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Die Entwicklung des Gutsherrlich-Bäuerlichen Verhältnisses in Galizien (1772-1848) (Wien und Leipzig: Franz Deuticke, 1902).http://davidmhart.com/liberty/Books/1902-Mises_Entwicklung/Mises_Entwicklung1902-ebook.html
,Ludwig Von Mises, Die Entwicklung des Gutsherrlich-Bäuerlichen Verhältnisses in Galizien (1772-1848) (Wien und Leipzig: Franz Deuticke, 1902). Wiener Staatswissenschaftliche Studien herausgegeben von Edmund Bernatzik und Eugen von Philippovich in Wien. Vierter Band. Zweites Heft.
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[v]
Die vorliegende Arbeit, die in dem Zeitraume von Ostern 1901 bis Ostern 1902 auf Anregung und unter Leitung meines verehrten Lehrers Herrn Professor Dr. Karl Grünberg in dessen Seminar an der Wiener Universität entstanden ist, will die Entwicklung des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in Galizien von dem Zeitpunkte der Vereinigung dieses Landes mit Österreich (1772) bis zur Grundentlastung (1848) zur Darstellung bringen. Hiebei mußte, sowohl wegen der Verschiedenheit der Quellen als auch aus sachlichen Gründen, die Agrargesetzgebung der Republik Krakau, deren Gebiet im Jahre 1846 an Österreich kam, ausgeschieden und einer besonderen Arbeit vorbehalten werden.
Bei der Suche nach Materialien fand ich in den Archiven und Bibliotheken freundliches Entgegenkommen. Zu besonderem Danke fühle ich mich verpflichtet gegenüber den Herren Prälat Dr. Karl Schrauf, k. und k. Sektionsrat im Haus-, Hof- und Staatsarchiv; Regierungsrat Dr. Thomas Fellner, k. k. Archivdirektor, Dozent Dr. Heinrich Kretschmayr, k. k. Archivar, und Dr. Franz Wilhelm, k. k. Archivkonzipist im Ministerium des Innern; Dr. Franz Kreyczi, k. und k. Archivar im Hofkammerarchiv.
Vor allem aber sei es mir gestattet, Herrn Professor Dr. Karl Grünberg, der mich bei meiner Arbeit in liebenswürdigster Weise unterstützte, meinen innigsten Dank auszusprechen.
Wien, im August 1902.
Der Verfasser.
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Bei der ersten Teilung Polens (1772) fiel an Österreich, abgesehen von der Zips, ein Gebiet von 1420·5 österr. Quadratmeilen mit einer Bevölkerung von rund 2,600.000 Seelen. Es waren dies Teile der Woiewodschaften Krakau, Sandomir, Lublin, Wolhynien und Podolien, dann die Woiewodschaften Belz und Rothreußen, das Land Halicz, ein Teil des Landes Chelm und die Herzogtümer Auschwitz und Zator. In der geschichtlichen Entwicklung und administrativen Einteilung Polens hatte dieses Gebiet kein in sich geschlossenes Ganze gebildet. Erst nach seiner Einverleibung in Österreich, die offiziell als Revindikation bezeichnet wurde, erhielt es unter Auffrischung historischer Reminiszenzen an die ehemaligen Fürstentümer Halicz und Wladimir den Namen Königreich Galizien und Lodomerien.
Galizien im Sinne von 1772 deckt sich nicht ganz mit dem heutigen Galizien. Denn es umfaßte noch das Gebiet von Zamośc (77·77 Quadratmeilen), das im Schönbrunner Frieden von 1809 an das Großherzogtum Warschau abgetreten wurde. Dagegen wurde das Gebiet von Krakau (21·33 Quadratmeilen) endgiltig erst im Jahre 1846 mit Österreich vereinigt.
Als im Jahre 1795 bei der dritten Teilung Polens ein Gebiet von 883·4 Quadratmeilen an Österreich kam, wurde die neuerworbene Provinz Westgalizien (auch Neugalizien), die schon länger okkuppierte Ostgalizien (auch Altgalizien) genannt. Nach der Wiederabtretung Westgaliziens (1809) kam die Bezeichnung Galizien für das in Rede stehende Gebiet wieder in Gebrauch. Wenn heute noch von Westgalizien im Gegensatze [2] zu Ostgalizien gesprochen wird, so ist damit nur der westliche (am linken Ufer des San gelegene) Teil des Landes im Gegensatze zum östlichen gemeint.
Dieser und jener waren von jeher ethnographisch sowohl als auch politisch geschieden, und die administrative Zweiteilung des Landes, wie sie von 1849 bis 1867 bestand, war durchaus gerechtfertigt. Das linke Ufer des San war immer von Polen bewohnt gewesen, während am rechten Ufer Kleinrussen (Ruthenen) wohnten. Einst haben die Kleinrussen ein unabhängiges, mächtiges und auf einer verhältnismäßig hohen Kulturstufe stehendes Staatswesen gebildet. Erst in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts schlossen sie sich an Polen an, das eben durch die Vereinigung mit Litthauen zum mächtigsten Staate des europäischen Nordostens geworden war. Doch hat die politische Gemeinschaft nur die oberen Stände des ruthenischen Volkes zu entnationalisieren vermocht. Die Bauern haben auch unter polnischer Herrschaft ihr Volkstum und ihren Glauben zu bewahren gewußt. Noch heute besteht ein scharfer Gegensatz zwischen dem von römisch-katholischen Polen bewohnten Westen Galiziens und dem vorwiegend ruthenischen und griechisch-katholischen Osten, ein Gegensatz, der auch in der Volkswirtschaft zum Ausdrucke gelangt.
In den letzten Jahrhunderten des Mittelalters war die Lage der polnischen Bauern recht günstig.
Die furchtbaren Tatareneinfälle, von denen Polen seit 1241 heimgesucht worden war, hatten das ohnehin nur schütter bewohnte Land entvölkert. Sollte der Staat sich von dem schweren Schlage jemals erholen, so mußten fremde Kräfte zu Hilfe gerufen werden. Wie die Dinge damals in Deutschland lagen, fiel es nicht schwer, zahlreiche deutsche Bauern zum Aufgeben ihrer Heimat zu bewegen. So strömten denn seit der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts Scharen von deutschen Ansiedlern nach Polen.
Die Einwanderung richtete sich vornehmlich nach den neugegründeten Städten. Aber ein bedeutender Teil der Kolonisten ging auch auf das flache Land, wo König, Kirche und weltliche Großgrundbesitzer sie mit offenen Armen empfingen. Denn die Deutschen verwandelten ödes, unbebautes Land in fruchtbare [3] Gefilde. Sie brachten eine vollkommenere Technik des Ackerbaues mit, die den Ertrag des Bodens erhöhte und die Einkünfte der Grundherren bedeutend steigerte. Diese waren daher bestrebt, auf ihren Gütern möglichst viele deutsche Dörfer anzulegen, und die schon bestehenden polnischen mit deutschem Rechte auszustatten [2].
Das Magdeburger Recht, mit dem die überwiegende Mehrzahl dieser Dörfer bewidmet wurde, war ein Stadtrecht und für die Bedürfnisse großer, Handel und Gewerbe treibender Gemeinwesen bestimmt. Nichtsdestoweniger bewährte es sich in seiner Anwendung auf bäuerliche Ansiedlungen vortrefflich. An der Spitze einer jeden Gemeinde stand der Schultheiß (scultetus, poln. sołtys). Er war der Führer oder, richtiger gesagt, der Unternehmer der Dorfgründung. Ihm waren vom Grundherrn Privilegien verliehen worden. Er hatte die Ansiedler in Deutschland ausgewählt und an Ort und Stelle gebracht. Unter seiner Leitung war der Wald gerodet, das Ackerland vermessen und unter die Bauern verteilt worden.
Für seine Mühewaltung wurde der Schulze reichlich belohnt. Er erhielt in dem neugestifteten Dorfe mehrere Hufen als Erbeigentum mit dem auf dem Gute haftenden Rechte, das zugleich Pflicht war, der Gemeinde Recht zu sprechen. Ihm gehörte ferner alles Land auf der Ackerflur, das nicht unter die Kolonisten verteilt worden war (extremitates agrorum, alias obszary, ubi cmethones non possunt locari), dann der Marktplatz des Dorfes (vilagium, poln. nawsie), ferner Wiesen und Gärten. Er hatte das Recht, auf seinen Gründen Gärtner, Häusler, Handwerker, ja selbst Bauern anzusetzen, sowie das Recht, ein Wirtshaus und eine Mühle zu errichten – von sonstigen Nutzungen an Flüssen und Wäldern des Herrn ganz abgesehen. Von allen Abgaben und Zinsen, die die Bauern dem Grundherrn entrichteten, empfing er den sechsten Groschen und de omni re iudicata den dritten Groschen. So ausgestattet, war der Schulze vollauf befähigt, die Rechte der Dorfinsassen dem Grundherrn gegenüber ebenso wie die des Grundherrn der Gemeinde gegenüber in entsprechender Weise zu wahren [3].
[4]
Auch die Bauern (cmethones, kmiećie) befanden sich in rechtlich gesicherter Stellung. Sie entrichteten nach Verlauf einer bestimmten Reihe von Freijahren an den Grundherrn mäßige Zinse, selten in Geld, häufiger in Getreide. Der Gutsherr durfte sie nicht von ihrer Stelle entfernen, aber auch sie durften das Dorf nicht verlassen, ohne vor ihrem Abgang das Gut an einen tauglichen Wirt übergeben und die Saat bestellt zu haben [4].
Nur in drei Fällen stand es den Bauern frei, fortzuziehen, auch ohne diesen Bedingungen nachgekommen zu sein: wenn der Herr der Frau oder Tochter eines Bauern Gewalt angetan hatte, wenn die Bauern durch die Schuld des Herrn um Hab und Gut gekommen waren, oder wenn der Herr excommunicirt worden war [5].
Im 16. Jahrhundert wurden in Galizien zahlreiche Kolonien walachischer Bauern zu walachischem Rechte (iure valachico) gegründet. Diese Dörfer unterschieden sich nur wenig von den deutschen Ansiedlungen. Auch an ihrer Spitze stand ein Schulze (kniaz), der ungefähr dieselben Rechte und Pflichten hatte wie in den deutschen Gemeinden [6].
Die Haupteinnahmsquelle des polnischen Großgrundbesitzers bildeten im 13., 14. und noch im 15. Jahrhundert die Abgaben der zinspflichtigen Bauern. Seine eigene Wirtschaft, die er auf dem Gutshofe (dwór = Hof oder fólwarek von dem deutschen Vorwerk) betrieb, war nur bestimmt, seinen Hausbedarf zu decken. Doch seit dem 15. Jahrhundert ändern sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen der ländlichen Verfassung. Bis dahin hatte Polen kein Absatzgebiet für sein Getreide gefunden. Das wird jetzt anders. Schon seit dem Ende des 14. Jahrhunderts [5] exportiert Polen über Danzig einiges Getreide nach England, Frankreich und den Niederlanden. Noch wirken aber störend auf den Verkehr die unsicheren Rechtsverhältnisse an der unteren Weichsel, wo seit Jahrhunderten zwischen Ordensrittern und Slaven furchtbare Kämpfe wüten. Zwar sucht Polen durch Verträge mit dem deutschen Orden für seinen Export günstige Bedingungen zu erwirken, aber erst als die westpreußischen Städte, unter ihnen Danzig, Memel und Elbing, im Frieden von Thorn (1466) endgiltig unter polnische Herrschaft gekommen sind, wird die Weichselschiffahrt frei. Die Nachfrage des Auslandes nach polnischem Getreide wird größer. Der polnische Handel nimmt einen großartigen Aufschwung. Dieser wirtschaftliche Erfolg wird jedoch mit der Knechtung eines Millionen Seelen zählenden Standes erkauft [7].
In dem Augenblicke, da es lohnend wurde, Getreide für den Markt zu produzieren, erwachte in den Grundherren das Verlangen nach Vergrößerung ihres Eigenbetriebes. Dieses Streben begegnete jedoch mannigfachen Schwierigkeiten. An "Bauernlegen" war nicht zu denken, und hätte auch der Grundherr auf diese oder eine andere Weise – etwa durch Rodung – das Hofland vergrößert, es hätten ihm die Arbeitskräfte gefehlt, den größeren Besitz zu bewirtschaften. Vor allem aber hatte der Adel bei seinen Expansionsbestrebungen mit dem energischen Widerstand der Schulzen zu rechnen, die nahe daran waren, den Grundherren allen Einfluß auf die Dorfgemeinde zu entziehen. Die Schulzen von ihren Gütern zu verdrängen, wurde daher jetzt zunächst die Losung der Grundherren. Im Laufe des 15. Jahrhunderts gelang es ihnen auch, meist durch zwangsweise Auskaufung, seltener durch freie Verträge die Schulzengüter in ihren Besitz zu bringen. Auch auf den königlichen Gütern wurden die Schulzen ausgekauft, nur daß die Soltyseien hier nicht mit den Starosteien verbunden, sondern als Tenuten an Adelige zu lebenslänglichem Besitz verliehen wurden. Nur wenigen Schulzen gelang es, sich im Besitze ihrer Güter zu erhalten. Durch fortgesetzte Erbteilungen entstanden in späterer Zeit aus diesen Gütern die sogenannten adeligen Gemeinden [8].
[6]
Erst nachdem die Schulzengüter mit dem Gutshofe vereinigt worden waren, konnten die Grundherren an die Einrichtung eines Großbetriebes schreiten. Mit dem Schulzengut und der Schulzenwürde war auch das Richteramt an sie gekommen, was ihre Macht über die Bauern erhöhte. Das weitläufige Ackerland des Schulzengutes bot die räumliche Unterlage für den erweiterten Eigenbetrieb. Von allen Rechten des Schulzen kam aber keines den Grundherren erwünschter als der Anspruch auf Fronarbeit der Bauern, der ihnen bis dahin gefehlt hatte. Freilich reichten diese an und für sich unbedeutenden Leistungen nicht hin, den gesteigerten Bedarf an Arbeitskräften, den der Übergang zur Gutsherrschaft erforderte, zu befriedigen. So finden wir denn auch schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts die Gutsherren bestrebt, die Lasten der bäuerlichen Bevölkerung zu erhöhen. Aber je schwieriger die Lage der Bauern wird, desto leichter entschließt sich der Bauernsohn, von dem ihm zustehenden Rechte der Freizügigkeit Gebrauch zu machen und nach der Stadt zu ziehen. Das war nun ganz und gar nicht die Absicht der Gutsherren gewesen, die die Arbeitskraft auch nicht eines einzigen Hintersassen missen wollten. Sie gingen also daran, die Freizügigkeit der Bauern einzuschränken und schließlich völlig aufzuheben. Im Jahre 1496 wurde durch den Reichstag gesetzlich festgelegt, daß fortan nur einer von den Söhnen eines Bauern das Dorf verlassen dürfe. Auch dieser konnte übrigens ohne herrschaftliches Abfahrtszeugnis nicht abziehen, sollte er nicht als Flüchtling verfolgt und zurückgeholt werden [9]. In den nächsten Jahren folgte noch eine Anzahl von Gesetzen, die die Freizügigkeit der bäuerlichen Bevölkerung einschränkten, und schon um das Jahr 1510 war ihre Schollenpflicht allgemeines Gesetz geworden. Zwar stand es dem Landmann noch frei, sich um 10 Mark auch gegen den Willen des Herrn loszukaufen, im Laufe des 16. Jahrhunderts [7] stieg jedoch die Loskaufsumme für eine Bauernfamilie auf 500 Mark [10].
Als die Schollenpflicht der Bauern durchgeführt war, begann der Adel die Robotsschuldigkeiten durch gesetzliche Maßnahmen zu erhöhen [11]. Bald aber wurde dieser Weg aufgegeben, da er nicht zum gewünschten Ziele führte. Denn auf den meisten Gütern fanden sich noch Verträge zwischen Grundherr und Grundhold, und die Bauern bestanden auf ihrem Rechte, das sie bei Gericht durchzusetzen bemüht waren. Die Gutsherren wählten also ein anderes Mittel: dem Bauer sollte das Recht entzogen werden, gegen seinen Herrn zu klagen. Zuerst wurde der Bauer entgegen dem bisherigen Brauche durch mehrere Reichstagsbeschlüsse unter die ausschließliche Gerichtsbarkeit des Gutsherrn gestellt. Die Praxis der Gerichte sprach ihm dann das Recht ab, den Herrn gerichtlich zu belangen. Am 30. August 1518 wies das königliche Assessorialgericht in Krakau die Klage eines Landmannes wegen widerrechtlicher Nötigung zur Robot mit der Begründung zurück, daß die Untertanen ihre Herren nicht beim König verklagen dürfen [12].
Mit der allgemeinen Annahme dieses Grundsatzes war die große Umwälzung, durch welche die ländliche Bevölkerung hörig wurde, vollendet. Die Grundherren hatten von nun an unumschränkte Macht über die Bauern. Von ihrem Willen allein hing die Verfügung über deren Leben und Tod, Knechtschaft und Freiheit, Eigentum und Arbeitskraft ab. Und es ist nur die Feststellung eines bereits geltenden Rechtszustandes, wenn der Konvokations-Reichstag im Jahre 1573 erklärt, daß jeder Herr das Recht habe, seine ungehorsamen Untertanen "tam in spiritualibus, quam in saecularibus" nach seiner Meinung zu strafen [13].
[8]
Zwar stand es jetzt im Belieben des Gutsherrn, dem Bauern nach Willkür größere Lasten aufzubürden, aber er machte trotzdem von diesen Befugnissen nicht vor dem Ende des 17. Jahrhunderts ausgiebigen Gebrauch. Denn noch stand dem Bauer ein Weg offen, sich allzugroßen Anforderungen und Bedrückungen zu entziehen: die Flucht. Im Osten der Republik dehnte sich eine unermeßliche, nur spärlich bevölkerte Ebene, wo von Gutsherrschaft noch keine Rede war und sein konnte. Dort, wo das Ackerland aus Mangel an Arbeitskräften meist brach lag, fehlte auch die Gelegenheit zu marktmäßiger Verwertung der Bodenerzeugnisse, da der Weg zum schwarzen Meere durch Türken und Tataren versperrt war. Darum begnügte sich der Grundherr in jenen Gegenden mit den Zinsungen der Grundholden, ohne daran zu denken, einen eigenen Großbetrieb einzurichten. Der polnische Bauer aber wußte genau, daß er jederzeit dorthin fliehen könne. Dort wurde er von den Grundherren stets mit offenen Armen empfangen und unter günstigen Bedingungen angesiedelt. Der Gutsherr im Westen musste sich also hüten, durch übertriebene Strenge seine Untertanen zur Flucht zu reizen. Zwar war in einer Reihe scharfer Gesetze das Verbot ausgesprochen worden, flüchtige Bauern zu unterstützen, bei sich aufzunehmen oder anzusetzen; allein die Gerichte waren unvermögend, diesen Gesetzen Geltung zu verschaffen. Ja, die Ohnmacht der Behörden war so groß, daß die flüchtigen Bauern sogar in derselben Provinz bleiben konnten. Dann zogen sie als "hultaje" oder "ludźi luźni" im Lande umher, und nur zur Zeit der Ernte verdingten sie sich als freie Arbeiter [14]. Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde den Bauern jede Möglichkeit zur Flucht benommen. Nach langen Kriegsjahren kehrte der Frieden wieder, im Inneren wurde die Ordnung einigermaßen wieder hergestellt, und die Schollenpflicht der Bauern wenigstens in den westlichen Teilen des Staates strenge durchgeführt. In den östlichen Provinzen allerdings entzogen sich noch in den ersten Jahren der österreichischen Herrschaft die Untertanen den Bedrückungen von Seiten des Gutsherrn durch die Flucht [9] nach Podolien und Wolhynien. Im Westen aber erlangten jene Gesetze, die im 16. Jahrhundert erlassen worden waren, unbeschränkte Geltung, und die bäuerlichen Verhältnisse nahmen jene Gestalt an, in der sie bis zum Untergang des selbständigen polnischen Staatswesens beharrten [15].
Nach der Lehre der polnischen Juristen setzt sich der polnische Staat aus drei Ständen zusammen: König, Senat und Adel [16]. Was außerhalb dieser drei Stände ist, hat keinen Einfluß im Staate und keinen Anteil an der Regierung [17]. Tatsächlich haben aber auch König und Senat nicht viel zu sagen. Die ganze Macht liegt vielmehr beim Adel, und zwar beim begüterten Adel. Rechtlich ist der gesamte Adel (szlachta) gleich. De facto aber besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen den begüterten und den unbegüterten Edelleuten.
Dieser einzig berechteten Klasse gegenüber stehen die mit weitaus geringeren Rechten ausgestatteten Bürger und die völlig rechtlosen Bauern [18].
Jeder auf dem flachen Lande Wohnende ist, wofern er nicht selbst von Adel oder ein privilegierter Freibauer ist, Untertan (poddany) des Gutsherrn. Nicht nur der Bauer und seine Familie, auch Häusler und Innmann, Knecht und Magd sind untertänig; ja sogar die Söhne der ruthenischen Popen, wenn sie nicht vor dem 15. Lebensjahre einen nichtbäuerlichen Beruf ergriffen haben [19].
[10]
Die Untertänigkeit ist als Standeseigenschaft erblich [20], aber die Geburt von untertänigen Eltern ist nicht die einzige Art ihrer Entstehung. Ein freier Mann wird durch Verheiratung mit einer Untertanin ebenfalls untertänig [21]. Auch durch Annahme eines untertänigen Grundes wird Untertänigkeit begründet [22]. Schließlich wird jeder schollenpflichtig, der ein Jahr lang auf Grund eines mit der Gutsherrschaft geschlossenen Vertrages in einem Dorfe wohnt [23]. Die Untertänigkeit erlischt durch Eintritt des Untertans in einen religiösen Orden, durch Empfang der Weihen und durch Erlangung des Doktorates, ferner durch Entlassung und endlich durch Nobilitierung. Der Gutsherr kann den Untertanen auf zweierlei Art entlassen: entweder durch einen Freilassungsbrief oder durch Erklärung vor den Woiewodschaftsakten [24]. Ohne Einwilligung des Herrn darf kein Bauer geadelt werden [25].
Der Untertan ist im Interesse des landwirtschaftlichen Großbetriebes des Gutes in seiner Freiheit mannigfachen Beschränkungen unterworfen.
Er ist vor allem an die Scholle gebunden, glebae adscriptus. Verläßt er den Gutsbezirk ohne Erlaubnis des Herrn, so hat dieser das Recht, ihn zu verfolgen, ihn zu fassen, wo er ihn [11] findet, beziehungsweise seine Auslieferung zu verlangen [26]. Durch strenge Gesetze trachtet man danach, diesem Rechtssatze im Inneren des Landes Geltung zu verschaffen. Durch wechselseitige Auslieferungsübereinkommen, die mit dem Auslande getroffen wurden, ist es möglich geworden, Untertanen, die in benachbarte Länder geflohen sind, zurückzufordern [27]. Solche Übereinkommen werden umso leichter geschlossen, als nicht nur polnische Bauern ins Ausland fliehen, sondern noch bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts Tausende von Bauern aus Preußen, Hinterpommern und der Neumark [28], aus Schlesien [29], aus Ungarn, aus der Moldau und aus Russland [30] nach Polen flüchteten.
Will ein Untertan außerhalb des Gutsbezirkes eine Ehe eingehen, so bedarf er dazu der Erlaubnis des Gutsherrn. Einem Manne wird diese Bewilligung niemals erteilt, den Bauernmädchen wird sie jedoch nicht verweigert. Dafür hatten diese ursprünglich meist einen Marderbalg (kuniczne) an die Herrschaft zu entrichten. Die Naturalleistung des Marderbalges ist jedoch im 18. Jahrhundert allgemein durch eine von der Herrschaft von Fall zu Fall vorgeschriebene, entweder in Geld oder in Naturalien zu entrichtende Taxe ersetzt. Die Höhe dieser Abgabe ist nicht [12] überall gleich. Bald wird ein Kalb gefordert, bald Geflügel oder Feldfrüchte. Die Geldleistung beträgt meist acht Gulden polnisch. Hier und da werden auch beträchtlich höhere Beträge gefordert, deren Bezahlung den Untertanen unmöglich ist. Auf vielen Gütern aber, besonders auf königlichen, ist die kuniczne ganz abgestellt worden, und wird den Bräuten freier Abzug nach allen jenen Dominien gewährt, die Reziprozität üben [31].
Der Schollenpflicht des Untertanen entspricht kein Recht an der Scholle. Der Untertan kann also vom Gute getrennt, auf ein anderes, demselben Herrn gehöriges Gut versetzt werden, oder auch durch Kauf, Tausch oder Schenkung in das Eigentum eines anderen Gutsbesitzers übergehen. In der Regel wechselt der Untertan allerdings seinen Herrn nur mit dem Gute, aber auch das Gegenteil trifft nicht allzu selten ein. Kein Gesetz tritt dem Menschenhandel entgegen [32].
Der Untertan besitzt weder die aktive, noch die passive Prozeßfähigkeit. Nicht er klagt, sondern für ihn die Herrschaft, wie auch sie in Vertretung ihres Untertans belangt wird [33].
[13]
Der Herrschaft gegenüber genießt der Untertan der Privatgüter keinerlei Rechtsschutz, vor keinem Gericht, vor keiner Behörde kann er über erlittene Unbill Beschwerde erheben [34].
Grundsätzlich verschieden von der Stellung der Privatbauern ist die der Domänenbauern [35]. Diese können wider die zeitlichen Besitzer der königlichen Güter vor den Referendargerichten Klage führen. Seit Stanislaus August werden sie vor diesen Gerichten unentgeltlich durch Armenadvokaten (patrony ludzi ubogich) vertreten, die man gewissermaßen mit den österreichischen Untertansadvokaten vergleichen kann. Doch ist auch dieser Rechtsschutz unwirksam, da die Gerichte ausschließlich mit Edelleuten besetzt sind, die ihren Standesgenossen, den zeitlichen Besitzern, auf alle mögliche Weise förderlich sind. Auf den Kirchengütern mangelt den Untertanen gleichfalls das Beschwerderecht. Schon im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts haben sie das Recht der Appellation an die Kirchenoberen, das ihnen früher zustand, verloren [36].
Die hohe und die niedere Gerichtsbarkeit über die Untertanen steht ausschließlich dem Herrn zu. Er schaltet nach Belieben über Leben und Tod der Untertanen [37].
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Nur wenn ein Mann nichtadeligen Standes einen Bauer tötet, wird gegen den Übeltäter mit Kapitalstrafe vorgegangen. Tötet aber ein Edelmann einen fremden Bauer, so muß er eine Buße von hundert Mark erlegen, die zur Hälfte dem Herrn des Getöteten, zur Hälfte seinen Hinterbliebenen zufällt [38]. Darüber, was zu geschehen habe, wenn der Herr selbst einen seiner Untertanen ermordet, geben die Gesetze keine Auskunft. Gerade dieses Schweigen lehrt aber, daß der Mörder in einem solchen Falle straflos ausgeht. Im Jahre 1768 wird die hohe Gerichtsbarkeit dem Adel entzogen und an die Grodgerichte übertragen. Auch wird festgesetzt, daß die Ermordung eines Bauern fortan nicht mehr durch ein Wehrgeld abgelöst werden könne, sondern daß Kapitalstrafe eintreten solle. Doch wird die wohltätige Wirkung dieses Gesetzes durch den Zusatz aufgehoben, daß der Edelmann nur dann hingerichtet werden solle, wenn er auf frischer Tat ertappt und von sechs Zeugen, von denen mindestens zwei von Adel sein müssen, überführt worden ist. So ist das ius vitae et necis nur dem Scheine nach aufgehoben: in der Tat aber besteht es fort [39].
Ein natürliches Ergebnis der Schollenpflicht sind die Zwangsgesindedienste, die nicht infolge eines Rechtssatzes, sondern lediglich gewohnheitsmäßig bestehen. Doch kommt den Zwangsgesindediensten in Polen nicht entfernt jene Bedeutung zu, die sie in Preußen, Sachsen und Böhmen hatten. In den westlichen Teilen Galiziens war die Gesindehaltung nicht groß, dem Osten war sie fast ganz fremd [40].
Wir sehen also: Der polnische Privatbauer des 18. Jahrhunderts ist leibeigen. Er steht in der absoluten Gewalt des Gutsherrn. Seine rechtliche Stellung ist weitaus schlechter als die des preußischen oder böhmischen Bauers, obschon günstiger als die des russischen.
Die Zeitgenossen sprechen auch von dem Bauer als einem [15] Unfreien (niewolnik) und alle polnischen Juristen setzen die in Polen bestehende Untertänigkeit der römischen Sklaverei gleich [41].
Über den Untertanen steht herrschend die Grundobrigkeit. "Sie vereinigt in sich Herrschaftsverhältnisse und Berechtigungen privat- und öffentlich-rechtlichen Charakters." Sie ist ein kleiner Staat im Staate.
Nach dem Stande der Besitzer zerfallen die Güter in vier Kategorien: In die königlichen, geistlichen, adeligen und die von privilegierten Städten oder von Bürgern solcher Städte besessenen Güter.
Die königlichen Güter zerfallen wieder in zwei Klassen: In die Ökonomiegüter und die Staatsgüter. Die Ökonomiegüter (bona mensae regiae) sind zur Bedeckung des Aufwandes des königlichen Haushaltes bestimmt. Sie werden von Administratoren bewirtschaftet. Die Staatsgüter dagegen werden als panis bene merentium an verdiente Edelleute zu lebenslänglichem Besitz verliehen. Der König ist verpflichtet, diejenigen Güter, die durch den Tod der zeitlichen Besitzer an die Krone heimfallen, wieder auszutun. Die Besitzer dieser Starosteien, [16] Advokatien, Tenuten und Skultetien führen den vierten Teil des Erträgnisses, die sogenannte Quarta, an den Staatsschatz ab [42]. Zu den bestbewirtschafteten Gütern gehören die Kirchengüter. Auch gegenüber den Untertanen ist die Herrschaft des Klerus milder als die der Edelleute. Die weitaus größte Zahl von Gütern befindet sich in Händen des Adels. Doch sind die Bürger auch nicht völlig der Grundbesitzfähigkeit beraubt. Die Bürger von Lemberg und Krakau haben das Recht, Herrschaften zu erwerben und zu besitzen. Auch besitzen einzelne Städte als solche Herrschaften und Untertanen [43].
Die Größe der Güter ist sehr verschieden. Es gibt Güter, die 30 und mehr Dörfer umfassen, und solche, zu denen nur Teile eines Dorfes gehören. Mancher Edelmann herrscht über Tausende von Untertanen, während ein anderer wieder nur eine Bauernfamilie sein eigen nennt. Im Durchschnitte besteht ein Gut aus zwei bis drei Dörfern [44].
Das Gut wird als einheitlicher Wirtschaftsorganismus Schlüssel (klucz) genannt. Als verwaltungsrechtlicher Körper heißt es państwo (Herrschaft, aber auch Staat, Reich). An seiner Spitze steht der Gutsherr (heres = Erbherr oder pan = Herr). Er residiert im Hofe (dwór) Er ist auf dem Gute Gesetzgeber und Richter, oberster Herr der Untertanen, Träger der politischen, administrativen und executiven Gewalt [45]. Alle Macht und alles Recht auf dem Gute geht von ihm aus. Nur aus Gnade läßt er der Dorfgemeinde gewisse Rechte. Er ernennt die Gemeindebeamten und hebt nach Belieben die Urteile des Dorfgerichtes auf, ändert oder bestätigt sie [46]. Innerhalb des Gutsbezirkes ist er ein kleiner König [47]. Er erläßt als Gesetzgeber Vorschriften, die Bestimmungen des geltenden allgemeinen Rechtes abändern oder aufheben.
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Viele Magnaten unterhalten auf ihren Gütern Haustruppen, deren Zahl im Vergleiche zu den königlichen ganz bedeutend ist.
Die Einhebung und Repartierung der Staatssteuern (des podymne = Rauchfangsteuer) obliegt der Grundobrigkeit. Nicht selten ist diese gezwungen, für den nicht leistungsfähigen Bauer die Steuer zu bezahlen [48]. Zur Bestreitung der Kosten der öffentlichen Agenden, die sie besorgen, heben manche Grundbesitzer selbst Steuern ein [49].
Die allgemein vorherrschende Form der Landwirtschaft ist im Polen des 18. Jahrhunderts die Gutsherrschaft [50]. Die Haupteinnahmsquelle des Gutsherrn ist der eigene landwirtschaftliche Großbetrieb. Er produciert für den Markt und besorgt auch selbst den Vertrieb der Erzeugnisse seiner Wirtschaft. Er schickt auf eigene Rechnung Getreide und Vieh nach Danzig und den anderen Ostseehäfen und da der Adel für alle Waren, die er ein- oder ausführt, Zollfreiheit genießt, so wird es ihm leicht, die Konkurrenz nichtadeliger Kaufleute zu schlagen [51].
Trotzdem die wirtschaftliche Politik des Gutsherrn dahin gerichtet ist, seinem Eigenbetriebe die größtmögliche Ausdehnung zu geben, tritt das Bestreben, das Hoffeld auf Kosten des Bauernlandes zu erweitern, erst spät und nur in geringem Ausmaße hervor. Denn noch steht ihm reichlich unbebautes Land zur Verfügung, und seine Bemühungen müssen vor allem darauf abzielen, die kostbare und seltene Arbeitskraft des Bauern beim Gute zu erhalten [52].
