Johann Gottlieb Fichte, Der geschlossene Handelsstaat (1800)

Johann Gottlieb Fichte (1762-1814)  

 

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Johann Gottlieb Fichte, Der geschlossene Handelsstaat (1800) in Johann Gottlieb Fichtes sämmtliche Werke. Band 3, Berlin 1845/1846, S. 388-514.

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Table of Contents

  • Vorläufige Erklärung des Titels
  • [Widmung]
  • Einleitung
  • Erstes Buch. Philosophie
    • 1. Grundsätze zur Beantwortung dieser Frage
    • 2. Allgemeine Anwendung der aufgestellten Grundsätze auf den öffentlichen Verkehr
    • 3. Ueber die vorausgesetzte Vertheilung der Arbeitszweige im Vernunftstaate
    • 4. Ob die Abgaben an den Staat etwas im Gleichgewichte des Gewerbes ändern
    • 5. Wie dieses Gleichgewicht gegen die Unsicherheit des Feldbaues zu decken sey
    • 6. Ob dieses Gleichgewicht durch die Einführung des Geldes gefährdet, und durch den steten Fortschritt der Nation zu höherem Wohlstande verändert werde
    • 7. Weitere Erörterungen der hier aufgestellten Grundsätze über das Eigenthumsrecht
  • Zweites Buch. Zeitgeschichte
    • 1. Vorerinnerung
    • 2. Die bekannte Welt als ein einiger grosser Handelsstaat angesehen
    • 3. Gegenseitiges Verhältniss der Einzelnen in diesem grossen Handelsstaate
    • 4. Gegenseitiges Verhältniss der Nationen, als Ganzer im Handelsstaats
    • 5. Die Mittel, deren sich bisher die Regierungen bedient haben, um dieses Verhältniss zu ihrem Vortheile zu lenken
    • 6. Erfolg vom Gebrauche dieser Mittel
  • Drittes Buch. Politik
    • 1. Nähere Bestimmung der Aufgabe dieses Buches
    • 2. Rechtsansprüche des Bürgers, als bisherigen freien Theilnehmers am Welthandel, an den schliessenden Handelsstaat
    • 3. Ansprüche des Staates, als eines selbstständigen Ganzen, bei seiner gänzlichen Trennung von der übrigen Erde
    • 4. Entscheidende Maassregel, um die Schliessung des Handelsstaates, und alle soeben aufgestellten Bedingungen dieser Schliessung zu erreichen
    • 5. Fortsetzung der vorhergegangenen Betrachtung
    • 6. Weitere Maassregeln zur Schliessung des Handelsstaates
    • 7. Erfolg dieser Maassregeln
    • 8. Eigentlicher Grund des Anstosses, den man an der vorgetragenen Theorie nehmen wird
  • Fußnoten

 

 


 

 


 

 


 

 


 

Fußnoten

[1] Die Trift-Gerechtigkeit mag sehr unwirthschaftlich seyn, ich gebe es zu. Aber ein Eingriff in fremdes Eigenthum ist sie nicht: denn das Eigenthumsrecht hängt nur von Verträgen, und wo ausdrückliche Verträge nicht nachzuweisen sind, von dem erlangten Besitze und von dem Herkommen (von dem status quo) ab. Nur eine unrichtige Theorie über das Eigenthum kann so etwas Eingriff in das Eigenthum nennen.

[2] Ich kenne eine Gegend in Deutschland, in welcher eine gewisse ausländische Waare, auf der ein starker Impost liegt, allgemein unter dem Einkaufspreise mit Hinzufügen des Impostes, verkauft wird. Dieser Preis wird nur dadurch möglich, dass der Impost grösstentheils nicht entrichtet wird Es ist klar, dass ein einzelner Kaufmann, welcher nicht defraudiren wollte, den laufenden Preis nicht würde halten können, und diesen Artikel ganz aufgeben müsste – so verhalt es sich wahrscheinlich in mehreren Gegenden mit mehreren Waaren.

[3] Man sagt allgemein – ich kann die Wahrheit des Gerüchts nicht verbürgen, aber zur Erläuterung meines Gedankens ist es auch als Gerücht tauglich, – man sagt von einem gewissen deutschen Staate des zweiten Ranges dass der Ertrag der in ihm eingeführten Accise die Kosten der Verwaltung nicht im mindesten übersteige, und dass man sie lediglich darum beibehalte, um alten Dienern, z.B. Soldaten, durch Anstellung an derselben, eine Pension zu geben. – Wenn dies wäre, sollte sich denn kein schicklicheres und weniger drückendes Mittel finden, diese Pensionirten ihre Pension vom Volke gewinnen zu lassen?

