegen Millionen) und der Mehrwerth = 100, so bilden 20 % die absolute Grenze der Profitrate. Die Vertheilung des gesellschaftlichen Profits nach Maßgabe dieser Rate unter die in den verschiednen Produktions- sphären angelegten Kapitale erzeugt, von den Werthen der Waaren abweichende, Produktionspreise, welches die wirklich regulirenden Durchschnitts-Marktpreise sind. Die Abweichung jedoch hebt weder die Bestimmung der Preise durch die Werthe, noch die gesetz- mäßigen Grenzen des Profits auf. Statt dass der Werth einer Waare gleich dem in ihr aufgezehrten Kapital plus dem in ihr steckenden Mehrwerth, ist ihr Produktionspreis jetzt gleich dem in ihr aufgezehrten Kapital k plus dem Mehrwerth, der auf sie in Folge der allgemeinen Profitrate fällt, also z. B. 20 % auf das zu ihrer Produktion vorgeschossne, sowohl aufgezehrte wie bloss an- gewandte Kapital. Aber dieser Zuschlag von 20 % ist selbst be- stimmt durch den, vom gesellschaftlichen Gesammtkapital erzeugten Mehrwerth und sein Verhältniss zum Werth des Kapitals; und darum ist er 20 % und nicht 10 oder 100. Die Verwandlung der Werthe im Produktionspreise hebt also nicht die Grenzen des Profits auf, sondern verändert nur seine Vertheilung unter die ver- schiednen besondren Kapitale, aus denen das Gesellschaftskapital besteht, vertheilt ihn auf sie gleichmäßig, im Verhältniss worin sie Werththeile dieses Gesammtkapitals bilden. Die Marktpreise steigen über, und fallen unter diese regulirenden Produktionspreise, aber diese Schwankungen heben sich wechselseitig auf. Betrachtet man Preislisten während einer längern Periode, und zieht man die Fälle ab, wo der wirkliche Werth der Waaren in Folge eines Wechsels in der Produktivkraft der Arbeit verändert, und ebenso die Fälle, worin durch natürliche oder gesellschaftliche Unfälle der Produk- tionsprocess gestört wurde, so wird man sich wundern, erstens über die verhältnissmäßig engen Grenzen der Abweichungen, und zweitens über die Regelmäßigkeit ihrer Ausgleichung. Man wird hier die- selbe Herrschaft der regulirenden Durchschnitte finden, wie Quételet
sie bei den socialen Phänomenen nachgewiesen hat. Stösst die Ausgleichung der Waarenwerthe zu Produktionspreisen auf keine Hindernisse, so löst sich die Rente in Differentialrente auf, d. h. sie ist beschränkt auf Ausgleichung der Surplusprofite, welche die regulirenden Produktionspreise einem Theil der Kapitalisten geben würden, und die nun vom Grundeigenthümer angeeignet werden. Hier hat also die Rente ihre bestimmte Werthgrenze in den Ab- weichungen der individuellen Profitraten, welche die Regulirung der Produktionspreise durch die allgemeine Profitrate hervorbringt. Setzt das Grundeigenthum der Ausgleichung der Waarenwerthe zu Produktionspreisen Hindernisse in den Weg, und eignet sich ab- solute Rente an, so ist diese begrenzt durch den Ueberschuss des Werths der Bodenprodukte über ihren Produktionspreis, also durch den Ueberschuss des in ihnen enthaltnen Mehrwerths über die durch die all- gemeine Profitrate den Kapitalen zufallende Profitrate. Diese Differenz bildet dann die Grenze der Rente, die nach wie vor nur einen bestimmten Theil des gegebnen und in den Waaren enthaltnen Mehrwerths bildet.
Findet endlich die Ausgleichung des Mehrwerths zum Durchschnitts- profit in den verschiednen Produktionssphären ein Hinderniss an künstlichen oder natürlichen Monopolen, und speciell am Monopol des Grundeigenthums, sodass ein Monopolpreis möglich würde, der über den Produktionspreis und über den Werth der Waaren stiege, auf die das Monopol wirkt, so würden die durch den Werth der Waaren gegebnen Grenzen dadurch nicht aufgehoben. Der Monopol- preis gewisser Waaren würde nur einen Theil des Profits der andern Waarenproducenten auf die Waaren mit dem Monopolpreis übertragen. Es fände indirekt eine örtliche Störung in der Vertheilung des Mehrwerths unter die verschiednen Produktionssphären statt, die aber die Grenze dieses Mehrwerths selbst unverändert liesse. Ginge die Waare mit Monopolpreis in den nothwendigen Konsum des Arbeiters ein, so würde sie den Arbeitslohn erhöhn und dadurch den Mehrwerth vermindern, falls der Arbeiter nach wie vor den Werth seiner Arbeitskraft bezahlt erhielte. Sie könnte den Arbeits- lohn unter den Werth der Arbeitskraft herabdrücken, aber dies nur, soweit jener über der Grenze seines physischen Minimums stände. In diesem Falle würde der Monopolpreis durch Abzug am realen Arbeitslohn (d. h. der Masse der Gebrauchswerthe, die der Arbeiter durch dieselbe Masse Arbeit erhielte) und an dem Profit der andern Kapitalisten bezahlt. Die Grenzen, innerhalb deren der Monopol- preis die normale Regulirung der Waarenpreise afficirte, wären fest bestimmt und genau berechenbar.
Wie also die Theilung des neu zugesetzten und überhaupt in Revenue auflösbaren Werths der Waaren in dem Verhältniss zwischen nothwendiger und Mehrarbeit, Arbeitslohn und Mehrwerth, ihre gegebnen und regulirenden Grenzen findet, so wieder die Theilung des Mehrwerths selbst in Profit und Grundrente in den Gesetzen, die die Ausgleichung der Profitrate regeln. Bei der Spaltung in Zins und Unternehmergewinn bildet der Durchschnittsprofit selbst die Grenze für beide zusammen. Er liefert die gegebne Werth- grösse, worin sie sich zu theilen haben und allein theilen können. Das bestimmte Verhältniss der Theilung ist hier zufällig, d. h. ausschliesslich durch Konkurrenzverhältnisse bestimmt. Während sonst die Deckung von Nachfrage und Zufuhr gleich ist der Auf- hebung der Abweichung der Marktpreise von ihren regulirenden Durchschnittspreisen, d. h. der Aufhebung des Einflusses der Kon- kurrenz, ist sie hier das allein bestimmende. Aber warum? Weil derselbe Produktionsfaktor, das Kapital, den ihm zufallenden Theil des Mehrwerths unter zwei Besitzer desselben Produktionsfaktors zu theilen hat. Dass aber hier keine bestimmte, gesetzmässige Grenze für die Theilung des Durchschnittsprofits stattfindet, hebt seine Grenze als Theil des Waarenwerths nicht auf; so wenig wie der Umstand, dass zwei Associés eines Geschäfts, durch verschiedne äussere Umstände bestimmt, den Profit ungleich theilen, die Grenzen dieses Profits irgendwie afficirt.
Wenn also der Theil des Waarenwerths, worin sich die dem Werth der Produktionsmittel neu zugesetzte Arbeit darstellt, sich zersetzt in verschiedne Theile, die in der Form von Revenuen gegen- einander selbständige Gestalten annehmen, so sind desswegen keines- wegs Arbeitslohn, Profit und Grundrente nun als die konstituirenden Elemente zu betrachten, aus deren Zusammensetzung oder Summe der regulirende Preis (natural price, prix nécessaire) der Waaren selbst entspränge; sodass nicht der Waarenwerth, nach Abzug des konstanten Werththeils, die ursprüngliche Einheit wäre, die in diese drei Theile zerfällt, sondern umgekehrt der Preis jedes dieser dre Theile selbständig bestimmt wäre, und aus der Addition dieser drei unabhängigen Grössen der Preis der Waare sich erst bildet. In Wirklichkeit ist der Waarenwerth die vorausgesetzte Grösse, das Ganze des Gesammtwerths von Arbeitslohn, Profit, Rente, welches immer deren relative Grösse gegen einander sei. In jener falschen Auffassung sind Arbeitslohn, Profit, Rente drei selbständige Werth- grössen, deren Gesammtgrösse die Grösse des Waarenwerths producirt, begränzt und bestimmt.
Zunächst ist es klar dass, wenn Arbeitslohn, Profit, Rente den Preis der Waaren konstituiren, dies ebensowohl für den konstanten Theil des Waarenwerths wie für den andern Theil gälte, worin sich das variable Kapital und der Mehrwerth darstellt. Dieser konstante Theil kann also hier ganz ausser Acht gelassen werden, da der Werth der Waaren, woraus er besteht, sich ebenfalls in die Summe der Werthe von Arbeitslohn, Profit und Rente auflösen würde. Wie bereits bemerkt, leugnet diese Ansicht denn auch das Dasein eines solchen konstanten Werththeils.