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Neben den Einnahmen aus dem eigenen Großbetriebe spielen die Abgaben und Zinsungen der Untertanen, so bedeutend sie auch an und für sich sind, und so schwer es auch den Bauern fallen mag, sie pünktlich zu entrichten, in dem Haushalte des Gutsherrn nur eine untergeordnete Rolle. Doch kommt daneben der Propination eine immer steigende Bedeutung zu.
Das Propinationsrecht (ius propinationis s. propinandi) ist das ausschließliche Recht, gewisse Getränke im Gebiete eines gewissen Ortes zu erzeugen und auszuschenken. Gegenstand des Propinationsrechtes sind Branntwein, Bier, Met, Himbeerwein und Kirschwein. Auf Wein erstreckt sich das Propinationsrecht nicht. Denn der Wein ist, da er im Lande nicht gebaut wird, ein Luxusgetränk, das sich der Adel nicht verteuern will. In der Regel steht die Propination dem Gutsherrn zu, und das Gebiet seiner Geltung deckt sich mit dem Gutsgebiete. Fast jeder Edelmann hat auf seinem Gute eine Branntweinbrennerei errichtet, um von dem Propinationsrechte Vorteil zu ziehen. Ihre große wirtschaftliche Bedeutung hat die Propination erst durch die Verpachtung der Schenken an die Juden erlangt. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts haben nämlich die Juden den Königsschutz aufgegeben, sind von den Städten in die Marktflecken und auf das flache Land hinausgezogen und haben sich ganz unter den Schutz des Adels gestellt. Sie haben überall die Pachtungen (arenda) der Schenken übernommen und die Einkünfte aus der Propination auf eine früher ungeahnte Höhe gebracht. Bei der Abschätzung des Wertes von Landgütern wird nächst den Diensten der Untertanen vor allem das Einkommen aus der Propination in Betracht gezogen. Auf hundert verschiedene Weisen wird der Bauer dazu gebracht, mehr Branntwein zu konsumieren als sein Wunsch ist. Bei Familienfestlichkeiten, bei Kirchweihen, an Sonn- und Feiertagen wird er gezwungen, eine gewisse, von der Obrigkeit vorgeschriebene Menge Branntwein abzunehmen. Strenge ist es ihm verboten, außerhalb des Gutsbezirkes Branntwein zu konsumieren; alles, was er trinkt, muß er von der Obrigkeit beziehen. In jeder Ortschaft wendet der Arendator eine andere Art der Aufdringung des giftigen Getränkes an. So ist im Laufe der Jahrhunderte dem galizischen Landvolke die Trunksucht anerzogen worden [53].
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Innerhalb des Gutsbezirkes darf nur der Gutsherr Mühlen errichten, und die Untertanen sind gehalten, ihr Getreide ausschließlich auf den obrigkeitlichen Mühlen mahlen zu lassen. Selbst der Gebrauch von Handmühlen ist ihnen nur gegen einen an die Obrigkeit zu entrichtenden Zins gestattet [54].
Einst hatte der Schulze von den auf dem Hauptplatze des Dorfes ansässigen Handwerkern und Krämern Abgaben eingehoben. Dieses Recht übt jetzt der Gutsherr als Rechtsnachfolger des Schulzen. Er hält sich auch für berechtigt, allen Handel innerhalb des Dorfes für sein Monopol zu erklären, und nur gegen Entrichtung eines Zinses freizugeben. Er erhebt daher von jeder Ware, die der Bauer in die Stadt zum Verkaufe führt, eine Abgabe, das sogenannte Targowe (targ = der Markt). Er geht aber noch weiter, und zwingt die Untertanen, ihm Waren, die er nicht brauchen oder anbringen kann, zu einem willkürlich bestimmten Preise abzunehmen. Es liegt also eine "Aufdringung obrigkeitlicher Feilschaften" vor, wie andererseits die "Abdruckung unterthäniger Feilschaften" stattfindet, d. h. der Bauer gezwungen ist, gewisse Erzeugnisse nur an die Herrschaft zu verkaufen [55].
Die Abgaben der Bauern sind überaus mannigfaltig, wenn auch nicht besonders hoch. In Geld oder in Naturalien entrichten sie Grund-, Holz- und Weidezinse. Sie prästieren ferner den Geflügelzins für die Erlaubnis, ihr Vieh auf die obrigkeitliche Weide treiben zu dürfen. Als Geflügelzins werden Gänse, Kapaune, Hühner, seltener auch Schwäne geliefert. Die Innleute zahlen für das Recht des Holzklaubens eine besondere Geldabgabe, das Komorne. Auch die untertänigen Handwerker zinsen der Obrigkeit. Die Untertanen sind auch verpflichtet, eine gewisse Menge Himbeeren, Nüsse, Schwämme und Kochenille [56] zu sammeln und abzuliefern. Ferner haben sie der Herrschaft Eier, Honig und Hopfen unentgeltlich darzubringen. Getreidezehent ist selten an die Obrigkeit, öfter an den Pfarrer [20] zu entrichten. Dagegen hat jene Anspruch auf Obst-, Tabak-, Bienen- und Vieh- (besonders Schaf)zehent. Immer kehrt die Klage der Untertanen wieder, daß der Gutsherr stets das Beste, das beste Stück, den besten Stock für sich aussuche. – Von allen Abgaben der Untertanen, die unter den verschiedensten Titeln erhoben werden, hat jedoch nur der Getreidezins (auch Haferzins) eine größere wirtschaftliche Bedeutung [57].
Neben den Abgaben an die Obrigkeit müssen die Untertanen auch an die obrigkeitlichen Beamten Taxen und Sporteln entrichten. So das Waggeld für das Abwiegen der untertänigen Zinsungen, sowie das Quittowe und Groszowe für das Ausstellen von Quittungen über geleistete Dienste.
Zur Verwaltung des Gutes unterhält der Gutsherr ein Wirtschaftsamt (urząd), an dessen Spitze der Amtmann (faktor, rządca, starosta) steht. Die Vorwerke leitet ein Unterverwalter (podstarosta). Doch wird nur der kleinere Teil der Güter von Beamten verwaltet. Der größere Teil ist verpachtet. Während der Gutsherr in Warschau lebt und sich ausschließlich mit Politik beschäftigt, treibt der Pächter, der entweder ein Edelmann oder ein Jude ist, auf dem Gute Raubbau, sowohl mit den Kräften des Bodens und dem Holzbestande, als auch mit den Kräften der Fronbauern. Auch auf jenen Gütern, die in eigener Verwaltung des Gutsherrn stehen, sind Propination und Mühle an Juden verpachtet [58].
Die bäuerliche Bevölkerung des flachen Landes zerfällt in Untertanen und in freie Bauern. Freibauern gibt es nur mehr wenige. Die Schulzengüter sind auf den adeligen Besitzungen gänzlich verschwunden, auf den königlichen Gütern aber sind sie als Tenuten im Besitze von Edelleuten [59].
[21]
Viele Schulzengüter und adelige Güter sind im Laufe der Zeiten durch fortgesetzte Teilungen unter den Nachkommen der früheren Besitzer in kleine Stellen zersplittert worden. Sie bilden jetzt die sogenannten adeligen Dörfer (wsi szlachecki). Hier bebaut der Edelmann mit eigener Hand den Boden; er genießt keinerlei Dominikalrechte und bezieht keine obrigkeitlichen Einkünfte. Neben diesen adeligen Landleuten, die Erbeigentümer ihrer Gründe sind, gibt es noch eine zweite Klasse von adeligen Bauern, die keine eigenen Gründe besitzen, sondern obrigkeitliche Gründe bebauen, die ihnen censititie, d. i. gegen Zahlung von Grundzins eingeräumt wurden. Viele von diesen Zinsedelleuten (szlachta czynszowa) sind auch robotpflichtig. Die "kleinen Edelleute" sind in Galizien überaus zahlreich. Wenn auch rechtlich dem übrigen Adel vollkommen gleichgestellt, sind sie sozial von ihm durch eine tiefe Kluft getrennt [60].
In den westlichen, an Schlesien grenzenden Bezirken sind die Bauern einiger neu gestifteter Dörfer Nutzungseigentümer ihrer Gründe. Hingegen sind die weitaus überwiegende Mehrzahl aller Untertanen der westlichen Hälfte des Landes und alle Untertanen der östlichen nur "Wirte bis weiter". Sie haben keinerlei Recht an dem Boden, den sie bearbeiten. Sie sind, um mit dem amtlichen Sprachgebrauche des 18. Jahrhunderts zu reden, uneingekaufte Dominikalisten. Der Grundobrigkeit steht das uneingeschränkte Verfügungsrecht über die Grundstücke der Untertanen zu. Sie darf sie ihnen nach Belieben entziehen oder gegen andere vertauschen. Auch das Bauernhaus und das gesamte Wirtschaftsinventar, das Vieh und die Ackergeräte, ja auch die Einrichtung der Wohnräume sind Eigentum der Herrschaft, und nichts hindert diese, den Bauer täglich und stündlich aus seinem Besitztume zu verjagen. Das geschieht freilich nur in den seltensten Fällen, denn es widerspricht dem Interesse des Gutsherrn, dessen Streben vor allem dahin gerichtet sein muß, seinem Gute die Arbeitskräfte zu erhalten. Es kommt wohl vor, daß der Gutsherr dem Untertan gute Gründe entzieht und dafür schlechtere gibt, daß er ihm in Zeiten der Not das Vieh wegnimmt, daß er – etwa aus persönlichem Hasse – einen Bauer abstiftet. Die Regel bildet das aber durchaus nicht. [22] Typischerweise werden vielmehr nur schlechte Wirte oder solche, die sich ein Verbrechen haben zuschulden kommen lassen, abgestiftet. Die Mehrzahl der Untertanen dagegen bleibt im lebenslänglichen Genusse ihrer Gründe. Sterben sie, so teilen die Kinder (Söhne) die Äcker des Vaters, oder setzen – was in den östlichen Teilen des Landes nicht selten vorkommt, – die Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft fort. Die Grundobrigkeit ihrerseits begünstigt übrigens die Teilung, bietet sie ihr doch eine erwünschte Gelegenheit, die Fronen zu erhöhen [61].
Ebenso unbestritten wie an den untertänigen Gründen ist das Eigentum des Gutsherrn an Wald und Weide. Doch stehen auch an diesen den Untertanen weitgehende Nutzungsrechte zu, die juristisch prekär sind wie das Recht am Ackerland, dennoch aber von der Obrigkeit nicht eingeschränkt werden. Ist doch der Wert des Waldes gering, da Holz noch nicht ausgeführt wird, im Lande aber reichlich vorhanden ist.
Der Wirtschaftsbetrieb des Untertanen steht unter beständiger Aufsicht der Obrigkeit. Wird sein Haus durch Feuer oder Wasser zerstört, so baut es die Herrschaft wieder auf; fällt sein Vieh, so schafft die Obrigkeit Ersatz [62].
Verschieden von den geschilderten Verhältnissen ist die Grundeigentumsordnung in den südöstlichen Bezirken, in Pokutien. Hier besteht noch in zahlreichen Gemeinden der Kreise Kolomea, Czortkow und Stanislau Feldgemeinschaft. Im festen Besitze der Hauswirte stehen nur die Hausgärten. Die Feldflur ist gemeinschaftliches Nutzungseigentum der Untertanen, wodurch jedoch das Eigentumsrecht des Gutsherrn nicht berührt wird. Die Benützung der Gründe geschieht nicht gemeinschaftlich. Vielmehr werden die Acker durch das Los oder durch den Gemeindevorstand, selten unter Mitwirkung des Dominiums an die Gemeindemitglieder verteilt. Die Anteile sind verschieden je [23] nach der Untertansklasse, zu der ein Gemeindemitglied gehört. Die Acker werden durch mehrere Jahre unter dem Pfluge gehalten, dann aber wieder auf ebensoviele Jahre zur gemeinschaftlichen Viehweide liegen gelassen, dagegen aber die bis dahin beweideten Brachfelder unter die Gemeindeglieder zur Aufackerung verteilt, wobei ein jeder Grundbesitzer "das vorige Flächenmaß an Gründen, aber nicht die nämlichen Gründe erhält" [63].
Die Entstehung und die Geschichte der Feldgemeinschaft in Pokutien liegen im Dunkeln. Jedenfalls ist sie mit jenen Formen des Gemeineigentums verwandt, die wir um dieselbe Zeit in Kleinrußland [64], in der Moldau, in der Bukowina [65] und in Ungarn treffen65].
In den Inventaren sind die Untertanen nach der Größe ihres Besitzes in Klassen eingeteilt. Doch sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Klassen durch die Sitte der Naturalteilung bei Erbfällen verwischt. Die Inventare teilen nun die Untertanen auf dem flachen Lande – die Bewohner der untertänigen Städte interessieren uns hier nicht – in Bauern, Gärtner, Häusler und Innleute ein.
Die Bauern (włosciani, chłopi) sind Ganzbauern (kmieci, rolnicy), Halbbauern (połrolnicy) oder Viertelbauern (cwierciorolnicy). Sie besitzen einen Hausplatz im Dorfe und Ackerstücke, die auf der Flur im Gemenge mit denen der Herrschaft liegen. Die Gärtner (zagrodnicy) besitzen nur Hütte und Hausgarten [24] (zagroda), die Häusler (chałupnicy) nur eine Hütte (chałupa). Die Innleute (komornicy) besitzen weder Hütte noch Grund und wohnen bei angesessenen Untertanen zu Miete [66].
Die Größe des Grundbesitzes eines Ganzbauern ist in den einzelnen Teilen des Landes verschieden; im Westen ist er am kleinsten und wird in dem Maße größer, als man nach Osten schreitet [67].
Die Untertanen sind verpflichtet, der Obrigkeit unentgeltlich Dienste zu leisten, die nach der Größe ihres Besitzes abgestuft sind.
Die Schuldigkeiten der Untertanen sind auf den königlichen Gütern in amtlichen Urkunden, den sogenannten Lustrationen verzeichnet. Alle fünf Jahre soll eine Lustration stattfinden. Mitunter verstreicht aber ein Zeitraum von hundert Jahren, bis es tatsächlich dazu kommt. Die letzte Lustration wurde im Jahre 1765 vorgenommen [68].
Auf den Privatgütern sind die Untertansschuldigkeiten in den Inventaren (inwentarze) verzeichnet. Die Inventare entstehen durch den bloßen Willen des Gutsherrn, der sie nach Willkür umstoßen oder ändern kann. Das geschieht auch überaus häufig, besonders bei Verkäufen und Verpachtungen, um einen höheren Kaufpreis, beziehungsweise Pachtschilling zu erzielen [69].
[25]
Man muß zwischen den wöchentlichen Frondiensten und den Hilfs- oder Nebendiensten unterscheiden.
Die Robot (panszczyzna = Herrendienst) ist entweder Zugrobot (robota ciągła) oder Hand-, resp. Fußrobot (robota ręczna). Ein Tag Zugrobot wird allgemein zwei Tagen Handrobot gleichgesetzt. Die Zugrobot ist in manchen Gegenden mit Pferden, in anderen wieder mit Ochsen zu leisten. In der Regel sind zwei Tiere anzuspannen. Nur die größeren Bauern haben vierspännig zur Arbeit zu erscheinen. Einspännige und dreispännige Robot sind selten.
Das Maß der Frondienste ist in den verschiedenen Teilen des Landes nicht gleich. Selbst zwischen benachbarten Gütern bestehen große Unterschiede. Innerhalb eines Dorfes ist das Ausmaß der Robot direkt proportional der Größe des bäuerlichen Besitzes. Dies gilt jedoch nicht für das ganze Land. Vielmehr ist festzustellen, daß im Osten, wo die Dotation der Untertanen am größten ist, die Roboten am niedrigsten sind, und in dem Maße zunehmen, als man von Ost nach West vorschreitet. Im Gebirge sind die Frondienste geringer als in der Ebene, dagegen die Abgaben höher. Auf den königlichen und auf den Kirchengütern sind zwar die Roboten weniger hoch als auf den Privatgütern, dafür aber die Staatslasten drückender. Der Ganzbauer front im Westen des Landes durch vier oder fünf Tage wöchentlich, in den mittleren und östlichen Teilen durch drei Tage, im Gebirge durch zwei Tage – natürlich mit einem Gespann. Die übrigen Untertanenklassen leisten entsprechend geringere Dienste. Auf den meisten Dominien muß der Untertan gemessene Arbeit verrichten; d. h. er muß an einem Arbeitstage eine bestimmte Arbeitsmenge bewältigen, ein gewisses Werk vollbringen. Hat er die Arbeit an einem Tage nicht vollendet, so muß er, über das Maß seiner zeitlich begrenzten Robotsschuldigkeit hinaus, nacharbeiten [70].
Die Fronpflicht muß nicht von dem Untertan persönlich erfüllt werden. Er kann auch ein Familienmitglied oder einen [26] Knecht zur Arbeit schicken. Ein Teil der Dienste wird nicht in natura gefordert, sondern in Geldabgaben verwandelt, wobei ein Zugtag mit 12 Groschen polnisch, ein Fußtag mit 6 Groschen angesetzt zu werden pflegt.
Neben diesen wöchentlich wiederkehrenden Diensten haben die Untertanen zur Zeit der dringenden Feldarbeiten, der Aussaat und der Ernte, sogenannte Hilfs- oder Nebendienste (tłoki, gwałty, szarwarki) zu leisten. Auch der Umfang dieser Schuldigkeit ist in den Inventaren verzeichnet [71]. In vielen Gegenden sparen die Obrigkeiten die Robot im Winter, um dann im Frühjahr und zur Erntezeit auf einmal rückständige Arbeit einfordern zu können. In anderen Dörfern müssen die Untertanen im Winter für die Herrschaft spinnen, wobei ihnen die Herrschaft das Rohmaterial beistellt.
Da die Obrigkeiten die untertänigen Schuldigkeiten beliebig erhöhen konnten, so wurden mit der Zeit die Untertanen zu allen Arbeiten, die im herrschaftlichen Betriebe zu verrichten waren, herangezogen. Alle Arbeit in den Mühlen und Brennereien, Gärten und Teichen wurde ihnen aufgebürdet [72].
Eine besondere Art von Diensten sind die Wachen, die die Gemeindemitglieder der Reihe nach zu leisten haben, und die deshalb auch Reihedienst (kolei) genannt werden. Ursprünglich sollten die Wächter (stróży) nur die obrigkeitlichen Gebäude bewachen. Dann aber wurden sie nur des Nachts zu Wachdiensten verwendet, bei Tage aber zur Verrichtung häuslicher Dienste im Gutshofe oder in der Schenke [73]. Oft wurden die Wachdienste von der Herrschaft dem Schankpächter abgetreten. Nicht selten wurden ihm auch die Dienste mehrerer Untertanen vermietet, durch die er die zur Schenke (oder Mühle) gehörigen Gründe bestellen ließ.
Auch die Verfrachtung des Getreides besorgt die Obrigkeit vermittels der Arbeit der Untertanen. Die spannfähigen Bauern sind verpflichtet, das Getreide und auch andere Erzeugnisse des [27] herrschaftlichen Wirtschaftsbetriebes, z. B. Salz, Pottasche u. s. w. viele Meilen weit bis an den Markt oder bis an das Ufer eines schiffbaren Flusses zu bringen. Die weiten Fuhren (powóz, podhoroszczyzna) werden teils in die Robot eingerechnet, teils besonders vergütet. Auf den königlichen Gütern sind sie in der Lustration verzeichnet. Von den Ufern der Flüsse werden die obrigkeitlichen Produkte auf flachen Schiffen nach Danzig befördert. Der Bau dieser Schiffe muß von den Untertanen unentgeltlich besorgt werden, und gegen geringe Vergütung sind sie gehalten, Ruderdienste zu leisten [74].
Die Transportdienste haben eine besonders große Bedeutung in jenen östlichen Teilen des Landes, wo die Landwirtschaft weniger rentabel ist, und die Gutsherren sich daher vor allem auf die Salzgewinnung verlegen. Hier werden die Untertanen mit Salzfuhren bis in die Ukraine geschickt, während die anderen Fronen auf ein Minimum herabgesetzt werden [75].
Schwer seufzt der Bauer unter der Last der Frondienste und nur widerwillig leistet er die Arbeit, deren Wert eben wegen seiner Lässigkeit gering ist [76]. Hundertjährige Unterdrückung haben aus ihm fast ein tierisches Wesen gemacht, das allen Versuchen, die zu seiner geistigen und wirtschaftlichen Hebung unternommen werden, gleichgültig gegenübersteht. [28] Immer wieder heben es die Akten hervor: "Der gemeine Mann ist in Galizien noch viel zu roh, um den großen Wert des freien Eigenthums zu kennen, er ist an Bande gewohnt, die ihn seit Jahrhunderten fesseln. Selbst unwirtsam verlässt er sich wie der Knecht im Maierhofe und wie das Lastthier im Stalle, dass man ihn nähre, wenn seine Fechsung missrath, dass man ihn bewahre, wenn sein Haus abbrennt, dass man ihm andere Gründe anweise, wenn seine Felder vom Wasser weggespült oder mit unfruchtbarem Sand bedeckt werden. Sein Holz findet er in den obrigkeitlichen Waldungen, die Weide seines Viehes auf ihren Triften. Diese Art Existenz hat für den unwissenden Mann ihre Bequemlichkeit; er vegetiert auf dem Fleck Erdbodens fort, wo die Natur ihn hat aufwachsen lassen. Trägheit und Dummheit, wovon eine die andere wechselweise gebähret und unterstützet, machen ihn gefühllos, und nur äußerst harte Behandlung wird ihn aus seiner Untätigkeit erwecken, und nach einer besseren Lage sehnen machen können" [77].
Durch zwei Jahrhunderte beschäftigt sich die polnische Gesetzgebung nicht mit den Bauern. Wenn sie überhaupt der Untertanen Erwähnung tut, so spricht sie von ihnen nur als von Rechtsobjekten. Für die Republik Polen existierte der Bauer als Rechtssubjekt überhaupt nicht [78].
Wohl gelobte König Johann Kasimir im Jahre 1656, von Feinden hart bedrängt, feierlich in der Kathedrale zu Lemberg: er werde nach Beendigung der bevorstehenden Kämpfe dem geknechteten Volke zu Hilfe kommen und dessen Lasten erleichtern. Er war auch von gutem Willen erfüllt, sein Gelöbnis zu halten, allein es fehlte ihm die Macht, um gegen den im Staate allmächtigen Adel erfolgreich auftreten zu können [79].
Nicht der Staat war es, sondern Private, von denen im 18. Jahrhundert der Anstoß zu Reformen ausging. Zahlreiche Großgrundbesitzer, weltliche wie geistliche, begannen, von der geringen Produktivität der Frondienste überzeugt, auf ihren [29] Gütern Reformen einzuführen, die übrigens häufig nicht so sehr die Verbesserung des Loses der Untertanen, als die Erhöhung der gutsherrlichen Einkünfte zum Ziele hatten [80].
Stanislaus August, der letzte König von Polen, erklärte sofort nach seiner Thronbesteigung, er wolle auf gesetzlichem Wege die Lage der Bauern verbessern. Aber die Tat blieb weit hinter der Absicht zurück. Das einzige, was er durchsetzen konnte, war, daß dem Adel das ius vitae necisque scheinbar entzogen wurde [81]. Erst nach der ersten Teilung setzte in Polen eine lebhafte Bewegung zu Gunsten der Bauern ein. In zahllosen Flugschriften wird die Abschaffung der Leibeigenschaft gefordert. Aber noch sträubt sich der Adel gegen jede Konzession, und 1780 verwirft er nach vierjähriger Beratung das neue Gesetzbuch, das der gewesene Krongroßkanzler Andreas Zamoyski in bauernfreundlichem Sinne ausgearbeitet hatte [82]. Selbst als der Staat schon dem Untergange verfallen war, konnte der Adel sich nicht dazu entschließen, auf seine Rechte zu Gunsten des Vaterlandes zu verzichten. Die Verfassung vom 3. Mai 1791 brachte nur ganz wertlose Zugeständnisse [83].
Wie ganz anders verhielt sich dagegen der österreichische Staat in der Bauernfrage!
Im 16. und 17. Jahrhundert kümmert sich allerdings der Landesfürst in Österreich nur wenig um die Bauern. Dringendere Angelegenheiten nehmen ihn in Anspruch. Mit Aufwendung aller Kräfte gelingt es ihm kaum, im Inneren der unbotmäßigen Stände Herr zu werden und nach außen hin das Reich vor Türken, Franzosen und Schweden zu sichern. Erst im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts fängt es an, anders zu werden. Auch dann sind es freilich nur fiskalische Erwägungen, die ein Eingreifen zu Gunsten der untertänigen Bevölkerung veranlassen. "Der hauptsächlichste k. k. Contribuent" soll in "contributionsfähigem [30] Stande" erhalten bleiben. Im 18. Jahrhundert aber ist die österreichische Verwaltung über diesen Standpunkt hinausgegangen und hat es als ihre wichtigste Aufgabe erkannt, die Bauernschaft gegen Bedrückungen zu schützen. "Wo die Unterthanen, in was es sei, wider Billigkeit hart gehalten und unterdrückt werden, sine respectu personae, wer es auch wäre, soll ernstlich abgestraft werden" [84].
Diesem Grundsatze entsprechend wird denn auch in Galizien nach der Occupation in das gutsherrlich-bäuerliche Verhältnis eingegriffen.
[31]
Nachdem die österreichischen Truppen Galizien bereits besetzt hatten, wurde am 11. Oktober 1772 Graf Johann Anton Pergen zum Gouverneur der neuerworbenen Provinz ernannt [85]. Das Land wurde zuerst in 6 Kreise und 19 Distrikte eingeteilt; später – im Jahre 1782 – wurde die Einteilung in Distrikte aufgehoben und die Zahl der Kreise auf 18 erhöht. Die meisten Beamtenstellen wurden mit Männern besetzt, die bis dahin in Böhmen und Mähren Dienste geleistet hatten. Der galizische Adel hoffte, Galizien werde "nach dem ungarischen Fuß" regiert werden und er dadurch in den Genuß aller jener Rechte und Privilegien gelangen, deren sich der ungarische Adel erfreute. In den Wiener Regierungskreisen bestand jedoch die feste Absicht, Galizien "auf den deutschen Fuß" zu bringen, d. i. die Verwaltung nach dem Muster der deutsch-slavischen Erbländer zu organisieren.
Die erste Sorge der österreichischen Regierung war es, der Auswanderung der Bauern entgegenzutreten [86].
Wie wir oben gesehen haben, war die Flucht nach dem Osten für den Bauer das einzige Mittel, um sich den Bedrückungen von Seite des Gutsherrn zu entziehen. Die Behörden erblickten darin eine starke Beeinträchtigung des Landesinteresses und verboten daher die Auswanderung auf das nachdrücklichste. Schärfer noch als die flüchtenden Untertanen sollten die Agenten bestraft werden, welche die Landleute durch Versprechungen über die Grenze zu locken suchten. Viele Untertanen veräußerten vor der Flucht ihr Zugvieh, ohne daß sie [32] dazu berechtigt waren, da das Vieh – wie das gesamte Wirtschaftsinventar – Eigentum der Gutsherren war. Daher wurde angeordnet, "dass kein angesetzter Unterthan außer der Bewilligung seines Grundherrn ein Stück Vieh verkaufen soll." Den eingekauften Untertanen, die Eigentümer ihres Viehes waren, wurde das Verfügungsrecht selbstverständlich nicht entzogen [87].
Die Patente gegen die Auswanderung der Bauern wurden noch mehreremale erneuert [88]; trotzdem hatten sie nicht bald die gewünschte Wirkung. Die vorzüglichste Ursache der Flucht der Bauern war die große Not, in die sie die langjährigen Unruhen und die österreichische Okkupation, deren Lasten hauptsächlich sie zu tragen hatten, gebracht hatten. Den Bauern fehlte selbst das zur Aussaat notwendige Korn. Die Regierung suchte die Gutsherren mit Strenge dazu zu verhalten, ihren mittellosen Untertanen mit Saatkorn auszuhelfen und ihnen die zur Bestellung der Äcker erforderliche Zeit freizulassen. Selbst dann seien die Obrigkeiten zur Unterstützung verpflichtet, wurde verordnet, wenn sie selbst kein Saatkorn vorrätig hatten und es erst kaufen mußten. Nach Einbringung der Ernte konnten sie diese Vorschüsse in mäßigen Fristen nach Möglichkeit sich ersetzen lassen. Für den dem Lande aus der Unterlassung der Aussaat erwachsenden Schaden sollten die Dominien zur Verantwortung gezogen werden [89]. Auf die Durchführung dieser Bestimmungen wurde bis zur Grundentlastung von den Behörden mit Strenge gesehen.
Gleich nach dem Einmarsche in Galizien schrieben die kaiserlichen Militärbehörden auf Grund der vorhandenen alten Inventare und Lustrationen Naturallieferungen aus. Da jedoch diese Inventare nur die Dienste und Abgaben der Untertanen zum Maßstabe der Schätzung nahmen, entstand in der Belegung große Ungleichheit. Überdies wälzten die Obrigkeiten die ganze Last auf die Untertanen ab. Es mußte also so rasch als möglich zur definitiven Einrichtung des Steuerwesens geschritten werden. Auf eine Anfrage des Grafen Pergen entschied die Kaiserin [33] nach Anhörung des Fürsten Kaunitz: alle Gründe, ohne Unterschied, ob sie von Edelleuten oder von Untertanen besessen werden, seien für "contribuable" zu erklären. Dagegen sei die Verpflichtung des Adels zum Kriegsdienste (pospolite ruszenie) aufzuheben [90]. Daraufhin befahl Pergen am 22. Dezember 1772 eine allgemeine Fatierung aller obrigkeitlichen und untertänigen Gründe, aller Fronen, Zinse und Abgaben zum Zwecke einer genauen Veranlagung der Steuer [91]. Die Fassionen liefen sehr unpünktlich ein. Viele waren falsch. Eine amtliche Nachprüfung erfolgte nur dann, wenn eine Anzeige gegen ein Dominium eingelaufen war. Fand man bei der Revision, daß die Einkünfte zu niedrig angesetzt worden waren, so wurde der Gutsherr mit einer hohen Geldstrafe belegt. Die Furcht vor einer Anzeige bewog später nicht wenige Dominien, die gemachten Angaben aus eigenem Antrieb richtigzustellen [92].
Über den Besteuerungsmodus wurden in der Staatskanzlei lange Beratungen gepflogen. Das Resultat derselben war der Antrag: es solle nur der Adel zur Leistung der Grundsteuer herangezogen werden [93]. Von den Bauern könne man nur jene Abgaben abfordern, die sie herkömmlicherweise früher dem polnischen Staate zu entrichten verbunden gewesen waren. Auch die auf den Grund der Untertanen entfallende Steuer solle der Grundherr tragen, "weil dieser Eigenthümer, und wegen der dem Leibeigenen davon aufbürdenden übermäßigen Abgaben, der wahre Benützer ist." Überdies hoffte die Staatskanzlei dadurch auf die Gutsherren einen indirekten Zwang ausüben zu können, um sie zur Überlassung des Eigentumsrechtes an ihre Untertanen zu bewegen. Die Dominikalnutzungen sollten von der Steuer frei bleiben, weil die Grundherren sie zum Teil unrechtmäßig genießen, [34] die Staatssteuer aber diesen unrechtmäßigen Bezug sanktionieren würde. Doch fanden diese Grundsätze nicht die Billigung der Kaiserin. Mit Patent vom 25. Februar 1774 wurde die Dominikalsteuer ausgeschrieben; sie betrug 12% vom Reinertrage aller Dominikaleinkünfte [94]. Die Untertanen wurden vorläufig mit einem Viertel der Naturallieferungen besteuert. Die restlichen drei Viertel wurden ihnen vergütet. Im Jahre 1775 wurden die Naturallieferungen abgeschafft, und an ihre Stelle trat beim untertänigen Besitz die Rustikalsteuer, die auf Grund der Militärkonskriptionstabellen eingehoben wurde. Diese Tabellen waren im Jahre 1773 gelegentlich der Konskription von den Kommissionen nach den Angaben der Untertanen oder nach dem Augenmaße zusammengestellt worden und enthielten Angaben über die Aussaat und den Wieswachs der Untertanen. Der Korzec Aussaat wurde nach Abschlag eines Dritteils auf Brachfelder mit 20 Kreuzer besteuert. Für eine Fuhre Heu wurde ein Steuerbetrag von 3 Kreuzern bestimmt. Danach wurde der auf eine ganze Gemeinde entfallende Steuerbetrag ermittelt und der Grundobrigkeit bekannt gegeben. Diese besorgte die Subrepartition unter die einzelnen Wirte im Einvernehmen mit Vertrauensmännern der Gemeinde und hob auch die Steuer ein. Ganz besonders wurde den Obrigkeiten ans Herz gelegt, "bei der Einhebung der Steuer mit Milde vorzugehen, und die Unterthanen mit unbilligen, ungewöhnlichen und von unmenschlichen Beamten ersonnenen neuen Executionen gänzlich zu verschonen; und sie durch obrigkeitliche Hilfe und Nachsicht in contributionsfähigem Zustande zu erhalten" [95].
