Carl Menger, “Zur Kritik der Politischen Ökonomie” (1887)

Carl Menger (1841-1921)  

 

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Zur Kritik der Politischen Ökonomie. Von Prof. Karl Menger. (Wien, 1887. Alfred Holder, K. K. Hof- und Universitäts-Buchhändler, Rothenthurmstrasse 15). Separatabdruck aus der von Prof. Grünhut herausgegebenen Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart. XIV. Band. S. 555–585.

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Text

Handbuch der politischen Oekonomie

in Verbindung mit einer Reihe namhafter Gelehrten herausgegeben von Dr. Gustav Schönberg, o. Prof, der Staatswissenschaften an der Tübinger Universität. Zweite stark vermehrte Auflage. III Bände, gr. 8. (XII u. 734, XIV u. 1008, XII u. 1016 S., nebst 28 S. Register). I. Band: Volkswirtschaftslehre (allgemeiner Theil). II. Band: Volkswirtschaftslehre (spezieller Theil). III. Band: Finanz- wissenschaft und Verwaltungslehre. Tübingen, bei H. Laupp, 1885—1886.

Als vor nunmehr ungefähr 4 Jahren das obige Werk, das Ergebniss vereinigten Gelehrtenfleisses deutscher Volks- wirthe, zum ersten Male vor die Oeffentlichkeit trat, wurde der glückliche demselben zu Grunde liegende Gedanke und die sorgfältige Art seiner Durchführung von den Freunden der politischen Oekonomie allerorten und nahezu ausnahmslos auf das Wärmste begrüsst. Ein Werk dieser Art war ein dringendes Bedürfniss jenes Theiles des deutschen Lesepublikums, welches gediegene und eingehende Belehrung über Fragen der politischen Oekonomie suchte. Der Kreis hervorragender Gelehrten, welcher dem Herausgeber des Handbuches seine Mitwirkung geliehen hatte, der Umstand, dass jeder derselben vornehmlich auf jenem Gebiete der politischen Oekonomie sich zu bethätigen Gelegenheit fand, welches ihm in Folge von Specialarbeiten das Vertrauteste geworden war, der Umstand endlich, dass [101] dem deutschen Büchermärkte zur Zeit des Erscheinens der ersten Auflage des „Handbuches“ ein den Ansprüchen des wissenschaftlich gebildeten Lesepublikums entsprechendes und zugleich den ganzen Umfang der politischen Oekonomie behandelndes, in dieser Rücksicht abgeschlossenes Werk mangelte, gestattete von vornherein dem neuartigen Unternehmen das günstigste Prognostikon zu stellen.

Allerdings machten sich gegen den Grundgedanken des Werkes, zum Theile gegen die Durchführung desselben im Einzelnen, auch mancherlei Bedenken geltend. Indess die jedenfalls im hohen Grade rühmliche Leistung hat über die letzteren den Sieg davongetragen. Das Handbuch präsentirt sich uns nach kaum 4 Jahren bereits in einer zweiten stark erweiterten Auflage, — ein ungewöhnlicher Erfolg, wenn in Betracht gezogen wird, dass es sich hier um ein umfassendes, wissenschaftlich angelegtes Werk handelt, dessen immerhin nicht geringer Preis eine so rasche Verbreitung von vornherein geradezu auszuschliessen schien. Ref. will nicht verhehlen, dass er mit manchen nicht unwesentlichen Details, ja selbst mit der Grundauffassung und der Systematik desselben keineswegs durchaus einverstanden ist; indess, dies kann ihn nicht hindern, seiner Ereude über den grossen und wohlverdienten Erfolg Ausdruck zu geben, welchen das Handbuch errungen hat. Derselbe ist ohne Anwendung von Reclame, durch sorgfältige Arbeit und durch nicht gewöhnliche Tüchtigkeit der Leistungen erworben worden und schon deshalb verdient dies Werk die Förderung jedes Freundes ernster volkswirthschaftlicher Studien.

Dass dasselbe sich auch fernerhin die Gunst des deutschen Lesepublikums erhalten werde, dafür bürgt der Ernst, mit welchem Herausgeber und Mitarbeiter an die uns vorliegende Neubearbeitung geschritten sind.

Die neue Auflage weist, im Vergleiche mit der ersten, tiefgreifende Veränderungen und in mehr als einer Rücksicht wesentliche Verbesserungen auf. Der in der Grundanlage des wissenschaftlichen Unternehmens, als eines Sammelwerkes, gelegene Mangel einer nicht streng einheitlichen Behandlung der einzelnen Gebiete der politischen Oekonomie tritt in der neuen Auflage in geringerem Maasse hervor, während der [102] grosse Vorzug des arbeitsteiligen Werkes: die Beherrschung des Stoffes seitens der einzelnen Mitarbeiter, sich in der neuen Auflage in noch erhöhtem Maasse geltend macht.

Hierzu tritt eine Reihe von Neuerungen, welche an sich geeignet sind, den Werth des Handbuches beträchtlich zu erhöhen. Eine nicht geringe Anzahl von Abhandlungen hat eine merkliche Erweiterung erfahren, während über einzelne wichtige Materien neue Abhandlungen hinzugetreten sind. Ich hebe in letzterer Rücksicht die Beiträge von Prof. J. Conrad (Halle) über landwirthschaftliche Preise, landwirthschaftliche Zölle und einzelne in dem Handbuche bisher nicht behandelte Zweige der Landwirtschaftspolitik; von Prof. Lorey (Tübingen) über das Jagdwesen ; von Prof. Geffcken (Hamburg) über Bevölkerungspolitik, Auswanderung und Colonisation; von Freih. v. Reitzenstein (Freiburg i. B.) über das communale Finanzwesen; von Prof. G. Meyer (Jena) über einige Grundprobleme der Verwaltungslehre; von Prof. M. S ey d e 1 (München) über die Sicherheitspolizei und von Prof. L. Jolly (Tübingen) über das Unterrichtswesen hervor. Dass L. Brentano seine Abhandlung über die gewerbliche Arbeiterfrage zurückgezogen hat, wird, trotz des wirklich trefflichen Ersatzes, welchen dieselbe aus der Feder des Herausgebers gefunden hat, allerdings jeder Freund des Unternehmens auf das Lebhafteste bedauern.

Durch die obige Erweiterung ist der Umfang des Werkes, welches sich schon in der ersten Auflage in zwei stattlichen Bänden präsentirte, auf drei Bände angewachsen, freilich hauptsächlich in Folge des Umstandes, dass dasselbe in seiner nunmehrigen Gestalt, nicht nur die politische Oekonomie einschliesslich der Finanzwissenschaft, sondern auch die Verwaltungslehre umfasst. Zieht man diesen Umstand und die sorgfältige, auch alle wesentlichen Detailfragen der obigen Disciplinen berücksichtigende Darstellung in Betracht, so muss im Grossen und Ganzen anerkannt werden, dass die umfassende Materie nicht leicht in präciserer Form behandelt werden konnte.

Was die Systematik des Werkes betrifft, so zerfällt dasselbe nunmehr in 3 Haupttheile. In den beiden ersten Bänden wird die Volkswirthschaftslehre abgehandelt, und zwar im ersten Bande: „das was man in Deutschland den allgemeinen [103] Theil derselben nennt“, mit Einschluss der Münz-, Bank-, Transport-, Maass- und Gewichtspolitik, während der zweite Band „die Darstellung des sogenannten speciellen Theiles der Volkswirtschaftslehre“ mit Ausschluss der vorhin gedachten Gebiete derselben (also: Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Fischerei, Bergbau, Gewerbe, Handel, Versicherungswesen^ persönliche Dienstleistungen, endlich die Bevölkerungslehre und Bevölkerungspolitik einschliesslich des Auswanderungsund des Colonialwesens) umfasst.

Der dritte Band enthält die Darstellurg der Finanzwissenschaft (Wesen, Aufgaben und Geschichte der Finanzwissenschaft — die Staatsausgaben — die Erwerbseinkünfte des Staates, die Gebühren — allgemeine und specielle Steuerlehre — die Ordnung der Finanzwirthschaft und den öffentlichen Credit, endlich das communale Finanzwesen), ferner die Verwaltungslehre (Grundbegriffe, Statistik, Behördenorganisation der Verwaltung des Innern, Sicherheitspolizei, Gesundheitswesen, Armenwesen, Sittlichkeitspolizei, Unterrichtswesen).

Wir folgen rücksichtlich der Inhaltsangabe den eigenen Ausführungen des Herausgebers, aus welchen, zumal was die Volkswirthschaftslehre betrifft, wohl von selbst die theil- weise Mangelhaftigkeit der gewählten Systematik hervorgeht. Die der Begründung derselben gewidmeten Ausführungen Prof. Neumann’s (Tübingen) (I, S. 133 ff.), auf welche wir noch weiter unten zurückkommen, vermochten unsere Bedenken gegen die scientifische und praktische Berechtigung dieser Systematik nicht zu beheben.

Auf die einzelnen Beiträge übergehend, hat der Herausgeber Prof. Schönberg (Tübingen) für das Handbuch nicht weniger als vier Abhandlungen verfasst. Die Einleitung: Ueber das Wesen der Volkswirthschaft und die Stufen ihrer historischen Entwicklung (I, S. 3 ff.), das Gewerbewesen (II, S. 385 ff.), die gewerbliche Arbeiterfrage (II, S. 549 ff.), endlich im Vereine mit Professor L. Jolly (Tübingen) die persönlichen Dienstleistungen (II, S. 873 ff).