Es ist ferner klar, dass aller Werthbegriff hier wegfällt. Es bleibt nur noch die Vorstellung des Preises, in dem Sinn, dass eine gewisse Masse Geld den Besitzern von Arbeitskraft, Kapital und Boden bezahlt wird. Aber was ist Geld? Geld ist kein Ding, sondern eine bestimmte Form des Werths, unterstellt also wieder den Werth. Wir wollen also sagen, dass eine bestimmte Masse Gold oder Silber für jene Produktionselemente gezahlt wird, oder dass sie dieser Masse im Kopf gleichgesetzt werden. Aber Gold und Silber (und der aufgeklärte Oekonom ist stolz auf diese Er- kenntniss) sind selbst Waaren wie alle andren Waaren. Der Preis von Gold und Silber ist also auch bestimmt durch Arbeitslohn, Profit und Rente. Wir können also nicht Arbeitslohn, Profit und Rente dadurch bestimmen, dass sie einem gewissen Quantum Gold und Silber gleichgesetzt werden, denn der Werth dieses Goldes und Silbers, worin sie als in ihrem Aequivalent geschätzt werden sollen, soll ja gerade durch sie, unabhängig vom Gold und Silber, d. h. unabhängig vom Werth jeder Waare, der ja gerade das Produkt jener drei ist, erst bestimmt werden. Sagen, dass der Werth von Arbeitslohn, Profit und Rente darin bestehe, dass sie gleich einem gewissen Quantum Gold und Silber, hiesse also nur sagen, dass sie gleich einem gewissen Quantum Arbeitslohn, Profit und Rente sind.
Nehmen wir zunächst den Arbeitslohn. Denn von der Arbeit muss auch bei dieser Ansicht ausgegangen werden. Wie also wird der regulirende Preis des Arbeitslohns bestimmt, der Preis um den seine Marktpreise oscilliren?
Wir wollen sagen durch Nachfrage und Zufuhr von Arbeitskraft. Aber von welcher Nachfrage der Arbeitskraft handelt es sich? Von der Nachfrage des Kapitals. Die Nachfrage nach Arbeit ist also gleich der Zufuhr von Kapital. Um von Zufuhr von Kapital zu sprechen, müssen wir vor allem wissen, was Kapital ist. Woraus besteht das Kapital? Nehmen wir seine einfachste Erscheinung: Aus Geld und Waaren. Aber Geld ist bloss eine Form der Waare.
Also aus Waaren. Aber der Werth der Waaren ist nach der Voraussetzung in erster Instanz bestimmt durch den Preis der sie producirenden Arbeit, den Arbeitslohn. Der Arbeitslohn wird hier vorausgesetzt und behandelt als konstituirendes Element des Preises der Waaren. Dieser Preis soll nun bestimmt werden, durch das Verhältniss der angebotnen Arbeit zum Kapital. Der Preis des Kapitals selbst ist gleich dem Preis der Waaren, woraus es besteht. Die Nachfrage des Kapitals nach Arbeit ist gleich der Zufuhr des Kapitals. Und die Zufuhr des Kapitals ist gleich der Zufuhr einer Waarensumme von gegebnem Preis, und dieser Preis ist in erster Instanz regulirt durch den Preis der Arbeit, und der Preis der Arbeit ist seinerseits wieder gleich dem Theil des Waarenpreises, woraus das variable Kapital besteht, das an den Arbeiter im Aus- tausch für seine Arbeit abgetreten wird; und der Preis der Waaren, woraus dies variable Kapital besteht, ist selbst wieder in erster Reihe bestimmt durch den Preis der Arbeit; denn er ist bestimmt durch die Preise von Arbeitslohn, Profit und Rente. Um den Arbeitslohn zu bestimmen, können wir also nicht das Kapital voraus- setzen, da der Werth des Kapitals selbst durch den Arbeitslohn mit bestimmt ist.
Ausserdem nützt uns das Hereinbringen der Konkurrenz nichts. Die Konkurrenz macht die Marktpreise der Arbeit steigen oder fallen. Aber gesetzt, Nachfrage und Zufuhr von Arbeit decken sich. Wodurch wird dann der Arbeitslohn bestimmt? Durch die Konkurrenz. Aber es ist eben vorausgesetzt, dass die Konkurrenz aufhört zu bestimmen, dass sie durch das Gleichgewicht ihrer beiden entgegenstrebenden Kräfte ihre Wirkung aufhebt. Wir wollen ja gerade den natürlichen Preis des Arbeitslohns finden, d. h. den Preis der Arbeit, der nicht von der Konkurrenz regulirt wird, sondern sie umgekehrt regulirt.
Es bleibt nichts übrig als den nothwendigen Preis der Arbeit durch die nothwendigen Lebensmittel des Arbeiters zu bestimmen. Aber diese Lebensmittel sind Waaren, die einen Preis haben. Der Preis der Arbeit ist also durch den Preis der nothwendigen Lebens- mittel bestimmt, und der Preis der Lebensmittel ist, wie der aller andern Waaren, in erster Linie durch den Preis der Arbeit be- stimmt. Also ist der durch den Preis der Lebensmittel bestimmte Preis der Arbeit durch den Preis der Arbeit bestimmt. Der Preis der Arbeit ist durch sich selbst bestimmt. In andren Worten, wir wissen nicht, wodurch der Preis der Arbeit bestimmt ist. Die Arbeit hat hier überhaupt einen Preis, weil sie als Waare
betrachtet wird. Um also von dem Preis der Arbeit zu sprechen, müssen wir wissen, was Preis überhaupt ist. Aber was Preis über- haupt ist, erfahren wir auf diesem Wege erst recht nicht.
Wir wollen indess annehmen, in dieser erfreulichen Weise sei der nothwendige Preis der Arbeit bestimmt. Wie nun der Durch- schnittsprofit, der Profit jedes Kapitals in normalen Verhältnissen, der das zweite Preiselement der Waare bildet? Der Durchschnitts- profit muss bestimmt sein durch eine Durchschnittsrate des Profits; wie wird diese bestimmt? Durch die Konkurrenz unter den Kapi- talisten? Aber diese Konkurrenz unterstellt schon das Dasein des Profits. Sie unterstellt verschiedne Profitraten, und daher ver- schiedne Profite, sei es in denselben, sei es in verschiednen Produk- tionszweigen. Die Konkurrenz kann nur auf die Profitrate wirken, soweit sie auf die Preise der Waaren wirkt. Die Konkurrenz kann nur bewirken, dass Producenten innerhalb derselben Produk- tionssphäre ihre Waaren zu gleichen Preisen verkaufen, und dass sie innerhalb verschiedner Produktionssphären ihre Waaren zu Preisen verkaufen, die ihnen denselben Profit geben, denselben pro- portionellen Zuschlag zu dem, schon theilweise durch den Arbeits- lohn bestimmten Preis der Waare. Die Konkurrenz kann daher nur Ungleichheiten in der Profitrate ausgleichen. Um ungleiche Profitraten auszugleichen, muss der Profit als Element des Waaren- preises schon vorhanden sein. Die Konkurrenz schafft ihn nicht. Sie erhöht oder erniedrigt, aber sie schafft nicht das Niveau, welches eintritt, sobald die Ausgleichung stattgefunden. Und, indem wir von einer nothwendigen Rate des Profits sprechen, wollen wir eben die von den Bewegungen der Konkurrenz unabhängige Profitrate kennen, welche ihrerseits die Konkurrenz regulirt. Die durch- schnittliche Profitrate tritt ein mit dem Gleichgewicht der Kräfte der konkurrirenden Kapitalisten gegeneinander. Die Konkurrenz kann dies Gleichgewicht herstellen, aber nicht die Profitrate, die auf diesem Gleichgewicht eintritt. Sobald dies Gleichgewicht her- gestellt ist, warum ist nun die allgemeine Profitrate 10 oder 20 oder 100 %? Von wegen der Konkurrenz. Aber umgekehrt, die Konkurrenz hat die Ursachen aufgehoben, die Abweichungen von den 10 oder 20 oder 100 % producirten. Sie hat einen Waaren- preis herbeigeführt, wobei jedes Kapital im Verhältniss seiner Grösse denselben Profit abwirft. Die Grösse dieses Profits selbst aber ist unabhängig von ihr. Sie reducirt nur alle Abweichungen immer wieder auf diese Grösse. Ein Mann konkurrirt mit den andren, und die Konkurrenz zwingt ihn seine Waare zu demselben
Preis zu verkaufen wie jene. Warum aber ist dieser Preis 10 oder 20 oder 100?
Es bleibt also nichts übrig als die Profitrate und daher den Profit als einen auf unbegreifliche Weise bestimmten Zuschlag zu dem Preis der Waare zu erklären, der soweit durch den Arbeits- lohn bestimmt war. Das Einzige, was uns die Konkurrenz sagt, ist dass diese Profitrate eine gegebne Grösse sein muss. Aber das wussten wir vorher, als wir von allgemeiner Profitrate und dem „nothwendigen Preis“ des Profits sprachen.
Es ist ganz unnöthig diesen abgeschmackten Process an der Grundrente von neuem durchzudreschen. Man sieht ohnedies, dass er, wenn irgendwie konsequent durchgeführt, Profit und Rente als blosse, durch unbegreifliche Gesetze bestimmte Preiszuschläge zu dem in erster Linie durch den Arbeitslohn bestimmten Waaren- preis erscheinen lässt. Kurz, die Konkurrenz muss es auf sich nehmen, alle Begriffslosigkeiten der Oekonomen zu erklären, während die Oekonomen umgekehrt die Konkurrenz zu erklären hätten.