Nebst der Grundsteuer hatten die Untertanen auch noch eine Haussteuer, den Militärbequartierungsbeitrag, zu entrichten. Die Umlegung desselben erfolgt derart, daß alle Häuser mit Rücksicht auf Lokalverhältnisse, Bau- und Benutzungsarten in acht Klassen eingeteilt wurden. Die Häuser der Bauern wurden hierbei durchaus in die drei letzten Klassen eingereiht, die mit 50, 28 und 14 Kreuzer besteuert wurden [96].
Die zahlreichen Mängel, die diesem Steuersystem anhafteten, nötigten bald die Regierung, sich mit der Frage der[35] Steuerregulierung zu befassen. Allein trotzdem alle maßgebenden Factoren von der Unzulänglichkeit des eingeführten Systems überzeugt waren, wußte man doch nichts Besseres an seine Stelle zu setzen. Es wurden daher nur einige vorläufige Verfügungen getroffen, um die Ungleichheit in der Belegung möglichst zu vermindern. Im übrigen wurde jedoch beschlossen, bis zur Einführung des Urbariums zu warten [97].
Ganz besonders wichtig für die Untertansverfassung war die Organisierung der neuen Gerichtsbehörden. In vorösterreichischer Zeit stand der Bauer, wie bereits erwähnt wurde, unter der ausschließlichen Gerichtsbarkeit seines Herrn. Er besaß weder die aktive, noch die passive Prozeßfähigkeit. Das wird nun anders. Das Recht, über Leben und Tod der Untertanen zu entscheiden, wird den Gutsherren entzogen. Kein Todesurteil, erklärt Graf Pergen am 20. Oktober 1772 auf Grund einer ihm von Wien zugekommenen Instruktion, darf ohne Bestätigung der Kaiserin vollzogen werden [98]. Auch das Recht, gegen den Gutsherrn Klage zu führen, wird dem Untertan verliehen. Nach dem Muster des böhmischen Verfahrens in Untertansprägravationssachen wird der Instanzenzug für solche Falle auch in Galizien geregelt. Der Untertan hatte jede Klage zuerst bei der Grundobrigkeit einzubringen. Als zweite Instanz sollte das Kreisamt gelten. Für alle in das "Contributionale" einschlagenden Beschwerden war das Gubernium dritte und die galizische Hofkanzlei vierte Instanz. Für die das "Contributionale" nicht betreffenden Klagen der Untertanen war der consessus in causis summi principis dritte und die oberste Justizstelle in Wien vierte Instanz. Bei Streitigkeiten der Untertanen untereinander entschied der consessus in letzter Instanz, ebenso, wenn Untertanen ihre Obrigkeiten wegen Rechtsverweigerung belangten, in welch letzterem Falle dem consessus Zwangsmittel zugebote standen. Bei Streitigkeiten zwischen Untertanen und dritten Personen sollte der Satz gelten: actor sequitur forum rei [99].
Diese Verordnungen entsprangen keineswegs einem zielbewußten Eingreifen der Regierung in die galizischen Verhältnisse. [36] Es war das vielmehr eine einfache Übertragung der in den anderen österreichischen Provinzen geltenden Untertansverfassung auf Galizien, in der stillschweigenden Voraussetzung, daß die Verhältnisse hier wie dort die gleichen seien, wie denn auch in den Akten der Gedanke immer wiederkehrt, "dass Herr und Bauer sich in Galizien ebenso gegeneinander verhalten wie in Böhmen und Mähren". Das war aber nicht der Fall. Jedenfalls hatte aber die "Adaptierung" des österreichischen Verfahrens in Untertanssachen für Galizien die außerordentlich wichtige Folge, daß durch sie – vorläufig wenigstens tatsächlich – die Leibeigenschaft in Galizien aufgehoben und durch die Erbuntertänigkeit der Sudetenländer ersetzt wurde. Daß diese angeführten Normen auch sofort in Kraft traten, beweisen die zahlreichen Beschwerden der Untertanen, die schon in den nächsten Jahren bei den Kreisämtern, bei dem Landesgubernium, bei den Hofstellen und beim Kaiser selbst einliefen.
Daneben aber beginnt der Staat auch planmäßig die Untertansverhältnisse zu beeinflussen; nur hat dieses Vorgehen, solange Maria Theresia lebt, wenig Erfolg.
Bei den volkswirtschaftlichen Anschauungen, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Österreich herrschten, war es kein Wunder, daß die nach Galizien entsendeten Beamten ihr Augenmerk bald auf die schlechte Lage des Bauernstandes lenkten. Graf Pergen fragte sofort nach seiner Designierung zum Gouverneur in Wien an, ob die Leibeigenschaft aufzuheben sei, und mithin das neue Urbarialregulativ nach diesem Gesichtspunkte ausgearbeitet werden solle. Fürst Kaunitz antwortete, es sei allerdings wünschenswert, die Leibeigenschaft aufzuheben, doch werde dies noch viel Zeit zur Vorbereitung erfordern. Es möge daher zunächst so rasch als möglich ein Urbarialregulativ erlassen werden. Zu diesem Zwecke wurden dem Grafen Pergen die in Ungarn und Schlesien eingeführten Urbarialprinzipien mitgeteilt [100].
Der galizische Adel sah den Reformabsichten der Regierung mit großem Mißtrauen entgegen. Zwei Lemberger Notare, Liemblice und Wiesiołowski, überreichten gegen Ende des [37] Jahres 1772 dem Gouverneur Denkschriften, in denen sie gegen die geplanten Reformen Stellung nahmen. Während die eine Denkschrift vermittelnde Vorschläge macht, der Verminderung der Untertanslasten und der Einrichtung eines Urbariums nicht abgeneigt ist [101] und den Untertanen das Nutzungseigentum an ihren Gründen einräumen will, wendet sich die zweite schroff gegen jede Reform. Es sei ungerecht, den galizischen Adel zu besteuern, denn seit altersher sei diese Klasse von allen Steuern befreit gewesen und hatte mit ihrem Herzblute dem Vaterlande gedient. Der Gouverneur möge Auskünfte über die Zustände des Landes nicht aus den Werken ausländischer Historiker, Geographen und Staatsschriftsteller holen, denn diese alle stellten die Untertänigkeitverhältnisse unrichtig dar, teils aus Unkenntnis der Wahrheit, teils aus böser Absicht. Das Los des galizischen Bauern sei immer ein glückliches gewesen, wie schon die Tatsache beweise, daß wohl Landleute aus aller Herren Länder nach Polen, niemals aber polnische Untertanen ins Ausland geflüchtet seien. Daß das letzte nicht ganz richtig war, haben wir oben dargelegt. Auch gelegentlich der Huldigung der galizischen Stände versäumte es der Adel nicht, durch das Gubernium der Kaiserin eine Vorstellung zukommen zu lassen, die in der Bitte gipfelte: die Robot möge auf dem alten Fuße belassen werden. Solle aber durchaus ein neues Urbarium angelegt werden, dann möge dies unter Zuziehung von verständigen Ökonomen in der Weise geschehen, daß die Gutsbesitzer der Nutzung ihrer Gründe nicht beraubt würden [102].
In Wien ließ man sich jedoch dadurch nicht irre machen. Die Berichte, die aus Galizien einliefen, schilderten die traurige Lage des Bauernstandes in den schwärzesten Farben: "Der Bauer, ein geborener Sclave seines Herrn und zugleich ein Sclave des von seinem Herrn bestellten Pächters (der entweder ein kleiner Edelmann oder ein Jud ist) hat nichts Eigenes, auch nicht einmal seine Person, mit welcher der Herr nach Gutbefinden disponirt, so dass sogar ein Homicidium dolosum des Unterthans meistenteils impune ausgeübt, oder wenn ja noch eine Gerechtigkeit stattfindet, mit 30 Mark bestraft wird." Zudem hatte Kaiser Josef selbst während seines Aufenthaltes in Galizien (1773) sich von der Notwendigkeit einer umfassenden [38] Agrarreform in dieser Provinz überzeugt [103]. Auf seine Veranlassung geschah es, daß im Jahre 1774 Johann Christoph von Koranda, der sich bereits in Böhmen bewährt hatte, als Gubernialrat nach Lemberg berufen und an die Spitze des Departements für Steuerwesen und Untertansbedrückungen gestellt wurde [104]. Der Kaiser, der schon damals, obzwar er in den Erblanden nur Mitregent war, hervorragenden Anteil an allen in das Untertansfach einschlagenden Gesetzen nahm, wünschte die "Adaptierung" des ungarischen Urbarialreglements für Galizien. Bis jedoch diese langwierige Reform durchgeführt werde, möge, um wenigstens den am häufigsten vorkommenden Untertansbedrückungen entgegenzutreten, ein provisorisches Patent erlassen werden, das die nach der Meinung des Kaisers schwersten Mißbräuche abstellen sollte [105].
Koranda erachtete es für zweckmäßiger, das Oberschlesische Urbarialregulativ in Galizien einzuführen. In trefflicher Weise gibt er in seinem Referate einen Überblick der Entwicklung der bäuerlichen Verhältnisse in Polen. "Wenn die Königreiche Galizien und Lodomerien noch in ihrer alten guten Verfassung, wie vor Zeiten, da die Könige noch größere und freiere Macht hatten, bestünden, so würde man für die hiesigen Unterthanen keine Urbarialeinrichtung brauchen." Doch fürchte er, die Anlegung des Urbariums wurde ein Werk von etlichen Jahren sein. Eine besondere Behörde müsse errichtet werden, um diese für das künftige Schicksal des Landes so überaus wichtige Operation erfolgreich durchzuführen. Auch müßten die Absichten des Kaisers insofern erweitert werden, als in das Patent auch eine die Auxiliardienste betreffende Bestimmung aufzunehmen sei. Denn diese Dienste, die auf den Kameralherrschaften bereits unter dem 18. Mai 1774 abgestellt worden waren, seien besonders auf den kleineren Gütern sehr drückend [106].
[39]
Über diese Vorschläge entschied die Kaiserin am 16. Dezember 1774, es sei auf den Kameralherrschaften eine genaue Untersuchung über die Lage der Untertanen zu pflegen, um für die künftige Urbarialregulierung eine feste Grundlage zu schaffen. Dem vierten Punkte des Patentes, der das Verbot der Untertansmißhandlungen enthalten sollte, sei eine strenge Strafsanktion beizufügen. Doch ließ die Kaiserin auf Vorstellungen des Staatsrates hin diese Absicht später fallen. Vor der Herausgabe des Patentes wurde noch eine Umfrage bei allen Kreis- und Distriktsämtern gehalten, ob die geplante Beschränkung der weiten Fuhren nicht einen schädlichen Einfluß auf den Getreidehandel haben werde. Als dies verneint wurde, erhielt das Patent die kaiserliche Genehmigung und wurde am 3. Juni 1775 kundgemacht [107]. Sein Inhalt war in kurzem folgender:
1. Die Abdruckung untertäniger Feilschaften und die Aufdringung obrigkeitlicher Feilschaften, insbesondere aber die Verpflichtung der Untertanen, ein von dem jüdischen Pächter willkürlich bestimmtes Quantum Branntwein abzunehmen, sind fortan aufgehoben (§ 1-3).
2. Den Obrigkeiten ist es nicht gestattet, die Untertanen mit Geldstrafen zu belegen. Vielmehr sind Ausschreitungen der Untertanen nur mit körperlicher Züchtigung zu ahnden. Um jedoch allzu harte Bestrafungen zu verhindern, und um Eigenmächtigkeiten der Unterbeamten vorzubeugen, darf die Leibesstrafe an Untertanen nur in Gegenwart des auf der Herrschaft befindlichen Oberbeamten vollzogen werden. Gegen rohes Vorgehen der Beamten oder Pächter auf jenen kleineren Gütern, die nur von einem Beamten, beziehungsweise Pächter, verwaltet werden, darf der betroffene Untertan beim zuständigen Kreis- oder Distriktsamte Beschwerde erheben, das den Fall schleunigst untersuchen, Abhilfe schaffen, und schließlich an das Gubernium über die Sache berichten soll (§§ 4 und 9).
3. Der dem Vernehmen nach bestehende Mißbrauch, daß [40] die Gutsbeamten bei Exekutionen die Gebühren doppelt erheben, wird abgestellt (§ 5).
4. An Sonn- und Feiertagen dürfen die Untertanen nur zu jenen Arbeiten verhalten werden, die auch Hausbedienstete an diesen Tagen zu verrichten pflegen. Auch das bei Juden dienende christliche Gesinde soll an solchen Tagen zu keiner der Religion zuwiderlaufenden Arbeit gezwungen werden (§ 6 und § 7).
5. Wird dem Untertan von der Obrigkeit eine weite Fuhre aufgetragen, so müssen ihm die Verpflegskosten für die Dauer seines Ausbleibens von der Obrigkeit ersetzt werden. Die weiten Fuhren sind von der Robotpflicht abzurechnen. Ihr Ausmaß wird genau festgesetzt und wird den Obrigkeiten aufgetragen, diese Schuldigkeit nicht zur Zeit der dringenden Feldarbeiten abzufordern (§ 8).
6. Außer jener Robot, die "in alten authentischen Inventarien" verzeichnet ist, darf von den Untertanen keine Arbeitsleistung gefordert werden. Auch darf kein Untertan wider seinen Willen zur Reluierung der Robot gezwungen werden (§ 10).
Zum Schlusse stellt das Patent eine Urbarialeinrichtung in Aussicht, bei der alle Beschwerden der Untertanen untersucht werden sollen. Die Obrigkeiten aber werden aufgefordert, bis dahin "ihre Unterthanen über die althergebrachten und in authentischen Inventarien gegründeten Robots- und anderen Schuldigkeiten mit keinen Neuerungen zu bebürden, noch weniger aber durch ihre obrigkeitlichen Beamten und Pächter bedrücken und aussaugen zu lassen, sondern die so gemeinnützige als für jedermann unentbehrliche Klasse von Bauersleuten billigmäßig, väterlich und menschenfreundlich zu behandeln".
Wie man sieht, begnügt sich das Patent vom 3. Juni 1775 damit, vorkommende Mißbräuche abzustellen und Bestimmungen über die Art der Robotleistung zu treffen; die Absicht, Rechte der Gutsherren anzutasten, liegt ihm fern. Nur die Ausübung dieser Rechte wird geregelt. Die Untertansschuldigkeiten werden nicht vermindert, doch soll auch verhindert werden, daß die Gutsherren sie erhöhen. Der geltende Rechtszustand soll gegen beide Parteien geschützt werden. Was ist aber geltendes Recht? Das Patent spricht von althergebrachten und authentischen Inventaren. Solche bestanden aber nur auf jenen königlichen Gütern, die von der österreichischen Regierung an Private verkauft worden waren. Bei der Übergabe an den neuen Besitzer [41] wurde ein sorgfältig verfaßtes Inventar sämtlichen Dorfuntertanen vorgelesen und, im Falle sich kein Widerspruch erhob, bestätigt. Den alten Inventaren auf den Privatgütern, die durch den einseitigen Willen des Herrn entstanden, geändert oder aufgehoben wurden, durfte man hingegen keinen allzugroßen Wert beimessen. Die Lustrationen der königlichen Güter hinwiederum enthielten nur einen generellen Ausweis der Untertansschuldigkeiten; über die Verpflichtungen des einzelnen Wirtes gaben sie keinen Aufschluß. Zu diesen älteren Urkunden waren unter österreichischer Herrschaft noch neue hinzugekommen: die Spezial-Dominikal-Fassionen. Die verschiedenen Dokumente widersprachen einander. Welchen von ihnen gebührte der Vorrang? Das mußte entschieden werden, sollte der § 10 des Patentes nicht illusorisch werden. Die Kaiserin erteilte also dem Gubernium den Auftrag, einen Vorschlag zur provisorischen Regelung der Urbarialverhältnisse zu machen. Als der Patents-Entwurf in Wien eintraf, war Maria Theresia bereits tot und Kaiser Josef II. unterzeichnete das Patent, das am 5. Januar 1781 kundgemacht wurde [108]. Danach sollten auf den Privatgütern die Untertansschuldigkeiten nach den alten Grundinventaren und nach den Dominikal-Spezial-Fassionen beurteilt werden. Bestreiten die Untertanen eine obrigkeitliche Forderung, so ist zu untersuchen, ob die fragliche Schuldigkeit in den Dominikalfassionen unter den spezifizierten Proventen ausgewiesen erscheint. Ist das nicht der Fall, dann sind die Übergriffe des Dominiums zurückzuweisen. Sind jedoch die betreffenden Schuldigkeiten fatiert und können die Untertanen die Unrechtmäßigkeit der Forderung mit einem glaubwürdigen Dokument beweisen, dann sind sowohl die Untertanen auf ihre hergebrachte Schuldigkeit zurückzusetzen, als auch den Obrigkeiten die entsprechenden Nachlässe der Dominikalkontribution zu gewähren. Auf den königlichen Gütern haben in der Regel die Grundinventare und nicht die Lustrationen zur Entscheidung herangezogen zu werden. Wenn aber eine Untertansabgabe gefordert würde, die zwar in dem Grundinventar spezifiziert, in der Lustration aber überhaupt nicht vermerkt wäre, dann ist diese Abgabe abzustellen.
[42]
Durch die Anwendung der österreichischen Gesetze in Galizien war die Leibeigenschaft aufgehoben und durch die Erbuntertänigkeit ersetzt worden. Die rechtliche – nicht aber die wirtschaftliche – Stellung der Bauern war infolgedessen in Galizien derjenigen in Böhmen und Mähren angenähert.
Seit dem Anfange der 70-er Jahre des 18. Jahrhunderts war das Institut der Erbuntertänigkeit in Österreich heftigen Angriffen ausgesetzt. Als wirksames Mittel im Kampfe gegen die alte Ordnung erwies es sich, daß statt der bis dahin gebräuchlichen Bezeichnung "Untertänigkeit" von der Reformpartei das verhaßte Wort "Leibeigenschaft" angewendet wurde. Zum erstenmale tauchte es im Jahre 1769 in einem Gutachten des eigentlichen Urhebers und Leiters der schlesischen Urbarialregulierung, des Herrn von Blanc, auf [109].
Schon Maria Theresia war mit dem Gedanken umgegangen, die Leibeigenschaft aufzuheben, aber erst Josef II. brachte ihn zur Ausführung. Ohne sich um die Vorstellungen der Herrschaften zu kümmern, erließ er am 1. November 1781 das sogenannte "Leibeigenschaftsaufhebungspatent", durch welches – vorläufig nur in Böhmen, Mähren und Schlesien – die Erbuntertänigkeit aufgehoben wurde [110]. An demselben Tage erschien ein zweites Patent, das die Einkaufung der untertänigen Gründe erleichtern sollte.
Daß diese Maßnahmen nicht ohne Rückwirkung auch auf die Verhältnisse in Galizien bleiben würden, war leicht vorauszusehen. Tatsächlich hatte denn auch die Hofkanzlei bereits im [43] Vortrage vom 5. Oktober 1781 über die Aufhebung der Leibeigenschaft und die Eigentumseinräumung in den böhmischen Ländern darauf aufmerksam gemacht, daß die Leibeigenschaft auch in Galizien bestehe und mit Rücksicht auf die vom Kaiser ausgesprochene Absicht, die Leibeigenschaft ganz allgemein und überall aufzuheben, die Einvernehmung des galizischen Landesguberniums über die Modalitäten, wie diese Absicht durchzuführen sei, beantragt.
Der Kaiser hatte diesen Vorschlag genehmigt, und bereits am 27. Dezember erstattete das Gubernium den gewünschten Bericht. Der Gubernialreferent Koranda war durchaus kein unbedingter Anhänger der sofortigen Aufhebung der Leibeigenschaft. Zwar fand er die zur Begutachtung übersendeten Patente vom 1. November 1781 "durchaus anwendbar, notwendig und nützlich", machte jedoch, gerade im Interesse der Landeskultur, den Vorschlag, es möge, um den indolenten Bauern das Eigentum "anziehend und reizbar" zu machen, die Leibeigenschaftsaufhebung vorläufig nur für die bereits eingekauften Untertanen sofort, für die Uneingekauften aber erst nach Maßgabe ihrer Einkaufung stattfinden, die im Wege gütlicher Abfindung in Betreff des Kaufschillings und "leidentlicher" Fristenzahlungen an den Grundherrn vor sich gehen sollte [111].
[44]
Dem Gubernium, an dessen Spitze in Abwesenheit des Gouverneurs Graf Ludwig von Dietrichstein stand, war auch dies noch nicht genug. Es wollte vielmehr mit der von Wien aus gewünschten Reform noch gewartet wissen, "bis diese Königreiche in eine stabile Einrichtung gebracht, die Stände errichtet, hauptsächlich aber im Lande das Urbarium eingeführt, die Schuldigkeiten zwischen Herr und Unterthan näher und verlässlich bestimmt, und endlich von Seite der Grundherren eine förmliche Amtsverwaltung, wie in anderen k. k. Erblanden, getroffen, und ordentliche Grundbücher verlegt seyn werden." Sonst sei eine vollständige Zerrüttung des Untertansverbandes zu befürchten. Denn es sei vorauszusehen, daß der Untertan die Leibeigenschaftsaufhebung mißdeuten, sie für volle Freiheit nehmen, seine Schuldigkeiten den Obrigkeiten verweigern, "die ihm vorgesehene Überziehung von einer Herrschaft zur anderen bey dem mindesten Unfall missbrauchen, und der sonst gewohnte Hang zur Emigration sich in eine schwärmerische Übersiedlung im Lande von einem Eck zum anderen umwandeln werde."
Der Kaiser ließ sich jedoch dadurch nicht beirren. Er entschied vielmehr unter dem 5. Februar 1782: "Es kommt nicht darauf an, die für Böheim erlassenen Anordnungen in Betreff des Eigenthums und der Leibeigenschaft gleich von nun an, ihrem ganzen Inhalte nach, auch in Galizien in die Ausübung zu bringen, wohl aber ist ohne Verschub höchst nothwendig, dass die Knechtschaft in Ansehung ihrer bisherigen persönlichen Wirkungen, die die Menschheit abwürdigen, ohne weiters aufgehoben, und jedem Unterthan auch an einem anderen Ort außer seinem Dominio seine Nahrung zu suchen, so wie in Böhmen eingeraumet werde. In welchem Sinne also das Patent für Galizien, soviel es die Leibeigenschaft betrifft, zu entwerfen ist."
Immerhin aber sollten doch wenigstens hierbei die in Böhmen gemachten Erfahrungen benutzt werden. Dort hatte nämlich das Patent vom 1. November 1781 auf einigen Dominien zu augenblicklichen Unzukömmlichkeiten geführt, weil das [45] Gesinde auf den herrschaftlichen Vorwerken ohne Kündigung den Dienst verließ und einfach abzog [112].
Ähnliches sollte nun in Galizien vermieden und daher – wie es ja auch nachträglich in Böhmen geschehen war – verordnet werden, daß die Dienstboten gehalten sein sollten, auch nach erfolgter Patentskundmachung bis zum landesüblichen allgemeinen Austrittstermin gegen landesüblichen Lohn weiter zu dienen.
Dem galizischen Landeskommissär Grafen von Brigido schien diese zeitliche Hinausschiebung der Wirksamkeit des Patentes nicht genügend. Man dürfe, meinte er, die Freizügigkeit nur den "nicht mit Grund angesessenen Unterthanen" einräumen. Dies in der Erwägung, "dass dermalen die Bauerngründe meistentheils denen Obrigkeiten gehören, dass die Einkünfte hievon fürnähmlich in den Frohndiensten bestehen, und die übrigen Abgaben an Zinsen und Kleinrechten nur ganz unbedeutend seyen," also die Gefahr bestehe, daß bei allgemeiner Freizügigkeit die Obrigkeiten dadurch geschädigt würden, "dass die Gründe oftmals eben zur Zeit, wenn sie bestellt und bearbeitet werden sollten, verlassen werden könnten." [113] Die Annahme dieses Antrags hätte die wichtigste Absicht des Gesetzes vereitelt. Doch der Kaiser und die Mehrheit der Hofkanzleiräte lehnten ihn entschieden ab. Den Bedenken Brigidos wurde nur insoweit Rechnung getragen, als die uneingekauften Wirte verpflichtet wurden, vor dem Abzug einen tauglichen Ersatzmann zu stellen. Im Falle von Streitigkeiten über die Tauglichkeit des letzteren sollte das Kreisamt entscheiden. In diesem Sinne wurde dann auch das Leibeigenschaftsaufhebungspatent für Galizien ausgearbeitet und am 5. April 1782 kundgemacht [114]. Sein Inhalt läßt sich folgendermaßen zusammenfassen:
[46]
Die Leibeigenschaft ist von nun an gänzlich aufgehoben und an ihre Stelle tritt die gemäßigte Untertänigkeit. Wohl bleiben die Untertanen auch für die Zukunft den Herrschaften zu Gehorsam verpflichtet. Doch dürfen sie fortan sich gegen bloße Anzeige bei der Obrigkeit verehelichen, sich Handwerken, Künsten und Wissenschaften widmen, ohne hiezu eines obrigkeitlichen Konsenses zu bedürfen; ferner dürfen sie unter Beobachtung der Vorschriften über das Werbebezirkssystem von der Herrschaft wegziehen – eine Bestimmung, die allerdings durch die erwähnte, auch späterhin neuerdings eingeschärfte [115] Verpflichtung der uneingekauften Untertanen, d. h. mit verschwindenden Ausnahmen aller Untertanen, vor dem Abzuge der Obrigkeit einen tauglichen Ersatzmann zu stellen, so gut wie ganz illusorisch wurde. Auch bedürfen die Untertanen zur Übersiedlung eines obrigkeitlichen Konsenses, der ihnen unentgeltlich auszufolgen ist. Die Zwangsgesindedienste werden aufgehoben; nur sollten auch in Zukunft beider Eltern verwaiste Kinder von ihrem 14. Lebensjahre an auf jenen Herrschaften, wo dies bisher herkömmlich gewesen, durch höchstens drei Jahre Hofdienste leisten. Bloß transitorischen Charakter hatte die Vorschrift: daß das gerade im Dienst befindliche Gesinde im flachen Lande bis Mitfasten oder Ende März und im Gebirge bis St. Georgi oder Ende April 1783 gegen den landesüblichen Lohn weiterdienen sollte.
Die Verhältnisse des landwirtschaftlichen Gesindes wurden durch Patent vom 17. Juni 1783 geregelt [116].
Das Patent vom 3. Juni 1775 hatte, wie wir gesehen haben, von allem Anfang an nur provisorischen Charakter. Es sollte den ärgsten Mißbräuchen und Untertansbedrückungen [47] insolange steuern, bis die geplante Urbarialregulierung durchgeführt würde. Den gleichen Zweck verfolgte auch das Patent vom 5. Januar 1781, das dazu bestimmt war, eine provisorische Grundlage für die Bemessung der Untertansschuldigkeiten zu schaffen. Denn inzwischen war es der Regierung klar geworden, daß die Durchführung der geplanten großen Reform Jahre, vielleicht Jahrzehnte beanspruchen werde. Doch die Verhältnisse in Galizien erforderten ein schnelles Eingreifen und so entschloß man sich dazu, einstweilige Verfügungen zu treffen.
Seit Josef II. Alleinherrscher war, wurden immer wieder Verfügungen getroffen, um die Untertansschuldigkeiten sofort zu vermindern und Mißbräuche abzustellen. Die Art der Robotleistung wird geregelt. Manche Dienste und Abgaben, die dem Kaiser ungerechtfertigt erscheinen, werden ohne jede Entschädigung der Berechtigten aufgehoben.
Die erste derartige Verordnung ist das Hofdekret vom 20. November 1781. Die Untertanen der Starostei Marczyz hatten wider den Nachlaß ihres verstorbenen Grundherrn eine Klage eingebracht, in der sie sich unter anderem auch über zu große Robotforderung beschwerten. Sie müßten "ungeachtet ihrer unfruchtbaren und bergigten Gründe für jeden Lahn jede Woche 12 Tage mit einem vierspännigen Zug abarbeiten". Die Herrschaft machte dagegen geltend, die betreffende Forderung sei im Inventar enthalten. Der Kaiser verordnete jedoch aus Anlaß dieses Falles "dass provisorie und bis zur Zustandebringung der neuen Urbarialeinrichtung von nun an die höchste Robot in wöchentlich drei Tagen bestehen, folglich aller Orten, wo eine mehrere Robot üblich wäre, solche alsogleich auf die Zahl der wöchentlichen drei Tage herabgesetzt, und diese Zahl von Tagen unter keinerlei Vorwand mehr überschritten werden solle" [117].
Das Hofdekret vom 11. Dezember 1784 erweiterte dann diese Bestimmung insoferne künftighin die von den Privatbauern zu leistenden "Hilfsdienste", die auf den Domänen schon sieben Jahre zuvor aufgehoben worden waren – und alle anderen unter was immer für einem Namen bestehenden Nebendienste als Robottage betrachtet und daher nicht über die dreitägige Robot hinaus gefordert werden sollten [118].
[48]
Die Beschränkung der Robot auf höchstens drei Tage in der Woche, und die Aufhebung der Hilfsdienste bedeutete für die Obrigkeiten eine starke materielle Einbuße. Der Ausfall an Arbeitskraft war nicht zu ersetzen. Auch wenn der Gutsherr bereit gewesen wäre, die Arbeit zu bezahlen, hätte er keine Arbeiter gefunden. Denn der galizische Bauer, mit dem geringen Ertrage seines Grundstückes zufrieden, verzichtete darauf, sein Einkommen durch Lohnarbeit zu erhöhen.
Die anderen Verfügungen, die Kaiser Josef in der ersten Periode seiner Regierung traf, sollen der besseren Übersicht halber im Zusammenhange mit dem Robotpatente vom 16. Juni 1786 besprochen werden, da sie sämtlich, ebenso wie die zwei bereits angeführten, in dieses hinübergenommen wurden.
Bereits am 31. Januar 1782 hatte der Kaiser über einen, das Urbarialwesen betreffenden Vortrag die Resolution gefaßt, es seien die böhmischen und ungarischen prohibita generalia auf Galizien auszudehnen. Kurze Zeit darauf legte die Hofkanzlei dem Kaiser den von dem Gubernium ausgearbeiteten Patentsentwurf mit ihren Bemerkungen vor. Da jedoch Hofkanzlei und Gubernium nicht in allen Punkten übereinstimmten, befahl der Kaiser, den Hofkanzleivortrag an das Gubernium zur Einsichtnahme zu senden. Dieses übersendete nun zwar bald darauf den revidierten Gesetzentwurf, der im wesentlichen bereits alle Bestimmungen des ersten Teiles des späteren Robotpatentes enthielt; zu einer endgiltigen Beschlußfassung kam es jedoch nicht [119].
Inzwischen erflossen in den nächsten Jahren zahlreiche Einzelverordnungen, die jedoch die Notwendigkeit eines allgemeinen Gesetzes nicht beseitigen konnten. Der Landesreferent Hofrat von Margelik zog daher aus den Protokollen jene Untertansbedrückungen aus, die schleunige Abhilfe erheischten, und forderte über diese sowie über die prohibita generalia neuerliche Gutachten des galizischen Guberniums und der Stände ab. Auf Grund dieser befahl dann der Kaiser, ein Patent in kurzen Sätzen abzufassen [120]. Die Kanzlei kam zwar diesem Auftrag nach und legte unter dem 9. September 1785 den von Sonnenfels verfaßten Entwurf vor, riet aber: man möge noch zuwarten, da die Urbarialregulierung ohnehin derartige[49] Bestimmungen überflüssig machen werde, und der Kaiser schloß sich dieser Meinung an [121].
Wenige Monate später wurden jedoch die Verhandlungen wieder aufgenommen. Der Gutsbesitzer Josef Ciołek Komorowski hatte dem Kaiser in einer Bittschrift die Schwierigkeiten dargestellt, mit denen die Dominien seit Abstellung der unentgeltlichen Hilfsdienste zu kämpfen hatten. Der Kaiser entschied hierauf: es habe bei der Aufhebung der Hilfstage zwar zu verbleiben, dafür aber seien in Galizien die böhmischen Arbeitsstunden [122] einzuführen. Zugleich befahl er "einen Preis, um welchen jene Untertanen, welche weniger als 6 Korzec Felder besitzen, da diese Untertanen ihre Hände zum eigenen Schnitt während der ganzen Dauer der Schnittzeit nicht bedürfen, ihren Obrigkeiten in der Schnittzeit zu arbeiten verbunden sind, dergestalt zu bestimmen, dass der hiebey in jedem Kreis ohnehin gewöhnliche Schnitterlohn zum Maßstab angenommen, und demselben nach Verhältnis eines jeden Preises allenfalls ein paar Kreuzer zugeschlagen werden, und dass hierbei die ausdrückliche Versicherung zu treffen sei, auf dass keiner der in dieser Kategorie stehenden Unterthanen zu einer mehr als zweitägigen Lohnarbeit in der Woche angehalten werde". Bei dieser Entscheidung blieb es jedoch nicht. Als nämlich die Hofkanzlei nach wenigen Monaten den entsprechenden Patententwurf [123] vorlegte, wollte der Kaiser die Sache wieder vertagen [124]. Denn inzwischen hatte er den gewaltigen Plan der Steuer- und Urbarialregulierung gefaßt, der ihn so sehr in Anspruch nahm, daß darüber alle anderen Angelegenheiten in den Hintergrund traten. Zudem war er der Meinung, daß "der einzuführende Steuerfuß auch wohl in Robotsachen einige Abänderungen nach sich ziehen würde" und erst dann Zeit wäre, zur Frage der Patentspublikation Stellung zu nehmen. Die Verhältnisse zwangen ihn jedoch, seine zuwartende Haltung aufzugeben. Denn immer[50] zahlreicher liefen Beschwerden aus Galizien ein. Namentlich machte der galizische Referent Margelik auf die Notwendigkeit aufmerksam, nicht nur die Zahl der Robottage, sondern im Interesse der Herrschaften auch die sonstigen Robotsmodalitäten zu regeln, da er auf seiner Landesbereisung bemerkt habe, daß die Untertanen erst um 8 oder 9 Uhr früh zur Arbeit erscheinen [125].