Schon die Verschiedenartigkeit der behandelten Materien deutet darauf hin, dass der verdienstvolle Begründer des Handbuches überall dort eingetreten ist, wo das Zustandekommen [104] des wichtigen Unternehmens, oder sonst besondere Umstände dies erforderten. Die Abhandlungen selbst lassen diesen ihren Ursprung nur wenig erkennen. Es sind durchwegs sorgfältige Arbeiten, welche in die Einzelheiten der Materien eingehen und dieselben, soweit dies im Rahmen des Handbuches möglich ist, zu erschöpfen suchen. Die Untersuchung ist eine solide und, trotz der theilweisen Festhaltung des Standpunktes der historischen Schule, von Uebertreibungen und allzu weitgehenden Einseitigkeiten freie.

Die Behandlung, welche gerade einzelne Hauptprobleme der politischen Oekonomie bei Schönberg finden, ist allerdings eine anfechtbare.

Das Wesen der „Gesetze“ der Volkswirtschaft scheint mir Schönberg nur nach einer Seite hin richtig zu kennzeichnen. Was derselbe hierüber sagt, bezieht sich nur auf die „empirischen Gesetze“ der Volkswirtschaft, zu welchen ja insbesondere auch die Gesetze der ökonomischen Massenerscheinungen gehören. Er übersieht indess, dass neben jenen Gesetzen auch solche der rationalen ökonomischen Zweckbeziehungen — neben den „empirischen Gesetzen“ der Wirth- sehaftsphänomene auch „Gesetze der Wirtschaftlichkeit [FN1: Vgl. meine Untersuchungen über die Methode S. 265 ff. und H. Dietzel, „Beiträge zur Methode“ in Conrad’s Jahrb. 1884, IX, S. 33 ff.] — bestehen, welche seitens der historischen Schule zum Theile nicht beachtet, zum Theile doch in ihrer Bedeutung für unsere Wissenschaft verkannt werden. Ich glaube, dass der grösste Theil der gegen den „Absolutismus“, den „Individualismus“ und den „Materialismus“ gewisser Systeme der theoretischen Nationalökonomie seitens der historischen Schule gerichteten Angriffe sich sofort als Missverständniss heraussteilen müsste, wenn die beiden obigen wesentlich verschiedenen Classen von „Gesetzen“ auf dem Gebiete der Volkswirtschaft strenge auseinander gehalten werden würden. Dass Schönberg dies versäumt, ja die obige für unsere Wissenschaft so wichtige Erkenntniss nicht einmal andeutet, dass er es versäumt, so viel an ihm liegt, einer besseren und universelleren Auffassung über die formale Natur der Wahrheiten unserer Wissenschaft den Weg zu bahnen, ist ein ernster Vorwurf, welcher den Verfasser der obigen Abhandlung trifft.

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Auch die im Handbuche festgehaltene Anschauung vom Wesen der Wirthschaft überhaupt, und der Volks wir thschaft insbesondere, scheint mir eine mangelhafte zu sein.

Die von Schönberg zurückgewiesene Ansicht, dass unter der Wirthschaft nur die auf die Deckung des Güterbedarfes hinzielende Thätigkeit zu verstehen sei, wird von demselben (S. 10 ff.), wie ich glaube, missverstanden. Der Güterbedarf einer Person ist nicht schon gedeckt, wofern sie sich ein Geldeinkommen verschafft. Es muss hierzu noch der „Haushalt“— die Deckung unseres unmittelbaren Güterbedarfes durch den letzteren—treten. Nicht die ökonomische Verwendung des Einkommens, nur die eigentlichen Consumtionsacte werden somit durch die obige Definition, und zwar ganz richtig und im Einklänge mit dem Sprachgebrauche, vom Begriffe der „Wirthschaft“ ausgeschieden.

An die Erörterungen über das Wesen der Volkswirtschaft und ihre Gesetze reiht Schönberg eine Darstellung der Wirthschaftsstufen. Diese für das Verständniss der folgenden , insbesondere der wirthschaftspolitischen Partien des Werkes nicht unwichtige Darstellung ist ebenso interessant als belehrend. Allerdings sollten historische Schilderungen dieser Art durchaus auf der Grundlage umfassenden historischen und ethnographischen Materiales erfolgen. Im entgegengesetzten Falle liegt für den Autor die Gefahr nahe, in die Irrwege theoretischer Geschichtsconstruction zu verfallen. Das erwähnte Material hat sich in den letzten De- cennien in ansehnlicher Weise vermehrt; es wäre zu wünschen dass dasselbe, insbesondere für Aufgaben der obigen Art, wo» dies ganz am Platze wäre, auch thatsächlich verwerthet werden würde.

Ausgezeichnet, gerade in dieser Rücksicht, sind die beiden Abhandlungen des Herausgebers über das Gewerbewesen, bez. über die gewerbliche Arbeiterfrage. Sie gehören zu den instruc- tivsten und gediegensten des Werkes. Ueberall tritt in denselben das Bestreben hervor, auf der Grundlage vergleichender historisch-statistischer Studien und einer umfassenden Berücksichtigung der wirthschaftspolitischen Gesetzgebung der hauptsächlichen Culturstaaten, die obigen wichtigen Gebiete der Volkswirtschaft zu behandeln, die bisherigen Erfahrungen in den [106] Dienst der Wissenschaft zu stellen. Der Standpunkt, welchen der Verf. in der Arbeiterfrage einnimmt, ist ein reformatorischer, nicht nur die ökonomische, sondern auch die politische und die sittlich-religiöse Seite der Frage in Betracht ziehender.

Die Darstellung der Geschichte der politischen Oekonomie, sowie der socialistischen und communistischen Lehren verdankt das S chönberg’sche Handbuch der Feder des Geh. R. Heinrich von Scheel in Berlin, eines Schriftstellers, dessen literar- geschichtliche Publicationen und dessen hervorragende Befähigung für übersichtliche und klare Darstellung wissenschaftlicher Materien denselben für die Uebernahme der obigen Aufgabe besonders empfahlen. Allerdings war dem obigen Autor hiermit einer der schwierigsten, vielleicht der schwierigste Theil des Werkes zugefallen. Der Versuch, — kein blosses Excerpten-Material zu bieten, — sondern die aus so verschiedenem Ursprünge fliessenden und sich vielfach kreuzenden Ideen der nationalökonomischen und socialistischen Literatur aller Zeiten und Völker in ihrer inneren Verknüpfung und in ihrem Zusammenhänge mit den Zeitbestrebungen zu einem Gesammtbilde der Entwicklung zu gestalten, ist an sich ein Unternehmen, welches die höchste Kunst der Darstellung und die umfassendsten literarischen und wirthschaftsge3chichtlichen Kenntnisse voraussetzt. Wird hierzu der unbefriedigende Zustand der literargeschichtlichen Vorarbeiten und der Umstand in Erwägung gezogen, dass die obige Aufgabe im Rahmen einer kurzen übersichtlichen Einleitung zu lösen war, so muss zugestanden werden, dass die bezüglichen Darstellungen, wie sie das Handbuch bietet, in hohem Grade anerkennenswerthe sind. Niemand wird in denselben eine durchaus aus den Quellen geschöpfte und in jeder Rücksicht verbürgte Darstellung der Geschichte unserer Wissenschaft erwarten. Wer dagegen eine Uebersicht der Entwicklung der nationalökonomischen und socialistischen Lehren, eine Uebersicht der herrschenden Auffassungen dieser Entwicklung, gewinnen will, wird in der wissenschaftlichen Literatur vergeblich nach einer gleich bündigen, klaren und geschmackvollen Darstellung der obigen Materien suchen.

Keinen gleich befriedigenden Eindruck machen die den Fundamentallehren der theoretischen Nationalökonomie [107] gewidmeten Ausführungen des Handbuches Fr. J. Neumann's zwei Abhandlungen über die sogenannten Grundbegriffe der politischen Oekonomie und die Gestaltung des Preises sind an sich für den Fachmann jedenfalls sehr interessant; nicht verschweigen möchte ich indess, dass mir dieselben mit ihren, zum Theile geradezu den Eindruck des Willkürlichen erregenden Neuerungen, keineswegs den heutigen Standpunkt der Wissenschaft wiederzugeben scheinen. Die weitläufigen polemischen und in einzelne Contro- versen sich verlierenden Ausführungen des Verfassers sind eine nothwendige, indess jedenfalls unerfreuliche Folge des obigen, dem Programme und der ganzen Anlage des Schönberg’schen Sammelwerkes widersprechenden Missgriffes. Was in den beiden Abhandlungen einen geradezu bedenklichen Eindruck hervorruft , ist der dem Verfasser offenbar mangelnde Sinn für das Wesentliche seiner Aufgaben, die Hinneigung zu breiter Ausführung nebensächlicher, im Einzelnen sogar — wie die Folge zeigt — absolut irrelevanter Materien. Während über die entscheidenden Punkte der von ihm zu behandelnden Probleme mit einer bisweilen geradezu überraschenden Flüchtigkeit hinweggegangen wird, ergeht sich der Verfasser in endlosen Definitionen des populären Sprachgebrauches, bisweilen selbst desjenigen, welcher nur eine Folge der Ungenauigkeit des populären Denkens, oder einer tropischen Ausdrucksweise ist, und in Definitionen neuer technischer Ausdrücke, deren Begriff unklar und deren Zweck nicht ersichtlich ist. All’ dies geschieht überdies mit einem Ernste und einem Aufwande von Citaten, als handelte es sich hierbei in der That um grundlegende Kategorien unserer Wissenschaft.