Sieht man hier nun ab von der Phantasie der durch die Cirku- lation geschaffnen, d. h. aus dem Verkauf entspringenden Preis- bestandtheile, Profit und Rente — und die Cirkulation kann nie geben was ihr nicht vorher gegeben worden ist — so kommt die Sache einfach auf dies hinaus:
Der durch den Arbeitslohn bestimmte Preis einer Waare sei = 100; die Profitrate 10 % auf den Arbeitslohn, und die Rente 15 % auf den Arbeitslohn. So ist der durch die Summe von Arbeits- lohn, Profit und Rente bestimmte Preis der Waare = 125. Diese 25 Zuschlag können nicht aus dem Verkauf der Waare herrühren. Denn alle die an einander verkaufen, verkaufen sich jeder, was 100 Arbeitslohn gekostet hat, zu 125; was ganz dasselbe ist, als wenn sie alle zu 100 verkauften. Die Operation muss also unab- hängig vom Cirkulationsprocess betrachtet werden.
Theilen sich die drei in die Waare selbst, die jetzt 125 kostet — und es ändert nichts an der Sache, wenn der Kapitalist erst zu 125 verkauft, und dann dem Arbeiter 100, sich selbst 10, und dem Grundrentner 15 zahlt — so erhält der Arbeiter ⅘ = 100 vom Werth und vom Produkt. Der Kapitalist erhält vom Werth und vom Produkt und der Grundrentner . Indem der Kapitalist zu 125 verkauft, statt zu 100, gibt er dem Arbeiter nur ⅘ des Produkts, worin sich seine Arbeit darstellt. Es wäre also ganz dasselbe, wenn er dem Arbeiter 80 gegeben und 20 zurückbehalten hätte, wovon ihm 8, und dem Rentner 12 zukämen.
Er hätte dann die Waare zu ihrem Werth verkauft, da in der That die Preiszuschläge vom Werth der Waare, der bei dieser Vor- aussetzung durch den Werth des Arbeitslohns bestimmt ist, unab- hängige Erhöhungen sind. Es kömmt auf einem Umweg darauf hinaus, dass in dieser Vorstellung das Wort Arbeitslohn, die 100, gleich dem Werth des Produkts ist, d. h. = der Summe Geld, worin sich dies bestimmte Arbeitsquantum darstellt; dass dieser Werth aber vom realen Arbeitslohn wieder verschieden ist und daher ein Surplus lässt. Nur wird dies hier herausgebracht durch nominellen Preiszuschlag. Wäre also der Arbeitslohn gleich 110 statt = 100, so müsste der Profit sein = 11 und die Grundrente = 16½, also der Preis der Waare = 137½. Es würde dies das Verhältniss gleich unverändert lassen. Da die Theilung aber immer durch nominellen Zuschlag gewisser Procente auf den Arbeitslohn er- halten würde, stiege und fiele der Preis mit dem Arbeitslohn. Der Arbeitslohn wird hier erst gleich dem Werth der Waare ge- setzt, und dann wieder von ihm geschieden. In der That aber kommt die Sache, auf einem begriffslosen Umweg, darauf hinaus, dass der Werth der Waare durch das in ihr enthaltne Quantum Arbeit, der Werth des Arbeitslohns aber durch den Preis der noth- wendigen Lebensmittel bestimmt ist, und der Ueberschuss des Werths über den Arbeitslohn, Profit und Rente bildet.
Die Zersetzung der Werthe der Waaren, nach Abzug des Werths der in ihrer Produktion verbrauchten Produktionsmittel; die Zer- setzung dieser gegebnen, durch das im Waarenprodukt vergegen- ständlichte Quantum Arbeit bestimmten Werthmasse in drei Be- standtheile, die als Arbeitslohn, Profit und Grundrente die Gestalt selbständiger und von einander unabhängiger Revenueformen an- nehmen, — diese Zersetzung stellt sich auf der zu Tage liegenden Oberfläche der kapitalistischen Produktion, und daher in der Vor- stellung der in ihr befangnen Agenten verkehrt dar.
Der Gesammtwerth einer beliebigen Waare sei = 300, davon 200 der Werth der in ihrer Produktion verbrauchten Produktions- mittel oder Elemente des konstanten Kapitals. Bleiben also 100 als Summe des dieser Waare in ihrem Produktionsprocess zuge- setzten Neuwerths. Dieser Neuwerth von 100 ist alles was ver- fügbar ist zur Theilung in die drei Revenueformen. Setzen wir den Arbeitslohn = x, den Profit = y, die Grundrente = z, so wird die Summe von x + y + z in unserm Fall immer = 100 sein. In der Vorstellung der Industriellen, Kaufleute und Bankiers, so- wie in der der Vulgärökonomen geht dies aber ganz anders zu.
Für sie ist nicht der Werth der Waare, nach Abzug des Werths der in ihr verbrauchten Produktionsmittel, gegeben = 100, welche 100 dann in x, y, z zertheilt werden. Sondern der Preis der Waare setzt sich einfach zusammen aus den, von ihrem Werth und von einander unabhängig bestimmten Werthgrössen des Arbeitslohns, des Profits und der Rente, sodass x, y, z, jedes für sich selbständig gegeben und bestimmt ist, und aus der Summe dieser Grössen, die kleiner oder grösser als 100 sein kann, erst die Werthgrösse der Waare selbst, als aus der Addition dieser ihrer Werthbildner resul- tirte. Dies quid pro quo ist nothwendig:
Erstens, weil die Werthbestandtheile der Waare als selbständige Revenuen einander gegenübertreten, die als solche bezogen sind auf drei ganz von einander verschiedne Produktionsagentien, die Arbeit, das Kapital und die Erde, und die daher aus diesen zu entspringen scheinen. Das Eigenthum an der Arbeitskraft, am Kapital, an der Erde ist die Ursache, die diese verschiednen Werthbestandtheile der Waaren diesen respektiven Eignern zufallen macht, und sie daher in Revenuen für sie verwandelt. Aber der Werth entspringt nicht aus einer Verwandlung in Revenue, sondern er muss da sein, bevor er in Revenue verwandelt werden, diese Gestalt annehmen kann. Der Schein des Umgekehrten muss sich um so mehr befestigen, als die Bestimmung der relativen Grösse dieser drei Theile gegen- einander verschiedenartigen Gesetzen folgt, deren Zusammenhang mit, und Beschränkung durch, den Werth der Waaren selbst, sich keineswegs auf der Oberfläche zeigt.
Zweitens: Man hat gesehn, dass ein allgemeines Steigen oder Fallen des Arbeitslohns, indem es bei sonst gleichen Umständen eine Bewegung der allgemeinen Profitrate in entgegengesetzter Richtung erzeugt, die Produktionspreise der verschiednen Waaren verändert, die einen hebt, die andern senkt, je nach der Durch- schnittszusammensetzung des Kapitals in den betreffenden Produk- tionssphären. Es wird hier also jedenfalls in einigen Produktions- sphären die Erfahrung gemacht, dass der Durchschnittspreis einer Waare steigt, weil der Arbeitslohn gestiegen, und fällt, weil er gefallen. Was nicht „erfahren“ wird, ist die geheime Regulirung dieser Aenderungen durch den vom Arbeitslohn unabhängigen Werth der Waaren. Ist dagegen das Steigen des Arbeitslohns lokal, findet es nur in besondren Produktionssphären in Folge eigenthümlicher Umstände statt, so kann eine entsprechende nominelle Preissteigerung dieser Waaren eintreten. Dies Steigen des relativen Werths einer Sorte von Waaren gegen die andren, für die der Arbeitslohn un-
verändert geblieben, ist dann nur eine Reaktion gegen die lokale Störung der gleichmäßigen Vertheilung des Mehrwerths an die verschiednen Produktionssphären, ein Mittel der Ausgleichung der besondren Profitraten zur allgemeinen. Die „Erfahrung“, die dabei gemacht wird, ist wieder Bestimmung des Preises durch den Arbeits- lohn. Was in diesen beiden Fällen also erfahren wird, ist, dass der Arbeitslohn die Waarenpreise bestimmt hat. Was nicht er- fahren wird, ist die verborgne Ursache dieses Zusammenhangs. Ferner: der Durchschnittspreis der Arbeit, d. h. der Werth der Arbeitskraft, ist bestimmt durch den Produktionspreis der noth- wendigen Lebensmittel. Steigt oder fällt dieser, so jener. Was hier wieder erfahren wird, ist die Existenz eines Zusammen- hangs zwischen dem Arbeitslohn und dem Preis der Waaren; aber die Ursache kann als Wirkung, und die Wirkung als Ursache sich darstellen, wie dies auch bei der Bewegung der Marktpreise der Fall ist, wo ein Steigen des Arbeitslohns über seinen Durchschnitt dem mit der Prosperitätsperiode verknüpften Steigen der Markt- preise über die Produktionspreise, und der nachfolgende Fall des Arbeitslohns unter seinen Durchschnitt, dem Fall der Marktpreise unter die Produktionspreise entspricht. Dem Gebundensein der Produktionspreise durch die Werthe der Waaren müsste, von den oscillatorischen Bewegungen der Marktpreise abgesehn, prima facie stets die Erfahrung entsprechen, dass wenn der Arbeitslohn steigt, die Profitrate fällt und umgekehrt. Aber man hat gesehn, dass die Profitrate durch Bewegungen im Werth des konstanten Kapitals, unabhängig von den Bewegungen des Arbeitslohns, bestimmt sein kann; sodass Arbeitslohn und Profitrate, statt in entgegengesetzter, in derselben Richtung sich bewegen, beide zusammen steigen oder fallen können. Fiele die Rate des Mehrwerths unmittelbar zu- sammen mit der Rate des Profits, so wäre dies nicht möglich. Auch wenn der Arbeitslohn steigt in Folge gestiegner Preise der Lebensmittel, kann die Profitrate dieselbe bleiben oder selbst steigen, in Folge grössrer Intensität der Arbeit oder Verlängerung des Arbeitstags. Alle diese Erfahrungen bestätigen den durch die selb- ständige, verkehrte Form der Werthbestandtheile erregten Schein, als wenn entweder der Arbeitslohn allein, oder Arbeitslohn und Profit zusammen den Werth der Waaren bestimmen. Sobald über- haupt dies mit Bezug auf den Arbeitslohn so scheint, also Preis der Arbeit und durch die Arbeit erzeugter Werth zusammen zu fallen scheinen, versteht sich dies für den Profit und die Rente von selbst. Ihre Preise, d. h. Geldausdrücke, müssen dann unab-
hängig von der Arbeit und dem durch sie erzeugten Werth regu- lirt werden.