So erfolgte denn die kaiserliche Resolution, welche die Anträge der Kanzlei genehmigte und zugleich verfügte: es sei in das Patent "zugleich alles dasjenige, was unter den Namen der Prohibitorum generalium kommt, einzurücken, und sodann die Publikation ungesäumt vorzunehmen, damit auch der Unterthan andererseits vor allen Bedrückungen gesichert werde". Auf Grund des seit Jahren vorbereiteten Materials wurde nun das Patent rasch ausgearbeitet und am 16. Juni 1786 kundgemacht [126].
Das Robotpatent besteht aus zwei Hauptteilen; der erste (§§ 1-39) ordnet die Art der Robotleistung und ist durchaus dem böhmischen Robotpatent vom 13. August 1775 entnommen [127]. Der zweite Teil (§§ 40-83) enthält die Generalverbote, die zwar nicht mit den in Böhmen und Ungarn ergangenen identisch sind, aber mit ihnen die Absicht gemeinsam haben, gewisse Untertansschuldigkeiten, die dem Staate schädlich erscheinen, auch dann abzustellen, wenn sie in den Inventaren verzeichnet sind. Gehen wir nun auf den Inhalt des Fronpatentes ein.
Was zunächst das Maß der Robotleistung betrifft, so wurde dasselbe mit Einschluß aller Nebenleistungen sowie der dem Pfarrer zustehenden Arbeitsforderungen – für welche die Patentvorschriften ebenfalls Anwendung finden sollten – auf höchstens drei Tage in der Woche festgesetzt. Bestehende Mehrverpflichtungen sollten entsprechend herabgesetzt werden, eine Erhöhung geringerer Schuldigkeiten jedoch nicht stattfinden. Die Ausgleichung der Robotleistung nach der Größe der untertänigen Wirtschaften wurde der künftigen Urbarialregulierung vorbehalten. (Einleitung und §§ 1, 37.)
[51]
Zugleich mit dem Verbot der Abforderung von Maßarbeit an Stelle von bloß der Zeit nach bestimmter, also ungemessener Robot wurde die Dauer des letzteren mit 12 Stunden im Sommer – 1. April bis Ende September – und 8 Stunden im Winter bestimmt, in welche Zeit auch zwei Rast- oder Fütterungsstunden im Sommer und eine im Winter, sowie der Weg nach dem Arbeitsorte und von diesem eingerechnet werden sollten. Nur in der Schnittzeit dürfen sowohl Zug- als Handarbeiter durch eine oder höchstens zwei Stunden länger zur Arbeit angehalten werden. Einzig für den Holzschlag ist ein bestimmtes Arbeitsmaß festgesetzt. Verwendet die Herrschaft im Winter den Wochendienst zum Spinnen, so kann das, was gewöhnlich durch 7 Stunden gesponnen wird, für einen Frontag gefordert werden. (§§ 1, 10, 32.) [128] Die Zerlegung ganzer Robottage in doppelt soviel halbe ist nicht erlaubt, wohl aber umgekehrt die Zusammenlegung halber in ganze. (§§ 2 und 3.)
Wird die Arbeit noch am Vormittage durch übles Wetter unterbrochen, so darf der Untertan, falls er noch vormittags nach Hause kommen konnte, verhalten werden, den nicht verrichteten halben Frontag in der nämlichen oder in der nächsten Woche nachzuarbeiten. (§ 2.) [129]
Hand- und Zugrobot kann zu gleicher Zeit von einer Familie nicht gefordert werden; ebensowenig wider den Willen des Untertans bespannte Arbeit an Stelle der Fußrobot, wohl aber umgekehrt diese an Stelle jener, wobei je ein einspänniger Zug- einem Handrobotstag gleichzusetzen ist. Kein Wirt darf gezwungen werden, mit geringerer Bespannung durch mehrere Robotstage oder mit größerer Bespannung zu weniger Robotstagen zu erscheinen, als er pflichtig ist. Auch dürfen mehrspännige Robotszüge nicht geteilt werden, den vierspännigen Zug beim Eggen ausgenommen, der in je zwei zweispännige Züge geteilt werden kann (§§ 4-6).
Die Fröner haben wohl durch die vorgeschriebene Zeit fleißig und gut zu arbeiten. Doch sind andererseits Mensch und Vieh zu schonen, und daher den Bauern keine Arbeiten zuzumuten, die ihre Kräfte übersteigen, so daß auch im Falle von [52] beträchtlichen Viehseuchen überhaupt die Verpflichtung zur Leistung von Zugdiensten entfällt (§§ 7 und 11). Mit einem zweispännigen Robotzug hat nur ein Mann – der Hauswirt selbst oder ein tauglicher Knecht – mit einem drei- oder vierspännigen aber überdies auch noch ein Treiber zu erscheinen. Das Gleiche gilt, wenn Züge zusammengespannt werden.
Häusler und Innleute werden nur durch einen Tag im Monat fronpflichtig [130]. Kranke oder über 60 Jahre alte Innleute, Söhne und Töchter, die bei ihren Eltern oder Schwiegereltern in Dienst stehen, ehemalige Hauswirte oder Hauswirtinnen, die ihr Haus ohne Verschulden verloren haben, Invaliden und verabschiedete Soldaten, solange sie nur Innleute sind, sind überhaupt robotfrei [131] (§§ 12-13).
Außer in dringenden Fällen ist die Robot dem Untertan stets am Sonntag für die kommende Woche anzusagen (§§ 14-15). Hat der Untertan durch eigene Schuld die ihm rechtzeitig angesagte Robot nicht verrichtet, so ist er schuldig, doppelten Ersatz in einer von der Obrigkeit bestimmten Zeit zu leisten. Auch eine Nachforderung nicht benützter Robot blieb zugelassen. Um aber Mißbräuchen durch Arbeitsaufsparung zu begegnen, wurde dieses Recht in doppelter Weise beschränkt. Es sollte einerseits die nicht benutzte Sommer- und Winterrobot nicht im Herbst und Frühjahr und andererseits nur ein Tag in jeder Woche nachgefordert werden dürfen (§§ 16-18).
Untertanen, die weniger als 52 Tage jährlich zu prästieren haben, können dazu verhalten werden, durch mehrere Wochen hintereinander je einen Tag zu roboten (§ 20).
Als weite Fuhren und Botengänge sind im Winter Entfernungen von höchstens drei (bei Ochsenrobot zwei), im Sommer aber von vier (beziehungsweise von drei) Meilen Hin- und [53] Herweg zusammen anzusehen, wobei jedoch auf Weg und Wetter Rücksicht zu nehmen ist. Alle Barauslagen sollen den Frönern ersetzt werden, u. zw. sind für jeden Knecht täglich 3 kr., für jedes Stück Vieh an Stallgeld 1 kr. und für den Futterankauf im Sommer 1 kr., im Winter 2 kr. zu bezahlen. Die einem Untertan in einem Jahre auferlegten weiten Fuhren sollen insgesamt nicht mehr als zwanzig Meilen im Hin- und zwanzig Meilen im Rückwege ausmachen. Auch dürfen sie nur zur Versendung herrschaftlicher Produkte und Erzeugnisse – innerhalb des Königreiches – verwendet werden. Die auf den weiten Fuhren zugebrachte Zeit, auch unverschuldete Verzögerungen einbegriffen, ist von der Fronschuldigkeit abzuschreiben. Zur Zeit der dringenden Feldarbeiten ist der Untertan zu keiner Fuhr anzuhalten. An Sonn- und Feiertagen soll die Arbeit nach Möglichkeit überhaupt ruhen (§§ 21-27) [132].
Den Gutsherren ist gestattet, die Frondienste auf andere ihnen gehörige, nicht allzuweit entfernte Güter zu ziehen, ohne aber dabei das patentmäßige Tagesstundenmaß – mit Einrechnung der für den Hin- und Herweg, sowie für die Fütterung und Rast erforderlichen Zeit – zu überschreiten. Anderenfalls ist eine Robotsüberlegung als weite Fuhre zu betrachten und danach zu behandeln (§§ 28-30) [133].
Freiwillig und auf ewige Zeiten eingegangene Fronablösungsverträge wurden auch für die Zukunft aufrechterhalten, ein Zwang auf die Untertanen zur Eingehung solcher Verträge jedoch verboten; den Fall ausgenommen, daß die Robotverpflichteten mehr als zwei Wegstunden von dem Orte, wo die Frondienste geleistet werden sollen, entfernt sind und daher diese nicht ohne beträchtlichen Zeitverlust zu Ungunsten der Herrschaft verwendet werden können (§§ 35-36). Den Untertanen darf die Bearbeitung der sogenannten öden Gründe nicht aufgebürdet werden (§ 38).
Besonders wichtig und weitreichend war die neuerliche Festlegung der bereits unter dem 15. Januar 1784 verfügten [54] Aufhebung aller Nebendienste. Fortan sollten Jagdfronden, Botengänge, Nachtwachen [134], die verschiedenen Arbeiten auf herrschaftlichen Schiffen, die besonderen unentgeltlichen Dienste im herrschaftlichen Hofe, in den landwirtschaftlichen Industrieunternehmungen und auf dem Felde u. s. w. nur mehr im Rahmen der wöchentlichen Robotverpflichtung gefordert und prästiert werden und selbst Zwangslohntage untersagt sein. Insbesondere wurde auch die untertänige Pflicht, gegen das Dreschermaß das herrschaftliche Getreide auszudreschen, aufgehoben (§§ 31, 33, 34, 42, 43, 50-56, 64).
Die Verwendung der zur Verbesserung der Wege, Brücken und Dämme gewidmeten Scharwerkstage zu Feldarbeiten wurde verboten (§ 44).
Das Robotpatent regelte aber auch eine Reihe anderer wichtiger Punkte. So verfügte es, daß Handwerksarbeiten von den auf herrschaftlichem Grund und Boden befindlichen Handwerkern niemals auf Abschlag der Fronschuldigkeit gefordert werden könnten, sondern immer bezahlt werden müßten (§ 47).
Ferner beseitigte es alle in den Grundinventarien nicht enthaltenen Naturalabgaben, sowie ferner das Komorne, d. h. den Wohnungszins der Innleute, und die Heiratskonsenstaxe, das Kuniczne (§§ 59 und 70) [135].
Der Ausschank des Weines, der Salzhandel und das Leinwandbleichen sollten fortan von allen Abgaben frei bleiben (§§ 58, 64, 77) [136].
Die Aufdringung obrigkeitlicher Feilschaften wird neuerdings verboten. Ebenso die Abgabe, die die Untertanen von jeder in die Stadt zum Verkaufe geführten Ware entrichteten (§§ 63, 68, 69, 78-80).
Bei Abführung des Zinsgetreides kann fürderhin kein Staub- oder Maßgeld gefordert werden (§ 61).
Der Obst- und Tabakzehent wird abgeschafft (§ 62) [137].
[55]
Alle Abgaben an die obrigkeitlichen Beamten haben aufzuhören (§§ 65, 71, 72).
Die Quittungen über die geleisteten Untertansschuldigkeiten müssen deutlich abgefaßt und darf für ihre Ausfertigung von den Beamten keine Taxe gefordert werden (§ 75).
Ebenso wurde mit dem Geflügelzins für den Genuß der obrigkeitlichen Weiden und mit dem Federzehent, sowie mit dem herrschaftlichen Recht zur Abrupfung der den Untertanen gehörigen Gänse aufgeräumt (§ 67).
Die Untertanen sind ferner in Zukunft nicht schuldig, ihre auf den Gütern ankommenden Obrigkeiten mit Getränken und Futter für die Pferde zu versehen (§ 73).
Es soll von ihnen auch nicht mehr unter dem Vorwande, ihre Entweichung zu verhindern, Bürgschaft gefordert werden (§ 66).
Sie sollen ihren Geldzinsschuldigkeiten in jeder gangbaren Münze nachkommen (§ 74) und niemals mit Geldstrafen belegt werden dürfen (§ 83).
Schließlich wurde festgesetzt, daß die Herrschaften bei allen Untertansbedrückungen zum doppelten, nach Umständen auch zum dreifachen Ersatz des widerrechtlich Erpreßten zu verhalten seien (§ 84).
Das waren die wichtigsten Bestimmungen des Fronpatentes vom 16. Juni 1786, das bis zur Grundentlastung die Grundlage der ländlichen Verfassung Galiziens bildete. Die Gutsherren erlitten einen sehr beträchtlichen Ausfall an Robot und die Aufhebung der Nebendienste machte es ihnen sogar für den Augenblick unmöglich, die Ernte vom Felde einzubringen. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, daß alle ihre Bemühungen darauf gerichtet waren, seine Durchführung zu verhindern oder wenigstens abzuschwächen. Das gelang ihnen auch zum Teile. Denn auf ihre, vom Grafen Brigido unterstützten Vorstellungen ließ sich der Kaiser, der gerade in Lemberg weilte, zu dem Zugeständnis herbei, daß in Hinkunft jene Untertanen, die nur zwei oder weniger Tage in der Woche fronten, während der Heumahd und der Körnerfechsung gegen den gewöhnlich bestimmten Preis, der für Hand- und Zugrobot ausgemessen ist, für die Obrigkeit so viele Tage arbeiten sollten, als ihre Robotschuldigkeit hinter dem wöchentlichen Maximum zurückbliebe [138].
[56]
Das Fronpatent (§ 76) hatte nur unzureichende Normen über die Einhebung des Zehents gebracht; diese Lücke wurde durch das Patent vom 25. Januar 1787 ausgefüllt [139].
Wurden durch die skizzierten Bestimmungen des Robotpatentes den Untertanen einerseits zahlreiche Erleichterungen zuteil, so wurden sie andererseits für den Staat stärker in Anspruch genommen, vor allem durch die direkten Steuern, die Rustikalsteuer und den Militärbequartierungsbeitrag. Daneben bestand für sie noch die wenig drückende Verpflichtung zur Mithilfe bei Errichtung neuer Mauten [140], zur Leistung von Zug- und Handrobot bei der Neuanlegung oder Instandsetzung von Straßen [141] und zur Stellung von Vorspann für das Militär, welch letztere Leistung vergütet wurde [142]. Die Straßenfronen wurden später durch Hofkanzleidekret vom 27. Juli 1824 abgeschafft [143]. Endlich erklärte das Fronpatent ausdrücklich, daß die Untertanen verbunden seien, alle Dienste, die die Landessicherheit angehen, wie: Nachtwachen in den Dörfern oder bei der Kirche, die Herstellung der Nachbarwege von Dorf zu Dorf, die Beihilfe bei Feuers- oder Wassergefahr u. s. w., zu leisten, ohne daß die Obrigkeit diese Dienste von der Robot abzuschreiben verpflichtet sei (§ 39).
Ein Ziel, das die staatliche Bauernpolitik des 18. Jahrhunderts beharrlich verfolgt, ist die Erhaltung des Bauernlandes beim Bauernstand. Seit 1751 schon wurde in Böhmen grundsätzlich daran festgehalten, daß das noch in bäuerlichen Händen befindliche Land in Hinkunft dem Bauernstande nicht entfremdet [57] und nicht zum Hoflande geschlagen werden dürfe [144]. Ungefähr zu derselben Zeit begann der Staat – parallel mit dem Vordringen der Anschauung, daß das Staatswohl hauptsächlich von Freiheit und Eigentum des Landvolkes abhänge – sich der zweiten Aufgabe: Sicherung und Besserung der untertänigen Besitzrechte, zuzuwenden. Zu dem Ziele: "das Bauernland dem Bauernstand" gesellte sich das zweite: "das Bauerngut dem Bauernsohn." Es sollten die "uneingekauften" Gründe in "eingekaufte" verwandelt und aus den "Wirten bis weiter" "Eigenthümer" gemacht werden [145].
Es kann also nicht sonderlich überraschen, daß die Regierung gleich nach der Besitzergreifung Galiziens den Plan erwog, auch hier die Umwandlung der uneingekauften in Erbeigentumsgründe durchzuführen. Dringendere Angelegenheiten drängten jedoch diesen Plan in den Hintergrund [146].
Durch das in den nächsten Jahren eingerichtete Steuersystem wurde das Besitzrecht der Untertanen nicht beeinflußt. Und da die Steuerpflicht das Herrenland ebensowohl, wenn auch freilich nicht in demselben Maßstabe, traf wie das in bäuerlichen Händen befindliche, so fehlte auch der besondere fiskalische Anreiz zu rascher Durchführung der Reform. Das eine bedeutete jedoch einen Fortschritt, daß die von Untertanen bewirtschafteten Gründe in öffentlichen Urkunden, den Fassionen, verzeichnet wurden.
Das am 1. September 1781 kundgemachte Patent über das obrigkeitliche Strafverfahren gegen Untertanen setzte als schärfste Strafe, die jedoch von dem Dominium nur mit Zustimmung des Kreisamtes verhängt werden durfte, die Abstiftung von Haus und Hof fest [147]. Für Galizien konnte diese Bestimmung vorläufig noch von keiner Bedeutung sein, da es doch dem Gutsherrn überhaupt freistand, mit dem bäuerlichen Besitze nach Belieben zu schalten.
Kaiser Josef hatte beabsichtigt, in den böhmischen Ländern gleichzeitig mit der Aufhebung der Leibeigenschaft den untertänigen Wirten das Erbeigentum an ihren Gründen einzuräumen. Hiebei war er jedoch auf energischen Widerstand der Stände gestoßen. Als er wahrnehmen mußte, daß diese nicht im entferntesten daran dachten, [58] Opfer zu bringen, um seine Absicht verwirklichen zu helfen, sondern nur auf ihre alte Forderung: die Untertanen zum Zwangseinkauf zu verhalten, zurückkamen, da hatte er seinen Plan wiederum zurückgestellt und sich damit begnügt, mit Patent vom 1. November 1781 neuerdings die schon seit mehr als elf Jahren in den Sudetenländern bestehende Vorschrift einzuschärfen. Nach wie vor sollten also die Obrigkeiten dem Bestreben der Untertanen, sich einzukaufen, keine Hindernisse in den Weg legen, ebensowenig aber die Untertanen zum Einkaufe zwingen dürfen [148]. Dieses Patent nun wurde zugleich mit demjenigen über die Leibeigenschaftsaufhebung dem galizischen Gubernium übermittelt, damit dieses sich über seine Anwendbarkeit für Galizien äußere.
Der Gubernialreferent v. Koranda verhielt sich ablehnend. Ein Zwangseinkaufsgesetz für Galizien erschien ihm nicht nur mit Rücksicht auf die Haltung der Dominien, sondern auch mit Rücksicht auf die Untertanen als bedenklich [149]. Vor allem [59] müsse dem Bauern das Eigentum erst "anziehend und reizbar" gemacht werden. Er schlug daher vor, das Erbeigentum vorläufig nur auf den in allen Kreisen zerstreuten Domänen einzuführen. Offenbar hatte Koranda die Absicht der Regierung mißverstanden. Zwang war ohnehin nicht beabsichtigt. Zudem hatte das Gubernium selbst wenige Monate vorher, nämlich unter dem 1. Juni 1781, die Verleihung des Erbeigentums an die Untertanen als das wirksamste Mittel zur Hebung der Landwirtschaft bezeichnet [150]. Nichtsdestoweniger gab der Kaiser dem Gubernium recht. "Auf die Einführung des Eigenthums – entschied er mit Resolution vom 5. Februar 1782 – wird mit der Urbarialregulation der Bedacht genommen und zuförderst auf den Cameralgütern der erste Versuch gemacht werden können."
Das Patent vom 1. November 1781 wurde daher in Galizien überhaupt nicht kundgemacht, was nun freilich kein großer Verlust war, da doch sein Erfolg in Böhmen überaus geringfügig war.
Von Bedeutung für die fernere Entwicklung der Untertansverhältnisse ist das Patent vom 18. März 1784 [151]. Danach sollten alle Kauf- und Verkaufsverträge zwischen Obrigkeit und Untertanen, die sich auf das untertänige Vermögen beziehen, dem Kreisamte zur Bestätigung vorgelegt werden. Damit begann ein System der Bevormundung, das zwar vielfach angefeindet wurde, das jedoch bei den wenig ausgebildeten ökonomischen [60] Eigenschaften der Landbevölkerung nicht ganz ungerechtfertigt war. Es galt den Untertanen nicht nur gegen die Herrschaft, sondern auch gegen wucherische Ausbeutung von anderer Seite zu schützen. Hier deckte sich das obrigkeitliche mit dem untertänigen Interesse, so daß die Beaufsichtigung des Kreditwesens den Dominien übertragen werden konnte. Nachdem schon vorher der Branntweinausschank auf Borg untersagt worden war [152], verbot das Patent vom 26. Juli 1784 die Überlassung untertäniger Grundstücke in den sogenannten obligatorischen oder Pfandbesitz und den obligatorischen Besitz selbst. Die aus dem Titel des Pfandrechtes besessenen Grundstücke sollten binnen Jahresfrist ihren Eigentümern zurückgegeben werden, wogegen diese die auf ihren Grundstücken haftenden Schulden zu liquidieren hätten. Für die Zukunft aber wurde den Untertanen überhaupt untersagt, mehr als fünf rheinische Gulden ohne obrigkeitliche Bewilligung zu leihen. Höhere Forderungen, die die obrigkeitliche Bewilligung nicht erhalten hatten, sollten weder durch Pfandrecht noch durch gerichtliche Exekution unterstützt werden. Auch der verbreitete wucherische Vertrag, der dem Gläubiger die Hälfte der Ernte zusprach, das sogenannte "zur Hälfte Säen", wurde abgestellt [153].
Inzwischen war Kaiser Josef II. wieder auf seinen Lieblingsplan, die Untertanen zu Eigentümern ihrer Gründe zu machen, zurückgekommen. In den Sudetenländern besaßen die uneingekauften Untertanen seit den in letzter Zeit durchgeführten Reformen ihre Gründe bereits "mit den vorzüglichsten Wirkungen des Eigenthums". Es war deshalb keine sonderliche Zumutung, wenn der Kaiser die Stände auffordern ließ, die uneingekauften Gründe den Bauern unentgeltlich ins Erbeigentum zu geben, "um so mehr als sie dabey nichts verlöhren, wohl aber von der lästigen ihnen obliegenden Verbindlichkeit, den uneingekauften Besitzern alles zur Erhaltung der sartorum tectorum des fundi instructi erforderliche ohnentgeltlich beyzuschaffen auch die daraufsitzenden Unterthanen in Miswachs und Nothfällen ohnentgeltlich zu unterstützen, dadurch gänzlich befreyet würden [154]". Anders lag freilich die Sache in Galizien, [61] wo noch nichts geschehen war, um das Bauernland vor Einziehung zum Herrenland zu schützen. Nichtsdestoweniger erging die gleiche Aufforderung auch an die galizischen Stände und wurde dem Gubernium aufgetragen, alle Kreisämter und Obrigkeiten darauf aufmerksam zu machen, daß die Gutsherren verpflichtet seien, den uneingekauften Untertan zu unterstützen, daß sie aber kein Recht zur Abstiftung hätten außer in den gesetzlich schon bestimmten Fällen, auch nicht wenn sich ein Käufer finden sollte [155]. Das Gubernium führte jedoch den Auftrag nicht aus. Es verkenne zwar nicht die edle Absicht des Kaisers, das Wohl der Untertanen zu befördern, lautete seine Antwort, es glaube jedoch, "da der galizische Unterthan zu roh sei, um aus dieser Verfügung sein eigenes Wohl hervorleuchten zu sehen, nicht unrecht gehandelt zu haben, wenn es diese Verfügung vorläufig nur dem Ständeausschuss mitgetheilt habe; würde man es allen Obrigkeiten mittheilen, so müssten die Unterthanen von den großen Vortheilen, die die uneingekauften Besitzer genießen, erfahren und würden sich noch mehr als jetzt schon geschieht, gegen Annahme des Eigenthums sträuben." Doch nehme das Gubernium selbst diese Verordnung zur Richtschnur bei allen vorkommenden Fällen. Der Kaiser erklärte sich damit einverstanden [156].
Inzwischen hatte auch der Ständeausschuß sein Gutachten abgegeben. Er stellte die Schwierigkeiten dar, auf welche die Durchführung des kaiserlichen Projektes stoßen würde. Vor allem aber sei der Bauer im Osten des Landes zu faul und zu abergläubisch, um von dem Geschenke, das ihm durch Verleihung des Eigentums zugewendet würde, den richtigen Gebrauch zu machen. Es sei daher besser, noch auf die Vollendung der eben ins Werk gesetzten Ausmessung des Landes und auf die Durchführung der Urbarialregulierung zu warten. Mit diesen Ausführungen war nun die Hofkanzlei durchaus nicht einverstanden. "Die galizischen Stände – erklärte sie [157] – sind ganz unrecht daran, wenn sie vermeinen, dass nicht schon das Erbeigenthum allein gute Wirkungen und gedeihliche Folgen haben werde, und dass erst noch vorläufig [62] durch eine bessere Erziehung die Liebe zur Arbeit erzielet werden muss; denn die tägliche Erfahrung widerspricht diesem platterdings, und bewährt vielmehr, dass die Unterthanen aller Orten, wo sie ihre Gründe eigentümlich besitzen, wenn sie auch übrigens in der Erziehung ziemlich zurück und vernachlässigt sind, sich doch durch ihren Fleiß und durch ihre Arbeitsamkeit allenthalben auszeichnen, sowie dies auch in Galizien wirklich der Fall ist, und jene wenige Ortschaften, wo der Unterthan eigenthümlich Gründe besitzt, von den übrigen gleich bei dem ersten Blick sich merklich unterscheiden." Viel richtiger wäre daher die Erkenntnis gewesen, "dass, da die Unterthanen, ohngeachtet sie fruchtbare Gründe besitzen, selbe doch nur schlecht bebauen, dies vermuthlich darin seinen Grund haben dürfte, weil sie diese Gründe nicht eigenthümlich besitzen."
Doch konnte auch die Kanzlei, trotz ihrer Besorgnis: die Urbarialregulierung werde der Einkaufung Hindernisse in den Weg legen, sich der Ansicht nicht verschließen, daß die sofortige Durchführung der Maßregel nicht möglich sei. Sie beantragte daher, vorläufig wenigstens das Hofdekret vom 7. Januar 1785 öffentlich kundzumachen. Dabei sprach sie auch den Wunsch aus: es möchten die ungeheueren Dominikalbesitzungen vermindert und die Untertanen besser dotiert werden. Auch der Kaiser war jetzt für die Kundmachung des Hofdekretes, wollte jedoch die obrigkeitliche Aushilfe nur auf das beschränkt wissen, wozu die Obrigkeiten wirklich verpflichtet waren [158]. Diese unklare Bezeichnung wäre geeignet gewesen, eine noch größere Verwirrung hervorzurufen, als ohnehin schon bestand. Doch [63] entschied der Kaiser auf eine neuerliche Vorstellung der Hofkanzlei dahin, daß das Nämliche, was unter dem 7. Januar 1785 für Böhmen erlassen worden war, auch für Galizien zu gelten habe [159]. Damit wurde das Verbot, die Untertanen willkürlich abzustiften, zum erstenmale auch in Galizien ausgesprochen. Wirksam war es vorderhand noch nicht.
Der Appell des Kaisers an die böhmischen und mährischen Stände war ebenso erfolglos geblieben wie der an die galizischen. Josef gab daher den Plan, das untertänige Eigentum mit einem Schlage herbeizuführen, endgiltig auf. Fortan sollte – und dabei blieb es bis 1848 – die Durchführung des Erbeinkaufes ausschließlich im Wege freiwilliger Vereinbarungen zwischen Gutsherrschaften und Untertanen stattfinden [160]. Aber noch war in Galizien das bäuerliche Besitzrecht prekär, schlechter als in den übrigen Provinzen Österreichs. Noch war in Galizien viel zu tun, um dem dortigen Bauern eine ähnlich gesicherte Stellung zu schaffen, wie sie der böhmische, auch der uneingekaufte, schon hatte. Noch war vor allem das Rustikalland von dem Dominikalland nicht getrennt, ein Zustand, der umso bedenklicher war, als gerade damals, wo nach Herstellung der Ruhe und Ordnung im Lande der Ackerbau einen neuen Aufschwung nahm, bei den Gutsherren der Wunsch rege zu werden begann, das Hofland auf Kosten des Bauernlandes zu erweitern.
Der Staat verleugnete aber auch in Galizien die Grundsätze nicht, die er in den übrigen Kronländern seit Jahrzehnten mit Erfolg vertreten hatte. Das Legungsverbot wurde wiederholt ausgesprochen [161] und in das Fronpatent aufgenommen [162]. Jetzt aber entstand die Frage: Welche Gründe sind Rustikalgründe, auf welche Gründe hat sich dieses Verbot zu erstrecken? Das mußte genau feststehen, sollte das Legungsverbot nicht ein toter Buchstabe bleiben.
Nun war aber eben mit Hofdekret vom 24. Februar 1787 für die Bukowina eine wichtige Bestimmung getroffen worden. Danach "sollte der Besitzstand, wie er mit 1. November 1786, [64] nämlich in dem Zeitpunkte der Vereinigung mit Galizien, gewesen, zur Grundlage angenommen, mithin jene Gründe, die sich damals in dem Besitz eines Unterthans befanden, als unterthänige erklärt werden", und den Obrigkeiten für die Zukunft untersagt werden, "diese Gründe dem Unterthan abzunehmen, noch selbst ohne seiner eigenen Einwilligung und dem Vorwissen des Kreisamtes gegen andere zu vertauschen" [163]. Als daher die Hofkanzlei dem Kaiser ein Hofdekret zur Genehmigung vorlegte, das den Obrigkeiten in allen k. k. Erblanden verbieten sollte, ihre eigenen Gründe gegen Rustikalgründe zu vertauschen, machte sie den Vorschlag, gleichwie es für die Bukowina geschehen war, auch für Galizien den 1. November 1786 als Normalzeitpunkt zur Unterscheidung zwischen Dominikal- und Rustikalland festzusetzen [164]. Der Kaiser schloss sich diesem Antrage an, und es erfloß dementsprechend am 2. April 1787 ein Hofdekret an die galizische Landesstelle [165]. Mit einem Schlage war so der in untertänigen Händen befindliche Grund und Boden "rustikalisiert".
Bei der Publikation dieses Gesetzes ergaben sich mancherlei Irrungen. Das Landesgubernium hatte an dem eben erwähnten, für die Bukowina erlassenen Hofdekrete vom 24. Februar aus steuertechnischen Gründen Anstoß genommen. Es hatte daher die Anwesenheit des Kaisers in Lemberg (Mai 1787) benützt, um eine Erläuterung zu erbitten, und die Antwort des Monarchen irrtümlich so ausgelegt, als ob das Hofdekret vom 24. Februar widerrufen worden wäre. Das war nun nicht der Fall gewesen, und daher war auch dem Gubernium, als es diesen angeblichen Widerruf publizierte, von Wien schleunigst aufgetragen worden, [65] denselben zurückzunehmen [166]. In Erwartung der neuerlichen Entscheidung des Kaisers über die Bukowinaer Verhältnisse hatte nun das Gubernium mit der Kundmachung der analogen, für Galizien getroffenen Verfügung gezögert und mit Kreisschreiben vom 26. April 1787 [167] bloß den Teil des Hofdekretes veröffentlicht, der die eigenmächtige Vertauschung untertäniger und obrigkeitlicher Gründe betraf. Der andere Teil, der die Bestimmung des Normaljahres enthielt, wurde vorläufig zurückgehalten. Er ist auch später ebensowenig wie der Widerruf der die Bukowina betreffenden unrichtigen Verlautbarung [168] publiziert worden.
Nichtsdestoweniger bestand jedoch das Hofdekret vom 2. April 1787 zu Recht. Als es sich darum handelte, in dem Steuerregulierungspatente vom 10. Februar 1789 eine genaue Unterscheidung zwischen Dominikal- und Rustikalland festzusetzen, wurde von der Hofkanzlei, die ja nicht wußte, daß das galizisehe Gubernium das Hofdekret vom 2. April 1787 nur unvollständig kundgemacht hatte, die frühere Verfügung wieder aufgenommen und im Patente ausdrücklich wiederholt [169]. Das hatte natürlich nur deklaratorische Bedeutung, da nur auf ein geltendes Gesetz hingewiesen wurde.