Schlimmer noch wirkt auf den Leser der Mangel an Ueberblick über das Ganze der theoretischen Aufgabe und den inneren Zusammenhang der einzelnen Probleme unserer Wissenschaft. Häufige Wiederholungen, Hinzufügungen, Beschränkungen und neue Deutungen des bereits Gesagten treten uns in jedem Abschnitte entgegen und stören den logischen Fortgang der Untersuchung. Was Kant als Charakteristiken der Wissenschaft, wie sie nicht sein soll, hinstellt, dass sie „nach viel gemachten Anstalten und Zurüstungen, sobald es zum Zwecke kommt, in’s Stocken gerathe, oder, um diesen zu erreichen, öfters wieder zurückkehren und einen anderen Weg [108] einschlagen müsse“, gilt nahezu buchstäblich von den Ausführungen Neumann’s. Dabei betont der Yerf. wiederholt, dass die Untersuchung über die allgemeinsten Kategorien der theoretischen Nationalökonomie nur insofern berechtigt sei, als dieselbe für die Lösung der Probleme unserer Wissenschaft von grundlegender Bedeutung ist, oder, um mit dem Yerf. zu sprechen; insofern sie uns „tüchtige Bausteine, geeignete Hilfsmittel zum Ausbau volkswirtschaftlicher Erkenntniss“ bietet. Der Verf. übersieht nur, dass dergleichen nicht gesagt, sondern geübt werden will.

Eigentümlich berührt wird der Leser von Neumann’s Abhandlungen durch die zahlreichen Citate aus Rechtsquellen und Schriften der Juristen. Die Heranziehung einzelner Ergebnisse juristischer Untersuchung für den Zweck der Klarstellung analoger Probleme der nationalökonomischen Theorie kann an sich nur gebilligt werden. Es kann unsere Wissenschaft dadurch nur an Klarheit und Tiefe gewinnen, dass wir uns der verschiedenen Betrachtungsweise der Wirtschaftserscheinungen seitens der Nationalökonomie und der Jurisprudenz und der Ursachen derselben bewusst werden. Die Rechtswissenschaft lehrt uns die im gemeinen Interesse gezogenen, die socialen Schranken kennen, innerhalb welcher sich die Bestrebungen geselliger Menschen zu bewegen haben. Die Wirtschaftswissenschaft soll uns den hauptsächlichen Inhalt dieser Bestrebungen, die wi rtkschaftlicke Thätigkeit der Menschen, und den Zusammenhang der wirtschaftlichen Erscheinungen zum Bewusstsein bringen. Das Vermögensrecht und die Wirtschaft, die Jurisprudenz, so weit sie sich mit dem ersteren befasst, und die Nationalökonomie, die Wissenschaft von der letzteren, berühren sich in so vielen Punkten, dass die Klarstellung des Verhältnisses zwischen den wissenschaftlichen Kategorien der Dogmatik des Vermögensrechtes einerseits, und der Wirthschaftstheorie andererseits, als eine ebenso nützliche, als beiden Disciplinen förderliche scientifische Aufgabe bezeichnet werden muss. Es wäre im hohen Grade wünschenswert, wenn die Verschiedenheit der auf das Vermögen bezüglichen juristischen und national - ökonomischen Grundbegriffe von sachkundiger Seite festgestellt und die Nutzbarmachung der Ergebnisse juristischen Denkens für unsere [109] Wissenschaft in gleich universeller Weise versucht werden würde, wie dies seitens Goldschmidt’s umgekehrt für die Jurisprudenz unternommen wurde. Die ausgebildete Dogmatik des Vermögensrechtes mit ihren feinen Distinctionen wäre jedenfalls im hohen Grade geeignet, zur Vertiefung der nationalökonomischen Theorie beizutragen. Ob dergleichen aber in einem Handbuche der politischen Oekonomie seine richtige Stelle findet, ob gar Versuche von jener Art, wie sie N e u m a n n unternimmt, sich hierzu eignen, muss ich indess bezweifeln.

Ich möchte durch diese Bemerkungen den Vorzügen der wissenschaftlichen Individualität Neumann’s keineswegs nahe treten und vor Allem nicht den grossen Ernst und die Sachkunde in Frage stellen, mit welcher der Verf. an die Lösung seiner schwierigen Aufgabe — die Darstellung der allgemeinsten Lehren unserer Wissenschaft — tritt. Prof. Fr. J. Neumann kann für sich das Verdienst in Anspruch nehmen, zu einer Zeit, wo die deutsche Nationalökonomie sich fast ausschliesslich der Bearbeitung historisch-statistischer und praktischer Aufgaben hingegeben hatte, das obige wichtige und für das Verständniss der realen Volkswirthschaft geradezu grundlegende Gebiet unserer Wissenschaft in selbständiger Weise bearbeitet und solcher Art die obige Einseitigkeit und den blossen Eklekticismus in der theoretischen Forschung durch die That zurückgewiesen zu haben. Was ich besorge, ist indess, dass theoretische Untersuchungen in jener Form, in welcher sie vom Verfasser, und zwar gerade an dieser Stelle geboten werden, kaum zur Förderung der in Deutschland so arg unterschätzten theoretischen Forschung auf dem Gebiete der Volkswirthschaft beitragen dürften.

Die Darstellung des Geld- und Münzwesens (Band I, S. 335—396) hat G. B. Prof. E. Nasse in Bonn übernommen und in einer etwa 3 1 / 2 Bogen starken Abhandlung, sowohl die Theorie des Geld- und Mtinzwesens, als auch die bezüglichen wirthschaftspolitischen Grundsätze behandelt. Die Arbeit — in theoretischer Beziehung nicht unanfechtbar — ist eine klar geordnete, das Wesentliche scharf hervorhebende und durch ein reiches historisch-statistisches und münztechnisches Material exemplificirte und belebte. Es würde schwer fallen, aus der bisherigen reichen Literatur über das Geld- und Münzwesen eine [110] Schrift hervorzuheben, welche in gleich engem Rahmen ein so umfassendes und lehrreiches wissenschaftliches Material auf Grundlage der besten Quellen in so übersichtlicher, auf das Wesentliche sich beschränkender und geschmackvoller Weise zusammenfasst. Die Abhandlung macht den wohlthuenden Eindruck einer auf der Grundlage von umfassenden, über den nächsten literarischen Zweck weit hinausgehenden Studien unternommenen Darstellung.

Nicht minder erfreulich als Nass e’s Darstellung über das Geld- und Münzwesen hebt sich St. R. Prof. Mitthoff’s vortreffliche Abhandlung über „Die volkswirthschaftliche Vertheilung“ (I, S. 589—696) aus dem Sammelwerke hervor. Eine ungewöhnliche Vollständigkeit der theoretischen Problemstellung, verbunden mit einer ebenso grossen Ueber- sichtlichkeit als Klarheit in der Anordnung, lassen uns bei dieser Arbeit empfinden, dass der Bearbeiter das ganze Gebiet der Wissenschaft und den inneren Zusammenhang ihrer Probleme überblickt, indem er uns ein bescheidenes Segment derselben in knappster Darstellung bietet. Der Hauptsache nach den heutigen Standpunkt der "Wissenschaft rücksichtlich der schwierigen und controversenreichen Lehre von der Ein- kommensvertheilung festhaltend, hat es der Verf. doch verstanden, kein blosses Aggregat von fremden Ansichten, sondern ein systematisches Ganzes zu bieten, welches den Fachmann in der Anordnung der bisherigen Ergebnisse der Forschung unterstützt, dem Jünger der Wissenschaft aber ein werthvoller Leitstern für die Orientirung aut dem obigen schwierigen Gebiete sein wird. Wer immer das Problem der Einkommens- vertheilung in Hinkunft neu zu bearbeiten unternimmt, wird wohl daran thun, die Arbeit Mitthoff’s vorher auf sich einwirken zu lassen, insbesondere aus dem Grunde, um die Probleme der Einkommensvertheilung in ihrer Vollständigkeit und in ihrem inneren Zusammenhänge sich zum Bewusstsein zu bringen. Was ich den Ausführungen Mitthoff’s entgegenzusetzen vermöchte, bezieht sich nicht auf seine specielle Stellung zu den oben angedeuteten Fragen, sondern auf den heutigen Standpunkt der nationalökonomischen Theorie.

Prof. Adolf Wagner (Berlin) hat auch in dieser Auflage die Bearbeitung des Bank- und Creditwesens, des Versicherungswesens [111] und einiger Hauptpartien der Finanzwissenschaft (der directen Steuern, des Etatwesens und des öffentlichen Credits) übernommen. Die ungewöhnliche Universalität des ökonomischen Wissens dieses Autors, die Neuheit seiner Gedanken, die Fähigkeit desselben, diese letzteren in eine streng wissenschaftliche Form zu kleiden, für dieselben sofort die entsprechende Systematik und Terminologie zu finden, seine umfassende Kenntniss der Literatur, vor Allem aber die auf das Wohl der nothleidenden Yolksklassen gerichtete Tendenz seiner scientifischen Bestrebungen machen die Arbeiten dieses Autors zu einem Schmucke des Schönberg’schen Handbuches.

Eine sehr gelungene Arbeit hat Prof. W. L exis (Breslau) über die in unserer Wissenschaft theoretisch bisher nicht genügend klargestellte Lehre von der volkswirthschaftlichen Consumption geliefert. (I, 697 ff.) Es wird hier nicht nur der Versuch unternommen, eine in vielen Rücksichten neue Theorie der Consumption aufzustellen, sondern zugleich eine Fülle interessanten, durchaus zur Sache gehörigen, auf die hier behandelte Lehre bezüglichen historisch-statistischen Materials geboten. Des Verfassers Abhandlung ist, ähnlich wie jene Nasse’s über das Geldwesen, ein mustergiltiger Versuch, die Ergebnisse der Culturgeschichte und der Culturstatistik für die nationalökonomische Theorie zu verwerthen.