Drittens: Man nehme an, dass die Werthe der Waaren oder die nur scheinbar von ihnen unabhängigen Produktionspreise un- mittelbar und beständig in der Erscheinung zusammenfielen mit den Marktpreisen der Waaren, statt vielmehr sich nur als die regu- lirenden Durchschnittspreise durchzusetzen durch die fortwährenden Kompensationen der beständigen Schwankungen der Marktpreise. Man nehme ferner an, dass die Reproduktion immer unter denselben gleichbleibenden Verhältnissen stattfinde, also die Produktivität der Arbeit in allen Elementen des Kapitals konstant bleibe. Man nehme endlich an, dass der Werththeil des Waarenprodukts, der in jeder Produktionssphäre durch Zusatz eines neuen Arbeitsquantums, also eines neu producirten Werths zu dem Werth der Produktionsmittel gebildet wird, sich in stets gleichbleibenden Verhältnissen zersetze in Arbeitslohn, Profit und Rente, sodass der wirklich gezahlte Arbeitslohn, der thatsächlich realisirte Profit, und die thatsächliche Rente beständig unmittelbar zusammenfielen mit dem Werth der Arbeitskraft, mit dem, jedem selbständig fungirenden Theil des Gesammtkapitals kraft der Durchschnittsprofitrate zukommenden Theil des Gesammtmehrwerths, und mit den Grenzen, worin die Grundrente auf dieser Basis normaliter eingebannt ist. In einem Wort, man nehme an, dass die Vertheilung des gesellschaftlichen Werthprodukts und die Regelung der Produktionspreise auf kapi- talistischer Grundlage erfolgt, aber unter Beseitigung der Konkurrenz.
Unter diesen Voraussetzungen also, wo der Werth der Waaren konstant wäre und erschiene, wo der Werththeil des Waarenprodukts, der sich in Revenuen auflöst, eine konstante Grösse bliebe und sich stets als solche darstellte, wo endlich dieser gegebne und konstante Werththeil sich stets in konstanten Verhältnissen in Arbeitslohn, Profit und Rente zersetzte — selbst unter diesen Voraussetzungen würde die wirkliche Bewegung nothwendig in verkehrter Gestalt erscheinen: nicht als Zersetzung einer im Voraus gegebnen Werth- grösse in drei Theile, die von einander unabhängige Revenueformen annehmen, sondern umgekehrt als Bildung dieser Werthgrösse aus der Summe der unabhängig und für sich selbständig bestimmten, sie komponirenden Elemente des Arbeitslohns, des Profits und der Grundrente. Dieser Schein entspränge nothwendig, weil in der wirklichen Bewegung der Einzelkapitale und ihrer Waarenprodukte nicht der Werth der Waaren ihrer Zersetzung vorausgesetzt erscheint, sondern umgekehrt die Bestandtheile, worin sie sich zersetzen, als
dem Werth der Waaren vorausgesetzt fungiren. Zunächst haben wir gesehn, dass jedem Kapitalisten der Kostpreis der Waare als gegebne Grösse erscheint, und sich im wirklichen Produktionspreis beständig als solche darstellt. Der Kostpreis ist aber gleich dem Werth des konstanten Kapitals, der vorgeschossnen Produktions- mittel, plus dem Werth der Arbeitskraft, der sich aber für den Produktionsagenten in der irrationellen Form des Preises der Arbeit darstellt, sodass der Arbeitslohn zugleich als Revenue des Arbeiters erscheint. Der Durchschnittspreis der Arbeit ist eine gegebne Grösse, weil der Werth der Arbeitskraft, wie der jeder andern Waare, durch die zu ihrer Reproduktion nothwendige Arbeitszeit bestimmt ist. Aber was den Werththeil der Waaren betrifft, der sich in Arbeitslohn auflöst, so entspringt er nicht daraus, dass er diese Form des Arbeitslohns annimmt, dass der Kapitalist dem Arbeiter dessen Antheil an seinem eignen Produkt unter der Er- scheinungsform des Arbeitslohns vorschiesst, sondern dadurch, dass der Arbeiter ein seinem Arbeitslohn entsprechendes Aequivalent producirt, d. h. dass ein Theil seiner Tages- oder Jahresarbeit den im Preis seiner Arbeitskraft erhaltnen Werth producirt. Der Arbeits- lohn wird aber kontraktlich abgemacht, bevor das ihm entsprechende Werthäquivalent producirt ist. Als ein Preiselement, dessen Grösse gegeben ist, bevor die Waare und der Waarenwerth producirt, als Bestandtheil des Kostpreises erscheint der Arbeitslohn daher nicht als ein Theil, der sich in selbständiger Form vom Gesammtwerth der Waare loslöst, sondern umgekehrt als gegebne Grösse, die diesen vorausbestimmt, d. h. als Preis- oder Werthbildner. Eine ähnliche Rolle wie der Arbeitslohn im Kostpreis der Waare, spielt der Durch- schnittsprofit in ihrem Produktionspreis, denn der Produktionspreis ist gleich dem Kostpreis plus dem Durchschnittsprofit auf das vor- geschossne Kapital. Dieser Durchschnittsprofit geht praktisch, in der Vorstellung und in der Berechnung des Kapitalisten selbst, als ein regulirendes Element ein, nicht nur soweit er die Uebertragung der Kapitale aus einer Anlagesphäre in die andre bestimmt, sondern auch für alle Verkäufe und Kontrakte, die einen auf längere Epochen sich erstreckenden Reproduktionsprocess umfassen. Soweit er aber so eingeht, ist er eine vorausgesetzte Grösse, die in der That unab- hängig ist von dem in jeder besondren Produktionssphäre, und daher noch mehr von dem, von jeder einzelnen Kapitalanlage in jeder dieser Sphären erzeugten Werth und Mehrwerth. Statt als Resultat einer Spaltung des Werths, zeigt ihn die Erscheinung vielmehr als vom Werth des Waarenprodukts unabhängige, im Produktionsprocess der
Waaren im Voraus gegebne und den Durchschnittspreis der Waaren selbst bestimmende Grösse, d. h. als Werthbildner. Und zwar erscheint der Mehrwerth, in Folge des Auseinanderfallens seiner verschiednen Theile in ganz von einander unabhängige Formen, noch in viel konkreterer Form der Werthbildung der Waaren vorausgesetzt. Ein Theil des Durchschnittsprofits, in der Form des Zinses, tritt dem fungirenden Kapitalisten selbständig als ein der Produktion der Waaren und ihres Werths vorausgesetztes Element gegenüber. So sehr die Grösse des Zinses schwankt, so sehr ist er in jedem Augenblick und für jeden Kapitalisten eine gegebne Grösse, die für ihn, den einzelnen Kapitalisten, in den Kostpreis der von ihm producirten Waaren eingeht. Ebenso die Grundrente in der Form des kontraktlich festgestellten Pachtgeldes für den agrikolen Kapi- talisten, und in der Form der Miethe für die Geschäftsräume für andre Unternehmer. Diese Theile, worin sich der Mehrwerth zer- setzt, erscheinen daher, weil als Elemente des Kostpreises gegeben für den einzelnen Kapitalisten, umgekehrt als Bildner des Mehr- werths; Bildner eines Theils des Waarenpreises, wie der Arbeits- lohn den andren bildet. Das Geheimniss, wesshalb diese Produkte der Zersetzung des Waarenwerths beständig als die Voraussetzungen der Werthbildung selbst erscheinen, ist einfach dies, dass die kapi- talistische Produktionsweise, wie jede andre, nicht nur beständig das materielle Produkt reproducirt, sondern die gesellschaftlichen ökonomischen Verhältnisse, die ökonomischen Formbestimmtheiten seiner Bildung. Ihr Resultat erscheint daher ebenso beständig als ihr vorausgesetzt, wie ihre Voraussetzungen als ihre Resultate erscheinen. Und es ist diese beständige Reproduktion derselben Verhältnisse, welche der einzelne Kapitalist als selbstverständlich, als unbezweifelbare Thatsache anticipirt. Solange die kapitalistische Produktion als solche fortbesteht, löst ein Theil der neu zugesetzen Arbeit sich beständig in Arbeitslohn, ein andrer in Profit (Zins und Unternehmergewinn) und der dritte in Rente auf. Bei den Kontrakten zwischen den Eigenthümern der verschiednen Produktions- agentien ist dies vorausgesetzt, und diese Voraussetzung ist richtig, so sehr die relativen Grössenverhältnisse in jedem Einzelfall schwanken. Die bestimmte Gestalt, worin sich die Werththeile gegenübertreten, ist vorausgesetzt, weil sie beständig reproducirt wird, und sie wird beständig reproducirt, weil sie beständig vorausgesetzt ist.