[66]
Daran wurde daher auch nach Aufhebung des Patentes vom 10. Februar 1789 festgehalten. Das Hofkanzleidekret vom 2. April 1787 war in Vergessenheit geraten; die Bestimmung des Normaljahres jedoch wurde aufrechterhalten. So kam es denn zu dem juristischen Kuriosum, daß durch mehr als ein halbes Jahrhundert ein Paragraph eines aufgehobenen Gesetzes die Grundlage ungezählter hochwichtiger Entscheidungen der Behörden bildete [170]. Wie auch immer aber sich das juristische Detail dieser Sache gestaltete, das muß betont werden, daß das Hofdekret vom 2. April 1787 eine der wichtigsten Maßregeln war, die die österreichische Regierung zum Wohle des galizischen Bauernstandes getroffen hat. Der Bauer hat ein lebenslängliches Nutzungsrecht an seinem Grunde erhalten; er darf nur in gewissen, vom Gesetze bestimmten Fällen abgestiftet werden [171], ja sein Nutzungsrecht wird schließlich ein vererbliches [172].
Noch einmal – gelegentlich eines Vortrages über das galizische Evidenzhaltungswesen – wurde in der Hofkanzlei die Frage erwogen, ob nicht zugleich mit der Steuer- und Urbarialregulierung den Bauern das Erbeigentum verliehen werden sollte. Allein auch diesmal wurde die Ausführung dieser Absicht auf eine spätere Zeit verschoben und nur den Untertanen der Kameral- und geistlichen Güter, der Starosteien und Tenuten durch Hofdekret vom 20. Januar 1787 das Eigentum ihrer Gründe unentgeltlich eingeräumt [173]. Eine auf der Fideicommißherrschaft Zamośc von dem Grafen Zamojski durchgeführte Reform machte auch die dortigen Bauern zu Erbeigentümern [174].
Das Ergebnis der josefinischen Reformen ist nun in Bezug auf das Besitzrecht der Privatbauern folgendes: der uneingekaufte [67] Dominikalist ist uneingekaufter Rustikalist geworden; und noch mehr, er besitzt sein Gut "mit den vorzüglichsten Wirkungen des Eigentums". Denn er darf – außer nach gesetzmäßig durchgeführtem Verfahren – nicht abgestiftet werden. Allerdings kann er über seine Gründe weder unter Lebenden noch auf den Todesfall disponieren und, wenn er stirbt, so tritt immer die gesetzliche Erbfolge ein. Aber ein solches Verfügungsrecht strebt der Bauer auch gar nicht an. Was er begehrt, das ist der ungestörte, ruhige Besitz, und daß dieser Besitz auf seine Kinder übergehe. Das ist ihm gewährt. Daß er nur bis 5 Gulden Schulden aufnehmen kann, ist nur aus Gründen der Landeskultur bestimmt. Darf ja auch der eingekaufte Wirt der böhmischen Länder seine Stelle nicht über 2/3 des Wertes verschulden. Verschuldungsfreiheit ist für den Landmann immer ein Danaergeschenk, zumal in Galizien, wo der ländliche Wucher seit jeher in Blüte stand.
Die Obrigkeiten, die durch die Entziehung der Verfügung über die untertänigen Gründe, durch die Einschränkung der Robot, durch die Aufhebung zahlreicher Untertansgiebigkeiten und durch die Einführung der hohen Steuern eine starke Vermögenseinbuße erlitten hatten, suchten Ersatz zu finden in der Gewinnung der vollkommenen Herrschaft über Wald und Weide.
Die Regierung selbst hatte ihnen den Weg gewiesen. Um nämlich der fortschreitenden Devastierung der Wälder Einhalt zu tun, hatte man bei der Übernahme der königlichen Güter mit Patent vom 16. Oktober 1772 überhaupt die Holzungsrechte abgestellt [175].
Wenige Wochen später schon hatte man jedoch diese strenge Verfügung aufgehoben, und den Untertanen gestattet, dort, wo es bis dahin Übung gewesen war, Klaubholz zu sammeln [176]. Das Holzungsrecht wurde also wesentlich eingeschränkt, dafür aber den Untertanen zugesichert, daß sie dieses verminderte Recht in Zukunft wieder ungestört ausüben können.
[68]
Auch auf den Privatgütern wollte die Regierung eine geregelte Forstwirtschaft einführen und erließ daher eine Waldordnung [177]. Sofort liefen auch Klagen ein: die Obrigkeiten nähmen dieses Patent zum Vorwand, um den Untertanen den Genuß der obrigkeitlichen Wälder zu entziehen. Was die Herrschaften anstrebten, war klar. Die Untertanen sollten durch Entziehung der Wald- und Weidegerechtigkeiten gezwungen werden, die durch die kaiserlichen Verordnungen der letzten Jahre aufgehobenen Prästationen weiter zu leisten [178].
Dagegen mußte der Staat einschreiten. Durch Patent vom 12. Januar 1784 wurde daher festgesetzt, "dass, wo vorhin denen Unterthanen gestattet gewesen, ihren Holzbedarf aus den obrigkeitlichen Waldungen herzuholen, dieses auch noch fernerhin, nur mit dem Unterschiede gestattet werden müsse, dass nunmehr bei dem Holzschlag selbst sich jedesmal ganz genau nach dem Waldordnungspatente zu achten und zu benehmen sein wird." Wo den Untertanen die Befugnis zustand, Holz zum Verkaufe zu schlagen und zu verführen, muß ihnen die Fortdauer dieses Rechtes solange zugestanden werden, "bis die Obrigkeit gehörig dargethan haben wird, dass diese Holzverführung nur precarie und nach Wohlgefallen der Obrigkeit zugestanden worden, und dass die Unterthanen ohne diese Holzverführung leben und ihr Auskommen finden können" [179]. Jetzt wäre es nöthig gewesen, von Amts wegen für jedes Dorf den Umfang der Dienstbarkeiten feststellen und aufzeichnen zu lassen, und so für die Zukunft allen Streitigkeiten vorzubeugen. Das geschah aber nicht. Weder im Augenblick, noch später. Streitigkeiten blieben dann auch nicht aus. Der Versuch der Dominien, bei Gelegenheit der Einführung der Steuer- und Urbarialregulierung die Waldsteuer teilweise auf die Untertanen zu überwälzen, wurde allerdings durch das Hofdekret vom 14. September 1789 zurückgewiesen [180]. Ebenso mußte aber auch der Versuch des Guberniums, gestützt auf dieses Hofdekret, eine Regelung der [69] strittigen Verhältnisse durchzuführen [181], infolge der Aufhebung der Urbarialregulierung nach Josef II. Tode unterbleiben.
Aus bevölkerungspolitischen Gründen ist der österreichische Staat des 18. Jahrhunderts ein Gegner der großen Güter geworden. In der Vermehrung der Bevölkerung erblickt er die vornehmste Aufgabe seiner Verwaltungstätigkeit. Für die vermehrte Bevölkerung sollen durch weitgehende Förderung der Landwirtschaft ausreichende Subsistenzmittel geschaffen werden. Nichts aber hindert mehr "die vollkommene Cultur des Bodens und den Flor der Landwirtschaft" als die Frondienste. Ihre Aufhebung muß jedoch die Vernichtung des gutsherrlichen Großbetriebes im Wege einer Zerschlagung des Herrenlandes in Bauerngüter nach sich ziehen. So wird denn dieses letztere zum Losungswort. Dieses Programm, das im Jahre 1775 vom Hofrate der Kommerzkommission Franz Anton v. Raab aufgestellt wurde, sollte in Böhmen und Mähren auf den vom Staate verwalteten Gütern eingeführt werden. Denn die Privatdominien waren nicht gewillt, diese Neuerung, von der sie nicht mit Unrecht eine Schmälerung ihrer Einkünfte befürchteten, anzunehmen, und der Staat versuchte auch vorläufig nicht, sie dazu zu zwingen. Auf den Staatsgütern aber machte man mit dem neuen Systeme recht günstige Erfahrungen. Kein Wunder also, daß die Regierung daran dachte, das Raab'sche System auch in Galizien einzuführen. Verfügte sie doch hier über zahlreiche Staatsgüter, die sie von der Republik Polen übernommen hatte, über geistliche Fondsgüter und über die Güter des im Jahre 1773 aufgehobenen Jesuitenordens [183].
Diese Gütermasse in Staatsbesitz zu behalten, war nicht beabsichtigt, da dies den damals herrschenden Grundsätzen widersprochen hätte. Sie sollte vielmehr nach Einführung der Robotabolition an Private verkauft werden [184]. Tatsächlich ist es jedoch anders gekommen; gerade auf jenen Gütern, die der Staat in [70] seiner Verwaltung behielt, ist das Robotabolitionssystem, zum größten Teil wenigstens, durchgeführt worden, während die Mehrzahl der verkauften Staatsgüter nicht nach diesem System eingerichtet wurde.
In den volkreichen westlichen Provinzen des Reiches konnte man die parzellierten Meierhofgründe an Landeskinder austeilen. Anders in dem menschenarmen Galizien. Hier mußten Ausländer herangezogen werden. Ja, das Moment der Ansiedlung fremder Kolonisten trat so sehr in den Vordergrund, daß man den ursprünglichen Zweck des Raab'schen Systems ganz vergaß und zeitweilig ausschließlich Ausländer mit den neuen Bauernstellen beteilte [185]. Vor allem sollten Deutsche ins Land gezogen werden, von deren hoher Bildung und genauer Kenntnis des Ackerbaues man sich große Vorteile für die Landwirtschaft versprach, in zweiter Reihe Polen aus dem republikanischen Gebiete. Den Kolonisten wurden ganz außergewöhnliche Begünstigungen in Aussicht gestellt. Sie erhielten ein Haus und einen Ackergrund als Erbeigentum; Vieh und Gerätschaften wurden ihnen von der Kameralgüterverwaltung unentgeltlich beigestellt; nach Ablauf einer bestimmten Anzahl von Freijahren sollten sie einen mäßigen Zins entrichten und die ortsübliche Robot leisten. Doch blieb ihnen das Recht unbenommen, gleich den übrigen Untertanen der Kameralgüter die Robot in Geld oder Körnern abzulösen [186].
Die Kolonisation beschränkte sich übrigens nicht auf die Staatsgüter allein: auch auf den Privatherrschaften wurden die Lücken, die durch die Auswanderung vieler Untertanen entstanden waren, durch deutsche Ansiedler ausgefüllt. So wurden in den Jahren 1782-1786 gegen 20.000 Deutsche aus dem [71] Reiche, meist Würtemberger und reformierte Pfälzer, in 120 Kolonien angesiedelt [187], und die Kolonisation dauerte, obschon nur in geringerem Maßstabe, auch noch in der nachjosefinischen Zeit fort.
Unter der Leitung des Staatsgüteradministrators Matthias von Ainser nahm auch das Robotabolitionsgeschäft in Galizien einen befriedigenden Fortgang. Nachdem schon im Jahre 1778 einzelne Meierhöfe an die Untertanen verteilt worden waren, wurde im Jahre 1783 das Raab'sche System auf den Kameralherrschaften Niepolomice und Sendomir und in den folgenden Jahren auf den übrigen, in der unmittelbaren Verwaltung des Staates stehenden Gütern (der größere Teil der Krongüter befand sich in lebenslänglichem Besitze von Edelleuten) durchgeführt [188]. Die Untertanen zeigten sich im allgemeinen mit der Reform zufrieden, und auch der Staat schien dabei gut zu fahren.
Durch die "Leibeigenschafts"aufhebung wurden die öffentlich-rechtlichen Befugnisse der Gutsherrschaften nicht berührt. Die Stellung der Dominien als Justiz- und Verwaltungsorgane wurde auch fernerhin beibehalten, jedoch gleichzeitig einer gesetzlichen Regelung unterworfen. Durch zwei am 1. September 1781 erschienene Patente und durch gleichzeitig erlassene Instruktionen für die Kreisämter und die Untertansadvokaten wurde das Verfahren in Streitigkeiten zwischen Obrigkeiten und Untertanen neu geregelt, wobei der alte – in Galizien seit 1775 geltende – Instanzenzug nicht geändert wurde. Gegen widerspenstige Untertanen wurde den Obrigkeiten eine beschränkte Strafgewalt eingeräumt. Andererseits aber wurde den Kreisämtern aufgetragen, Herrschaften und Wirtschaftsbeamte, die sich Übertretungen der Untertansschutzgesetze zuschulden kommen lassen wurden, strenge zu bestrafen [189].
Das Geltungsgebiet dieser Verordnungen erstreckte sich über ganz Österreich. Für Galizien waren jedoch besondere Vorkehrungen nötig. Denn während in den anderen Kronländern bereits seit langer Zeit mehr oder minder gut organisierte Ämter bestanden, [72] war in Galizien, besonders auf den kleineren Gütern, die Administrierung ungebildeten Beamten überlassen, die infolge ihrer geringen Gesetzeskenntnis nicht imstande waren, den Anforderungen, die der Staat an sie stellte, nachzukommen. Es wurde also angeordnet, "dass jene Grundherren, die nicht selbst auf ihren Gütern wohnen, oder sich zur Besorgung der publiquen Geschäfte nicht verwenden wollen, einen rechtschaffenen und tüchtigen Beamten in loco anstellen." Dieser Beamte sollte vor dem Kreisamt eine Prüfung über seine Befähigung zur Verwaltung der öffentlichen Geschäfte ablegen. Zu seinen Obliegenheiten sollte es gehören, die publizierten Verordnungen zu sammeln und auf ihre Befolgung zu achten, ferner die Rustikalsteuer einzuheben und zu verrechnen. Ohne Wissen des Kreisamtes sollte er nicht aus dem Dienste entlassen werden [190].
Diesen Erlassen verdankt die später zu einer traurigen Berühmtheit gelangte Klasse der "Mandatare" ihre Entstehung [191].
Die Ausübung der Gerichtsbarkeit wurde den Dominien bei der Reformierung der Gutsbehörden auch fernerhin belassen [192]. Die Stände erboten sich zur unentgeltlichen Leistung der Rechtspflege, und der Staat willigte ein [193]. Die Rechtsprechung sollte durch einen geprüften Justitiär ausgeübt werden. Den Herrschaften wurde es verboten, auf die Urteilsfällung Einfluß zu nehmen [194]. Zugleich mit der josefinischen Steuer- und Urbarialregulierung war auch eine Reform der niederen Verwaltungsbehörden geplant: gewisse Agenden, die bis dahin von den Gutsherrschaften besorgt wurden, sollten an landesfürstliche Beamte (Steuereinnehmer, Bezirksbeamte) übergehen. Die [73] vorzeitige Aufhebung dieser Reform verhinderte auch die Ausführung dieses Planes.
Die Obrigkeiten hatten für die Untertansbedrückungen ihrer Beamten und Pächter zu haften [195]. Die Forderungen der Untertanen aus dem Titel der Untertänigkeit erloschen nicht durch einen Wechsel in der Person des Gutsherrn. Sie hafteten vielmehr am Grund und Boden; doch mußten sie innerhalb drei Jahren geltend gemacht werden [196]. Diese zur Sicherung der untertänigen Forderungen bestehenden Vorschriften wurden mit Patent vom 10. Juli 1789 dahin erweitert, daß in Hinkunft bei Konkursen die erwähnten Ansprüche in der zweiten Klasse rangieren, also das Pfandrecht genießen sollten. Überdies sollte die sogenannte Oktava oder der achte Teil des Wertes jeder Herrschaft für die Untertansforderungen derart haften, daß auch ohne Vormerkung diesen Forderungen bis zum genannten Betrage das Pfandrecht vor allen Gläubigern gebühre [197].
Das obrigkeitliche Mühlen-Regal wurde durch Patent vom 9. September 1784 wesentlich eingeschränkt [198].
Auch in die inneren Verhältnisse der Dorfgemeinde griff der Kaiser ein. Die Befugnisse der Gemeindebehörden wurden geregelt; in jedem Dorfe sollten ein Richter und für je 50 Häuser 2 Geschworene aufgestellt werden. Für das Richteramt hatte die Gemeinde dem Dominium einen Ternovorschlag zu machen. Die Geschworenen durfte sie selbst im Einverständnis mit dem Richter wählen [199]. Dorfrichter und Geschworene genossen [74] besondere Begünstigungen in Bezug auf das Ausmaß der Robot [200]. Ihre Obliegenheiten waren ziemlich bedeutend [201].
Gleich bei der Besitzergreifung hatte die Regierung die Absicht ausgesprochen, die Untertänigkeitsverhältnisse Galiziens durch eine Urbarialregulierung zu reformieren. "Ein wohlgeordnetes Urbarialsystem soll und kann eingeführt werden," lautete die Parole [202]. Und Josef II. schreibt unter dem 19. Mai 1780 aus Lemberg an seine kaiserliche Mutter: "La regulation urbariale, si elle a jamais été nécessaire l'est bien ici." [203] Nur war man sich über die Art und Weise ihrer Durchführung vollkommen im Unklaren. Bald sollte die ungarische, bald die schlesische, dann wieder die böhmische Agrarverfassung zum Vorbilde genommen werden. Aber schließlich erkannte man, daß die eigenartigen Verhältnisse in Galizien eine besondere Behandlung verlangten [204].
Ernstlich wurde an diese Angelegenheit erst gegen Ende des Jahres 1782 herangetreten. Die äußere Veranlassung bot ein Promemoria über die wirtschaftliche Lage Galiziens, das Graf Wieloborski in Wien überreicht hatte. Aus diesem Denkschreiben hatte der Kaiser entnommen, "das 3/4 der Güter nicht von ihren Grundherren besessen und benutzt werden, sondern von Pächtern, die den Bauernstand sehr misshandeln und bis 50 procento jährlichen Profit beziehen." Darauf baute nun Josef den Plan zu einer Urbarialregulierung auf. "Den Grundherren ist nur die Versicherung ihrer momentanischen Pachtung zu geben, sei es in Geld oder Naturalien, worüber sie sich nicht zu beschweren hätten, ausgenommen, dass sie auf zukünftige [75] Zeiten ihre Pachtungen nicht werden erhöhen können. Dieses aber wäre ein billiges Vergelten für ihr außer Landes meistenteils verzerrendes Vermögen oder so lüderliche Verwaltung. Derjenige Profit von 50 pro Cento mehr oder weniger, so jetzt der Pächter bezieht, bliebe dem Unterthan in Händen, und verschaffte ihm ein besseres Auskommen, mehrere Kräfte zu den Staats-Nothdurften und die Möglichkeit, seinen Contrakt mit dem Gutsherrn richtig zuzuhalten." Auch wäre mit dieser Reform eine Steuerregulierung zu verbinden [205].
Die Hofkanzlei zeigte nur sehr wenig Neigung, auf die Vorschläge des Kaisers einzugehen. Sie hielt sie für unausführbar. Ihre Argumente überzeugten den Kaiser jedoch so wenig, daß er ihr die Vorstellung gegen seine Absichten einfach mit dem Bemerken zurückstellte: daß "dieses Geschwätz zu keinem Gebrauch sei" [206]. Im Schoße der Hofstellen wurden sodann unter der unmittelbaren Leitung des Kaisers Beratungen über eine bessere Art der Urbarialregulierung gepflogen, deren Resultat die Steuer- und Urbarialregulierung von 1789 war, die sich auf das ganze Reich erstreckte. Das Wesen dieser großartigen Agrarreform ist so gründlich behandelt worden, daß wir uns darauf beschränken können, nur das Wichtigste in kurzen Zügen anzudeuten [207].
Ausgehend von der physiokratischen Forderung eines impôt unique will der Kaiser den Grund und Boden, ohne Unterschied, ob er sich im Besitze von Staat oder Kirche, Gutsherr oder Bauer befindet, einer gleichmäßigen Besteuerung unterwerfen. Der Naturalbruttoertrag sollte fortan allein maßgebend sein für die Höhe der Steuer, die in den deutschösterreichischen Ländern [76] im Durchschnitt 12 Gulden 13 1/3 Kreuzer von 100 Gulden Bruttogrundertrag, in Galizien, damit "Kultur und Industrie umso leichter in Aufnahme gebracht werden", nur 8 Gulden 16 4/5 Kreuzer betrug. Den Herrschaften wurde das Steuersubrepartitions-, Sublevierungs- und Einhebungsrecht entzogen. Das erste fiel fortan ganz weg. Die Einhebung wieder sollte in Zukunft durch landesfürstliche Beamte geschehen. Mit der Steuerregulierung wurde auch eine umfassende Urbarialregulierung verbunden. Künftighin sollte bloß das Geld der "einzige und unveränderliche Maßstab" zur Bestimmung der Untertansschuldigkeiten sein; die Grundobrigkeiten sollten in der Regel nur mehr Geld von ihren Untertanen fordern können, diese wieder nur verpflichtet sein, Geld zu prästieren. Daher wurden alle untertänigen Schuldigkeiten auf Geld zurückgeführt. Allerdings blieb es den Interessenten gestattet, auch künftighin im Wege freier Vereinbarung die Urbarialschuldigkeit in Lohnarbeit umzugestalten. Der Staat wollte jedoch auf den Abschluß derartiger Verträge keinen Einfluß nehmen. Aber nicht nur die Qualität der Schuldigkeiten wurde verändert; auch ihre Quantität erfuhr – ebenfalls zu Gunsten der Untertanen – eine bedeutende Änderung. Den Untertanen, soweit sie für regulierbar erklärt wurden, sollte von dem zum Zwecke der Steuerregulierung ausgemittelten Bruttogrundertrage jedenfalls mindestens 70% zur eigenen und zur Erhaltung ihrer Familien, sowie zur Bestreitung der Kulturkosten, der Gemeindeabgaben und der Umlagen für Seelsorge und Schule frei bleiben. Sämtliche landesfürstliche und obrigkeitliche Forderungen durften daher in den deutschösterreichischen Ländern 30% des Bruttogrundertrages nicht übersteigen. Soweit dies der Fall war, sollten die herrschaftlichen Forderungen auf den gesetzlichen Höchstbetrag herabgesetzt werden. Jenes Drittel, um das die Grundsteuer in Galizien niedriger bemessen war, sollte den Untertanen zugute kommen, so daß auch hier die Untertansschuldigkeiten das für die deutschen Kronländer festgesetzte Maximum nicht übersteigen durften. Es blieben also dem galizischen Untertan von 100 Gulden Grundertrag 73 Gulden 56 8/15 Kreuzer frei. Regulierbar waren alle bäuerlichen Rustikalisten, gleichviel, ob sie eingekauft oder uneingekauft waren. Als Bauer aber wurde angesehen, wer von seinen Rustikalgründen mindestens 1 1/3 Gulden (in den deutschen Kronländern 2 Gulden) an Grundsteuer entrichtete. Die Schuldigkeiten der Häusler und Innleute wurden, [77] soweit sie Äquivalent für den obrigkeitlichen Schutz waren, in Art und Maß unverändert gelassen. Besaßen sie aber steuerbare Gründe, so sollten sie in Ansehung dieser gleich den bäuerlichen Rustikalisten behandelt werden [208].
Das neue Urbarialsystem sollte zugleich mit der Steuerreform am 1. November 1789 in Kraft treten [209]. Um jedoch den Obrigkeiten den Übergang zur neuen Wirtschaftsverfassung zu erleichtern, wurden die Untertanen verpflichtet, bis Ende Oktober[78] 1791 auf Abrechnung ihrer Barschuldigkeiten, über Verlangen der Obrigkeiten unter bestimmten Voraussetzungen für diese um gesetzlich bestimmten Lohn zu arbeiten.
Der josefinischen Urbarialregulierung lag derselbe Gedanke zugrunde, der schon im Raab'schen System zum Ausdrucke gekommen war: die Naturaldienste, von deren Schädlichkeit für den Nationalwohlstand man überzeugt war, in Geldabgaben zu verwandeln. Zugleich werden die Untertansschuldigkeiten ohne jede Rücksichtnahme auf die "wohlerworbenen" Rechte der Herrschaften wesentlich vermindert. Es konnte dem Kaiser nicht entgehen, daß die Aufhebung der Naturaldienste es den Dominien unmöglich machen würde, das bisherige Wirtschaftssystem fortzusetzen, und sie nötigen würde, das Hofland gegen Zins an Bauern auszuteilen. Gerade das war die Absicht des Kaisers. Mit dem verhaßten System der Frondienste sollte vollkommen gebrochen werden, die großen Gutskomplexe sollten in Bauernstellen zerschlagen werden, der Bauernstand, der die zahlreichste Klasse der Staatsbürger und der die Grundlage, folglich die größte Stärke des Staates ausmacht, sollte nicht länger von den Obrigkeiten und ihren Beamten ausgebeutet und ausgesaugt werden.
Eine neue Zeit schien für Österreich angebrochen zu sein.
Die privilegierten Stände, deren Vorrechte bedroht waren, rüsteten zur Abwehr und es gelang ihnen auch, das Reformwerk des Kaisers zu vereiteln.
[79]
Es mußte auch von den unbedingten Anhängern der Steuer- und Urbarialregulierung zugegeben werden, daß die Reform in ihrer Durchführung viele Mängel zeigte. Die Ausmessung und Abschätzung war in Eile – innerhalb der kurzen Frist von vier Jahren – geschehen. Sie war daher in vielfacher Hinsicht falsch und unzuverlässig. Und abgesehen von diesen geringen Fehlern, die sich ja mit der Zeit noch ausbessern ließen, war es in einem so geldarmen Lande, wie Galizien, überhaupt möglich oder wünschenswert, eine derartige Reform durchzuführen? Mußte es dem Bauer nicht leichter fallen, wöchentlich eine bestimmte Anzahl von Arbeitstagen zu leisten, als eine, wenn auch kleine, Geldabgabe zu entrichten [210]? Und war es nicht im Interesse des Nationalwohlstandes gelegen, den Untertan, der es verschmähte, in der Zeit, die ihm von der Bestellung seines Grundes frei blieb, gegen Lohn zu arbeiten, zwangsweise zur Arbeit anzuhalten?
Die Politik der österreichischen Regierung in Galizien war dahin gerichtet, den Bauernstand auf Kosten des Adels zu begünstigen. Die stumpfe Masse des Landvolkes nahm alle Wohltaten hin, ohne ein Zeichen der Dankbarkeit zu zeigen. In den Tag hineinlebend schien sie gar kein Verständnis zu haben für den Kampf, der jetzt um ihr Schicksal zwischen dem Staat und den Gutsherren entbrannte. Unter dem galizischen Adel dagegen herrschte eine heftige Erregung über die Maßregeln der österreichischen Regierung. Alles, was der österreichische Staat zum Wohle Galiziens unternommen hatte, war ausschließlich dem Bürger- und dem Bauernstande und der in polnischer Zeit schwer bedrängten griechischen Kirche zugute gekommen. Die Edelleute, die eben [80] noch fast souverän gewesen waren, konnten es nicht verschmerzen, daß sie in die zweite Reihe gedrängt worden waren, und daß alle wichtigen Beamten- und Offiziersstellen mit – meist bürgerlichen – Deutschen besetzt wurden. Am schmerzlichsten aber mußten die Gutsbesitzer die materiellen Verluste empfinden, die ihnen das neue Regierungssystem zugefügt hatte. Sie, die bisher fast steuerfrei gewesen waren, wurden zur Beitragsleistung zu allen Staatslasten herangezogen. Eine Reihe von Verfügungen verminderte ihre Urbarialnutzungen ganz beträchtlich. Die Einziehung der Krongüter und die Monopolisierung der Salzgewinnung und des Salzhandels schmälerte ihre Einkünfte um ein bedeutendes. Die Urbarialregulierung vollends schien ihren wirtschaftlichen Ruin vollenden zu sollen.
Das trieb den Adel zum äußersten. Ganz offen wurde die Frage einer gewaltsamen Loslösung Galiziens von Österreich erwogen. Überall im Lande bildeten sich geheime Komitees, die mit der preußischen und der polnischen Regierung in Verbindung traten [211]. Die gemäßigteren Elemente, an ihrer Spitze die ständischen Verordneten, überreichten der Regierung Vorstellungen, in denen sie eindringlich vor der Einführung des neuen Systems warnten. Sie beklagten sich darüber, daß eine so wichtige und das ganze Land umgestaltende Reform, ohne dass sie gehört worden, beschlossen worden sei. Das neue System könne nicht eingeführt werden. Werde es dennoch – trotz der Abmahnungen der Gutsbesitzer – eingeführt, so müsse es "unfehlbar binnen kurzer Zeit dem Edelmann, dem Unterthan und aller Gattung von Landeseinwohnern überhaupt, mithin dem ganzen Reiche den Untergang bringen". Das System sei "a) durchgängig für dieses Land unanwendbar, b) mangelhaft und aus bloßen Idealbegriffen, nicht aber aus wahren Grundsätzen bestehend". Das Eigentum der untertänigen Gründe komme ausschließlich den Dominien zu. Es sei ein Eingriff in Rechte, die der Kaiser ausdrücklich anerkannt habe, wenn man die obrigkeitlichen Einkünfte schmälere [212]. Allein der Kaiser blieb fest. Er entschied: [81] das neue System habe unwiderruflich am 1. November 1789 in Kraft zu treten [213]. Doch schon wenige Wochen später hatte die Reaktion auf allen Punkten gesiegt und den Kaiser genötigt, die Verfügungen, die er für Belgien und Ungarn getroffen hatte, zurückzunehmen [214].
In der niedergeschlagenen Stimmung, in die der Kaiser infolge des Scheiterns seiner großen Pläne und der Mißerfolge in der auswärtigen Politik versetzt worden war, traf ihn ein anonymer Brief eines Edelmannes aus dem Kreise Zamośc, der die schwierige Lage der galizischen Grundbesitzer in krassen Worten schilderte [215]. Sofort sendete der Kaiser den Brief durch Estafette an den Gouverneur Grafen Brigido mit der Aufforderung, sich über die Stichhältigkeit der gegen die Reform erhobenen Vorwürfe zu äußern. Brigidos Bericht bildete die Grundlage einer am 5. Februar 1790 abgehaltenen Hofkommissionssitzung, deren Ergebnis dem vollständigen Aufgeben der Reformgedanken gleichkam. "Der Hauptstein des Anstoßes bleibt immer die Steuer- und Urbarialregulierung." Da ihre sofortige Beseitigung nicht gut durchführbar war, wurde vorläufig das Steuerkontingent Galiziens um 500.000 fl. vermindert, im übrigen aber dem Gouverneur die ausgedehnte Vollmacht gegeben, er könne alles, was ihm notwendig scheine, verfügen, ohne erst die Zustimmung des Kaisers einholen zu müssen [216].
[82]
Nirgends geschieht in den zahlreichen Eingaben, die die galizischen Gutsbesitzer im Winter 1789/90 der Regierung überreichten, des Bauernstandes Erwähnung. Immer wird nur davon gesprochen, daß Adel und Klerus unter der neuen Steuer zu leiden hätten. Und das war ganz natürlich. Denn die Untertanen sahen in der Urbarialreform, die sie übrigens nur für die Einleitung einer allgemeinen Aufhebung aller Untertansschuldigkeiten hielten, das Ziel ihrer Wünsche erreicht. Die ziemlich bedeutende Erhöhung der Staatslasten kam für sie weniger in Betracht gegenüber der wesentlichen Verminderung der Dienste und Abgaben. An vielen Orten wollten die Untertanen die sofortige Durchführung der Reform erzwingen und verweigerten die Lohnarbeiten, zu denen sie noch durch zwei Jahre verpflichtet waren. Den Verfügungen der Regierung mußte durch ausgeschickte Militärabteilungen Geltung verschafft werden [217].
Kaiser Josef hatte noch in seiner Entschließung über das Kommissionsprotokoll vom 5. Februar daran festgehalten, daß die 17% Urbarialforderungen nicht überschritten werden dürfen. Nach dem Tode des Kaisers (20. Februar 1790) ging man jedoch von diesem Grundsatze ab. Der alte Zustand sollte wiederhergestellt werden, nur sprach die Regierung die Erwartung aus, daß die galizischen Stände, gleichwie es die oberösterreichischen bereits getan hatten, den Untertanen gewisse [83] Erleichterungen zukommen lassen würden [218]. Gleich nach dem Tode des Kaisers hatten die Adelskomitees, die sich in Lemberg und in den Kreisstädten gebildet hatten, vier Abgeordnete nach Wien entsendet, die den neuen Herrscher begrüßen und ihm die Wünsche des Landadels übermitteln sollten. Der Ständeausschuß teilte ihnen noch zwei weitere Vertreter aus seiner Mitte zu und verlieh dadurch dem gesetzwidrigen Vorgehen der Komitees eine Legitimation [219]. Mit diesen Abgesandten verhandelte die Hofkanzlei über die Aufhebung des Josefinums. Das Ergebnis war das Patent vom 19. April 1790 [220]. Danach sollte vom 1. Mai angefangen der alte Zustand im Steuerwesen, vom 1. Juli an im Urbarialwesen wiederhergestellt werden, wogegen die Obrigkeiten den Untertanen einige Begünstigungen zukommen ließen. Diese bestanden darin, daß die Herrschaften die Hälfte der Erhöhung der Grundsteuer gegenüber der alten Rustikalsteuer auf sich nahmen und die Naturallieferungsscheine für die von ihnen in den Jahren 1789 und 1790 geleisteten Lieferungen zur Dotierung der Gemeindespeicher widmeten. Überdies wollten sie fortan allein die Last der Steuereinhebung tragen. Schließlich verzichteten sie auf jenes "sechzente Maßel", das die Untertanen nach dem Kreisschreiben vom 19. Juli 1787 [221] bei Rückzahlung erhaltener Getreidevorschüsse zuzuschütten verpflichtet waren, so daß die obrigkeitliche Aushilfe fortan zinsenfrei geleistet werden sollte.