Allerdings bin ich der Meinung, dass nicht unbeträchtliche Theile seiner Ausführungen eigentlich in der Lehre von den menschlichen Bedürfnissen, beziehungsweise vom Bedarfe, andere (die sogenannte technische Consumption) in der Lehre von der Production, noch andere in der Lehre von der Wirthschaft- lichkeit (zumal jener im Privathaushalte!) ihre systematische Stellung finden sollten. Jedenfalls scheint mir, selbst nach den vortrefflichen Ausführungen des Verf., die Entscheidung über die Frage, ob die Lehre von der Consumption überhaupt eine selbständige Stellung in der politischen Oekonomie für sich in Anspruch nehmen könne, vor wie nach, noch eine zweifelhafte zu sein.

Eine ebenso eingehende als instructive Darstellung der Lehre vom Handel (II, 663 ff.) verdankt das Handbuch der Feder des nämlichen Autors. Wer eine Uebersicht über die verschiedenen Zweige der Handelsthätigkeit — nicht wie [112] manche Theoretiker die letztere construiren — sondern wie dieselbe sich in der Wirklichkeit gestaltet, gewinnen will, wird die Abhandlung von Lexis sicherlich mit vielem Nutzen lesen. Der Verf. hat, um diesen Zweck zu erreichen, vielfach auf eine strenge theoretische Durchbildung seiner Lehren verzichtet und sich insbesondere auch der Terminologie des Geschäftslebens angeschlossen. Seine Abhandlung hat hierdurch für einen grossen Theil des Lesepublicums jedenfalls beträchtlich an Werth gewonnen. Vielleicht hätten sich beide Zwecke indes3 — mit einigem Aufwande theoretischen Denkens — vereinigen lassen. Die nützlichen Ausführungen über die verschiedenen Zweige der praktischen Thätigkeit der Handelswelt, lassen erkennen, dass der Verf. vielfach die sogenannte handelswissenschaftliche Literatur, vielleicht auch persönliche Mittheilungen von Fachmännern auf dem Gebiete des Handels für die Zwecke seiner Darstellung in dankenswerther Weise zu Rathe gezogen hat. Dass bei diesem Bestreben die grösste Vorsicht und namentlich ein stetes Zurückgreifen auf die das Geschäftsleben regelnde Gesetzgebung nöthig ist, sollen nicht mannigfache Ungenauigkeiten unterlaufen, ist bekannt. Die Abhandlung von Lexis über den Handel gehört jedenfalls zu den instructivsten des Schönberg’schen Handbuches.

Die Bevölkerungslehre (II, S. 883 ff.) darzustellen, hat St. R,. G. v. Rümelin (Tübingen) übernommen. Der Verf. behandelt diese Lehre nicht lediglich in ihrer Beziehung zur Volkswirthschaft, sondern in umfassender Weise, als selbständigen Zweig der Socialwissenschaft auf der Grundlage eines ansehnlichen historischen, statistischen und anthropologischen Materials. Seine Darstellung umfasst: Die Objecte der Volkszählungen, den Stand der Bevölkerung, den Gang und das Wachsthum der letzteren, ferner die sogenannte Bevölkerungstheorie, endlich die Berufsstatistik. Ob all’ dies in einem Handbuche d. Pol. Oek. seine richtige systematische Ste Ile findet, ob hier nicht vielmehr Bevölkerungsstatistik vorgetragen wird, mag immerhin Bedenken erregen. Indess eine strenge Systematik intentionirt das S chönber g’sche Handbuch überhaupt nicht, am wenigsten rücksichtlich einer Lehre, deren systematische Stellung in unserer Wissenschaft an und für sich bisher nicht genügend klargestellt ist. Der Leser wird bei der Lecture des [113] Aufsatzes, in welchem er neben der gemeiniglich in volkswirtschaftlichen Werken behandelten „Bevölkerungstheorie“ eine Fülle belehrender, solider und wohlgeordneter Ausführungen über das Bevölkerungswesen findet, sich gerne über etwaige systematische Bedenken hinwegsetzen. Die dem Verf. eigentümliche Kunst der Darstellung bewährt sich auch in diesem Aufsatze. Seine Ausführungen über die Malthus’sche Theorie sind in der obigen Rücksicht geradezu ein Meisterstück zu nennen.

Die an Rümelin’s Abhandlung sich schliessenden Ausführungen von Prof. H. Geffcken (Hamburg) ergänzen dieselbe in Rücksicht auf Bevölkerungspolitik, Auswanderungsund Colonialwesen. Das Schönberg’sche Handbuch hat durch diese Abhandlung eine wertvolle, zum Theile einem actuellen Interesse entsprechende Bereicherung erfahren.

Zu den Abhandlungen der Professoren Freih. von der Goltz (Jena) und A. Meitzen (Berlin) über Landwirtschaft und Agrarpolitik ist in der uns vorliegenden Auflage eine Abhandlung von Prof. J. Conrad (Halle) über die gegenwärtig so actuellen Fragen der Preisbildung landwirtschaftlicher Producte, der Preispolitik, des internationalen Handels mit Agrarproducten und der Agrarzölle getreten. Die Ausführungen des Verf., einer ansehnlichen Autorität auf dem Gebiete der Oekonomik der Bodenproduction, gehören zu den sorgfältigsten und gediegensten des Werkes und Niemand wird die Abhandlung ohne vielseitige und ernste Belehrung über die obigen Fragen, ja ohne einen allgemeinen Gewinn für seine ökonomischen Einsichten lesen. Was für die Abhandlung Conrad’s besonders charakteristisch ist, ist die umfassende und solide statistische Grundlegung, welche er seinen Anführungen zu geben weiss. Nicht zufällige, aus unverlässlichen Quellen geschöpfte, selbst bei Vergleichungen, Statistiken verschiedener Jahre ohne nähere Angabe durcheinander werfende Daten sind es, welche uns der Verfasser, gleich manchen anderen Autoren der obigen Richtung, bietet; es ist der Statistiker vom Fache, welcher aus dem Vollen schöpft, und Angaben von entscheidender Wichtigkeit in reicher Fülle und an passender Stelle darbietet. Die Abhandlung ist ein Muster auf umfassende, statistisch-historische Studien gestützter nationalökonomischer Untersuchung.

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Von österreichischen Autoren haben dem Sammelwerke Prof. E. Sax in Prag (Transport- und Communicationswesen, I, S. 503 ff.)» un( l Eeg.-Rath Prof. Franz Kleinwächter in Czernowitz (Die volkswirthschaftliche Production im Allgemeinen, I, S. 191 ff.) ihre Mitwirkung geliehen. Wir haben auf die beiden Abhandlungen bereits anlässlich des ersten Erscheinens des Handbuches hingewiesen. Die vorzügliche Arbeit des erstgenannten Autors, einer anerkannten Autorität auf dem von ihm behandelten Gebiete, hat in der Neubearbeitung eine wesentliche Vervollständigung und Bereicherung erfahren. Ein grosser Theil der Ausführungen (Wasserstrassen, Eisenbahnen u. s. f.) weist beträchtliche Verbesserungen auf, während über einige wichtige, besonders actuelle Fragen des Verkehrswesens (Die Bedeutung der verschiedenen Communicationsmittel in ihrer geschichtlichen Entwicklung. — Die Streitfrage: Staatsoder Privatbahnen) neue Abschnitte eingeschoben worden sind. Auch die Literaturangaben hat der Verf. in dankens- werther Weise vervollständigt.

Ich möchte nicht schliessen, ohne mit einigen Worten noch auf die Systematik und den allgemeinen Charakter des Werkes zurückzukommen. Die erstere ist in mehr als einer Rücksicht eine mangelhafte, und zwar nicht etwa lediglich aus solchen Gründen, welche in der Entstehungsart des Handbuches ihre Erklärung finden, sondern in Folge des principiellen Standpunktes, auf welchem die Verfasser desselben stehen. Ich wende mich aber insbesondere gegen diesen letzteren, weil die Beseitigung jener Mängel, welche eine Folge des arbeitstheiligen Ursprunges des Handbuches sind, einerseits durch energisches redactionelles Eingreifen verhältnissmässig leicht beseitigt werden können, andererseits durch die naturgemässe Annäherung der Auffassungen, wie sie ein gemeinsames, erfolgreiches Unternehmen herbeizuführen pflegt, sich allmälig von selbst verwischen dürften.

Die Trennung der Ergebnisse des realistischen Er- kenntnissstrebens in Einzelwissenschaften ist in zwei von einander wesentlich verschiedenen Richtungen erfolgt. Einerseits nach der besonderen Natur der Objecte (nach den verschiedenen Gebieten der realen Welt), auf welche das wissenschaftliche Erkenntnissstreben gerichtet ist, andererseits nach den verschiedenen formalen Gesichtspunkten der Betrachtung dieser letzteren.

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Die Trennung der Wissenschaften in Natur- und in Menschheitswissenschaften, die Gliederung der ersten in solche von der organischen und der anorganischen Natur, und weiter in solche von den einzelnen Gebieten der organischen und der anorganischen Welt (Mineralogie, Botanik, Zoologie), die Entstehung besonderer Rechts-, Staats-, Gesellschafts-,Wirtschaftswissenschaften u. s. f. beruhen auf dem ersten Eintheilungsgrunde.