Allerdings zeigt die Erfahrung und die Erscheinung nun auch, dass die Marktpreise, in deren Einfluss dem Kapitalisten in der That die Werthbestimmung allein erscheint, ihrer Grösse nach be-
trachtet, keineswegs von diesen Anticipationen abhängig sind; dass sie sich nicht darnach richten, ob der Zins oder die Rente hoch oder niedrig abgemacht waren. Aber die Marktpreise sind nur konstant im Wechsel, und ihr Durchschnitt für längere Perioden ergibt eben die respektiven Durchschnitte von Arbeitslohn, Profit und Rente als die konstanten, also die Marktpreise in letzter Instanz beherrschenden Grössen.
Andrerseits scheint die Reflexion sehr einfach, dass wenn Arbeits- lohn, Profit und Rente desswegen Werthbildner sind, weil sie der Produktion des Werths vorausgesetzt erscheinen, und für den einzelnen Kapitalisten im Kostpreis und Produktionspreis vorausgesetzt sind, auch der konstante Kapitaltheil, dessen Werth als gegeben in die Produktion jeder Waare eintritt, Werthbildner ist. Aber der kon- stante Kapitaltheil ist nichts als eine Summe von Waaren und daher Waarenwerthen. Es käme also auf die abgeschmackte Tautologie hinaus, dass der Waarenwerth der Bildner und die Ursache des Waarenwerths ist.
Wenn aber der Kapitalist irgend ein Interesse hätte hierüber nachzudenken — und sein Nachdenken als Kapitalist ist ausschliess- lich durch sein Interesse und seine interessirten Motive bestimmt — so zeigt ihm die Erfahrung, dass das Produkt, das er selbst pro- ducirt, als konstanter Kapitaltheil in andre Produktionssphären, und Produkte dieser andren Produktionssphären als konstante Kapital- theile in sein Produkt eingehn. Da also für ihn, soweit seine Neu- produktion geht, der Werthzusatz gebildet wird, dem Schein nach, durch die Grössen von Arbeitslohn, Profit, Rente, so gilt dies auch für den konstanten Theil, der aus Produkten andrer Kapitalisten be- steht, und daher reducirt sich in letzter Instanz, wenn auch in einer Art, der nicht ganz auf die Sprünge zu kommen ist, der Preis des konstanten Kapitaltheils und damit der Gesammtwerth der Waaren in letzter Instanz auf die Werthsumme, die aus der Addition der selbständigen, nach verschiednen Gesetzen geregelten, und aus ver- schiednen Quellen gebildeten Werthbildnern: Arbeitslohn, Profit und Rente resultirt.
Viertens. Der Verkauf oder Nichtverkauf der Waaren zu ihren Werthen, also die Werthbestimmung selbst, ist für den einzelnen Kapitalisten durchaus gleichgültig. Sie ist schon von vornherein etwas, das hinter seinem Rücken, durch die Macht von ihm unab- hängiger Verhältnisse vorgeht, da nicht die Werthe, sondern die von ihnen verschiednen Produktionspreise in jeder Produktionssphäre die regulirenden Durchschnittspreise bilden. Die Werthbestimmung
als solche interessirt und bestimmt den einzelnen Kapitalisten und das Kapital in jeder besondren Produktionssphäre nur soweit, als das verminderte oder vermehrte Arbeitsquantum, das mit dem Steigen oder Fallen der Produktivkraft der Arbeit zur Produktion der Waaren erheischt ist, in dem einen Fall ihn befähigt, bei den vorhandnen Marktpreisen einen Extraprofit zu machen, und im andren ihn zwingt, den Preis der Waaren zu erhöhen, weil ein Stück mehr Arbeitslohn, mehr konstantes Kapital, daher auch mehr Zins, auf das Theilprodukt oder die einzelne Waare fällt. Sie interessirt ihn nur, soweit sie die Produktionskosten der Waare für ihn selbst erhöht oder erniedrigt, also nur soweit sie ihn in eine Ausnahms- position setzt.
Dahingegen erscheinen ihm Arbeitslohn, Zins und Rente als regulirende Grenzen nicht nur des Preises, zu dem er den, ihm als fungirendem Kapitalisten zufallenden, Theil des Profits, den Unter- nehmergewinn, realisiren kann, sondern zu dem er überhaupt, soll fortgesetzte Reproduktion möglich sein, die Waare muss verkaufen können. Es ist für ihn durchaus gleichgültig, ob er den in der Waare steckenden Werth und Mehrwerth beim Verkauf realisirt oder nicht, vorausgesetzt nur dass er den gewohnten oder einen grössern Unternehmergewinn, über den durch Arbeitslohn, Zins und Rente für ihn individuell gegebnen Kostpreis, aus dem Preise her- ausschlägt. Abgesehn vom konstanten Kapitaltheil, erscheinen ihm daher der Arbeitslohn, der Zins und die Rente als die begrenzenden, und daher schöpferischen, bestimmenden Elemente des Waaren- preises. Gelingt es ihm z. B., den Arbeitslohn unter den Werth der Arbeitskraft, also unter seine normale Höhe herabzudrücken, Kapital zu niedrigerem Zinsfuss zu erhalten, und Pachtgeld unter der normalen Höhe der Rente zu zahlen, so ist es völlig gleich- gültig für ihn, ob er das Produkt unter seinem Werth, und selbst unter dem allgemeinen Produktionspreis verkauft, also einen Theil der in der Waare enthaltnen Mehrarbeit umsonst weggibt. Dies gilt selbst für den konstanten Kapitaltheil. Kann ein Industrieller z. B. das Rohmaterial unter seinem Produktionspreis kaufen, so schützt ihn dies vor Verlust, auch wenn er es in der fertigen Waare wieder unter dem Produktionspreis verkauft. Sein Unter- nehmergewinn kann derselbe bleiben und selbst wachsen, sobald nur der Ueberschuss des Waarenpreises über die Elemente des- selben, die bezahlt, durch ein Aequivalent ersetzt werden müssen, derselbe bleibt oder wächst. Aber ausser dem Werth der Produk- tionsmittel, die als gegebne Preisgrössen in die Produktion seiner
Waaren eingehn, sind es grade Arbeitslohn, Zins, Rente, die als begrenzende und regelnde Preisgrössen in diese Produktion ein- gehn. Sie erscheinen ihm also als die Elemente, die den Preis der Waaren bestimmen. Der Unternehmergewinn erscheint von diesem Standpunkt aus entweder bestimmt durch den Ueberschuss der, von zufälligen Konkurrenzverhältnissen abhängigen Marktpreise über den, durch jene Preiselemente bestimmten, immanenten Werth der Waaren; oder soweit er selbst bestimmend in den Marktpreis eingreift, erscheint er selbst wieder als von der Konkurrenz unter Käufern und Verkäufern abhängig.
In der Konkurrenz sowohl der einzelnen Kapitalisten unter ein- ander wie in der Konkurrenz auf dem Weltmarkt, sind es die ge- gebnen und vorausgesetzten Grössen von Arbeitslohn, Zins, Rente, die in die Rechnung als konstante und regulirende Grössen ein- gehn; konstant nicht in dem Sinn, dass sie ihre Grössen nicht ändern, sondern in dem Sinn, dass sie in jedem einzelnen Fall gegeben sind und die konstante Grenze für die beständig schwan- kenden Marktpreise bilden. Z. B. bei der Konkurrenz auf dem Weltmarkt handelt es sich ausschliesslich darum, ob mit dem ge- gebnen Arbeitslohn, Zins und Rente, die Waare zu oder unter den gegebnen allgemeinen Marktpreisen mit Vortheil, d. h. mit Realisirung eines entsprechenden Unternehmergewinns verkauft werden kann. Ist in einem Lande der Arbeitslohn und der Preis des Bodens niedrig, dagegen der Zins des Kapitals hoch, weil die kapitalistische Produktionsweise hier überhaupt nicht entwickelt ist, während in einem andern Lande der Arbeitslohn und der Boden- preis nominell hoch, dagegen der Zins des Kapitals niedrig steht, so wendet der Kapitalist in dem einen Land mehr Arbeit und Boden, in dem andern verhältnissmäßig mehr Kapital an. In der Berechnung, wie weit hier die Konkurrenz zwischen beiden mög- lich, gehn diese Faktoren als bestimmende Elemente ein. Die Er- fahrung zeigt hier also theoretisch, und die interessirte Berechnung des Kapitalisten zeigt praktisch, dass die Preise der Waaren durch Arbeitslohn, Zins und Rente, durch den Preis der Arbeit, des Kapitals und des Bodens bestimmt, und dass diese Preiselemente in der That die regulirenden Preisbildner sind.
Es bleibt natürlich dabei immer ein Element, das nicht voraus- gesetzt ist, sondern aus dem Marktpreis der Waaren resultirt, näm- lich der Ueberschuss über den, aus der Addition jener Elemente, Arbeitslohn, Zins und Rente gebildeten Kostpreis. Dies vierte Element erscheint in jedem einzelnen Fall durch die Konkurrenz
bestimmt, und im Durchschnitt der Fälle durch den, wieder durch dieselbe Konkurrenz, nur in längern Perioden, regulirten Durch- schnittsprofit.