Mit der Aufhebung der josefinischen Steuer- und Urbarialregulierung hatten die galizischen Deputierten nur einen Teil [84] ihrer Wünsche durchgesetzt. Die Aufgabe, deren Erfüllung ihnen von ihren Auftraggebern am meisten ans Herz gelegt worden war, war die Erlangung einer Verfassung für Galizien, die dem galizischen Adel für alle Zeiten Freiheiten und Sonderrechte sichern sollte. Trotzdem der Verfassungsentwurf, den die Deputierten vorgelegt hatten, Galizien eine von der Zentralregierung fast unabhängige Stellung einräumen wollte, schien auch der Kaiser nicht abgeneigt, auf die Vorschläge der Deputation einzugehen, da es ihm vor allem darauf ankam, das Land zu beruhigen, um dem zu erwartenden preußischen Angriffe fester entgegentreten zu können [222]. Die staatsrechtlichen Bestimmungen des Verfassungsprojektes von 1790 (charta Leopoldina) kommen hier nicht in Betracht. Was aber speziell die bäuerlichen Verhältnisse anbelangt, so wünschten die Verfasser des Entwurfes, den Zustand vom 31. Oktober 1789 zu fixieren. Die Grundinventarien sollten zu öffentlichen Urkunden erklärt und fortan nicht ohne Zustimmung beider beteiligten Parteien geändert werden; andererseits sollten Untertansbedrückungen mit der Strafe des doppelten Wertes belegt werden [223]. Diese kurzen Andeutungen reichten nicht hin, um die für die Zukunft des Landes hochwichtige Frage des Urbariums zu lösen, dazu bedurfte es einer besonderen Regelung. Die Deputierten stellten daher die Bitte, es möge eine Rektifizierung der Grundinventarien vorgenommen werden, und im Einvernehmen mit ihnen beauftragte die Hofkanzlei den ehemaligen Administrator der galizischen Kameralgüter, Matthias von Ainser, den wir schon als Leiter des Robotabolitionsgeschäftes kennen gelernt haben, ein Gutachten zu erstatten, wie bei der Durchführung einer derartigen Operation vorzugehen sei [224]. "Es ist unwiderlegbar," äußerte sich Ainser in seinem umfangreichen Memoire, "dass seit der Revindication durch alle diese Umstände (Erhöhung [85] der Staatslasten, Rückgang des Handels nach Danzig wegen der hohen preussischen Zölle, Niedergang des Salzhandels und des Tabakbaues wegen Einführung des Monopols, Misswachs und Viehseuchen, Verminderung der Wald- und Weidegerechtigkeiten seit der Einführung der Waldordnung) der Stand des Unterthans im ganzen genommen verschlimmert worden sei, daher ist auch nicht zu gedenken, dass im allgemeinen die prohibita generalia wieder aufgehoben, und die Unterthansschuldigkeiten, wie sie zur Zeit der Revindication waren, wieder eingeführt werden könnten, sondern hätte der Regel nach unveränderlich bei der Abschaffung zu verbleiben, und wären lediglich die mit letztem October 1789 bestandenen Urbarialschuldigkeiten in concreto als geltend und unverletzbar pro basi zur Rectificierung der Inventarien zu nehmen." Im Prinzipe waren auch die Deputierten damit einverstanden. Sie verzichteten darauf, die Zurücknahme der josefinischen Reformen zu verlangen und begnügten sich damit, einige kleinere Forderungen zu stellen [225]. Die Vorschläge Ainsers und der ständischen Vertreter bildeten die Grundlage für Beratungen, die sich monatelang hinzogen. Der neue [86] Gubernialreferent Graf Trautmannsdorf beantragte: "dass die Concretalmassa gesammter unterthänigen Schuldigkeiten erhoben, in eine Summe zusammengebracht, diese sodann wiederum nach Verhältnis der Lage, Fruchtbarkeit des Bodens, Möglichkeit des mehr oder minderen Verdienstes der Ortschaften untergetheilt und dergestalt alle Unterthanen des Landes in Ansehung ihrer Schuldigkeiten in ein gleiches Element gebracht werden sollten." Im Schoße des Guberniums fand sich ein Verteidiger des extremsten Interessenstandpunktes der Dominien in der Person des Rates Kolmanhuber, der schon in früheren Jahren als Kreishauptmann von Zamośc seine den Gutsbesitzern freundliche Gesinnung bewiesen hatte. Jetzt forderte er die Wiederherstellung des Zustandes von 1772, welcher Antrag bei seinen Kollegen auf entschiedenen Widerstand stieß [226]. Von beiden Seiten wurde der Streit mit großer Heftigkeit geführt.
Inzwischen nahmen auch die Verhandlungen über die galizische Verfassung ihren Fortgang. In ihrem Verlaufe wurde von Seite der Regierung der Vorschlag gemacht, künftighin auch dem Bauernstande eine Vertretung auf dem Landtage einzuräumen [227]. Bald jedoch stockten die Verhandlungen und[87] zu Anfang des Jahres 1793 wurden sie auch formell abgebrochen. Zu Reichenbach und zu Pillnitz hatte Österreich mit Erfolg eine Annäherung an Preußen vollzogen, und von Polen, für dessen Staatswesen die letzte Stunde geschlagen hatte, drohte ebenfalls keine Gefahr mehr für Galizien [228]. Die Regierung fühlte sich nun stark genug, die Ruhe des Landes auch ohne Gewährung einer Verfassung aufrechtzuerhalten. Der Stillstand der Beratungen über die Verfassung blieb nicht ohne Einwirkung auch auf die Urbarialreform. Die Sache schlief allmählich ein. Auf Grund des Hofdekretes vom 3. Dezember 1791 wurde der Vizepräsident des böhmischen Guberniums Freiherr v. Margelik als Hofkommissär nach Galizien "zur Untersuchung und Behebung der wahrgenommenen Unordnung" entsendet. Es wurde ihm noch besonders aufgetragen, die Rektifizierung der obrigkeitlichen Grundinventarien zu beschleunigen [229]. Doch hatte Margeliks Bericht über diese Angelegenheit nur den einen Erfolg, daß alle Reformabsichten endgiltig aufgegeben wurden.
Der galizische Gouverneur Graf Brigido, der offen auf die Seite der Dominien hinneigte, war gegen jede Reform, weil er einsah, daß die von den Gutsbesitzern angestrebte Wiederherstellung des Zustandes von 1772 unmöglich sei. In seinem Berichte vom 8. April 1792 erklärte er: "Ich sehe mich durch alle bishero vorgekommene allenthalben auf verschiedene Hindernisse anstoßende Vorschläge in meiner Meinung immer mehr und mehr bestärket, dass es dermalen gar nicht räthlich sey, von Seiten und mit Einfluss der Regierung eine Urbarialregulierung vorzunehmen, sondern, dass lediglich ein gütliches Übereinkommen zwischen Grundherrn und Unterthan dazuführen könne."
Die Hofkanzlei hinwiederum erachtete: "es erscheine überhaupt gegenwärtig nicht an der Zeit zu sein, in dieser Angelegenheit (Urbarialregulierung) etwas vorzunehmen, besonders da die Anträge des Guberniums weder anwendbar noch den Absichten entsprechend seien [230]". Noch einmal wurde im folgenden Jahre die Frage einer Urbarialregulierung erwogen. Aus den Operaten der "galizischen Hofcommission in Güteraustauschungsangelegenheiten" hatte Kaiser Franz von mannigfachen Übelständen im Urbarialwesen erfahren. Er erteilte daher dem Direktorium in cameralibus et publicis politicis den Auftrag, [88] anzuzeigen, "ob und was dasselbe zu Behebung so wesentlicher Gebrechen etwa schon eingeleitet haben dürfte, oder wie und nach welchen Grundsätzen, selbes sich hierunter zu benehmen glaube, da eben die heutige kritische und bedenkliche Lage von Galizien eine längere Verzögerung der nöthigen Heilungsmittel nicht zu gestatten, – im Gegentheile die Landesregierung zu allmöglicher Beflissenheit für die Klaglosstellung des unterthänigen Contribuenten aufzufordern scheinet [231]". Doch überzeugte das Direktorium den Monarchen bald davon, daß "bey jetzigen Umständen" es das Beste wäre, nichts zu tun.
Nach jahrelangen Beratungen erschien am 1. September 1798 ein Ablösungsgesetz, das deutlich zum Ausdrucke brachte, daß die Regierung nicht gewillt sei, die bestehende Ordnung der Dinge zu ändern [232]. Die Ablösung untertäniger Schuldigkeiten sollte fortan dem freien Übereinkommen der Parteien überlassen werden. Ablösungsverträge sollten der kreisämtlichen Bestätigung bedürfen, die nur dann erteilt werden durfte, wenn die politische Behörde die Überzeugung gewonnen hatte, daß durch den Vertrag die Rechte dritter Personen (Hypothekargläubiger, Anwärter u. s. w.) nicht berührt werden und daß er "der Aufrechthaltung des Unterthans zusagt".
Mit dem Patente vom 1. September 1798 schließt die sozialpolitische Gesetzgebung auf agrarischem Gebiete in Österreich für fast ein halbes Jahrhundert ab [233].
Seit dem Erscheinen des Patentes vom 1. September 1798 war es für jedermann klar geworden, daß die Regierung nicht gesonnen sei, den von Maria Theresia und Josef II. betretenen Weg der Reformen länger fortzuwandeln. Sie fand anfangs auch nicht die Ruhe, die zur Durchführung großer Veränderungen im Staatswesen erforderlich ist. Seit 1792 war Österreich beständig in schwere Kriege verwickelt, die die Grundfesten des Reiches erschütterten, und als im Jahre 1815 der Frieden wieder hergestellt wurde, da war das quieta non movere zum Grundsatze der Politik geworden. Mit ängstlicher Scheu vermieden [89] die leitenden Staatsmänner jede größere gesetzgeberische Aktion; "anzuordnen, was gerade das augenblickliche Bedürfnis empfahl, hier einzuschalten, dort auszumerzen, einzelne Bestimmungen neu zu textieren, anders, und nicht immer besser zu ordnen und zu deuten, das war alles, was sie ihrer Kraft zutrauten [234]".
Damit stand es nicht im Widerspruche, daß eine Reihe jener Gesetze, die in der josefinischen Zeit zum Schutze der Untertanen für Galizien erlassen worden waren, auf die 1796 erworbene Provinz West- oder Neugalizien ausgedehnt wurde. Denn es bestand die Absicht, Westgalizien vollständig nach dem Muster Ostgaliziens zu organisieren, und da mußten auch die Untertansgesetze auf die neue Provinz übertragen werden [235]. Der untertänige Besitzstand wurde geschützt [236], die Leibeigenschaft aufgehoben [237], das Verfahren gegen ungehorsame Untertanen und bei Untertansprägravationsklagen nach dem Vorbild der Patente vom 1. September 1781 geregelt [238]. Das Robotpatent wurde in Westgalizien nicht kundgemacht.
Seit 1792 tagte in Wien eine Hofkommission, deren Aufgabe es sein sollte, Vorschläge zu einer vollständigen Reform der galizischen Verwaltung zu erstatten [239]. Die beabsichtigten großen Reformen gelangten niemals zur Ausführung, doch war die Regierung bestrebt, die vor dem Jahre 1789 erlassenen Patente Kaiser Josefs, die noch lange nicht überall beobachtet wurden, tatsächlich durchzuführen [240].
Durch den Artikel V der Wiener Kongreßakte war Österreich [90] wieder in den Besitz der 1809 an Rußland abgetretenen Kreise Tarnopol und Czortkow gelangt. Die russische Regierung hatte zwar in dieser Landschaft die österreichischen Untertansgesetze provisorisch fortbestehen lassen; nichtsdestoweniger aber hatten die Obrigkeiten während der Zeit der russischen Herrschaft die Schuldigkeiten der Untertanen erhöht, ihren Grundbesitz jedoch zu Gunsten des Hoflandes vermindert, wozu die Behörden die gesetzlich erforderte Zustimmung gaben, als es bereits ausgemacht war, daß das Land an Österreich zurückfallen werde. Es war nicht mehr möglich, das frühere Ausmaß der untertänigen Gründe wieder herzustellen. Man befahl also den Dominien, binnen 6 Monaten mit den Untertanen Vergleiche über die Giebigkeiten und die Gründe zu schließen und dann zur kreisämtlichen Bestätigung vorzulegen. Kam eine Einigung nicht zustande, so hatte das Kreisamt zu vermitteln. Dominikal- und Rustikalsteuer sollten nach den neuen Besitzverhältnissen reguliert werden [241].
Kaiser Leopold II. hatte die josefinischen Gesetze über die Bauernerbfolge in Niederösterreich aufgehoben und an ihrer Statt ein neues Gesetz erlassen [242]. Noch im Jahre 1790 begannen Verhandlungen über die Einführung dieses Gesetzes in Galizien. Gleichzeitig wurde auch eine Neuordnung des Bestiftungszwanges in Erörterung gezogen. Die Beratungen zogen sich bis zum Jahre 1848 hin, ohne daß sie zu einem Ergebnisse geführt hatten. Die josefinische Erbfolgeordnung blieb in Galizien – freilich nur auf dem Papiere – bis 1868 bestehen. Der Bestiftungszwang wurde, nachdem er ein Scheindasein geführt hatte, ebenfalls 1868 durch Landesgesetz aufgehoben [243]. Wir dürfen über die Resultatlosigkeit dieser Beratungen umsoweniger erstaunt sein, als doch auch die konstitutionelle Ära in mehr als einem Menschenalter es bis heute noch zu keiner befriedigenden Lösung dieser hochwichtigen Frage gebracht hat.
[91]
"Über die schlechte Bestellung der Rechtspflege auf dem flachen Lande sind alle Berichte der politischen und Justizbehörden einstimmig," klagte die Hofkanzlei [244] und beriet daher bereits seit 1803 über die Regulierung der ersten Instanzen in Galizien. Bald sollten Kreisgerichte errichtet werden, bald wieder Bezirksgerichte, dann endlich Friedensgerichte, die nach französischem Muster eben im Großherzogtume Warschau geschaffen wurden. Bald wollte man die Jurisdiktion der Gutsherren ganz aufheben, bald wieder hieß es, sie solle erhalten bleiben und nur über oder neben sie eine andere Gerichtsbehörde gesetzt werden [245]. Erst 1818 verdichteten sich diese Pläne zu einem positiven Vorschlage des Guberniums: landesfürstliche Distriktsgerichte ins Leben zu rufen, denen mit Ausnahme der aus dem Bande der Untertänigkeit herrührenden Geschäfte, deren Behandlung den Grundobrigkeiten verbleiben sollte, alle Gegenstände der politischen und Civilgerichtsbarkeit zugewiesen werden sollten [246]. Der Gouverneur Franz Freiherr von Hauer war gerade von Lemberg abwesend. Als ihm das Projekt zu Gesicht kam, erklärte er, er sei "nicht einverstanden, weil die Landesstelle die verschiedenen Gegenstände der politischen und Civilgerichtsbarkeit unter eine und dieselbe Behörde vereinigen will, deren Beamte sich eine ganz unerschwingliche Universalität von Gesetz- und Geschäftskenntnissen aneignen müssten." Überhaupt aber mache die Sache "einen Einriss in die Patrimonialgerichtsbarkeit, welcher mir nicht in der Absicht und in dem Geiste der österreichischen Staatsverwaltung zu liegen scheint." Für den Fall, als die Zentralregierung doch auf der Reform bestehen sollte, machte Hauer den Vorschlag, den Grundobrigkeiten die Grundbuchsführung [247], das Vormundschaftswesen und die Verlassenschaftsabhandlungen zu belassen. Zur Besorgung der politischen Geschäfte sollten Bezirksobrigkeiten, zur Besorgung der judiziellen Geschäfte Kreisgerichte errichtet werden [248].
Es wurde noch so mancher Bogen Papier beschrieben, doch blieb alles beim alten. Nur im Steuerwesen wurde [92] eine große Reform in Angriff genommen. Durch Patent vom 23. Dezember 1817 [249] wurde die Grundsteuerregulierung angeordnet, die auf Grund des "stabilen Katasters", der durch sorgfältige Messung und Abschätzung herzustellen war, vorgenommen werden sollte. Da es sich jedoch bald nach Beginn der Arbeiten zur Herstellung des stabilen Katasters herausstellte, daß diese Arbeiten einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen würden, als man ursprünglich angenommen hatte, so wurden aus den Archiven die josefinischen Steuerregulierungsoperate, die 1790 kaum dem Einstampfen entgangen waren, wieder ans Tageslicht gezogen und mit einigen Veränderungen, die der Wechsel der Zeiten verlangte, als provisorischer Kataster zum Maßstabe der Steuerveranlagung benützt [250]. Der provisorische Kataster sollte so bald als möglich durch den stabilen ersetzt werden. Das geschah aber nicht, und bis zu der im Jahre 1882 durchgeführten Grundsteuerregulierung blieb in Galizien der provisorische Kataster in Kraft [251].
Die Grundsteuerregulierung gab der Regierung Veranlassung, sich mit der Feldgemeinschaft zu befassen. Bei der josefinischen Grundsteuerregulierung hatte man die Vermessung und Ertragsschätzung vorgenommen, ohne damit eine stabile Grundverteilung zu verbinden. Dies war auch jetzt ganz gut möglich und sollte auch wieder durchgeführt werden, da ja die Katastrierung von dem Besitzrecht nicht beeinflußt wurde [252]. Dennoch wollte das Gubernium die Feldgemeinschaft beseitigt wissen, wie es auch schon seit Jahren – freilich vorläufig ohne Erfolg – die Einführung des Individualbesitzes in der Bukowina anstrebte. Und zweifelsohne befand sich das Institut der Feldgemeinschaft in Pokutien bereits in der Auflösung. Die Gemeinden selbst wünschten die Verteilung der Gründe, in vielen Ortschaften war sie bereits vollzogen worden, in anderen stand sie unmittelbar bevor [253].
[93]
Darüber, wie der Staat in diese Verhältnisse eingreifen sollte, war man im Unklaren. Das Gubernium war gegen eine imperative Regelung; die meisten Stimmen waren dafür, abzuwarten, was in der Bukowina geschehen werde. Dort wurde die Feldgemeinschaft 1835 beseitigt [254], aber in Galizien geschah von Seite der Regierung nichts in dieser Beziehung. Noch die Grundentlastung fand den wandelbaren Feldbesitz vor und mußte zu ihm Stellung nehmen [255]. Erst gelegentlich der Katastraldetailvermessung wurde die Feldgemeinschaft in Galizien vollständig beseitigt und der Besitzstand der einzelnen Grundwirte fixiert [256].
Die Macht und der Einfluß der österreichischen Regierung reichte in Galizien kaum über die Gemarkungen der Kreisstädte hinaus. Die wenig zahlreichen Kreisbeamten, mit Amtsgeschäften, vielfach auch mit überflüssigen Schreibereien überbürdet, konnten unmöglich ihre weit ausgedehnten Amtsbezirke ganz übersehen. Selbst die polizeilichen Aufgaben, die ihnen oblagen, vermochten sie nicht entsprechend durchzuführen, da ihnen eine landesfürstliche Sicherheitswache nicht zur Verfügung stand. Die 1835 errichtete und 1842 reorganisierte Finanzwache, die in kleinen Abteilungen im ganzen Lande verteilt war, konnte und sollte die Stelle einer solchen nicht vertreten, da sie ausschließlich fiskalischen Zwecken diente. Der Schwerpunkt der Verwaltung lag bei den Dominien, denen die Ausübung der politischen und judiziellen Geschäfte [94] in erster Instanz zustand [257]. Die Art und Weise, wie die Herrschaften sich dieser Aufgabe entledigten, war die denkbar schlechteste; das obrigkeitliche "Amt" in Galizien konnte mit dem, wenn auch nicht tadellos, so doch zur allgemeinen Zufriedenheit funktionierenden Wirtschaftsamt der westlichen Kronländer nicht im entferntesten verglichen werden [258].
Die Dominien waren verpflichtet, zur Ausübung der Civilgerichtsbarkeit in Streitsachen einen rechtskundigen Justitiär zu besolden. Hören wir nun, was ein mit den Landesverhältnissen vertrauter Mann über die Tätigkeit der Justitiäre berichtet: "Zur Ausübung der Civil-Jurisdiction sind eigene, jedoch mit dem wirklichen Bedarf unverhältnismäßig wenige Justitiäre aufgestellt, an welche einzelne sich 20 und mehrere Dominien gegen einen kaum Erwähnung verdienenden Beitrag von 10, 15, 20 fl. lediglich darum anschließen, um sich ausweisen zu können, dass für ihr Gebiet die Civilgerichtsbarkeit bestellt sei. Die Geschäftsprotocolle dieser Justitiäre stellen den Beweis her, dass [95] diese Jahrelang die ihnen zugewiesenen Gerichtsbezirke nicht besuchen, und nur dann dahin gelangen, wenn es einer streitenden Partei oder einem Erben auf kostspielige Art dies durchzusetzen gelingt. Verlassenschaftsabhandlungen, Sicherstellung und Überwachung des unterthänigen Waisenvermögens und der Vormundschaften hingegen werden der Willkür anderweiter herrschaftlicher und gesetzunkundiger Beamter überlassen. Wenn Klagen wegen vernachlässigter oder parteiischer Gerechtigkeitspflege von denen hiedurch benachtheiligten Parteien nur selten bei den Oberbehörden vorkommen, so irrt man sich sehr in der Voraussetzung und in dem Vertrauen zu einer rechtlichen und thätigen Gerichtspflege in denen herrschaftlichen Gerichtsbezirken, man muss vielmehr die Armuth, den Zeitverlust, die Unbehilflichkeit und Gesetzunkenntnis von Seite des gemeinen Volkes als einziges Hindernis anerkennen, um die wahre Ursache der Unterlassung kostspieliger Beschwerdeführungen aufzufinden." [259]
Die aus dem Untertänigkeitsverbande entspringenden Geschäfte, ferner die Geschäfte des adeligen Richteramtes und der Ortspolizei besorgten die sogenannten Mandatare, gutsherrliche Beamte, die vor dem Kreisamte eine Prüfung aus den politischen Vorschriften abgelegt haben mußten. "Ohne Rechtsstudien, ja ohne gründliche Schul- und sonstige Bildung, in der Regel nur mit einer sehr oberflächlichen Kenntnis der politischen Gesetze ausgestattet und bei der hierüber beim Kreisamte abgelegten Prüfung, theils aus Mitleid, theils aus Noth an besseren Candidaten, zur Versehung der Dominicalgeschäfte für geeignet befunden, schlecht gezahlt, dabei oft mit einer zahlreichen Familie gesegnet, einerseits dem Grundherrn als ihrem Brotherrn, andererseits aber den Kreisämtern, als den ihnen vorgesetzten Behörden, die sie zu ihren Ämtern diplomierten und ihnen nach Umständen die Diplome wieder einziehen durften, untergeordnet, waren sie vom Anfange her darauf angewiesen, auf zwei Stühlen zu sitzen, von da den Eigenthümern dieser Stühle Sand in die Augen zu streuen und vorzüglich auf ihren [96] eigenen Vortheil bedacht zu sein." [260] Unzählige Klagen wurden von allen Zeitgenossen wider sie erhoben. "Gesuche," sagt unser oben citierter Anonymus, "finden bei ihnen nur durch Bestechungen Einlass, und die Bestechlichkeit hat sich auch den niederen Gutsbeamten mitgetheilt; jeder Schreiber, jeder Hayduk muss bestochen werden." Schon im Jahre 1809 stellte Kaiser Franz in einem Handbillete an den Grafen Ugarte fest: "Es herrscht in Galizien die allgemeine Klage, dass dort besonders auf dem Lande die Polizey und Justizverwaltung sehr schlecht bestellet sey." [261]
Den Bauern war es ganz recht, daß die Dominien die Gerichtspflege vernachlässigten. Von altersher waren sie gewohnt, ihre Händel vor dem Dorfrichter und den Geschworenen, bei größeren Streitobjekten vor der Versammlung der gesamten Gemeinde auszutragen. Der Dorfrichter sorgte für die Erhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit, wobei ihm willig von jedermann Folge geleistet wurde. Je weniger Justitiär und Mandatar sich um die Angelegenheiten der Gemeinde kümmerten, desto wohler und freier fühlte sich die Bauernschaft [262].
[97]
Es darf nicht wundernehmen, daß bei einem solchen Zustande der Rechtspflege die josefinischen Gesetze über die Erbfolge in Bauerngüter nur ein Scheindasein führten [263]. Trotzdem die Teilung der Bauernstellen gesetzlich verboten war, war sie doch die Regel. Sie war die althergebrachte, dem Rechtsbewußtsein des Volkes entsprechende Erbsitte. Um die kreisämtliche Bewilligung, die für die Teilungen erforderlich gewesen wäre, wurde niemals angesucht. Der Gutsherr aber sah der Zerschlagung der Bauerngüter mit Freude zu, da er dabei die Fronen leicht erhöhen konnte und auch tatsächlich erhöhte. "Eine Erbteilung in einer anderen als der gesetzwidrigen Weise der wirklichen Teilung in die Grundstücke war eigentlich" – wie Graf Stadion in einem Vortrage vom 13. Dezember 1846 ausführte – "unmöglich. Denn wie können Miterben zufrieden gestellt werden, solange keine Hypothek vorhanden ist zur Sicherung ihrer Erbtheile? Ja, wie können diese nur ausgemittelt, nach welchem Maßstab soll das Nutznießungsrecht des Übernehmers der Wirtschaft, das vielleicht schon morgen durch seinen Tod erlischt, geschätzt werden? Bei diesen in der Natura der bisherigen Verhältnisse liegenden Schwierigkeiten hat die gesetzliche Erbfolgeordnung noch immer keine Geltung erlangt. Die Bauern selbst begreifen noch nicht den Grundsatz ungetheilter Wirtschaften und bei Todesfällen werden diese fast allenthalben ohne alle gerichtliche Vermittlung nach den eigenen Gewohnheiten der Insassen vertheilt, oder denjenigen, die eben bei der Hand sind, ohne Rücksicht auf gesetzliche Erbrechte oder minderjährige Notherben übergeben. Kommt es zum Streiten, so entscheidet der Ortsrichter. Auf solche Weise ist in den dichter bevölkerten Kreisen die Teilung der Wirtschaften schon bis zu einem bedauernswürdigen Grade gediehen [264]."
Wir sind auch zum Teil in der Lage, uns ein – freilich [98] nicht genaues – Bild von dem Maß dieser "bedauernswürdigen" Zersplitterung des Grundbesitzes zu machen. In 4867 galizischen Gemeinden, für die die statistischen Angaben vorhanden waren, betrug [265]
nach den | die Zahl der Ansässigkeiten | die Zahl der Robottage (auf Handtage zurückgeführt) |
Stockinventarien (1772) | 221482 | 30429287 |
Operaten der josef. Grundsteuerregulierung (1789) | 266118 | 34825805 |
Operaten des provisorischen Katasters (1820) | 301561 | 37785525 |
Operaten der Urbarialregulierung (1847) | 334367 | 37947243 |
Es war ein großes Unglück für das Land, daß die Regierung die Absicht, eine Urbarialregulierung durchzuführen, endgiltig aufgegeben hatte. Nun fehlte es an einer sicheren, allgemein anerkannten Grundlage für die Beziehungen zwischen Gutsherrschaften und Untertanen. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten waren im Unklaren und boten fortwährend Anlaß zu Streitigkeiten. Beschwerten sich die Untertanen, daß die Obrigkeit ihnen Grundstücke entziehe und sie mit Robot überbürde, so klagten die Obrigkeiten, daß die Untertanen ihre Schuldigkeiten schlecht oder gar nicht erfüllten und daß sie infolge ihrer liederlichen Wirtschaft die obrigkeitliche Aushilfe allzuhäufig in Anspruch nehmen. Vor allem aber waren die untertänigen Nutzungsrechte an Wald und Weide eine Quelle unendlicher Prozesse, nicht selten auch blutiger Zusammenstöße zwischen herrschaftlichen Dienern und Bauern. Die Dominien betrachteten die Waldungen als ihr unumschränktes Eigentum, die Rechte der Untertanen als jederzeit widerrufliche Prekarien, für deren Fortdauer einen beliebigen Preis zu fordern sie sich berechtigt glaubten. Die Untertanen wieder sahen in den Forsten ein von der Natur dargebotenes öffentliches Gut oder doch ein Gemeindegut, an dessen Benützung sie niemand hindern dürfe.
Fühlte eine Gemeinde (– denn seltener war es der einzelne, der es wagte, den gefährlichen und unsicheren Kampf aufzunehmen, –) sich von Seiten des Dominiums [99] in ihrem Rechte geschmälert, dann wählte sie aus ihrer Mitte eine Anzahl Deputierter, die ihre Sache vertreten sollten. Die Beschwerde mußte, der Vorschrift gemäß, zuerst bei der Grundobrigkeit vorgebracht werden. Nachdem diese, wie gewöhnlich, die Prozessführer davongejagt hatte, wendeten sie sich an das Kreisamt. Hier mußte die Klage schriftlich eingebracht werden, und die des Schreibens unkundigen Bauern waren daher gezwungen, die Hilfe eines Winkelschreibers [266] in Anspruch zu nehmen. Waren sie einmal diesen gewissenlosen Personen in die Hände gefallen, dann konnte man sicher sein, daß der Prozess sobald sein Ende nicht finden werde. Die Geschäftsüberbürdung der Kreisämter und "mitunter auch Bestechlichkeit eines Theiles der Kreisamts- und höheren Verwaltungsbeamten [267]" trugen das Ihrige dazu bei, und so kam es, daß viele dieser Prägravationsprozesse zwanzig, dreißig und noch mehr Jahre dauerten. Ein großer Teil der untertänigen Gemeinden stand immerfort im Kampfe mit den Dominien [268]. War den Bauern der Versuch, auf gesetzlichem Wege zu ihrem Rechte zu gelangen, mißglückt, dann setzten sie der Obrigkeit passiven Widerstand entgegen. Das Fronpatent hatte die früher übliche "bemessene Arbeit" aufgehoben und an ihre Stelle das Stundenmaß eingeführt. Die Untertanen machten sich das zunutze, erschienen unpünktlich zur Robot und arbeiteten nachlässig und schleuderhaft. Die Gutsbeamten ihrerseits machten darauf von Stock und Peitsche allzuhäufigen, übermäßigen Gebrauch. Nichtsdestoweniger oder vielleicht auch gerade darum wurde die Arbeit der Fröner immer schlechter, so daß der Wert der Robot beständig sank [269].
Unter solchen Umständen machte die Verrohung der Bauern entsetzliche Fortschritte. Die Zahl der Verbrechen wuchs in erschreckender Weise. Auf dem flachen Lande lösten sich alle Bande der Ordnung, und nirgends waren mehr Leben und Eigentum sicher. Die Kluft zwischen Gutsherren und Bauern [100] wurde unüberbrückbar, und der grollende Haß des Volkes gegen seine Peiniger machte sich von Zeit zu Zeit in grausigen Verbrechen Luft. Die Fälle von Robotverweigerung mehrten sich. Immer häufiger mußte Militärassistenz zur Unterdrückung von Bauernrevolten herangezogen werden. Galizien stand am Vorabende einer sozialen Revolution [270].
[101]
Seit dem Jahre 1790 war die Ruhe Galiziens nicht ein einzigesmal durch eine Verschwörung oder gar durch eine offene Revolution, die die Wiedervereinigung des Landes mit Polen, beziehungsweise die Wiederherstellung des alten polnischen Staates bezweckt hätte, gestört worden. Während in Warschau nachweislich schon im Jahre 1817 geheime Gesellschaften auftauchten und zu derselben Zeit auch in den anderen polnischen Ländern eine lebhafte Agitation entfaltet wurde, blieb in Galizien alles ruhig. Dieser Zustand änderte sich nach dem unglücklichen Ausgang des Aufstandes von 1830/31. Viele Tausende Teilnehmer am Aufstande mußten die Heimat verlassen, um den Nachstellungen der russischen Behörden zu entgehen. Ein Teil der Emigranten ließ sich in Galizien dauernd nieder, andere wandten sich nach Belgien, Amerika, vor allem aber nach Frankreich. Alles Sinnen und Trachten der Verbannten war begreiflicherweise auf die Wiederherstellung des polnischen Reiches gerichtet; über die Mittel und Wege, die zu diesem Ziele führen sollten, herrschte jedoch keine Einigkeit.
Schon während des Revolutionskrieges war den Polen von altem Schlage, die das alte Staatswesen in allen seinen Teilen wiedererrichten wollten, unter der Führung des trefflichen Historikers Joachim Lelewel eine demokratische Partei entgegengetreten, die an die Spitze ihres Programms die gänzliche Auflösung des Untertänigkeitsverhältnisses schrieb. Doch behielt die aristokratische Partei die Oberhand, und an dem Mangel der Unterstützung von Seiten des Landvolkes scheiterte der Aufstand von 1831 ebenso wie die nachfolgenden von 1846 und 1863.