Der Fortschritt der realistischen Wissenschaften, die Vertiefung in die verschiedenartigen Probleme der letzteren, hat indess zu einer weiteren Trennung der Wissenschaften, zu einer solchen nach dem zweiten der obigen Eintheilungs- gründe geführt. Auf jedem einzelnen Gebiete der realen Welt sind verschiedene Erkenn tnissrichtungen zu Tage getreten, welche sich allmälig zu besonderen Zweigen der Forschung entwickelten. Das Streben, die individuellen Phänomene und ihren individuellen Zusammenhang, das Streben, die Erscheinungsformen und die Gesetze (das generelle Wesen und den generellen Zusammenhang) der Erscheinungen zu erforschen, das Streben, die Maximen zur zweckentsprechenden Gestaltung der Erscheinungen (zum zweckmässigen Handeln !) festzustellen; diese ihrer innersten Natur nach verschiedenen Erkenntnissrichtungen haben auf jedem einzelnen Gebiete der realen Welt zu verschiedenen: zu historischen, zu theoretischen und zu praktischen Wissenschaften geführt. Nicht nur verschiedenen Gebieten der realen Welt, jedem einzelnen derselben sind verschiedene Erkenntnissrichtungen und demgemäss auch durch die verschiedene formale Natur ihrer Wahrheiten zu unterscheidende: historische, theoretische, praktische, innerhalb dieser Hauptkategorien aber noch weiter gegliederte Wissenschaften eigenthümlich! [FN2: Vergl. hierzu insbesondere E. Sax, Das Wesen und die Aufgaben der National-Qeconomie. Wien 1884, S. 21 ff.; L. v. Philippovich, Ueber Aufgabe und Methode iNr politischen Oekonomie. Freiburg, 1886, S. 3 ff.]

Die Gliederung der Naturwissenschaften nach Massgabe der einzelnen Gebiete von Naturdingen einerseits, und nach Massgabe der verschiedenen Erkenntnissrichtungen andererseits, ist bereits seit Langem vollzogen und in wachsender Ausbildung begriffen. Niemand verwechselt auf dem Gebiete der Naturforschung historische und theoretische Wissenschaften, [116] auch wenn sie sich auf das nämliche Gebiet von Erscheinungen beziehen, etwa die G-eohistorie mit der Geologie, die Anthropo- historie mit der Physiologie oder der Anatomie, oder aber theoretische und praktische Wissenschaften: die Chemie mit der chemischen, die Mechanik mit der mechanischen Technologie, die Anatomie mit der Chirurgie, die Physiologie mit der Therapie. Der Unterschied zwischen historischen und theoretischen Naturwissenschaften einerseits, und den theoretischen und praktischen (den sog. angewandten!) Naturwissenschaften andererseits, steht für jeden denkenden Naturforscher ausser Frage. Auch auf dem Gebiete der Staatswissenschaften besteht über den Unterschied zwischen der Staatengeschichte, der Staatslehre und der Politik ebensowenig ein Zweifel, als etwa auf dem Gebiete der Jurisprudenz über den Unterschied zwischen d.er Pechtsgeschichte, der Dogmatik und der Gesetzgebungspolitik.

Auf dem Gebiete der Wirthschaftswissenschaften ist, in Folge der geringen Ausbildung derselben, die obige Entwickelung noch eine in vielen Rücksichten unvollkommene, erst im Werden begriffene. Die Gliederung der Wirthschaftswissenschaften in historische, theoretische und praktische ist in der Darstellung lange noch nicht zur allgemeinen Uebung geworden ; selbst die prineipielle Berechtigung der Trennung unserer Wissenschaft nach der formalen Natur ihrer Wahrheiten stösst vielfach noch auf Widerspruch. Ja, die Vermengung historisch-statistischer, theoretischer und praktischer Erkenntnisse (von historisch-statistischen Schilderungen, von Darstellungen der „Gesetze der Wirthsehaftsphänomene“ und der Maximen zum zweckmässigen Handeln auf dem Gebiete der Wirthschaft) bildet in der national-ökonomischen Literatur bisher geradezu die Pegel; die Trennung der Wirthschaftswissenschaften nach der formalen Natur ihrer Wahrheiten (die gesonderte Darstellung der historischen Wissenschaften von der Volks wirthschaft, der theoretischen Nationalökonomie und der Volkswirthschaftspolitik), zumal in der nicht deutschen national-ökonomischen Literatur, die Ausnahme.

Es handelt sich hier überdies um eine Uebung, welche nicht nur aus praktischen, etwa aus didaktischen Gründen, oder in Schriften, welche den Zwecken populärer Belehrung gewidmet sind, sondern, was besonders hervorgehoben werden [117] muss, selbst in Werken, welche mit dem Ansprache streng wissenschaftlicher Darstellungen auftreten, festgehalten wird.

Die Erklärung dieser Thatsache liegt in erster Reihe wohl in der geringen bisherigen Entwicklung der politischen Oekonomie. Auch zahlreiche andere Disciplinen bieten in ihren früheren Entwicklungsphasen eine ähnliche Erscheinung, das Bild nach äusserlichen Momenten geordneter Aggregate von historischen, theoretischen und praktischen, auf ein bestimmtes Gebiet von Erscheinungen bezüglichen Erkenntnissen dar. Auch auf anderen Gebieten der Forschung haben sich die den verschiedenen Erkenntnissrichtungen entsprechenden Disciplinen nur allmälig und in schwankenden Versuchen, nach Mas 3 gabe der verschiedenen formalen Natur der Wahrheiten, abgezweigt, zu selbständigen Wissenschaften herausgebildet. Der natürliche Entwicklungsgang wissenschaftlicher Erkenntniss wird indess, wie auf allen übrigen Gebieten der Forschung, so auch auf jenem der Volkswirthschaft, nothwendig zu einer Gliederung der WirthschaftsWissenschaften im vorgedachten Sinne führen.

Was diese Entwicklung auf dem Boden der deutschen Nationalökonomie hemmt, ja den bereits errungenen Fortschritt, wenngleich, wie selbstverständlich, nur vorübergehend, zurückgedrängt hat, ist die, wie in so vieler, so auch in der obigen Rücksicht, mangelhafte Methodik der historischen Schule. Unseren historischen Volkswirthen schwebt die Idee einer Universal Wissenschaft von der Volkswirthschaft vor, welche alle, wie immer gearteten Erkenntnisse: historische, theoretische und praktische Wahrheiten, so weit sie sich auf das Gebiet der Volkswirthschaft beziehen, zu umfassen hätte- Eine Trennung der Wirthschaftsgeschichte und der Wirth- schaftsstatistik, der theoretischen Nationalökonomie und der VolksWirtschaftspolitik wird von ihnen nicht zugestanden, oder das principielle Zugeständniss doch in solcher Weise gedeutet, dass es in Wahrheit wieder aufgehoben wird.

Nun erweist sich eine solche Universal Wissenschaft von der Volkswirthschaft nicht nur vom methodologischen Standpunkte als ein schwerer Missgriff, sondern, bei näherer Betrachtung, zugleich als eine Unmöglichkeit. Ich will auf den Gedanken, die Wirthschaftsgeschichte und die Wirthschaftsstatistik, diese [118] Wissenschaften als solche, in der politischen Oekonomie — in einem Systeme derselben — zu behandeln, nicht näher eingehen ; er ist geradezu abenteuerlich. Nur wer die Wirtschaftsgeschichte und die Wirthschaftsstatistik, oder wer insbesondere die vergleichende Wirthschaf tsge schichte und die ver- gleichendeWirthschaftsstatistik, dieseWissenschafüen an sich, mit der politischen Oekonomie verwechselt, wie dies von einzelnen Autoren tatsächlich geschieht, vermag die obige Ansicht in ernster Weise zu vertreten.

Wer würde indess im Ernste behaupten wollen, dass die Wirtschaftsstatistik aller Völker und die Wirtschaftsgeschichte aller Zeiten und Völker — diese Wissenschaften in ihrer Totalität — in einem Systeme der politischen Oekonomie behandelt zu werden vermögen?

Die selbständige Behandlung dieser Zweige der Wirtschaftswissenschaft — neben jener der theoretischen und praktischen Wirtschaftswissenschaften — ist eine unbedingte Notwendigkeit. Und nur dies, nicht etwa die Heranziehung histo risch-statistischer Daten zur Exemplifikation der theoretischen und praktischen Wahrheiten der politischen Oekonomie, oder die Benützung der Geschichte und Statistik als Hilfswissenschaften der politischen Oekonomie, ist hier in Frage. Selbst jene übersichtlichen Darstellungen der Geschichte der Volks Wirtschaft und der Literatur der politischen Oekonomie, welche den Darstellungen unserer Wissenschaft nicht selten vorangeschickt werden, stehen nicht im Widerspruche mit der obigen Auffassung. Denn einerseits erfolgen sie nur aus didaktischen Gründen — sie sind lediglich Einleitungen in das Studium der politischen Oekonomie — und andererseits nur dem obigen didaktischen Zwecke eben dienende Uebersichten über die betreffenden Wissensgebiete, welche die Notwendigkeit einer selbständigen Behandlung der Geschichte und der Statistik der Volkswirtschaft keineswegs ausschlies3en. Es ist, ich wiederhole es, ein geradezu abenteuerlicher Gedanke, die Geschichte und die Statistik der Volkswirtschaft — diese Wissenschaften als solche — im Rahmen der politischen Oekonomie, im Systeme dieser Wissenschaft darstellen zu wollen.