Fünftens. Auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise wird es so sehr selbstverständlich, den Werth, worin sich die neu zu- gesetzte Arbeit darstellt, in die Revenueformen von Arbeitslohn, Profit und Grundrente zu zerfällen, dass diese Methode (von ver- gangnen Geschichtsperioden, wie wir davon bei der Grundrente Beispiele gegeben haben, nicht zu sprechen) auch da angewandt wird, wo von vornherein die Existenzbedingungen jener Revenueformen fehlen. D. h. alles wird per Analogie unter sie subsumirt.
Wenn ein unabhängiger Arbeiter — nehmen wir einen kleinen Bauer, weil hier alle drei Revenueformen sich anwenden lassen — für sich selbst arbeitet und sein eignes Produkt verkauft, so wird er erstens als sein eigner Beschäftiger (Kapitalist) betrachtet, der sich selbst als Arbeiter anwendet, und als sein eigner Grundeigen- thümer, der sich selbst als seinen Pächter anwendet. Sich als Lohnarbeiter zahlt er Arbeitslohn, sich als Kapitalist vindicirt er Profit, und sich als Grundeigenthümer zahlt er Rente. Die kapi- talistische Produktionsweise und die ihr entsprechenden Verhält- nisse als allgemein gesellschaftliche Basis vorausgesetzt, ist diese Subsumtion soweit richtig, als er es nicht seiner Arbeit verdankt, sondern dem Besitz der Produktionsmittel — welche hier allge- mein die Form von Kapital angenommen haben — dass er im Stande ist sich seine eigne Mehrarbeit anzueignen. Und ferner, soweit er sein Produkt als Waare producirt, also von dem Preis desselben abhängt (und selbst wenn nicht, ist dieser Preis veran- schlagbar) hängt die Masse der Mehrarbeit, die er verwerthen kann, nicht von ihrer eignen Grösse, sondern von der allgemeinen Profit- rate ab; und ebenso ist der etwaige Ueberschuss über die, durch die allgemeine Profitrate bestimmte Quote des Mehrwerths wieder nicht bestimmt durch das Quantum der von ihm geleisteten Arbeit, sondern kann von ihm nur angeeignet werden, weil er Eigenthümer des Bodens ist. Weil so eine der kapitalistischen Produktionsweise nicht entsprechende Produktionsform — und bis zu einem gewissen Grad nicht unrichtig — unter ihre Revenueformen subsumirt werden kann, befestigt sich umsomehr der Schein, als ob die kapitalistischen Verhältnisse Naturverhältnisse jeder Produktionsweise seien.
Reducirt man allerdings den Arbeitslohn auf seine allgemeine Grundlage, nämlich auf den Theil des eignen Arbeitsprodukts, der in die individuelle Konsumtion des Arbeiters eingeht; befreit man
diesen Antheil von der kapitalistischen Schranke und erweitert ihn zu dem Umfang der Konsumtion, den einerseits die vorhandne Produktivkraft der Gesellschaft zulässt (also die gesellschaftliche Produktivkraft seiner eignen Arbeit als wirklich gesellschaftlicher) und den andrerseits die volle Entwicklung der Individualität er- heischt; reducirt man ferner die Mehrarbeit und das Mehrprodukt auf das Maß, das unter den gegebnen Produktionsbedingungen der Gesellschaft erheischt ist, einerseits zur Bildung eines Assekuranz- und Reservefonds, andrerseits zur stetigen Erweiterung der Repro- duktion in dem durch das gesellschaftliche Bedürfniss bestimmten Grad; schliesst man endlich in Nr. 1, der nothwendigen Arbeit, und Nr. 2, der Mehrarbeit, das Quantum Arbeit ein, das die arbeits- fähigen für die noch nicht oder nicht mehr arbeitsfähigen Glieder der Gesellschaft stets verrichten müssen, d. h. streift man sowohl dem Arbeitslohn wie dem Mehrwerth, der nothwendigen Arbeit wie der Mehrarbeit den specifisch kapitalistischen Charakter ab, so bleiben eben nicht diese Formen, sondern nur ihre Grundlagen, die allen gesellschaftlichen Produktionsweisen gemeinschaftlich sind.
Uebrigens ist diese Art der Subsumtion auch früheren herrschenden Produktionsweisen eigen, z. B. der feudalen. Produktionsverhältnisse, die ihr gar nicht entsprachen, ganz ausserhalb ihrer standen, wurden unter feudale Beziehungen subsumirt, z. B. in England die tenures in common socage (im Gegensatz zu den tenures on knight’s service), die nur Geldverpflichtungen einschlossen und nur dem Namen nach feudal waren.
Der durch die jährlich neu zugesetzte Arbeit neu zugesetzte Werth — also auch der Theil des jährlichen Produkts, worin sich dieser Werth darstellt, und der aus dem Gesammtertrag heraus- gezogen, ausgeschieden werden kann — zerfällt also in drei Theile, die drei verschiedne Revenueformen annehmen, in Formen, die einen Theil dieses Werths als dem Besitzer der Arbeitskraft, einen Theil als dem Besitzer des Kapitals, und einen dritten Theil als dem Besitzer des Grundeigenthums gehörig oder zufallend ausdrücken. Es sind dies also Verhältnisse oder Formen der Distribution, denn sie drücken die Verhältnisse aus, worin sich der neu erzeugte Ge- sammtwerth unter die Besitzer der verschiednen Produktionsagentien vertheilt.
Der gewöhnlichen Anschauung erscheinen diese Vertheilungs- verhältnisse als Naturverhältnisse, als Verhältnisse, die aus der Natur aller gesellschaftlichen Produktion, aus den Gesetzen der menschlichen Produktion schlechthin entspringen. Es kann zwar nicht geleugnet werden, dass vorkapitalistische Gesellschaften andre Vertheilungsweisen zeigen, aber diese werden dann als unentwickelte, unvollkommene und verkleidete, nicht auf ihren reinsten Ausdruck und ihre höchste Gestalt reducirte, anders gefärbte Weisen jener naturgemäßen Vertheilungsverhältnisse gedeutet.
Das einzig Richtige in dieser Vorstellung ist dies: Gesellschaft- liche Produktion irgend einer Art (z. B. die der naturwüchsigen indischen Gemeinwesen oder die des mehr künstlich entwickelten Kommunismus der Peruaner) vorausgesetzt, kann stets unterschieden werden zwischen dem Theil der Arbeit, dessen Produkt unmittelbar von den Producenten und ihren Angehörigen individuell konsumirt wird, und — abgesehn von dem Theil der der produktiven Kon- sumtion anheimfällt — einem andern Theil der Arbeit, der immer Mehrarbeit ist, dessen Produkt stets zur Befriedigung allgemeiner gesellschaftlicher Bedürfnisse dient, wie immer dies Mehrprodukt vertheilt werde, und wer immer als Repräsentant dieser gesell- schaftlichen Bedürfnisse fungire. Die Identität der verschiednen Vertheilungsweisen kommt also darauf hinaus, dass sie identisch sind, wenn man von ihren Unterscheidungen und specifischen Formen abstrahirt, nur die Einheit in ihnen, im Gegensatz zu ihrem Unter- schied festhält.
Weiter gebildetes, mehr kritisches Bewusstsein gibt jedoch den geschichtlich entwickelten Charakter der Vertheilungsverhältnisse zu(FN56), hält dafür aber um so fester an dem sich gleichbleibenden, aus der menschlichen Natur entspringenden, und daher von aller geschichtlichen Entwicklung unabhängigen Charakter der Produk- tionsverhältnisse selbst.
Die wissenschaftliche Analyse der kapitalistischen Produktions- weise beweist dagegen umgekehrt, dass sie eine Produktionsweise von besondrer Art, von specifischer historischer Bestimmtheit ist; dass sie, wie jede andre bestimmte Produktionsweise, eine gegebne Stufe der gesellschaftlichen Produktivkräfte und ihrer Entwicklungs- formen als ihre geschichtliche Bedingung voraussetzt: eine Be- dingung, die selbst das geschichtliche Resultat und Produkt eines vorhergegangnen Processes ist, und wovon die neue Produktions-
weise als von ihrer gegebnen Grundlage ausgeht; dass die dieser specifischen, historisch bestimmten Produktionsweise entsprechenden Produktionsverhältnisse — Verhältnisse, welche die Menschen in ihrem gesellschaftlichen Lebensprocess, in der Erzeugung ihres gesellschaftlichen Lebens eingehn — einen specifischen, historischen und vorübergehenden Charakter haben; und dass endlich die Ver- theilungsverhältnisse wesentlich identisch mit diesen Produktions- verhältnissen, eine Kehrseite derselben sind, sodass beide denselben historisch vorübergehenden Charakter theilen.
Bei der Betrachtung der Vertheilungsverhältnisse geht man zu- nächst von der angeblichen Thatsache aus, dass das jährliche Pro- dukt sich als Arbeitslohn, Profit und Grundrente vertheilt. Aber so ausgesprochen ist die Thatsache falsch. Das Produkt vertheilt sich auf der einen Seite in Kapital und auf der andern in Revenuen. Die eine dieser Revenuen, der Arbeitslohn, nimmt selbst immer nur die Form einer Revenue, der Revenue des Arbeiters an, nachdem er vorher demselben Arbeiter in der Form von Kapital gegen- über getreten ist. Das Gegenübertreten der producirten Arbeits- bedingungen und der Arbeitsprodukte überhaupt als Kapital, gegen- über den unmittelbaren Producenten, schliesst von vornherein ein einen bestimmten gesellschaftlichen Charakter der sachlichen Arbeits- bedingungen gegenüber den Arbeitern, und damit ein bestimmtes Verhältniss, worin sie in der Produktion selbst zu den Besitzern der Arbeitsbedingungen und zu einander treten. Die Verwandlung dieser Arbeitsbedingungen in Kapital schliesst ihrerseits die Expro- priation der unmittelbaren Producenten von Grund und Boden, und damit eine bestimmte Form des Grundeigenthums ein.