Die Kluft zwischen den beiden Parteien erweiterte sich noch in der Verbannung unter dem Einflüsse einerseits der französischen Legitimisten, andererseits der Demokraten. Die [102] aristokratische Partei, deren Oberhaupt, Adam Fürst Czartoryski, in Frankreich den Titel eines Königs von Polen angenommen hatte, erwartete alles Heil von der Intervention der Mächte. Ihr Ansehen sank aber umsomehr, je geringer diese Aussicht ward; die Demokraten hingegen entfalteten eine lebhafte Tätigkeit. Am 17. März 1832 gründeten sie in Paris das "Towarzystwo demokratyczne", das fortan den Mittelpunkt der polnischen Bewegung bildete, und das mit den Polen in Galizien in rege Verbindung trat [271]. Das Programm der Demokraten gipfelte in der Forderung, die bäuerlichen Lasten ohne jede Entschädigung der Berechtigten aufzuheben [272]. Sie brachen vollständig mit dem alten Polen, dessen gesellschaftliche Ordnung auf der Knechtschaft des Volkes gegründet war. Die alten Polen, folgerten sie, haben keine echte Vaterlandsliebe gekannt, sonst hätten sie nicht das Volk geknechtet. Niemals wäre Polen zugrunde gegangen, hätte nicht der Adel die Untertanen hart bedrückt, so daß sie gleichgiltig dem Niedergange des Staates zusahen. Denn der Sklave liebt nicht das Vaterland, das ihm keine liebende Mutter, sondern eine Stiefmutter ist [273]. Hätte das Volk sich wider die Feinde erhoben, dann wäre es um sie geschehen gewesen. Denn keine Macht gebe es auf Erden, die ein Volk von zwanzig Millionen unterjochen kann [274]. Schon durch eine geringe Erleichterung der Frone sei es Kościuszko gelungen, um sich eine Schar zu versammeln, der die russischen Bajonette bei Racławice weichen mußten. Wie werde es erst sein, wenn man die Bauern von allen Lasten befreit?
Nur ein Mittel könne demnach Polen erretten, die soziale Revolution. Sie müsse mit der nationalen Erhebung Hand in Hand gehen. Denn, vorher versucht, würde sie durch die [103] fremden Mächte unterdrückt werden; töricht aber wäre es, mit der Durchführung der sozialen Reformen bis zur glücklichen Vollendung des Unabhängigkeitskampfes warten zu wollen, da das Befreiungswerk nur dann gelingen könne, wenn das ganze Volk sich dem Aufstande anschließe [275].
Die geplante soziale Revolution richte sich gegen alle, die aus den bekämpften Mißbräuchen Vorteil ziehen. Sie werde zum Bürgerkrieg, wenn sich Leute finden, die die Privilegien verteidigen werden. Will der Adel seine Vorrechte nicht fahren lassen, dann wehe ihm. Die Revolution kenne – wurde gedroht – nur eine Strafe, die Todesstrafe, die zwar im Prinzipe zu verwerfen sei, ohne die jedoch keine Revolution durchgeführt werden könne. Einen schlechten Dienst werde dem Vaterlande erweisen, wer zögere, das Blut der Edelleute zu vergießen. Ohne Terrorismus keine Revolution. Jeder, der sich den Befehlen des Aufstandskomitees entgegensetze, müsse sterben [276].
Um das Volk zu gewinnen, sei es nicht genug, von der Einheit des polnischen Volkes zu sprechen und Abhandlungen darüber zu schreiben, oder in unbestimmten Ausdrücken von der sozialen Revolution zu faseln. Ein leichtfaßliches Schlagwort müsse gefunden werden, das die Volksmassen sofort auf die Seite der Aufständischen zieht. Ein solches Zauberwort sei uwłaszczenie (freies Landeigentum für die Bauern) oder wie es genauer, umständlicher heißt: Jeder Bauer, Hauswirt, Gärtner u. s. w., der ein Stück Land gegen Leistung von Fronen, Zinsungen, Abgaben oder anderen Schuldigkeiten bebaut, wird Eigentümer seines Grundstückes und hat fortan gegen keine Person irgend welche Verpflichtungen mehr zu erfüllen [277].
Ist es aber nicht ein Unrecht, den einen das Grundeigentum zu entziehen und es den anderen zuzuwenden? Nein! Denn alles, was zur Rettung des Vaterlandes erforderlich ist, darf von jedem gefordert werden. Das Vaterland darf ja auch das Leben seiner Söhne fordern, wie sollte es nicht auch über ihr [104] Vermögen frei verfügen können? Und dann, wenn man die Bauern zu Eigentümern macht, so ist das bloß eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand [278]. Denn einst, in der grauen Vorzeit, waren alle Polen freie, gleichberechtigte Bauern. Erst später haben sich, zum unermeßlichen Schaden der Nation, Standesunterschiede entwickelt, und ist die große Mehrheit einer Minderheit untertan geworden [279].
Für diese Grundsätze begannen die Demokraten alsbald unter dem niederen Adel, dem Klerus, den Gutsbeamten, den Bürgern, den Studenten und auch unter den Soldaten eine lebhafte Agitation zu entfalten, die nicht ohne Erfolg blieb. In kurzer Zeit waren die revolutionären Verbindungen über das ganze Land verbreitet, und trotzdem die Regierung mehrere dieser Vereinigungen aufdeckte und ihre Teilnehmer ausforschte und bestrafte, machte die Bewegung im geheimen immer größere Fortschritte [280]. Auch unter die Bauernschaft trugen die Verschwörer die Agitation. Hier aber machten sie Erfahrungen, welche die wenigen unter ihnen, denen die Begeisterung für die nationale Sache nicht den freien Blick getrübt hatte, mit düsteren Ahnungen erfüllten. Wohl horchten die Bauern auf, wenn Städter, Geistliche, Gutsbeamte, auf manchen kleineren Gütern wohl auch der Gutsherr selbst, die alle früher jeden Verkehr mit ihnen ängstlich gemieden hatten, sie aufsuchten und mit ihnen vertraulich sprachen. Wohl glänzten ihre Augen, wenn sie jene von einer besseren, schöneren Zukunft reden hörten, in der es keine Herren und keine Knechte mehr geben werde, und alle Brüder sein werden. Aber alles, was sie aus den Worten der Aufwiegler entnahmen, schürte nur noch mehr ihren Haß gegen den Adel. Von der Wiederherstellung des polnischen Staates wollten sie nichts wissen. Was galt ihnen Polen? Ihnen war es gleich, ob polnisch oder deutsch. Das aber wußten sie, daß die einzige Hilfe gegen die Bedrückungen der Gutsherren ihnen von den österreichischen Beamten kam. Noch lebte in den älteren Leuten die Erinnerung an all die Unbill, die der Bauer einst hatte erdulden müssen, und die er [105] nun, dank dem Eingreifen des Kaisers, nicht länger tragen mußte. Darum nannten sich auch die Bauern überall "kaiserlich" und "österreichisch" und verabscheuten alles, was "polnisch" war, denn polnisch waren ihre Unterdrücker [281].
Die Agitation unter dem Landvolke hatte also nicht den Erfolg, den die Demokraten erwartet hatten. Dagegen erweckte sie das Mißtrauen des begüterten Adels. Die Freundschaft des Adels schien den Parteiführern wichtiger als die der Bauern, und vorübergehend wurde sogar das Verbot der Landagitation ausgesprochen [282]. In veränderter Form wurde sie jedoch bald wieder aufgenommen. Nicht mehr Bürger und Gutsbeamte, sondern allein die Geistlichkeit sollte fortan trachten, das Volk auf die Seite der Revolutionspartei zu ziehen. Um das Band des Vertrauens zwischen Klerus und Volk enger zu knüpfen, und um gleichzeitig die Bewegung recht unschuldig erscheinen zu lassen, wurde dazu eine Form gewählt, die segensreiche Folgen hätte haben können. Es wurden Mäßigkeitsvereine gegründet, die der immer mehr umsichgreifenden Trunksucht entgegenwirken sollten. Von der Geistlichkeit aufgefordert, legten zahlreiche Bauern das Gelübde der Enthaltsamkeit von allen geistigen Getränken oder auch nur der Mäßigkeit ab. Die wohltätigen Wirkungen auf die Bevölkerung waren bald sichtbar. Der besitzende Adel legte diesen Bestrebungen keine Hindernisse in den Weg, trotzdem das Propinationseinkommen durch sie geschmälert wurde. Denn unterdessen hatte er mit der demokratischen Partei einen Vergleich geschlossen [283].
[106]
Zu diesem Vergleich war der Adel nicht nur durch die Aussichtslosigkeit seiner Hoffnungen auf eine europäische Intervention, sondern mehr noch vielleicht durch die den Großgrundbesitz bedrohende demokratische Agitation gebracht worden. Aristokratie und Demokratie einigten sich also: Diese sollte nicht länger gegen den Adel hetzen, jene die Untertansfrage auf dem Landtage einer gesetzlichen Regelung zuführen [284]. Auch die bereits geschilderte Desorganisation auf dem flachen Lande wirkte mit, um die galizischen Großgrundbesitzer zum Entschlusse zu bewegen, den seit siebzig Jahren festgehaltenen Standpunkt: der Staat habe sich in das gutsherrlich-bäuerliche Verhältnis nicht einzumengen, aufzugeben. Der Wert der Fronen – wie sie von den Untertanen noch prästiert wurden – wurde täglich geringer, und die Befürchtung wurde rege, daß sie schließlich ganz wertlos würden [285].
So kam denn die Untertansfrage auf dem Landtage zur Sprache. Seit sich in den letzten Jahren immer deutlicher zeigte, daß die absolutistische Zentralregierung nicht der Aufgabe genüge, ein so großes und verschiedenartiges Staatswesen wie die österreichische Monarchie zu verwalten, forderten die früher ganz einflußlosen Stände einen größeren Anteil an der Regierung [286]. Wenn auch die galizischen Stände sich auf kein historisches Recht berufen konnten wie die in Österreich, Böhmen und Tirol, so hatten sie dennoch an dem Aufschwunge des parlamentarischen Einflusses teilgenommen. Die Landtagsversammlungen wurden stärker besucht als früher, die Debatten wurden lebhafter. In einer Reihe von wichtigen Angelegenheiten hatte der Landtag das entscheidende Wort gesprochen, vor allem aber durch die Errichtung der Kreditanstalt (1841) gezeigt, daß er fähig [107] sei, eine großere wirtschaftliche Aktion selbständig durchzuführen. Eben hatte er auch die Lösung der Eisenbahnfrage in die Hand genommen. Es war also selbstverständlich, daß er sich auch mit der Untertansfrage beschäftigen wollte, die für das Land weitaus wichtiger und dringender war als alle anderen Fragen [287].
So stellte denn im September 1843 bei einer vertraulichen Besprechung der Ständemitglieder der Landesuntermarschall Thaddäus Ritter Chochlik von Wasilewo-Wasilewski den Antrag auf Einsetzung einer Kommission, "die sich mit Anträgen zur Verbesserung des Zustandes der Unterthanen, Verleihung des Eigenthums an selbe und Modificierung der Robotschuldigkeiten zu befassen hatte." [288] Der Antrag fand bei der Mehrzahl der Versammelten, insbesondere bei den Gutsbesitzern aus dem Osten, heftigen Widerspruch. Dennoch einigte man sich, da sich gewichtige Stimmen für ihn erhoben, dahin, daß in der offiziellen Landtagssitzung der Antrag gestellt werde, es möge der Kaiser ersucht werden, "die Stände allergnädigst zu ermächtigen, in der nächsten Landtagsversammlung eine Commission aus ihrer Mitte zu bestimmen, welche beauftragt werden würde, die gegenseitigen Verhältnisse zwischen den Grundherrschaften und den Grundholden dieses Landes in Überlegung zu nehmen, hierüber, sofern es nöthig ist, auf geeigneten Wegen in kluger Weise Auskünfte zu sammeln, hinsichtlich dieser Verhältnisse jene Verbesserungen und Änderungen der Landtagsversammlung seiner Zeit gegenwärtig zu halten, welche sich als zweckdienlich und dem Besten der Grundherrschaften und Grundholden, somit der allgemeinen Wohlfahrt als zusagend darstellen, damit die [108] Stände auf dieser Grundlage ihre weiteren allerunterthänigsten Bitten an den Thron seiner k. k. Majestät zu richten vermögen." In dieser milderen Fassung wurde der Antrag am 23. September 1843 mit 86 gegen 15 Stimmen zum Beschlusse erhoben.
Die Regierung war in großer Verlegenheit. Sie scheute das Geräusch und die Unruhe, welche eine so tiefeingreifende Veränderung des Agrarrechtes wie die Reform des Untertänigkeitsverhältnisses notwendig wachrufen mußte. Ihr erster Gedanke war daher, die Verhandlungen des Landtages über die Bauernfrage ängstlich vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Zwar war sie einer Reform nicht durchaus abgeneigt. Erkannte sie doch ganz richtig, daß "nach den Hofkanzlei-Acten betrachtet, der Zustand in Galizien bloß eine provisorische Aufrechterhaltung des Bestandenen ist, welche mit der Urbarial- und Steuerregulierung de 1789 ihr Ende erreichen sollte". Doch verwarf sie die Anmaßung der Stände, eigenmächtig eine so wichtige Frage lösen zu wollen [289]. Nicht in letzter Linie aber befürchtete sie, daß sich hinter diesem Vorschlage revolutionäre Gedanken verbergen. Es wurde also den Ständen geantwortet, daß die Regierung die Verbesserung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse, "soweit solche ohne Verletzung wohlerworbener Rechte und mit gänzlicher Ausschließung von Zwangsmaßregeln stattfinden können," stets zum Gegenstande ihrer Sorgfalt gemacht habe und machen werde, "dass seine k. k. Majestät aber bei der Unbestimmtheit und Allgemeinheit der Abfassung des Beschlusses der Stände, die Aufstellung einer eigenen Commission, deren Aufgabe weder in ihrem Gegenstande, noch in Absicht auf die Richtung, welche die Commission in ihren Arbeiten einzuschlagen hätte, hinreichend bestimmt wäre, nicht als ein geeignetes Mittel erkennen, um in dieser schwierigen Angelegenheit mit Schonung aller eine genaue Erwägung verdienender Rücksichten zu einem gedeihlichen Erfolge zu gelangen, wobei es übrigens den Ständen unbenommen bleibe, wenn sie über einen deutlich zu bezeichnenden Gegenstand einen bestimmten [109] Vorschlag zu stellen finden, denselben im verfassungsmäßigen Wege anzubringen [290]."
So lähmend diese Antwort war, so ließen sich die Stände dennoch in ihrem Vorhaben nicht irre machen und stellten auf dem nächsten Landtage (September 1844) die neuerliche Bitte: es möge einer aus der Mitte der Landstände gewählten Kommission gestattet werden, "die Errichtung von Grundbüchern, welche in Zukunft bei Streitigkeiten als Beweismittel zu dienen hätten, ausdrückliche Zuerkennung des Nutzungseigenthums unterthäniger Gründe, Regulierung der Servituten und des gemeinschaftlichen Besitzes in Überlegung zu nehmen, und einen wohlüberdachten Plan den Ständen zur künftigen Berathung und höheren Einbegleitung vorzulegen." Der Generalgouverneur Erzherzog Ferdinand war gegen die Gewährung dieser Bitte oder doch für eine Hinausschiebung ihrer Erfüllung. Die Hofkanzlei aber, in deren Mitte sich noch josefinische Einflüsse bemerkbar machten, stellte den Antrag: "dass Euere Majestät die Aufstellung der beabsichtigten Commission nicht nur bewillige, sondern auch die Landesstelle beauftrage, im Einverständnisse mit derselben und durch ein gemeinschaftliches Zusammenwirken die Mittel zu berathen und vorzubereiten, wie die Eigenthumsverhältnisse zwischem dem obrigkeitlichen und dem unterthänigen Grundbesitze geregelt und gesichert, die Mittel und die Neigung zur besseren Cultur desselben geweckt, und die Reibungen und Nachtheile, welche aus dem dermaligen Zustande entspringen, ohne Beeinträchtigung wohlerworbener Rechte beseitigt werden können." Entsprechend dem Hofkanzleivortrage, bewilligte der Kaiser die Einsetzung der Kommission und bestimmte, daß ihr der Kammerprokurator, ein erfahrener Justizbeamter und ein mit den Verhältnissen der Staats- und Fondsgüter genau vertrauter Geschäftsmann als Mitglieder beigegeben werden [291].
In der Tat schritten auch die Stände am 18. und 19. September 1845 zur Wahl von 18 Mitgliedern und ebensovielen [110] Ersatzmännern der Kommission (je ein Mitglied und ein Ersatzmann für jeden Kreis), die unter dem Vorsitze des Generalgouverneurs als Präsidenten der Stände vorerst vorbereitende Erörterungen über die Feststellung des Nutzungseigentums und die Errichtung der Grundbücher für den untertänigen Grundbesitz vornehmen sollte [292]. Über Antrag des ständischen Ehrenbeisitzers im Landesausschusse Moriz Ritter von Kramski wurde ferner beschlossen, den Kaiser um die Erweiterung des Wirkungskreises der Kommission zu bitten, damit diese die Maßnahmen in Erwägung nehmen könne, die erforderlich seien, um die untertänigen Leistungen in Geld oder Getreidezinse zu verwandeln oder ihre gänzliche Ablösung im Wege freiwilliger Übereinkommen zu erleichtern [293].
Die Kommission sollte erst nach erfolgter Entschließung des Monarchen über diese Bitte zusammentreten. Inzwischen aber sollten die Kommissionsmitglieder sich mit Sammlung von Daten und vorbereitenden Arbeiten für die Beratungen beschäftigen [294], [295].
Bevor noch die neuerliche Entschließung des Kaisers kundgemacht worden war, schnitt der Ausbruch des Aufstandes alle weiteren Beratungen und Verhandlungen ab. Die von den Ständen gewählte Kommission ist niemals zusammengetreten; die Regierung nahm, nach Niederwerfung der Revolution, die Lösung der Bauernfrage selbst in die Hand, und als der galizische Landtag nach Jahren wieder berufen wurde, gehörten die Frondienste bereits der Geschichte an.
Auch wenn die Stände oder die Regierung die Lösung der Bauernfrage energischer in Angriff genommen hätten – die Erhebung des Landvolkes gegen den Adel hätte nicht mehr vermieden werden können. Eine solche Reform wäre jedenfalls unter sorgfältiger Wahrung der Rechte der Gutsherren durchgeführt worden und hätte so, besonders durch die nach dem Wunsche der Gutsherren gleichzeitig vorzunehmende Servitutenablösung die Aufregung unter der Bauernschaft nur noch mehr gesteigert. Die Agitatoren der demokratischen Partei hatten [111] den Untertanen die Überzeugung beigebracht, daß alle Lasten ohne jede Entschädigung aufgehoben werden müßten, und darauf bestanden diese nun hartnäckig.
Die Zeit der Reformen war – zum ewigen Schaden des Landes – versäumt worden.
Während Stände und Regierung über die Untertansfrage verhandelten, waren die Verschworenen nicht untätig geblieben. Überall im Gebiete des ehemaligen polnischen Staates hatten sie Anhänger geworben. An einem und demselben Tage – dem 21. Februar 1846 – sollten sich Kongreßpolen, Litthauen, Posen, Krakau und Galizien erheben. Schon waren die Beamten- und Offiziersstellen des polnischen Staates vergeben, aber die Soldaten fehlten noch. Wohl entgieng es den Einsichtigeren unter den polnischen Führern nicht, daß das Landvolk ihren Bestrebungen abgeneigt sei. Aber sie dachten, die Bauern würden schlimmstenfalls im Anfange schwanken, sich aber dann, wie die Polen die ersten Erfolge errungen hätten, – und daran, daß die Erfolge sich einstellen würden, zweifelte niemand – rasch den Siegern anschließen. Im Augenblicke des Losbruches sollten die Gutsherren die Untertanen versammeln, ihnen alle Fronen und Abgaben erlassen, ihnen ihre Gründe schenken und sie dann zur Teilnahme am Aufstande auffordern [296].
Ein Teil der Demokraten hatte sich dem von der Parteileitung mit den Aristokraten getroffenen Übereinkommen nicht angeschlossen und setzte die Agitation unter dem Landvolke in heftiger und maßloser Weise fort.
Niemals sei, heißt es in einem im November 1845 im Rzeszower Kreise verbreiteten Aufrufe [297], die Aufhebung der Frone von den Herren zu erwarten, auch nicht vom Kaiser. Denn, "was kann einen deutschen, weit in Wien sitzenden Kaiser das Los eines polnischen Bauern interessieren?" Nur von Gott könne Hilfe kommen: "Christus wurde darum [112] umgebracht, weil er wollte, daß keine Unterthanschaft bestehe." Doch, "Gott ist kein Ritter, um mit eueren Feinden zu kämpfen, auch kein Advocat, um euere Sache vor Gericht zu vertheidigen, auch ist er nicht euer Diener, um euch den Schweiß von der Stirne zu wischen. Und ihr seid keine Würmer, sondern Gott ähnlich erschaffen und könnt euch selbst helfen."
"Gott hat durch den Tod seines besten Sohnes euch bloß den Beweis gegeben, dass er euere Erlösung wünscht. Gott gab euch kräftige Arme und scharfes Eisen, damit ihr selbst Ritter seid, –und gab euch Verstand, damit ihr selbst euere Sache vertheidigt. Gebratene Tauben fliegen einem nicht selbst in den Mund. – Und ihr wollt, dass die Freiheit sich bei euch selbst einbettle. – Gott gibt uns alles, aber nur dann, wenn wir es verdient haben! Der Mensch säet und ackert, und Gott gibt hierauf Regen, und wärmt mit der Sonne den schönen Weizen. Wer aber nicht säet und nicht ackert, für den wächst kein Weizen."
"So ist es, liebe Brüder. Ihr selbst nur könnt euch von der Unterthanschaft befreien, und Gott wird euch von oben segnen, wenn ihr euch befreien werdet! Es gibt euerer so viele, dass, wenn ein jeder von euch nur ein Steinchen auf diejenigen wirft, die euch bedrücken, auf den Leichen euerer Feinde Steinberge entstehen würden."
Die aufreizenden Reden und Schriften verfehlten nicht ihren Zweck.–
Die preußische Regierung kam den Verschworenen zuvor. Durch zahlreiche Verhaftungen und umfassende Sicherheitsvorkehrungen wurden alle revolutionären Unternehmungen vereitelt. Mit erbarmungsloser Härte erstickte Rußland die polnische Bewegung im Keime. Nur in Krakau und in Westgalizien kam es zum Kampfe.
Auch den österreichischen Behörden war die lebhafte Bewegung unter den polnischen Patrioten nicht entgangen. Gegen Ende des Jahres 1845 mehrten sich die Anzeichen eines nahe bevorstehenden Aufstandes. Von allen Seiten kamen den Regierungsorganen Anzeigen über das Treiben der Verschworenen zu. Im Gubernium wurden Beratungen gepflogen, wie man der drohenden Gefahr begegnen könne. Der Gubernialpräsident Franz Freiherr Krieg v. Hochfelden [298] war für eine Verstärkung [113] der verhältnismäßig schwachen Besatzung Galiziens. Der Generalgouverneur genehmigte jedoch nur die Einberufung der Urlauber, von einer Heranziehung von Truppen aus dem Westen des Reiches wollte er nichts wissen [299].
Inzwischen war die Lage in Westgalizien kritisch geworden. Heftige Überschwemmungen hatten die Saaten auf den Feldern zu wiederholtenmalen zerstört, was eine große Hungersnot verursachte, in deren Gefolge der Hungertyphus entsetzliche Verheerungen hervorrief. Die Regierung, die Stände und die private Wohltätigkeit stellten große Mittel zur Verteilung an die unglücklichen Bauern zur Verfügung; doch wenig nur vermochten diese Spenden gegenüber der grenzenlosen Not. Unter dem Landvolke war das Gerücht verbreitet, daß die Gutsherren in ihren Speichern große Vorräte für den kommenden Aufstand anhäuften, was den alten Haß der Bauern wider die Edelleute noch erhöhte; dagegen hatten die Staatsbeamten, denen die Verteilung der eingelaufenen Spenden oblag, Gelegenheit, sich die Zuneigung der Untertanen aufs neue zu erwerben [300].
Die ganze Größe der Gefahr trat dem Generalgouverneur erst dann vor die Augen, als ihm die Nachricht zukam, daß die Bauern des Kreises Bochnia sich gegen den Adel waffnen. In größter Bestürzung erteilte er den Kreisämtern den Befehl, auf die Landleute beschwichtigend einzuwirken; zu spät. Als der Befehl des Guberniums den Kreisämtern zukam, war der Aufruhr schon ausgebrochen [301].
Die ziemlich offenkundig betriebenen Vorbereitungen der Insurgenten für die auf die Nacht vom 18. auf den 19. Februar festgesetzte Erhebung (der Termin war um zwei Tage vorgerückt worden) hatten das Mißtrauen der Bauern der Tarnower Gegend erweckt. Dunkle Gerüchte verbreiteten sich von der Aufhebung der Robot. Der Kaiser, hieß es, habe sie schon längst aufgehoben, die Gutsherren aber hielten das betreffende Patent zurück. Dann wieder hörte man, die "Polen" hätten die Untertansschuldigkeiten beseitigt. Agenten des Revolutionskomitees verkündeten allenthalben das Ende der Untertänigkeit, versprachen Wohlfeilheit von Tabak und Salz und forderten die Bauern zum Anschlusse an [114] den Aufstand auf. Sie stießen auf Mißtrauen. Der Haß der Bauern gewann die Oberhand. Die Meinung drang durch, die Edelleute wollten die Bauern niedermachen. In dieser Ungewißheit beschlossen die Gemeinden, auf der Hut zu sein. Mit Sensen, Heugabeln und Dreschflegeln bewaffnet, stellten sie sich an den Kreuzwegen auf, um Wache zu halten. Die Dorfrichter und die Geschworenen, als die Angesehensten, die Urlauber und die ehemaligen Soldaten, als die Erfahrensten, übernahmen die Führung. Auf dem Wege zu dem verabredeten Zusammenkunftsorte mußten die Empörer an den Bauernhaufen vorüber. Sie wurden nicht durchgelassen. Sie versuchten den Durchlaß mit Gewalt zu erzwingen; es kam zum Kampfe, in dem die ungleich zahlreicheren Bauern Sieger blieben. Die Edelleute wurden teils getötet, teils verwundet, die übrigen gefangen genommen. Tote und Lebende wurden auf Wagen geladen und nach Tarnow in das Kreisamt abgeliefert. Als der Morgen des 19. Februar graute, war der Aufstand im Kreise Tarnow niedergeschlagen [302].
Noch kläglicher scheiterte das Unternehmen der Revolutionspartei in den anderen Kreisen. In Ostgalizien kam es überhaupt nur an zwei Orten zum Kampfe. Überall erhoben sich die Bauern gegen die Edelleute für die Regierung [303]. Nur im Gebirgsdorfe Chocholow im Kreise Sandoc hatten sich die Bauern – über Anstiften des Ortsgeistlichen – dem Aufstande gegen die Regierung angeschlossen. Eine Abteilung Finanzwache und die Bauern der benachbarten Gemeinden schlugen jedoch die Empörung sofort nieder [304].
Die polnische Insurrektion war nicht durch Regierungstruppen, sondern durch die Bauern niedergeworfen worden. Doch kehrten die Bauern nach errungenem Siege nicht nach Hause zurück. Sie ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen, an ihren Bedrängern Rache zu üben. Bandenweise zogen sie von Gutshof zu Gutshof, mordend, plündernd, sengend. Alle Gutsherren und Wirtschaftsbeamte, die sich nicht rechtzeitig [115] hatten flüchten können, wurden erbarmungslos niedergemetzelt. Tagelang dauerte das schreckliche Morden in ganz Westgalizien.
Erst in den ersten Tagen des März kehrte die Ruhe wieder ein. Militärkommanden durchstreiften das Land und forderten die Bauern auf, sich aller Gewalttaten zu enthalten. Willig gehorchten die meisten, nur selten mußte gegen sie mit Schärfe vorgegangen werden. Sie kehrten in ihre Dörfer zur gewohnten Feldarbeit zurück, in der festen Überzeugung, daß sie fortan zu keinerlei Diensten mehr an die Herrschaft verpflichtet seien [305].
Die blutigen Ereignisse in Galizien waren durch den harten Druck, den die Gutsherren auf die Untertanen seit Jahrhunderten ausgeübt hatten, hervorgerufen worden. Die Umtriebe der demokratischen Partei hatten den Funken geschürt, der schon lange unter der Asche geglimmt hatte. So einfach die Wahrheit lautete, sie wurde doch nicht geglaubt. In den Parlamenten von England und Frankreich und in der gesamten europäischen Presse wurde gegen die österreichische Regierung die Anklage erhoben, sie hätte die galizischen Bauern gegen "das väterliche Regiment" der Gutsherren aufgehetzt. Für den Kopf eines jeden ermordeten Edelmannes hätten die Kreisämter eine Prämie [116] bezahlt; von amtswegen seien unter der Bauernschaft kommunistische Lehren verbreitet worden u. s. w. [306].
Wenn auch die Wiener Regierung den fremden Mächten mitteilte, sie sei durch die galizischen Ereignisse keineswegs beunruhigt, sie sehe sich vielmehr gehoben "durch das Gefühl der breiten Basis, auf der die Macht der Regierung in Galizien beruht, nämlich der treuen Anhänglichkeit der Bevölkerung," [307] so war die Besorgnis, die sie im geheimen hegte, größer als sie zugestehen wollte. Nach der Meinung des Fürsten Metternich mußten so schnell als möglich durchgreifende Reformen in Angriff genommen werden, um das Land bei Österreich zu erhalten [308]. Doch sollten diese Reformen in der Art vorgenommen werden, daß kein Verdacht aufkommen könne, die Regierung hätte sich durch den Aufstand einschüchtern [117] lassen. Vor allem legte man darauf Gewicht, daß die Bauern zur Robot wieder zurückkehrten, ehe über ihre Ablösung, Erleichterung oder gänzliche Aufhebung entschieden werde. Das aber war nicht so leicht zu erreichen. Allgemein war unter den Bauern die Meinung verbreitet, daß die Fronpflicht durch die letzten Ereignisse aufgehoben sei. Wie sollten auch sie, die eben siegreich aus dem Kampfe hervorgegangen waren, ihren Nacken unter das Joch der Besiegten beugen? Bei Ausbruch des Aufstandes hatten die Insurgenten den Untertanen die Aufhebung aller Lasten als Lohn für die Teilnahme an der Revolution in Aussicht gestellt; sollten die Bauern dafür bestraft werden, daß sie für den Kaiser gekämpft, ihm die Provinz erhalten hatten?
Die Provinzialregierung war anderer Ansicht. Vorerst sollten die Untertanen gehorsam die Arbeit auf den herrschaftlichen Äckern wieder aufnehmen, dann erst sollten sie die Begünstigungen genießen, die man ihnen zugedacht hatte. Diese Forderung war vom Standpunkte der Landeskultur gerechtfertigt. Es war höchste Zeit, daß die Dominikalländereien bestellt werden. Aus Mangel an freien Arbeitern konnte dies nur mit Hilfe der Fronbauern geschehen. Da die Mehrzahl der Gutshöfe verödet war – die Gutsherren und die Beamten waren teils getötet, teils geflüchtet, teils wegen Teilnahme am Aufstande verhaftet – mußten Vorkehrungen für die Besorgung der politischen und judiziellen Geschäfte getroffen werden. Ein Erlaß des General-Gouverneurs befahl den Kreishauptleuten, in jenen Dominien, auf welchen aus was immer für einer Ursache sich kein Mandatar befinde, einen solchen von Amts wegen provisorisch aufzustellen. Es war dies der erste Schritt zur Errichtung landesfürstlicher erster Instanzen, einer Maßregel, deren Notwendigkeit nach den letzten Ereignissen jedermann einleuchtete [309].
Viele Bauern erschienen in den Kreisämtern mit der Anfrage, ob es wahr sei, daß der Kaiser die Robot aufgehoben habe. Das Gubernium ließ ihnen bedeuten, "dass durch die stattgefundenen Ereignisse sich in ihren Pflichten gegen die Grundherrschaften nichts geändert habe, und dass Entscheidungen bezüglich der Zukunft nur von Sr. Majestät kommen können." [310] So groß war das Vertrauen der Bauern zur Regierung, daß ein [118] großer Teil von ihnen auf diese Auskunft hin die Arbeit wieder aufnahm. Nur im Kreise Tarnow weigerten sich viele Gemeinden entschieden, die Robot zu leisten. Wieder war es Jakob Szela, der die Bauern zum Widerstande trieb. Von Tarnow breitete sich die Robotrenitenz bald auch auf jene Kreise aus, in denen die Untertanen schon angefangen hatten, die Schuldigkeiten zu prästieren. Gegen Ende März war die Lage wieder kritisch. Inzwischen war jedoch die Besatzung Westgaliziens verstärkt und die Stellung der Regierung befestigt worden. Das Gubernium beschloß daher, den Untertanen vorderhand keine Konzessionen zu machen oder in Aussicht zu stellen, weil dies als Belohnung für die verübten Gewalttaten erscheinen könnte. Wo die Untertanen den gütlichen Ermahnungen der Beamten keine Folge leisten würden, sollten sie durch Militärexekutionen zur Wiederaufnahme der Arbeit gezwungen werden [311].