Indess selbst die Idee, die theoretische Volkswirtschaftslehre und die Volkswirthschaftspolitik in eine systematisch [119] darzustellende Wissenschaft vereinigen zu wollen, stösst bei näherer Erwägung auf ernste Bedenken. Jede der beiden obigen Wissenschaften hat entsprechend der verschiedenen formalen Natur ihrer Wahrheiten, ihr besonderes System; die Verbindung beider in der Darstellung nöthigt dazu, entweder die Wahrheiten der Wirthschaftspolitik nach der Systematik der theoretischen Nationalökonomie zu ordnen — anlässlich der Darstellung des Wesens und der Gesetze bestimmter Wirth- schaftsphänomene, die auf die letzteren bezüglichen Maximen der Wirthschaftspolitik in äusserem Anschlüsse an die theoretischen Erkenntnisse abzuhandeln — oder aber umgekehrt, die systematische Darstellung der Wirthschaftspolitik mit gelegentlichen theoretischen Ausführungen zu begleiten. Beides ist nicht nur möglich, sondern, wie vielfache Erfahrung lehrt, auch that- sächlich durchführbar. Wer immer die Entwicklungsgeschichte wissenschaftlicher Erkenntniss im Auge behält und sich der Bedeutung der Trennung wissenschaftlicher Erkenntnisse nach ihrer formalen Natur für die Methodik und die Systematik der Wissenschaften bewusst ist, wird in einem solchen Vorgänge indess nichts anderes, als ein Symptom des noch unentwickelten Zustandes der WirthschaftsWissenschaften erkennen. Was ich meinen Gegnern zum Vor würfe mache, ist die Verkennung dieser Thatsache. Ihr Irrthum liegt darin, dass sie die Verbindung der theoretischen und praktischen Wirtschaftswissenschaften gegenüber der Trennung derselben als einen Fortschritt, als ein Postulat der Methodologie unserer Wissenschaft hinstellen , während unser aller Bemühen doch darauf gerichtet sein sollte, die für die Entwicklung der letzteren so bedeutungsvolle Trennung historischer, theoretischer und praktischer Erkenntnisse in der wissenschaftlichen Darstellung nach Kräften zu fördern, wo immer sie aber, mit Rücksicht auf die Zurückgebliebenheit unserer Wissenschaft, noch nicht rathsam sein sollte, doch vorzubereiten.

Ein Theil unserer historischen Volkswirthe sucht die obige Entwicklung aber geradezu als einen methodologischen Irrthum, die Rückbildung in der obigen Rücksicht als eine Errungenschaft der Wissenschaft darzustellen.

Die Gesichtspunkte, von welchen der Herausgeber und der die Systematik der politischen Oekonomie ex professo [120] behandelnde Autor, Fr. J. Neumann, in dieser Frage ausgehen, sind nichts weniger als solche eines einseitigen Historismus. Dass die Geschichte und die Statistik der Volkswirtschaft — diese Wissenschaften als solche und in ihrer die Volkswirthschaft aller Zeiten und Völker umfassenden Universalität — kein Theil der politischen Oekonomie, in dem historisch gewordenen Sinne dieses Wortes — bilden, hierüber bedarf es mit den Verfassern des Handbuches keiner Auseinandersetzung. Schon die praktische Aufgabe, an deren Lösung sie ihre methodologischen Ansichten zu erproben hatten, musste sie vor einem Irrthume bewahren, in welchen nur solche zu verfallen vermögen, welche entweder nicht den Versuch unternommen haben, ihre methodologischen Ideen zu verwirklichen, oder selbst für die auffälligsten Widersprüche zwischen diesen letzteren und den Darstellungen der politischen Oekonomie kein offenes Auge haben. Die principielle Bedeutung der „schon von Rau“ — meines Wissens schon von Jacob, jedenfalls schon von Lotz und Anderen — unternommenen Gliederung der politischen Oekonomie in einen theoretischen Theil, in die Wirthschaftspolitik und in die Finanzwissenschaft wird vielmehr von Neu mann ausdrücklich zugestanden. Er erkennt auch die Bedeutung der obigen Gliederung des wissenschaftlichen Stoffes für die Methodik unserer Wissenschaft an.

Was Neumann dagegen vollständig unbeachtet lässt, ist die Bedeutung des obigen Gesichtspunktes für die inn er e Systematik der einzelnen Wirtschaftswissenschaften, aus welchen sich die politische Oekonomie zusammensetzt. Dieser Punkt ist in einer Frage, wo es sich um die Trennung oder Zusammenfassung mehrerer Wissensgebiete in der Darstellung handelt, indess der entscheidende, so sehr der entscheidende, dass das Bedürfniss nach einer geordneten Darstellung der ihrer formalen Natur nach verschiedenen Ergebnisse der Forschung auf dem Gebiete unserer Wissenschaft, — das Bedürfniss nach einer strengen Systematik derselben, — nothwendig wieder zu der durch die historische Schule verwischten Gliederung der politischen Oekonomie führen muss, sobald nur die Systematik in ihrer hohen Bedeutung für die Darstellung und für das Verständniss des inneren Zusammenhanges der Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchung erkannt sein wird.

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Was Neumann speeiell für seinen Standpunkt anführt (S. 134), ist unhaltbar. Es ist nicht richtig, dass die Trennung der Nationalökonomie in einen theoretischen und in einen praktischen Theil zu „lästigen Wiederholungen“ führen müsste. Diese Meinung beruht auf dem unter den deutschen Volks- wirthen überhaupt vielfach verbreiteten Irrthume, dass jede einzelne Wissenschaft Alles zu bieten habe und es nicht vielmehr Wissenschaften gebe, welche die Kenntniss anderer Wissenschaften bereits voraussetzen. Die Physiologie setzt die Kenntniss der Anatomie, die Chirurgie und die Therapie setzen die Kenntniss der beiden zuerst genanntenWissenschaften voraus, die chemische Technologie die Kenntniss der Chemie, die Mechanik jene der Mathematik u. s. f. Die Meinung, dass die Gliederung der Wissenschaften nach ihrer formalen Natur zu Wiederholungen führe, ist so sehr ein Irrthum, dass das gerade GJ-egentheil davon wahr ist.

Noch viel weniger kann der von Neu mann (S. 136) hervorgehobene Umstand, dass eine Trennung unserer Wissenschaft in einen theoretischen und einen praktischen Theil vielfach zu besonderen Begriffsbestimmungen für jeden der beiden Theile nöthigen würde, als ein stichhaltiger Einwand gegen diese Trennung bezeichnet werden.

Ist dies nämlich wirklich der Fall, so bedeutet die gesonderte Feststellung der hier in Rede stehenden Begriffe eben eine x4.ufgabe unserer Wissenschaft, die gelöst werden muss, eine Aufgabe, deren Umgehung denn doch nicht als die scien- tifische Lösung derselben betrachtet werden könnte. Nicht die Umgehung von Schwierigkeiten, sondern die Ueberwindung derselben, nicht die Verwirrung wissenschaftlich bedeutsamer Kategorien, sondern die Klarstellung und Trennung derselben, vermögen die massgebenden Rücksichten bei der Entscheidung der hier in Rede stehenden Frage zu sein.

Wenn Neumann endlich (S. 135) an die Stelle der Trennung unserer Wissenschaft in einen theoretischen und in einen praktischen Theil, eine solche in einen allgemeinen und in einen speciellen Theil setzen will, so beruht dies, wie von mir bereits an anderer Stelle nachgewiesen wurde, auf einem methodologischen Missverständnisse. Sowohl die theoretische, als die praktische Nationalökonomie haben je einen allgemeinen und [122] je einen speciellen Theil. So wenig aber die chemische Technologie etwa als besonderer Theil der Chemie, die Chirurgie etwa als besonderer Theil der Anatomie u. s. f. bezeichnet zu werden vermögen, so wenig vermag die praktische Volkswirtschaftslehre als besonderer Theil der theoretischen, und diese als allgemeiner Theil der praktischen aufgefasst zu werden. Wahr ist nur, dass sich selbst bei einer ungetrennten Behandlung der theoretischen und der praktischen, auf die Volkswirtschaft bezüglichen Lehren, also selbst bei einer Darstellung dieser Art — so unvollkommen das System derselben nothwendigerweise auch sein wird — gleichwie bei jeder geordneten Darstellung einerWissenschaft, ein allgemeiner und ein besonderer Theil ergeben müssen. Diese Thatsache tangirt indess die Entscheidung unserer Frage in keinerlei Weise. Die Trennung der Polit. Oekonomie in einen allgemeinen und in einen besonderen, und jene in einen theoretischen und in einen praktischen Theil, sind zwei miteinander nicht zu verwechselnde methodologische Probleme. Das erstere bezieht sich auf die innere Systematik der einzelnen Wirtschaftswissenschaften, das andere auf die Classification der Wirtschaftswissenschaften überhaupt.

Sowohl vom Standpunkte der Methodik, als auch von jenem der Systematik ergibt sich somit die Notwendigkeit einer Trennung der Wirtschaftswissenschaften in historische einerseits und in theoretische und praktische andererseits. [FN3: L.Cossa, Guida allo studio del’E. P. 1878, S. 14ff. und M. Block, Journ. des Econ. 1883. P. S. 67 ff. ] Dass von der neuern deutschen Nationalökonomie die von Jacob, Lotz, Rau unternommene Trennung unserer Wissenschaft in einen theoretischen und einen praktischen Theil wieder fallen gelassen wurde, war kein Fortschritt, sondern ein bedauerlicher, hauptsächlich durch die Unzulänglichkeit der Methodologie unserer historischen Volkswirte veranlasster Rückschritt.

Dass auch das „Handbuch“ in der obigen, so wichtigen Frage der Systematik der politischen Oekonomie den hier bekämpften Standpunkt festhält, ist eine für die nächste Entwicklung der deutschen Nationalökonomie leider nicht gleich- giltige, vielmehr, meines Erachtens sehr bedauerliche Thatsache.