Verwandelte sich der eine Theil des Produkts nicht in Kapital, so würde der andre nicht die Formen von Arbeitslohn, Profit und Rente annehmen.
Andrerseits, wenn die kapitalistische Produktionsweise diese be- stimmte gesellschaftliche Gestalt der Produktionsbedingungen vor- aussetzt, reproducirt sie dieselbe beständig. Sie producirt nicht nur die materiellen Produkte, sondern reproducirt beständig die Pro- duktionsverhältnisse, worin jene producirt werden, und damit auch die entsprechenden Vertheilungsverhältnisse.
Allerdings kann gesagt werden, dass das Kapital (und das Grund- eigenthum, welches es als seinen Gegensatz einschliesst) selbst schon eine Vertheilung voraussetzt: die Expropriation der Arbeiter von den Arbeitsbedingungen, die Koncentration dieser Bedingungen in den Händen einer Minorität von Individuen, das ausschliessliche
Eigenthum am Grund und Boden für andre Individuen, kurz alle die Verhältnisse die im Abschnitt über die ursprüngliche Akkumu- lation (Buch I, Kap. XXIV) entwickelt worden sind. Aber diese Vertheilung ist durchaus verschieden von dem, was man unter Ver- theilungsverhältnissen versteht, wenn man diesen, im Gegensatz zu den Produktionsverhältnissen, einen historischen Charakter vindicirt. Man meint darunter die verschiednen Titel auf den Theil des Produkts, der der individuellen Konsumtion anheimfällt. Jene Ver- theilungsverhältnisse sind dagegen die Grundlagen besondrer gesell- schaftlicher Funktionen, welche innerhalb des Produktionsverhält- nisses selbst bestimmten Agenten desselben zufallen im Gegensatz zu den unmittelbaren Producenten. Sie geben den Produktionsbedin- gungen selbst und ihren Repräsentanten eine specifische gesellschaft- liche Qualität. Sie bestimmen den ganzen Charakter und die ganze Bewegung der Produktion.
Es sind zwei Charakterzüge, welche die kapitalistische Produk- tionsweise von vornherein auszeichnen.
Erstens. Sie producirt ihre Produkte als Waaren. Waaren zu produciren, unterscheidet sie nicht von andern Produktionsweisen; wohl aber dies, dass Waare zu sein, der beherrschende und be- stimmende Charakter ihres Produkts ist. Es schliesst dies zu- nächst ein, dass der Arbeiter selbst nur als Waarenverkäufer und daher als freier Lohnarbeiter, die Arbeit also überhaupt als Lohn- arbeit auftritt. Es ist nach der bisher gegebnen Entwicklung überflüssig, von neuem nachzuweisen, wie das Verhältniss von Kapital und Lohnarbeit den ganzen Charakter der Produktions- weise bestimmt. Die Hauptagenten dieser Produktionsweise selbst, der Kapitalist und der Lohnarbeiter, sind als solche nur Ver- körperungen, Personificirungen von Kapital und Lohnarbeit; be- stimmte gesellschaftliche Charaktere, die der gesellschaftliche Pro- duktionsprocess den Individuen aufprägt; Produkte dieser bestimmten gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse.
Der Charakter 1) des Produkts als Waare, und 2) der Waare als Produkt des Kapitals, schliesst schon die sämmtlichen Cirku- lationsverhältnisse ein, d. h. einen bestimmten gesellschaftlichen Process, den die Produkte durchmachen müssen, und worin sie be- stimmte gesellschaftliche Charaktere annehmen; er schliesst ein ebenso bestimmte Verhältnisse der Produktionsagenten, von denen die Verwerthung ihres Produkts und seine Rückverwandlung, sei es in Lebensmittel, sei es in Produktionsmittel bestimmt ist. Aber auch abgesehn hiervon, ergibt sich aus den beiden obigen Charak-
teren des Produkts als Waare, oder Waare als kapitalistisch pro- ducirter Waare, die ganze Werthbestimmung und die Regelung der Gesammtproduktion durch den Werth. In dieser ganz speci- fischen Form des Werths gilt die Arbeit einerseits nur als gesell- schaftliche Arbeit; andrerseits ist die Vertheilung dieser gesell- schaftlichen Arbeit und die wechselseitige Ergänzung, der Stoff- wechsel ihrer Produkte, die Unterordnung unter, und Einschiebung in, das gesellschaftliche Triebwerk, dem zufälligen, sich wechsel- seitig aufhebenden Treiben der einzelnen kapitalistischen Produ- centen überlassen. Da diese sich nur als Waarenbesitzer gegen- übertreten, und jeder seine Waare so hoch als möglich zu verkaufen sucht (auch scheinbar in der Regulirung der Produktion selbst nur durch seine Willkür geleitet ist) setzt sich das innere Gesetz nur durch vermittelst ihrer Konkurrenz, ihres wechselseitigen Drucks aufeinander, wodurch sich die Abweichungen gegenseitig aufheben. Nur als inneres Gesetz, den einzelnen Agenten gegenüber als blindes Naturgesetz, wirkt hier das Gesetz des Werths und setzt das ge- sellschaftliche Gleichgewicht der Produktion inmitten ihrer zufälligen Fluktuationen durch.
Es ist ferner schon in der Waare eingeschlossen, und noch mehr in der Waare als Produkt des Kapitals, die Verdinglichung der gesellschaftlichen Produktionsbestimmungen und die Versubjektivi- rung der materiellen Grundlagen der Produktion, welche die ganze kapitalistische Produktionsweise charakterisirt.
Das zweite, was die kapitalistische Produktionsweise speciell aus- zeichnet, ist die Produktion des Mehrwerths als direkter Zweck und bestimmendes Motiv der Produktion. Das Kapital producirt wesent- lich Kapital, und es thut dies nur, soweit es Mehrwerth producirt. Wir haben bei Betrachtung des relativen Mehrwerths, weiter bei Betrachtung der Verwandlung des Mehrwerths in Profit gesehn, wie sich hierauf eine der kapitalistischen Periode eigenthümliche Produktionsweise gründet — eine besondre Form der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit, aber als, dem Arbeiter gegenüber, verselbständigter Kräfte des Kapitals, und in direktem Gegensatz daher zu seiner, des Arbeiters, eignen Ent- wicklung. Die Produktion für den Werth und den Mehrwerth schliesst, wie sich dies bei der weitern Entwicklung gezeigt hat die stets wirkende Tendenz ein, die zur Produktion einer Waare nöthige Arbeitszeit, d. h. ihren Werth, unter den jedesmal be- stehenden gesellschaftlichen Durchschnitt zu reduciren. Der Drang zur Reduktion des Kostpreises auf sein Minimum wird der stärkste
Hebel der Steigerung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit, die aber hier nur als beständige Steigerung der Produktiv- kraft des Kapitals erscheint.
Die Autorität, die der Kapitalist als Personifikation des Kapitals im unmittelbaren Produktionsprocess annimmt, die gesellschaftliche Funktion, die er als Leiter und Beherrscher der Produktion be- kleidet, ist wesentlich verschieden von der Autorität auf Basis der Produktion mit Sklaven, Leibeignen u. s. w.
Während, auf Basis der kapitalistischen Produktion, der Masse der unmittelbaren Producenten der gesellschaftliche Charakter ihrer Produktion in der Form streng regelnder Autorität, und eines als vollständige Hierarchie gegliederten, gesellschaftlichen Mechanismus des Arbeitsprocesses gegenübertritt — welche Autorität ihren Trägern aber nur als Personificirung der Arbeitsbedingungen gegen- über der Arbeit, nicht wie in früheren Produktionsformen als poli- tischen oder theokratischen Herrschern zukommt — herrscht unter den Trägern dieser Autorität, den Kapitalisten selbst, die sich nur als Waarenbesitzer gegenübertreten, die vollständigste Anarchie, innerhalb deren der gesellschaftliche Zusammenhaug der Produktion sich nur als übermächtiges Naturgesetz der individuellen Willkür gegenüber geltend macht.
Nur weil die Arbeit in der Form der Lohnarbeit und die Pro- duktionsmittel in der Form von Kapital vorausgesetzt sind — also nur in Folge dieser specifischen gesellschaftlichen Gestalt dieser zwei wesentlichen Produktionsagentien — stellt sich ein Theil des Werths (Produkts) als Mehrwerth und dieser Mehrwerth als Profit (Rente) dar, als Gewinn des Kapitalisten, als zusätzlicher dispo- nibler, ihm gehöriger Reichthum. Aber nur weil er sich so als sein Profit darstellt, stellen sich die zusätzlichen Produktions- mittel, die zur Erweiterung der Reproduktion bestimmt sind, und die einen Theil des Profits bilden, als neues zusätzliches Kapital, und die Erweiterung des Reproduktionsprocesses überhaupt als kapi- talistischer Akkumulationsprocess dar.