[4] So ist es, – dass ich als deutscher Schriftsteller ein Beispiel vom Auslande anführe, und die näher liegenden vermeide – es ist seit den ältesten Zeiten dunkel gefühlt worden, dass ein Inselstaat (besonders so lange die übrigen Reiche ihre natürlichen Grenzen noch nicht haben, und noch von einem Gleichgewichte der Macht zwischen ihnen die Rede ist) eigentlich kein selbstständiges Ganzes ist; dass ein solches festen Fuss auf dem Continente haben, und die Inseln nur als Anhang betrachten müsse: dass also z.B. die britischen Inseln eigentlich zum festen Lande Frankreiche gehören. Es war hiebei nur der Streit, ob der Beherrscher des festen Landes solche Herrschaft über die Inseln, oder der mächtigere Herrscher auf den Inseln die seinige über das feste Land ausdehnen solle. Beides, ist versucht worden Französische Prinzen haben England, englische Könige Frankreichs sich bemächtigt, und noch bis jetzt führen die letzteren ihren Anspruch wenigstens durch den Titel fort. Dazu kam in den neueren Zeiten ein anderes nicht ganz so natürliches Streben nach dem Uebergewichte im Welthandel, und das gleichfalls unnatürliche Colonial-System beider Reiche. Daher Kriege von den ältesten Zeiten bis auf diesen lag. Daher ein Nationalhass beider Völker, der nur um so heftiger ist, da beide bestimmt waren, Eins zu seyn.

[5] Z.B. an baumwollene Zeuge hat unser Zeitalter sich sehr gewöhnt, sie haben eigene Bequemlichkeiten, und es wäre nicht ohne einige Härte, dieselben gänzlich abzuschaffen. Nun wächst die wahre Baumwolle in den nördlichen Ländern nicht, und es ist gar nicht darauf zu rechnen, dass die Bewohner der Länder, in denen sie wächst, fortdauernd uns dieselbe unverarbeitet werden zukommen lassen. Ich würde sonach allerdings verlangen, dass einschliessender nördlicher Staat die Einfuhr der indischen, levantischen, maltesischen Baumwolle untersagte, ohne uns doch der baumwollenen Zeuge zu berauben Aber tragen nicht mehrere Grasarten, Stauden, Bäume in unseren Klimaten eine wohl ebenso reine, und durch Cultur noch sehr zu veredelnde Wolle? Ich erinnere mich gehört zu haben, dass vor mehreren Jahren in der Oberlausitz aus lauter inländischen Producten ein Stück Zeug verfertigt worden, das dein besten ausländisch baumwollenen Zeuge geglichen oder es übertroffen. – »Aber die Aufsuchung dieser zerstreuten Wolle, die Zubereitung derselben, u.s.w. kostet weit mehr, als die ausländische Wolle, wenn sie bei uns ankommt.« Ich zweifle nicht daran, so wie die Sachen gegenwärtig Stehen. Aber wenn ihr z.B. die euch bekannte wollenreichste Grasart des Landes ordentlich säetet, sie durch alle in des Menschen Gewalt stehende Mittel veredeltet, zweckmässige Werkzeuge zur Einsammlung und Zubereitung dieser Art von Wolle erfändet, so würdet ihr vielleicht nach Verlauf einiger Jahre eine ebenso wohlfeile Wolle, als die ausländische, und vielleicht noch überdies an dem Samen der Grasart ein neues, gesundes und wohlschmeckendes Nahrungsmittel gewinnen. Was vermag nicht der Mensch durch Cultur aus der unscheinbarsten Pflanze zu machen? Sind nicht unsere gewöhnlichen Getreidearten, ursprünglich Gras, – durch ihren Anbau seit Jahrtausenden in den mannigfaltigsten Klimaten, so veredelt und verwandelt worden, dass man die wahre Stammpflanze in der wilden Vegetation nicht wiederzufinden vermag! Wohl; aber unsere Generation ist so sehr im Gedränge wahrer und erkünstelter Bedürfnisse, dass wir nur jahrelange Operationen und auf Versuche, die zuletzt doch mislingen könnten, keine Zeit noch Mühe zu verwenden haben. Wir müssen bei dem durchaus bekannten, sicheren, die Mühe auf der Stelle belohnenden stehen bleiben Aus diesem Gedränge eben rettet sich ein Staat durch die angezeigte Maasregel: er hat Vermögen genug, auf seine eigenen Kosten alles zu versuchen, und den Erfolg ruhig zu erwarten. Im Lande kostet es ihm nichts weiter, als ein Stück Geld, das er mit leichter Mühe verfertigt: im Auslande ein Stück Geld anderer Art, das mit der Zeit seinen Werth ganz verlieren wird.