Erfreulicher ist eine andere Erscheinung, welche, indem ich auf die rühmlichen Einzelleistungen des Handbuches [123] zurückblicke, mir aus denselben entgegentritt. Nickt nur die Auffassung der „politischen Oekonomie“ — ich meine jene Wissenschaft, welche seit mehr als zwei Jahrhunderten mit dem obigen Worte bezeichnet wird: den historisch gewordenen Begriff der politischen Oekonomie — nicht nur, sage ich, die Auffassung derselben als blosse Wirtschaftsgeschichte, sondern auch jene, welche in der obigen Wissenschaft lediglich eine „Philosophie der Wirtschaftsgeschichte“ (im Sinne einer Wissenschaft von blossen „Parallelismen“ der letzteren) erkennt — auch diese einseitige Auffassung mit ihrer „physiologischen“ Variante — kann als eine in der deutschen Nationalökonomie überwundene bezeichnet werden. Wenn irgend ein Werk den methodologischen Standpunkt der gelehrten Volkswirte Deutschlands — ich meine jenen, auf welchem sie tatsächlich stehen, nicht jenen, welcher als solcher verkündet wird — wiederspiegelt, so ist es das Schönberg’sche Handbuch. Die Methode des letzteren ist aber nichts weniger, als die sogenannte „historisch - physiologische“ in dem von Roscher definirten Verstände des Wortes; es ist in Wahrheit die empirische Methode im Sinne eines universellen, auf die Beobachtung der Einzelphänomene und der Massenerscheinungen der Volkswirtschaft: auf Geschichte, Statistik, nicht minder aber auch auf die gemeine Lebenserfahrung, sich stützenden Erkenntnissvorganges. Es ist die nämliche Methode , welcher wir auch bei den nichtdeutschen Vertretern des Empirismus auf dem Gebiete unserer Wissenschaft begegnen: es ist der universelle Empirismus, und nicht eine einseitige, der deutschen Nationalökonomie etwa eigentümliche Spielart desselben, was sich in den Einzelleistungen des Scho nberg'scken Handbuches manifestirt.

Der unter missverständlichen Voraussetzungen unternom mene Versuch, die „vergleichende Wirtschaftsgeschichte“ mit der politischen Oekonomie überhaupt zu identificiren, oder in „geschichtsphilosophischen“ Forschungen dieser Art wohl gar eine Uebertragung der Methode Savigny’s auf unsere Wissenschaft zu erkennen, muss gegenüber einem so gewichtigen Argumente, wie das Schönberg’sche Handbuch, jedenfalls als gescheitert bezeichnet werden. Die Empirie, und zwar jene universelle Form derselben, welche allerorten eben als Empirie [124] bezeichnet wird, muss fürderhin als die unter den gelehrten Volkswirthen Deutschlands vorherrschende „Methode“ anerkannt werden.

Indem ich auf die obige, für die Beurtheilung des gegenwärtigen methodologischen Standpunktes der deutschen Volks- wirthe in so hohem Grade bemerkenswerthe Thatsache hin- weise, bin ich der theilweisen Discrepanz derselben mit den ex professo vorgetragenen Lehrmeinungen der methodologischen Wortführer mir vollständig bewusst. Es macht fast den Eindruck, als ob es der deutschen Nationalökonomie nicht genügte, einer so gewöhnlichen gediegenen „Methode“, wie es die Empirie ist, zu folgen, und sie ein besonderes Gewicht darauf legen würde, im Besitze einer ganz eigenthümlichen, in der politischen Oekonomie allerübrigen Völker und zumal auch in der allgemeinen Erkenntnisstheorie unerhörten Methode zu sein. Indess dieser Irrthum wird sein Ende finden und die Entwicklung der Methodologie der obigen Richtung unserer Wissenschaft lehren, dass die Praxis der national-ökonomischen Forschung der deutschen Fachgenossen ungleich höher steht, als die theoretische Einsicht ihrer Methodologen.

Auch über den Weg, welchen diese Entwicklung ein- schlagen muss, um im Einklänge mit den allgemeinen erkennt- nisstheoretischen Bestrebungen, — wie sie in der neueren Logik sich geltend machen, — zu bleiben, auch darüber vermag für mich kein Zweifel zu bestehen. Wir müssen die Ergebnisse der Philosophie in Rücksicht auf die Erkenntnissziele und die Erkenntnisswege der empirischen Richtung der theoretischen Forschung zu unserem geistigen Besitzthume machen, um auf dieser Grundlage durch die Untersuchung über die Eigenart der Wirthschaftsphänomene und die Rückwirkung derselben auf die Erkenntnissziele und die Methoden, zu einer der obigen Richtung der Forschung auf dem speciellen Gebiete der Volkswirtschaft adäquaten Erkenntnisstheorie zu gelangen. Jeder andere Weg, zumal jeder Versuch, die Methoden anderer Specialgebiete der theoretischen Forschung — der Jurisprudenz, der Physiologie, der Geschichtsphilosophie u. s. w. — kritiklos auf unsere Wissenschaft zu übertragen, muss aber von vorne- herein als ein aussichtsloser, wo nicht gar dilettantenhafter y zurückgewiesen werden.

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Wird dieses Ziel erreicht sein, dann wird auch eine andere, viel verderblichere, — weil zugleich die Praxis der Forschung tangirende — Einseitigkeit des methodologischen Standpunktes der deutschen Volkswirthe ihr Ende finden. Ich meine die missverständliche Negirung der reinen — richtiger der exacten Nationalökonomie. [FN4: Die Ausdrücke empirische und ex acte Theorie beziehen sich hier nicht auf die Erkenntnisswege, sondern auf die Erkecntnissziele der Forschung. Es ist die formale Natur der Wahrheiten — der „empirischen“ und der „exacten“ Gesetze — welche dieselben unterscheidet. Die empirische Theorie ist nicht schlechthin das Ergebniss der Erfahrung, während die exacte Theorie die Erfahrung keineswegs zurückweist. Ich habe mich in der obigen Rücksicht der in erkenntnisstheoretischen Werken gebräuchlichen Terminologie an geschlossen. — Gegenüber mehrfachen kritischen Andeutungen, dass ich den Ausdruck „exacte Wissenschaft“ in einem willkürlichen Sinne anwende, sei hervorgehoben, dass über den Begriff einer „exacten Wissenschaft“ in der Logik kein Zweifel besteht, und ich den obigen Ausdruck im wissenschaftlich gebräuchlichen Sinne anwende. Darstellungen blos „empirischer“, wenn auch auf noch so genauer (etwa auf statistischer!) Grundlage beruhender Gesetze, oder aber gar die Geschichte und die Statistik selbst, als „exacte Wissenschaften“ zu bezeichnen, war bis auf unsere historischen Volkswirthe gänzlich ungebräuchlich. Es wird von diesen letzteren der Begriff einer „exacten Wissenschaft“— wie ja doch leicht zu constatiren ist — missverstanden. Vgl. E. Sax, Grundlegung der theoretischen Staatswirthschaft. Wien, 1887. S. 1 (Note).]

Die Feststellung der äusseren Regelmässigkeiten in der Coexistenz und in der Aufeinanderfolge der Phänome — der „expirischen Gesetze“ derselben — ist, gleichwie auf allen übrigen Gebieten der realen Welt, so auch auf jenem der Volkswirthschaft eines der wichtigsten Erkecntnissziele der theoretischen Forschung. Nur die grösste Einseitigkeit — eine Einseitigkeit gleich jener, welche ich den principiellen Gegnern der reinen Nationalökonomie zum Vorwurfe mache, vermöchte dies zu leugnen. Ich wenigstens habe das Streben, die empirischen Gesetze der Volkswirthschaft festzustellen, als eine der beiden Grundrichtungen der theoretischen Forschung auf dem Gebiete unserer Wissenschaft bezeichnet, auch die Natur der obigen Erkenntnissrichtung so eingehend dargelegt, dass ich in dieser Rücksicht jedes Missverständniss, nebenbei gesagt, auch die Nothwendigkeit einer jeden Vermittlung zwischen meinem Standpunkte und jenem der Empirie von vornherein [126] ausgeschlossen gedacht habe. [FN5: Vgl. meine Untersuchungen über die Methode, S. 31 ff., 46 ff., 49 ff., und „Die Irrthümer des Historismus“, S. 18 ff.] Was ich bekämpfte, war jene Einseitigkeit, welche nur gewisse — speciell mit Geschichts- studien verknüpfte — besondere Zweige der empirischen Theorie, beziehungsweise nur die Geschichte selbst, als berechtigte Ziele nationalökonomischer Forschung anerkennt. Ich habe den einseitigen Historismus in der empirischen Theorie zurückgewiesen, jene Einseitigkeiten der methodologischen Wortführer unserer historischen Volkswirthe, deren Bethätigung selbst die Anhänger des Empirismus im Schönberg’schen Handbuche durch die That zurückweisen. Es ist für mich eine aufrichtige Genugtuung, mich in der obigen Rücksicht im Einklänge mit meinen deutschen Fachgenossen zu wissen.

Was meinen methodologischen Standpunkt von jenem der Mehrzahl dieser letzteren tatsächlich unterscheidet, ist ein wesentlich anderes. Der entscheidende Differenzpunkt liegt in der von mir festgehaltenen Meinung, dass neben den Erkennt- nisszielen der empirischen Theorie — neben dem Streben nach Feststellung der äusseren Regelmässigkeiten im Wesen und in den Relationen der volkswirtschaftlichen Erscheinungen — noch eine Reihe von Aufgaben besteht, deren Lösung gleichfalls der theoretischen Nationalökonomie obliegt, von Aufgaben indess, welche von jenen der empirischen Theorie wesentlich verschieden sind und der reinen Theorie zufallen. Es ist meine Meinung von der Unzulänglichkeit des Empirismus in Rücksicht auf eine Reihe von grundlegenden Problemen der theoretischen Volkswirtschaftslehre, die Meinung von der selbstständigen Berechtigung der reinen Nationalökonomie, was meinen Standpunkt, im Gegensätze zu jenem zahlreicher deutscher Fachgenossen, charakterisirt.