Obgleich die Form der Arbeit als Lohnarbeit entscheidend für die Gestalt des ganzen Processes und für die specifische Weise der Produktion selbst, ist nicht die Lohnarbeit werthbestimmend. In der Werthbestimmung handelt es sich um die gesellschaftliche Arbeitszeit überhaupt, das Quantum Arbeit, worüber die Gesell- schaft überhaupt zu verfügen hat, und dessen relative Absorption durch die verschiednen Produkte gewissermaßen deren respektives gesellschaftliches Gewicht bestimmt. Die bestimmte Form, worin
sich die gesellschaftliche Arbeitszeit im Werth der Waaren als bestimmend durchsetzt, hängt allerdings mit der Form der Arbeit als Lohnarbeit und der entsprechenden Form der Produktions- mittel als Kapital insofern zusammen, als nur auf dieser Basis die Waarenproduktion zur allgemeinen Form der Produktion wird.
Betrachten wir übrigens die sogenannten Vertheilungsverhält- nisse selbst. Der Arbeitslohn unterstellt die Lohnarbeit, der Profit das Kapital. Diese bestimmten Vertheilungsformen unterstellen also bestimmte gesellschaftliche Charaktere der Produktionsbedin- gungen, und bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse der Produk- tionsagenten. Das bestimmte Vertheilungsverhältniss ist also nur Ausdruck des geschichtlich bestimmten Produktionsverhältnisses.
Und nun nehme man den Profit. Diese bestimmte Form des Mehrwerths ist die Voraussetzung dafür, dass die Neubildung der Produktionsmittel in der Form der kapitalistischen Produktion vor- geht; also ein die Reproduktion beherrschendes Verhältniss, obgleich es dem einzelnen Kapitalisten scheint, er könne eigentlich den ganzen Profit als Revenue aufessen. Indessen findet er dabei Schranken, die ihm schon in der Form von Assekuranz- und Reservefonds, Gesetz der Konkurrenz u. s. w. entgegentreten und ihm praktisch beweisen, dass der Profit keine blosse Vertheilungs- kategorie des individuell konsumirbaren Produkts ist. Der ganze kapitalistische Produktionsprocess ist ferner regulirt durch die Preise der Produkte. Aber die regulirenden Produktionspreise sind selbst wieder regulirt durch die Ausgleichung der Profitrate und die ihr entsprechende Vertheilung des Kapitals in die verschiednen gesellschaftlichen Produktionssphären. Der Profit erscheint hier also als Hauptfaktor, nicht der Vertheilung der Produkte, sondern ihrer Produktion selbst, Theil der Vertheilung der Kapitale und der Arbeit selbst in die verschiednen Produktionssphären. Die Spaltung des Profits in Unternehmergewinn und Zins erscheint als Vertheilung derselben Revenue. Aber sie entspringt zunächst aus der Entwicklung des Kapitals als sich selbst verwerthenden, Mehr- werth erzeugenden Werths, dieser bestimmten gesellschaftlichen Gestalt des herrschenden Produktionsprocesses. Sie entwickelt aus sich heraus den Kredit und die Kreditinstitutionen, und damit die Gestalt der Produktion. Im Zins u. s. w. gehn die angeblichen Vertheilungsformen als bestimmende Produktionsmomente in den Preis ein.
Von der Grundrente könnte es scheinen, dass sie blosse Ver- theilungsform ist, weil das Grundeigenthum als solches keine, oder
wenigstens keine normale Funktion im Produktionsprocess selbst versieht. Aber der Umstand, dass 1) die Rente beschränkt wird auf den Ueberschuss über den Durchschnittsprofit, 2) dass der Grund- eigenthümer vom Lenker und Beherrscher des Produktionsprocesses und des ganzen gesellschaftlichen Lebensprocesses herabgedrückt wird zum blossen Verpachter von Boden, Wucherer in Boden, und blossen Einkassirer von Rente, ist ein specifisches historisches Ergebniss der kapitalistischen Produktionsweise. Dass die Erde die Form von Grundeigenthum erhalten hat, ist eine historische Voraussetzung derselben. Dass das Grundeigenthum Formen erhält, welche die kapitalistische Betriebsweise der Landwirthschaft zulassen, ist ein Produkt des specifischen Charakters dieser Produktionsweise. Man mag die Einnahme des Grundeigenthümers auch in andren Gesellschaftsformen Rente nennen. Aber sie ist wesentlich unter- schieden von der Rente, wie sie in dieser Produktionsweise erscheint.
Die sogenannten Vertheilungsverhältnisse entsprechen also, und entspringen aus, historisch bestimmten, specifisch gesellschaftlichen Formen des Produktionsprocesses und der Verhältnisse, welche die Menschen im Reproduktionsprocess ihres menschlichen Lebens unter einander eingehn. Der historische Charakter dieser Vertheilungs- verhältnisse ist der historische Charakter der Produktionsverhält- nisse, wovon sie nur eine Seite ausdrücken. Die kapitalistische Vertheilung ist verschieden von den Vertheilungsformen, die aus andren Produktionsweisen entspringen, und jede Vertheilungsform verschwindet mit der bestimmten Form der Produktion, der sie entstammt und entspricht.
Die Ansicht, die nur die Vertheilungsverhältnisse als historisch betrachtet, aber nicht die Produktionsverhältnisse, ist einerseits nur die Ansicht der beginnenden, aber noch befangnen Kritik der bürger- lichen Oekonomie. Andrerseits aber beruht sie auf einer Verwechs- lung und Identificirung des gesellschaftlichen Produktionsprocesses mit dem einfachen Arbeitsprocess, wie ihn auch ein abnorm iso- lirter Mensch ohne alle gesellschaftliche Beihülfe verrichten müsste. Soweit der Arbeitsprocess nur ein blosser Process zwischen Mensch und Natur ist, bleiben seine einfachen Elemente allen gesellschaft- lichen Entwicklungsformen desselben gemein. Aber jede bestimmte historische Form dieses Processes entwickelt weiter die materiellen Grundlagen und gesellschaftlichen Formen desselben. Auf einer gewissen Stufe der Reife angelangt, wird die bestimmte historische Form abgestreift und macht einer höhern Platz. Dass der Moment einer solchen Krise gekommen, zeigt sich, sobald der Widerspruch
und Gegensatz zwischen den Vertheilungsverhältnissen, daher auch der bestimmten historischen Gestalt der ihnen entsprechenden Pro- duktionsverhältnisse einerseits, und den Produktivkräften, der Pro- duktionsfähigkeit und der Entwicklung ihrer Agentien andrerseits, Breite und Tiefe gewinnt. Es tritt dann ein Konflikt zwischen der materiellen Entwicklung der Produktion und ihrer gesellschaft- lichen Form ein.(FN57)
Die Eigenthümer von blosser Arbeitskraft, die Eigenthümer von Kapital, und die Grundeigenthümer, deren respektive Einkommen- quellen Arbeitslohn, Profit und Grundrente sind, also Lohnarbeiter, Kapitalisten und Grundeigenthümer, bilden die drei grossen Klassen der modernen, auf der kapitalistischen Produktionsweise beruhenden Gesellschaft.
In England ist unstreitig die moderne Gesellschaft, in ihrer ökono- mischen Gliederung, am weitesten, klassischsten entwickelt. Dennoch tritt diese Klassengliederung selbst hier nicht rein hervor. Mittel- und Uebergangsstufen vertuschen auch hier (obgleich auf dem Lande unvergleichlich weniger als in den Städten) überall die Grenzbe- stimmungen. Indess ist dies für unsere Betrachtung gleichgültig. Man hat gesehn, dass es die beständige Tendenz und das Entwick- lungsgesetz der kapitalistischen Produktionsweise ist, die Produktions- mittel mehr und mehr von der Arbeit zu scheiden, und die zer- splitterten Produktionsmittel mehr und mehr in grosse Gruppen zu koncentriren, also die Arbeit in Lohnarbeit und die Produktions- mittel in Kapital zu verwandeln. Und dieser Tendenz entspricht auf der andern Seite die selbständige Scheidung des Grundeigen- thums von Kapital und Arbeit(FN58), oder Verwandlung alles Grund- eigenthums in die der kapitalistischen Produktionsweise entsprechende Form des Grundeigenthums.
Die nächst zu beantwortende Frage ist die: Was bildet eine
Klasse? und zwar ergibt sich dies von selbst aus der Beantwortung der andern Frage: Was macht Lohnarbeiter, Kapitalisten, Grund- eigenthümer zu Bildnern der drei grossen gesellschaftlichen Klassen?
Auf den ersten Blick die Dieselbigkeit der Revenuen und Revenue- quellen. Es sind drei grosse gesellschaftliche Gruppen, deren Kompo- nenten, die sie bildenden Individuen, resp. von Arbeitslohn, Profit und Grundrente, von der Verwerthung ihrer Arbeitskraft, ihres Kapitals und ihres Grundeigenthums leben.
Indess würden von diesem Standpunkt aus z. B. Aerzte und Be- amte auch zwei Klassen bilden, denn sie gehören zwei unter- schiednen gesellschaftlichen Gruppen an, bei denen die Revenuen der Mitglieder von jeder der beiden aus derselben Quelle fliessen. Dasselbe gälte für die unendliche Zersplitterung der Interessen und Stellungen, worin die Theilung der gesellschaftlichen Arbeit, die Arbeiter wie die Kapitalisten und Grundeigenthümer — letztre z. B. in Weinbergsbesitzer, Aeckerbesitzer, Waldbesitzer, Bergwerks- besitzer, Fischereibesitzer — spaltet.
[Hier bricht das Ms. ab.]
Druck von Hesse & Becker in Leipzig.