Die modernen Naturwissenschaften sind zu ihrer heutigen Entwicklung gelangt, nicht indem sie sich auf die Feststellung der äusseren Regelmässigkeiten in den Relationen der Naturphänomene — auf die Feststellung der „empirischen Gesetze“ derselben — beschränkten, sondern, indem sie neben der Verfolgung dieser wichtigen Aufgabe, die innere Gesetzmässigkeit der Naturerscheinungen zu erforschen — die complicirten [127] Phänomene der Natur uns als ein „Gewebe innerer Gesetzmässigkeit“ zum Verständnisse zu bringen unternahmen. Das Streben nach Feststellung des inneren Zusammenhanges der Erscheinungen und der exacten Gesetze derselben hat die Naturwissenschaften zu ihrer heutigen Grösse geführt.

Diese, die exacte Richtung der theoretischen Forschung, ist nun aber keine der Naturforschung ausschliesslich eigentümliche; sie ist eine universelle, in der Veranlagung des menschlichen Geistes begründete Richtung wissenschaftlichen Erkenntnissstrebens, eine solche, welche der theoretischen Forschung auf allen Gebieten der Erscheinung3welt gemein ist. [FN6: Vgl. Philippovich, a. a. 0„ S. 18 ff.] Nicht die missverständliche Zurückweisung derselben auf dem Gebiete der Volks Wirtschaft, nur die der Eigenart der volkswirtschaftlichen Erscheinungen entsprechende Eigenart derselben, vermag das Ziel unserer methodologischen Bestrebungen zu sein.

So verschieden nun die Erscheinungen der Natur und jene der menschlichen Thätigkeit sind, so verschieden ist auch die exacte Richtung der theoretischen Forschung auf den beiden obigen Hauptgebieten der Erscheinungswelt. Es wäre ein grober methodologischer Missgriff, wollten wir die Erkenntnissziele und die Methoden der exacten Naturforschung — der reinen Chemie, der reinen Mechanik u. s. f. — schlechthin und kritiklos auf jene theoretischen Wissenschaften übertragen, deren Objecte menschliche Handlungen überhaupt und wirth- schaftliche Handlungen insbesondere sind.

Kein geringerer Missgriff ist es indess, die exacte Forschung auf dem Gebiete der Menschheitserscheinungen überhaupt und der Volkswirtschaft insbesondere schlechthin zu negiren. Es muss vielmehr unsere Aufgabe sein, die Eigenart der Wirthschaftserscheinungen und die Rückwirkung derselben auf die Erkenntnissziele und die Methoden der exacten theoretischen Forschung klar zu stellen.

Was die empirische Richtung der theoretischen Forschung uns bietet, ihren Erkenntnisszielen und ihren Methoden nach zu bieten vermag, sind die empirischen Erscheinungsformen und die empirischen Gesetze der Wirthschaftsphänomene. Sie [128] lehrt uns die empirischen Erscheinungsformen der realen Wirth- schaftsphänomene, welche ja in Wahrheit zum Theile unwirtschaftliche Erscheinungen, sie lehrt uns die äusseren Regelmässigkeiten zwischen den Wirthschaftsphänomenen, welche nicht minder zum Theile solche der Unwirthschaftlich- keit sind. Die realen Preise, die realen Grundrenten, Capital- zinsen, die realen Einkommenserscheinungen sind nicht das Ergebniss strenger Wirthschaftlichkeit, sondern ein solches wirthschaftlicher und unwirthschaftlicher Factoren (von Irr- thum, Willensgebrechen, altruistischen Tendenzen u. s. f.).

Indem wir die rationalen Erscheinungsformen der menschlichen Wirthschaft, die rationalen Zweckbeziehungen der letzteren und ihre Gesetze — die Erscheinungsformen und die Gesetze der Wirthschaftlichkeit [FN7: Vgl. meine Unters, ü. d. Methode, S. 264ff. und H. Dietzel, „Beiträge zur Methodik der WirthschaftsWissenschaft“ in Conrad’s Jahrb. 1834, IX, 195 ff.] — zu erforschen suchen, verfolgen wir ein Erkennt- nissziel, welches von jenem der empirischen Theorie nicht unwesentlich verschieden, indess denn doch kein Phantom, sondern das der Eigenart der Menschheitserscheinungen überhaupt und der Wirthschaftsphänomene insbesondere adäquate Erkenntnissziel der exacten Richtung der theoretischen Forschung auf dem obigen Gebiete der Erscheinungswelt ist.

Wir gewinnen auf diesem Wege keine „empirischen Gesetze“, indess Erkenntnisse von der höchsten Bedeutung für das Verständniss der realen Volkswirthschaft [FN8: Vgl. L. Cossa, Primi Elementi, 1885, S. 9 ff.] — den Massstab und die Regel für unser Urtheil über die, vom Standpunkte der Wirthschaftlichkeit, zum Theile ja irrationalen realen Wirthschaftsphänomene und ihre aus dem obigen Grunde keineswegs strengen, sondern schwankenden Relationen.

Wir Menschen sind auf dem Gebiete der Wirthschaft eben nicht nur beobachtende, wenn ich so sagen darf histo- risirende, sondern auch handelnde Wesen. Die Ergebnisse der exacten Nationalökonomie sind für unser Urtheil und für unser Handeln zugleich ein Leitstern der Wirthschaftlichkeit, eine Directive, welche uns die blosse Beobachtung nicht zu bieten vermag. Auch die Bedeutung der exacten Nationalökonomie [129] für das Leben ist eine andere, aber darum keine geringere, als jene der empirischen Theorie.

Wenn behauptet wird, dass die Erscheinungsformen und die Gesetze der exacten nationalökonomischen Theorie mit den Erscheinungsformen und den Relationen der realen Wirth- schaft nichUgenau übereinstimmen, so ist dies richtig, ja selbstverständlich. Es theilt die exacte Nationalökonomie dies Schicksal nämlich mit allen exacten Wissenschaften.

Die Zurückweisung der reinen Nationalökonomie als be- rechtigstes Ziel wissenschaftlicher Forschung ist ein Missverständnis, kein geringeres, als jenes einzelner einseitiger Vertreter der reinen Nationalökonomie, welche in der empirischen Theorie nur eine „brutale Empirie“ und überhaupt keine Wissenschaft, oder aber in den exacten Erscheinungsformen und den exacten Gesetzen ein Gegenbild der vollen empirischen Wirklichkeit erkennen.

Die Wahrheit liegt offenbar in der Mitte, in der Anerkennung der Eigenart und Bedeutung beider Richtungen theoretischer Forschung. Dieser Standpunkt bedarf keiner weitern „Vermittlung“.

Ist es übrigens denn wirklich wahr, dass der Empirismus in der nationalökonomischen Theorie die reine Nationalökonomie thatsächlich zurückweist? Auch in dieser Rücksicht sind die Vertreter der obigen Richtung — wie mir scheint — in einer Selbsttäuschung befangen. Sie negiren zwar grundsätzlich die Berechtigung der exacten Forschung auf dem Gebiete der theoretischen Nationalökonomie; ihre systematischen Darstellungen sind indess voll von Ergebnisssen derselben. Nicht die exacte Nationalökonomie, nur die selbständige Forschung auf dem Gebiete dieser letzteren wird von zahlreichen deutschen Fachgenossen perhorrescirt; an die Stelle der selbständigen Untersuchung ist in der obigen Rücksicht aber der Eklekticismus getreten. Die Methodologie der historischen Schule täuscht in Wahrheit über diesen Zustand, auf dessen Verderblichkeit für die Entwicklung unserer Wissenschaft — auch für die empirische Theorie — nicht erst hingewiesen zu werden braucht, nurhinw T eg; in Wahrheit bedeutet die grundsätzliche Negirung der reinen Nationalökonomie Seitens der Mehrzahl der deutschen Fachgenossen aber nur einen [130] Stillstand in der exacten Forschung, eine Lücke in der national- ökonomischen Untersuchung, welche in ihrer ganzen Verderblichkeit sofort zum Bewusstsein der gelehrten deutschen Volks- wirthe gelangen muss, sobald nur der Glaube an die Vollkommenheit der von A. Smith begründeten nationalökonomischen Theorie erschüttert und die Unzulänglichkeit des Eklekticismus in der obigen Rücksicht erkannt sein wird. Dann wird aber auch die Zeit kommen, wo die so hingebungsvollen Bestrebungen der Bearbeiter der exacten Nationalökonomie: eines Boehm, Walras, Wieser, Pierson, Marshall, Sidgwick, eines Gossen, Jevons und Anderer zu Ehren kommen und jene Beachtung finden werden, welche so ernsten, auf die Reform der reinen Theorie hinzielenden Forschungen gebührt.

Auch das Schönberg’sche Handbuch, diese so rühmliche Leistung deutschen Gelehrtenfleisse3 und deutscher Sachkunde, wird sich diesem Einflüsse nicht zu entziehen vermögen. Ja, der dauernde Erfolg dieses literarischen Unternehmens, scheint mir, wird dadurch bedingt sein, dass seine Bearbeiter sich deö heutigen Zustandes der deutschen Nationalökonomie, ihrer Vorzüge, aber auch ihrer Gebrechen vollständig bewusst werden, der Vorzüge und Mängel, welche sich in dem Schönberg- schen Handbuche deutlicher als in irgend einem auf deutschem Boden erschienenen nationalökonomischen Werke der letzten Decennien widerspiegeln.

Wien, im März 1887.

 

Druck von Gottlieb Gistel & Comp., Wien, I., Augustineratrasse 12.