Während das Gubernium sich abmühte, den alten Stand der Dinge wiederherzustellen, wurden in Wien Maßregeln von größter Tragweite in Erwägung gezogen. Unter dem frischen Eindrucke der galizischen Ereignisse hatte der Kaiser am 9. März den Vorschlag der Hofkanzlei, den Gutsherren das Jurisdiktionsrecht, das sie durch ihre Empörung verwirkt hätten, abzunehmen und landesfürstliche erste Instanzen zu errichten, im Prinzipe genehmigt und den Auftrag erteilt, einen genau ausgearbeiteten Entwurf für die neue Verwaltungs- und Gerichtsorganisation vorzulegen. Gleichzeitig wurden in der Hofkanzlei Beratungen über die Regelung der Robotverhältnisse gepflogen; radikale Vorschläge wurden gemacht, die Güter der Insurgenten zu konfiszieren, den Untertanen die Robot gänzlich nachzusehen und ihnen unentgeltlich das Eigentum ihrer Gründe zu verleihen. Bald jedoch gewannen kühlere Überlegungen die Oberhand. Die Aufhebung der Untertansschuldigkeiten in Galizien mußte auch die Agrarverfassung der westlichen Provinzen erschüttern und das wollten die maßgebenden Kreise, die mit den Gutsherren in inniger Fühlung standen, vermeiden. Man kam daher von der beabsichtigten Aufhebung der Naturalfrone ab. Doch gab man deshalb den Plan, die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse zu regeln, nicht auf [312].
[119]
Bereits am 2. März war der Hofrat bei der vereinigten Hofkanzlei Wenzeslaus Ritter von Zaleski nach Galizien mit dem Auftrage entsendet worden, Vorschläge zur dauernden Beruhigung des Landes zu erstatten. Zaleski trug auf die sofortige Abstellung der Aushilfstage und der weiten Fuhren, sowie auf Herabsetzung der Inmannsfrone auf die Hälfte an [313]. Die Hofkanzlei legte diese Anträge dem Kaiser vor, zugleich aber ersuchte sie "um Genehmigung des Princips der Umgestaltung der Naturalfrone in eine Geldleistung an den Staat gegen die Verpflichtung desselben zur Entschädigung der Dominien und mit dem Vorbehalte festgesetzter, entgeltlicher Arbeitsleistungen von Seite der Unterthanen an die Dominien nach Preisen, welche die Kreisämter zu bestimmen hätten" [314]. So wichtige und einschneidende Maßregeln wollte der Kaiser nicht ohne Befragung der Landesbehörden treffen. Er gab daher den Befehl, über die von der Hofkanzlei vorgeschlagene Modalität der Robotablösung und über die Frage der Verleihung des Nutzungseigentums an die Untertanen sofort mit dem Gubernium Verhandlungen einzuleiten. Die Herabsetzung der Inmannsfrone wurde verworfen, dagegen die Vorschläge, betreffend die Aufhebung der weiten Fuhren und der Aushilfstage, gebilligt und durch Patent vom 13. April kundgemacht. Dasselbe Patent bestimmte auch, daß Untertanen, die sich durch eine Forderung ihrer Herrschaft beschwert glauben, sich mit ihrer Beschwerde unmittelbar an das Kreisamt wenden können, ohne, wie es der § 8 des Patentes vom 1. September 1781 verlangte, die Klage vorerst bei der Grundobrigkeit vorbringen zu müssen, eine Bestimmung, die auf Veranlassung des Erzherzog-Generalgouverneurs aufgenommen worden war [315].
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Brachte das Patent vom 13. April den Bauern nicht das, was sie erwartet hatten, nämlich die vollständige Beseitigung der Frondienste, so enthielt es doch einige unzweifelhaft wirkungsvolle Begünstigungen. Die Untertanen in Ostgalizien waren auch vollkommen befriedigt. Weniger die in Westgalizien. Aber auch hier wurde, besonders unter dem Eindrucke der Zwangsmaßregeln der Regierung, die Arbeit wieder aufgenommen [316].
Die Untertanen gaben sich umso eher mit den im Patente vom 13. April gewährten Erleichterungen zufrieden, als sie wußten, daß sie diese nur als Abschlagszahlung zu betrachten hatten. War es doch ein öffentliches Geheimnis, daß die Regierung die Absicht habe, die Naturalfrone aufzuheben, und damit dem Wunsche der untertänigen Bevölkerung nicht nur Galiziens, sondern ganz Österreichs nachzukommen [317]. Aus allen Teilen des Reiches liefen bei der Regierung Projekte und Entwürfe für die Regulierung oder gänzliche Auflösung des Untertänigkeitsverhältnisses ein.
Entsprechend dem Auftrage des Kaisers legte das galizische Gubernium einen Vorschlag zur Ablösung der bäuerlichen Lasten vor [318]. Danach sollte den Bauern das Nutzungseigentum der Gründe, das de facto ihnen schon zustand, ohne jede Entschädigung der Gutsherren verliehen werden. Die Roboten und übrigen Leistungen sollten "mit Benützung des Grundsteuerkatasters und der Urbarialfassionen in eine Geldrente umgestaltet [121] werden, die einerseits mit dem Reinertrage dieser Gründe in einem angemessenen Verhältnis steht und die Hälfte desselben nie überschreitet, andererseits den Berechtigten im Falle der Überschreitung dieses Maßes nie einen höheren Entgang als 30% des Werthes der bisherigen Urbarialleistungen erleiden lässt, für welchen derselbe, wie alle Berechtigten, den Vortheil erhält, von der Verpflichtung der Unterstützung der Unterthanen in Nothfällen, von der Vertretung derselben vor Gericht und von anderen aus diesem Titel bestandenen Verpflichtungen enthoben zu werden, – ihren Grundbesitz da, wo sich dies als unumgänglich nothwendig darstellt, einer rationellen Bewirtschaftung angemessen zu arrondieren, und von dem bäuerlichen Besitzthum abzusondern, und denselben von beschwerlichen, die Kultivierung hemmenden Verpflichtungen zu befreien". Den über 30% betragenden Ausfall von dem Urbarialbetrage (in der Höhe von jährlich 222.049 Gulden C. M.) sollte das Land vergüten. Die Geldrente sollte durch Erlegung des zwanzigfachen Wertes ablösbar sein. Um den Übergang zu der neuen Bewirtschaftungsart des herrschaftlichen Bodens, die die Einführung dieser Maßregeln erforderlich machte, zu erleichtern, sollten die Untertanen noch durch 6 Jahre zu entgeltlichen Dienstleistungen verpflichtet sein.
Zweierlei hatte das Gubernium bei diesem Vorschlage übersehen. Erstens waren die galizischen Untertanen – besonders im Osten – gänzlich unvermögend, die Reluitionszinse zu zahlen und noch weniger sie abzulösen [319]. Und zweitens war es sicher, daß die Bauern, durch die lange Unterdrückung stumpf und arbeitsscheu gemacht, sich weigern würden, auf den herrschaftlichen Feldern gegen Bezahlung zu arbeiten.
Was die Gutsherren an dem Vorschlage der Regierung auszusetzen hatten, war, daß er sie mit ihren Ansprüchen an die Bauern wies. Die Gesinnung des Landvolkes war ihnen zu gut bekannt, als daß sie erwarteten, bei dieser Reform den sicheren Bezug ihrer Renten genießen zu können. Vollständige Auflösung des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses um jeden Preis mußte ihre Forderung sein. Den Untertanen sollte das volle Eigentum ihrer Gründe eingeräumt werden, die Roboten sollten gegen [122] Entschädigung der Gutsherren aufhören, so lautete der Antrag, den Kraiński und Gołuchowski in der Gubernialsitzung stellten [320]. Von dem jährlichen Urbarialerträgnisse wären bei Ermittlung der Entschädigung in Anschlag zu bringen 30% für die Lasten, die der Obrigkeit aus dem Verhältnisse erwuchsen [321], und 5% für die zu kapitalisierende Urbarialsteuer, die aufzuheben wäre. Der erübrigende Rest, mit 20 multipliziert, sollte das Entschädigungskapital darstellen, das die Gemeinden (denn nur mit den Gemeinden und nicht mit den einzelnen Grundwirten wollten es die Gutsherren zu tun haben) entweder bar oder – da voraussichtlich kaum eine Gemeinde über die nötigen Kapitalien verfügte – mit 4%igen Obligationen begleichen sollten. Für die pünktliche Zahlung der Interessen und der Kapitaltilgungsquote (von jährlich 1%) sollte die ganze Gemeinde mit ihrem Grundbesitze zu ungeteilter Hand haften. Die Einhebung sollte die landesfürstliche Steuerbezirksobrigkeit besorgen, die gegen säumige Zahler mit Exekutionszwang vorgehen sollte. Auf dieselbe Weise sollten die Gemeinden den Staat für den Ausfall der Urbarialsteuer entschädigen.
Die Voraussetzung dieses Antrages, daß das gutsherrlich-bäuerliche Verhältnis unhaltbar sei und je eher, je lieber beseitigt werden müsse, war zutreffend. Der Antrag selbst war aber undurchführbar, da es geradezu ein Ding der Unmöglichkeit war, den galizischen Bauern die Leistung einer Summe von [123] 81·2 Millionen Gulden C. M. aufzubürden. Recht klug ersonnen war es von den Antragstellern, die Eintreibung der Geldraten den landesfürstlichen Behörden zu überlassen, damit die Gehässigkeit der zu ergreifenden Zwangsmaßregeln auf die Regierung zurückfalle.
Ehe noch die Entscheidung über die verschiedenen Reformprojekte fiel, trat der greise Generalgouverneur Erzherzog Ferdinand, der zwar im allgemeinen die Notwendigkeit der Reformen zugestand, jedoch den nexus subditelae nicht völlig beseitigt wissen wollte, von dem verantwortungsvollen Posten, den er durch 14 Jahre bekleidet hatte, zurück [322]. Die Stelle eines Generalgouverneurs wurde nicht wieder besetzt. Der Gubernialpräsident Baron Krieg sollte fortan die Geschäfte leiten. Um aber die Beschlußfassung über jene Reformen, die die Lage erheischte, zu beschleunigen, wurde der mährisch-schlesische Landesgouverneur Graf Rudolf Stadion zum außerordentlich bevollmächtigten Hofkommissär für das Königreich Galizien ernannt, und "mit der Amtsmacht der vereinigten Hofkanzlei versehen", insoferne er diese benötigen sollte "für die gänzliche Herstellung und dauerhafte Begründung der Ruhe zwischen den Grundherren und der untertänigen Klasse, dann für organische Einrichtungen und Verbesserungen der wahrgenommenen Mängel in der öffentlichen Verwaltung" [323]. Der Hofkommissär sollte "dem verführten Landvolke den Wahn benehmen, daß die von ihm den Grundherrschaften gebührenden Leistungen, namentlich die Frohne, ohne eine vollständige Entschädigung der Forderungsberechtigten aufgehoben und überhaupt Erleichterungen in seinem Schicksale durch Widersetzlichkeit oder Gewalt erzwungen werden können". Um die Errichtung landesfürstlicher ersten Instanzen vorzubereiten, wurde er ermächtigt, Kreisamtsexposituren zu errichten, und wurde ihm aufgetragen, für die beabsichtigte Feststellung des Nutzungseigentums und die Einführung der Grundbücher für die untertänigen Grundbesitzer die Vorbereitungen zu treffen [324]. Doch gerade in der wichtigen Frage der Fronablösung wurde dem Hofkommissär jeder Einfluß benommen. Die Ablösung der [124] Fron- und Zehentrechte sollte im ganzen Reiche einer einheitlichen Regelung unterzogen werden, zu welchem Zwecke auf Grund des kaiserlichen Handschreibens vom 26. Mai in der Hofkanzlei Beratungen gepflogen wurden [325].
Die Absicht, den Dominien alle politischen und judiziellen Befugnisse zu entziehen und landesfürstliche erste Instanzen zu errichten, war allmählich aufgegeben worden. Die Regierung scheute die großen Kosten, welche die Errichtung mehrerer hundert neuer Amtsstellen dem Staatssäckel aufbürden würde, und fürchtete die schlechte Wirkung, die eine solche Maßregel auf die westlichen Provinzen, in denen die Patrimonialgerichtsbarkeit erhalten bleiben sollte, ausüben mußte. Nichtsdestoweniger wurden die Beratungen über eine neue Gerichts- und Amtsorganisation Galiziens in Wien und Lemberg fortgesetzt, inzwischen aber der Versuch unternommen, ob nicht eine zweckmäßige Einrichtung des öffentlichen Dienstes in Galizien möglich wäre, ohne daß zu dem radikalen Mittel der vollständigen Beseitigung des herrschaftlichen Amtes gegriffen werde.
Die Bestimmung des Patentes vom 13. April 1846, daß die Untertansbeschwerden fortan mit Umgehung der Grundobrigkeit beim Kreisamte einzureichen seien, sowie die zahlreichen Agenden, die seit dem Aufstande von landesfürstlichen Beamten besorgt werden mußten, erforderten dringend eine Vermehrung des Personals der Kreisämter. Als diese vollzogen war, wurden in jedem Kreise mehrere Kreisamtsexposituren errichtet, die nicht selbständige Behörden, sondern Organe des Kreisamtes bilden sollten. Doch sollten die Exposituren "in allen Robot-, Urbarialangelegenheiten, Grundentziehungsbeschwerden als erste Instanz eintreten". Sie sollten "ex commissione provisorische, oder wo es möglich ist, gleich entscheidende Verfügungen treffen. Der Recurszug in diesen Angelegenheiten sollte zur Vereinfachung des Geschäftsganges unmittelbar an die Landesstelle gehen" [326]. Die in den westlichen Kreisen im Laufe des Monates März eingesetzten "ex officio Mandatare" sollten unter den Kreisamtsexposituren weiter fungieren. Die Stellung der übrigen [125] Mandatare wurde verbessert, indem für sie ein Minimalgehalt von 250 fl. gefordert und ihre Entlassung von der Zustimmung des Kreisamtes abhängig gemacht wurde [327]. Die Bestätigung der Dorfrichter wurde den Kreisämtern übertragen, um die Gemeinde dem obrigkeitlichen Einflusse zu entziehen [328]. Für die Besorgung des Sicherheitsdienstes wurde eine landesfürstliche Sicherheitswache errichtet [329].
Nach langen Beratungen fiel endlich im November die Entscheidung über die Bauernfrage und wurde durch drei Kreisschreiben kundgemacht [330].
Den uneingekauften Wirten wurde unter gleichzeitiger Beseitigung der obrigkeitlichen Pflicht, sie in Notfällen zu unterstützen, – welche Enthebung drei Jahre nach Einführung der Grundbücher über den untertänigen Besitzstand in Wirksamkeit treten sollte – das volle Nutzungseigentum an ihren Gründen eingeräumt. Fortan sollten sie mit ihren Gründen frei schalten und sie bis zu zwei Drittel des Wertes einschulden dürfen. Ihre Verpflichtung: vor dem Abzug der Obrigkeit taugliche Wirte zu stellen, sollte nur mehr in einer den Bestimmungen des allg. bürgerl. Gesetzbuches über das Nutzungseigentum (§ 1140) entsprechenden Weise Anwendung finden.
Als Normalzeitpunkt zur Bestimmung der gesetzlichen Eigenschaft der Grundstücke sollte nicht mehr das Jahr 1786, sondern das Jahr 1820 (als das Jahr des Grundsteuerprovisoriums) gelten.
Die Verleihung des Nutzungseigentums an die Untertanen hatte keine allzugroße Wichtigkeit. Besaßen sie es doch de facto [126] schon seit der josefinischen Zeit. Nur der Name hatte gefehlt. Von wohltätiger Wirkung mußte die in Aussicht gestellte Aufhebung der obrigkeitlichen Unterstützungspflicht sein. Es wurde damit eine Quelle beständigen Streites zwischen Obrigkeit und Untertanen verstopft. Die Änderung des Normaljahres war im Interesse einer beschleunigten Rechtsprechung hoch erwünscht. War es doch bei dem Mangel authentischer Urkunden geradezu unmöglich, den Beweis für den Besitzstand in dem um 60 Jahre zurückliegenden Normalzeitpunkte zu führen.
Weniger segensreich war die Lösung der Robotfrage. Kaum hatte sich die Aufregung, in die das Landvolk durch die letzten Ereignisse versetzt worden war, gelegt, da gab auch die Regierung die beabsichtigte imperative Fronablösung auf. Die Ablösung der Untertansschuldigkeiten sollte dem freien Übereinkommen zwischen Grundherr und Grundhold überlassen werden. Im Widerspruche mit allen Kennern der Landesverhältnisse erklärte Stadion: "die Robot an und für sich, als eine naturgemäße, dem Landmann, der Hand- und Arbeitskräfte hat, homogenste Leistung, für durchaus nicht unhaltbar." Nur das Übermaß der Robot und die mit ihr verbundenen Mißbräuche hätten das Untertänigkeitsverhältnis verhaßt gemacht. Darum müsse man, unter Anwendung des im Fronpatente vom 16. Juni 1786 ausgesprochenen Vorbehaltes, eine Urbarialregulierung durchführen. Die Grundzüge dieser von Stadion beantragten Reform, die sich an die mährische Regulierung von 1775 anlehnte, waren folgende:
"Die Hälfte des Ertrages der sogenannten unterthänigen Besitzungen, so wie er durch den provisorischen Kataster ermittelt ist, hat als Maßstab der an die Grundherrschaften zu entrichtenden Leistungen zu gelten, daher der nach Abzug des katastralmäßigen Wertes der Kleingaben, welche unverändert zu bleiben haben, noch übrige Rest jener Hälfte als Robot zu veranschlagen und so auf den Rusticalgrundbesitz nach dem gegenwärtigen Steuergulden zu vertheilen, und nach Klassen den einzelnen unterthänigen Grundbesitzern vorzuschreiben sein wird" [331]. "Mit Aufhebung der bezüglichen Bestimmung des § 10 im Robotpatente vom 16. Juni 1786 soll den Grundherrschaften wie den Unterthanen gestattet sein, zu verlangen, dass die künftige [127] Robotschuldigkeit nicht nach der gesetzlichen Stundenzahl, sondern nach einem in Gattung und Maße bestimmten Tagewerke geleistet werde." Die Bestimmung des Tagewerkes kann innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten durch freiwillige Übereinkunft zwischen den Beteiligten erfolgen und ist dem Kreisamte zur Bestätigung vorzulegen; kommt innerhalb der erwähnten Frist ein solcher Vergleich nicht zustande und spricht auch nur einer der beiden Teile die gemessene Arbeit an, so ist von Amts wegen eine Bestimmung zu treffen.
"Auf die patentmäßige Häusler- und Inmannsfrohne hat sich die Robotregulierung nicht zu erstrecken, auch sind die unter dem Namen Kleingaben bekannten sonstigen Abgaben der Unterthanen an die Grundherrschaften, zu welchen auch die an einigen Orten bestehende Gespunstschuldigkeit gehört, noch fortan zu entrichten."
Jedem einzelnen Untertanen sowie ganzen Gemeinden bleibt die freie Wahl zwischen ihrer bisherigen, etwa geringeren und der regulierten Robotschuldigkeit innerhalb eines Jahres vom Zeitpunkte der erfolgten Regulierung vorbehalten.
"Sobald dieser Termin verstrichen sein wird, ist zur Anfertigung legaler, von beiden Theilen als richtig anerkannter Robot-Register für jede Gemeinde zu schreiten."
"Für die entfallende Robot wird von Seite des Staatsschatzes in keinem Falle eine Entschädigung geleistet, jedoch gestatte Ich, dass die Frage, ob und unter welchen Modalitäten einzelnen [128] Grundherrschaften bei einem unverhältnismäßig großen Ausfalle an der bisherigen Robotschuldigkeit, eine billige Vergütung aus Landesmitteln zuzugestehen sei, bei den Ständen in Verhandlung genommen werde, deren Anträge Mir sodann gutachtlich vorzulegen sind."
Nach langen Verhandlungen erschien endlich am 18. Dezember 1846 das von der ganzen ländlichen Bevölkerung Österreichs heißersehnte Gesetz über die Ablösung der bäuerlichen Lasten. Doch weit entfernt davon, die Untertansfrage der Lösung entgegenzuführen, ließ es alles beim alten. Das Hofkanzleidekret vom 18. Dezember 1846 brachte zu weithin wahrnehmbarem Ausdrucke, daß die Regierung nicht gewillt sei, die Robot aufzuheben. Es gab die Arten, wie die Ablösung vor sich gehen könne, an, überließ aber die Ablösung selbst dem freien [129] Übereinkommen der Interessenten. Kurz: es enthielt nichts, was nicht schon im Patente vom 1. September 1798 ausgesprochen worden wäre, und ist auch ebenso wie jenes niemals zur praktischen Geltung gelangt [332]. In Galizien ist es übrigens überhaupt nicht kundgemacht worden [333].
Die rein politischen oder verwaltungsrechtlichen Verfügungen der außerordentlich bevollmächtigten Hofkommission interessieren uns hier nicht. Gegen Anfang des Jahres 1847 wurde sie, nachdem sie ihre Sendung erfüllt hatte, aufgelöst, und Graf Rudolf Stadion kehrte auf den mährischen Gouverneursposten zurück [334].
Die Urbarialregulierung war eine verfehlte Maßregel. Sie befriedigte weder die Gutsherren noch die Untertanen.
Die Bauern, deren Erwartungen durch den neunmonatlichen Aufschub gespannt waren, sahen sich in ihren Hoffnungen völlig getäuscht. Sie hatten mit Bestimmtheit auf die vollkommene Aufhebung der Fronen gerechnet und erfuhren nun, daß die Regierung den Fortbestand der Roboten wünsche. Die Häusler und Innleute, gerade die dürftigsten und unzufriedensten Elemente der ländlichen Bevölkerung, waren überhaupt nicht berücksichtigt worden. Die Kleingaben, die dem Landmann ebenso verhaßt waren wie die Robot, und mit deren Eintreibung zahllose Mißbräuche verbunden waren, blieben unverändert. Das [130] Mißvergnügen innerhalb der bäuerlichen Bevölkerung war daher allgemein, und viele Gemeinden mußten durch Militärassistenz zur Annahme der neuen Robotgesetze verhalten werden [335].
Ebenso unzufrieden waren die Gutsherren. Sie erlitten einen starken Ausfall an Robot, besonders die Zugrobot wurde im Westen, wo die Gründe stark parzelliert waren, bedeutend vermindert [336]. Diese Verluste wurden nur zum geringsten Teile durch die Enthebung von der Unterstützungspflicht den Untertanen gegenüber ausgeglichen. Große Besorgnis erregte es auch, daß der provisorische Kataster zum Maßstabe des Grundertrages genommen wurde. So mancher Gutsherr war sich bewußt, 1820 falsch fatiert zu haben, mochte dies auch manchmal nur geschehen sein, um die Steuerlast der Untertanen zu verringern. Die Fehlerhaftigkeit des provisorischen Katasters war übrigens der Regierung vollkommen bekannt; war sie ja bei der in einigen Kreisen schon vorgenommenen Messung für den stabilen Kataster klar zutage getreten. Aber es war unmöglich gewesen, die Regulierung länger zu verschieben, sei es, um besondere Urbarialtabellen anzulegen, sei es, um die Vollendung des stabilen Katasters abzuwarten. Das hätte einen Aufschub ad calendas græcas bedeutet, wie denn auch der stabile Kataster in Galizien niemals Geltung erlangt hat. Nach dem Gesagten ist es leicht begreiflich, daß die Gutsherren auf jede Weise die Durchführung der Robotregulierung zu verzögern suchten, und da auch die Bauern passiven Widerstand entgegensetzten, so kam die Reform ins Stocken. 45 galizische Gutsbesitzer baten am 23. Januar 1847 die Regierung um die Erlaubnis, eine Versammlung einzuberufen, die über die Urbarialregulierung Vorschläge machen sollte. Ihr Gesuch wurde jedoch abschlägig [131] beschieden [337]. Das hinderte nicht, daß die Beschwerden der Edelleute sich häuften. Auch von anderen Seiten wurden Änderungen beantragt, und die Regierung schwankte unentschlossen zwischen den Parteien hin und her. Befehle und Gegenbefehle kreuzten sich; die Verwirrung wurde allgemein [338].
Erst die kaiserlichen Entschließungen und Handschreiben vom 17. April brachten einigermaßen Klarheit. Es sei die ernste Absicht des Kaisers, hieß es da, die Urbarialregulierung in ihren Hauptgrundsätzen durchzuführen. Doch sollte das Gubernium sich darüber äußern, ob nicht einzelne Bestimmungen geändert werden könnten. Die Phasen, welche die Angelegenheit von da an während des Jahres 1847 durchmachte, hier ausführlich darzustellen, würde zu weit führen und auch kein großes Interesse darbieten. So sei denn nur festgehalten, daß die Landeskommission, die im Juni unter dem Vorsitze Kriegs zusammentrat, entsprechend den Anregungen der Hofkanzlei, den Antrag stellte: es sei die Klasseneinteilung, die den galizischen Verhältnissen fremd war, aufzuheben. Die Robot sollte vielmehr nach der Grundsteuer berechnet werden, und zwar ein Handtag auf 2 kr. Rustikalsteuer [339]. Die Zugrobot hätte schon bei einer Steuerleistung von 2 fl. 15 kr. einzutreten.
Auch bei dieser Abänderung blieben die Verluste für die meisten Dominien sehr beträchtlich; im Vergleich mit dem status quo beliefen sie sich in 831 Gemeinden auf 25%, in 466 Gemeinden auf 25-33 1/3%, in 4712 Gemeinden auf 33 1/3-80%. Nur in 1488 Gemeinden war kein Ausfall zu Ungunsten der Herrschaften zu verzeichnen. Die ständischen Deputierten Gołuchowski und Kraiński, sowie der Gubernialrat Kwiatkiewicz schlugen daher ihrerseits vor: "mit Beseitigung der Classeneintheilung die Robotschuldigkeit nach der Hälfte des Reinertrages von den unterthänigen Grundbesitzungen der Art zu bestimmen, dass der Wert der Kleingaben nach den Katastralpreisen berechnet von der Ertragshälfte für jede Grundbesitzung [132] abgesondert in Abzug gebracht werde, der Rest hingegen für jede Ansäßigkeit den Maßstab zur Bestimmung der Robotschuldigkeit abgebe." Doch wurde dieser Vorschlag von der Mehrzahl der Beisitzer abgelehnt.
Inzwischen war Freiherr von Krieg vom Amte zurückgetreten und an seine Stelle Graf Franz Stadion zum Gouverneur ernannt worden [340]. Der neue Landeschef griff den Minoritätsvorschlag der Gubernialkommission wieder auf, ließ aber schließlich auf die Vorstellungen des Gubernialvizepräsidenten Philipp Freiherrn von Kraus hin seine Absicht fallen und schloß sich dem Mehrheitsbeschlusse an [341]. Kraft der Vollmacht, die ihm der Kaiser erteilt hatte, führte er diese Beschlüsse auch sofort durch. Noch im Laufe des Monates November wurde den Untertanen das Ausmaß der künftigen Robotschuldigkeit mitgeteilt – die zweite derartige Kundmachung innerhalb eines Jahres. Der Kaiser genehmigte die Verfügungen des Gouverneurs und trug ihm zugleich auf, einen Patententwurf vorzulegen. Denn ein Patent sollte den Untertanen die endgiltige Reform anzeigen, da man mit der das letztemal gewählten Form der Kundmachung durch Kreisschreiben schlechte Erfahrungen gemacht hatte [342]. Von großer Tragweite war der Antrag, den Stadion in seinem Berichte vom 17. März 1848 stellte; da nämlich der Ausfall, den viele Dominien erleiden, recht bedeutend sei, so möge der Staat – aus Gründen des Rechts, der Staatswirtschaft und Staatsweisheit – einen Teil dieser Verluste vergüten.
Als Stadion seinen Bericht absendete, hatte er noch keine Kenntnis von den Ereignissen, deren Schauplatz die Stadt Wien am 13. März 1848 gewesen war.
[133]
Die Kunde von den Ereignissen, die sich am 13., 14. und 15. März 1848 in Wien abgespielt hatten, rief in Galizien, wie allenthalben in Österreich, eine große Erregung hervor. Adel und Bürgerschaft dachten daran, ihre politischen und nationalen Forderungen zu verwirklichen, doch hielt sie das Mißtrauen der Bauern, die von feindseligen Gefühlen gegen die Gutsherren erfüllt waren, von jedem kühneren Schritte zurück. "Dem tiefen socialen Zerwürfnisse, der unausfüllbaren Kluft zwischen den verschiedenen Ständeclassen verdankt es Österreich allein, dass sich in den Märztagen nicht in Galizien das Schauspiel des Abfalls wiederholte, welches in der Lombardei am 18. März in Scene gieng." [343]
Der polnischen Partei mußte es vor allem darauf ankommen, die Bauern auf ihre Seite zu ziehen, und dazu gab es nur ein Mittel: Die Aufhebung aller Untertansschuldigkeiten. Die Bürger und die Studenten, die ja dabei nichts zu verlieren hatten, waren auch rasch bereit, zu diesem Mittel zu greifen. In einer Petition vom 18. März und in einer dem Kaiser am 6. April überreichten Adresse wurde denn auch an die Regierung die Bitte gerichtet, die Fronen aufzuheben [344]. In Lemberg verkündete die aus Bürgern und Studenten bestehende "rada narodowa" das Ende der Untertänigkeit. Auf das flache Land wurden Emissäre hinausgeschickt, die den Bauern die frohe Botschaft mitteilten. "Täglich wuchs die Zahl der unberufenen Verkünder der Robotaufhebung." [345]
[134]
Auch an den Adel erging die Aufforderung, auf die Dienste der Grundholden zu verzichten. Aber nur wenige Gutsherren kamen diesem Wunsche des ganzen Volkes nach, und auch diese erklärten, nur dann verzichten zu wollen, wenn die Untertanen ihrerseits auf die Ausübung der Servituten verzichten würden [346].
Stadion glaubte anfangs, durch schleunige Vollziehung der von ihm beantragten Änderungen der Urbarialregulierung der Gefahr einer neuerlichen Empörung der Bauernschaft zuvorkommen zu können. Noch am 28. März übersendete er den verlangten Patententwurf nach Wien, in welchem, abgesehen von den oben erwähnten Bestimmungen, mit Wirksamkeit vom 1. Juli 1848 allen untertänigen Wirten, deren gesamte bisherigen Urbarial- und Zehentschuldigkeiten durch die Regulierung nicht um mindestens ein Drittel vermindert worden waren, die Herabsetzung dieser Prästationen auf zwei Drittel gewährt wurde. Den Kreisämtern trug er auf, sich den Robotsschenkungen gegenüber passiv zu verhalten, und erließ ein Kreisschreiben, um die Rechte dritter Personen (insbesondere der Hypothekargläubiger) zu wahren [347]. Doch bereits wenige Tage später erkannte und berichtete er nach Wien, daß nur die vollständige Beseitigung des nexus subditelae den Ausbruch des Bürgerkrieges verhüten könne [348]. Die Zentralregierung schloß sich seiner Auffassung der Lage an und am 17. April 1848 ermächtigte und forderte ihn der Ministerrat auf: "sogleich die Auflassung aller Roboten und untertänigen Leistungen im Namen der Regierung gegen eine künftig zu ermittelnde Entschädigung auf Kosten des Staates auszusprechen, wobei die bestehenden Dienstbarkeiten jedoch unberührt zu bleiben haben und die dafür zu leistende Entschädigung einer künftigen Verhandlung vorzubehalten ist." Ungesäumt kam Stadion dieser Aufforderung nach. Eine Gubernialkundmachung vom 22. April 1848 erklärte "alle Robot und unterthänige Leistungen" vom 15. Mai an für aufgehoben, ehe noch die galizischen[135] Gutsbesitzer der Aufforderung des Nationalrates nachgekommen waren und am Charsamstag die Fronen erlassen hatten, "damit der Tag der Auferstehung des Erlösers auch der Tag der Auferstehung und Erlösung des Volkes sei." [349] Ein kaiserliches Patent bestätigte diese Verfügung der Landesstelle und brachte die näheren Bestimmungen für ihre Durchführung [350]. Sein Inhalt war folgender:
"Alle Roboten und alle sonstigen unterthänigen Leistungen, sowohl der Grundwirte als auch der Häusler und Innleute, haben mit 15. Mai 1848 aufzuhören."
Die bestehenden Dienstbarkeiten bleiben zwar unberührt. Doch sind die Untertanen fortan gehalten, die Herrschaften für deren Ausübung angemessen zu entschädigen. Die Festsetzung dieses Entgeltes hat mangels gütlichen Übereinkommens der Untertanen mit ihren Herrschaften von Amts wegen zu erfolgen.
Dagegen werden die Gutsherren vom 15. Mai 1848 an befreit: a) von der Entrichtung der Urbarialsteuer; b) von der Verpflichtung zur Unterstützung ihrer bedürftigen Untertanen; c) von der Verbindlichkeit, wo bisher keine Grundbücher bestanden, dieselben zu errichten und zu führen; d) von der Verpflichtung, die Untertanen in Rechtsstreiten zu vertreten; e) von der Leistung eines Beitrages zur Deckung des Aufwandes für die Landessicherheitswache; f) von der Bestreitung der mit der Rekrutenstellung verbundenen Auslagen, welche künftig von den Gemeinden zu tragen sind; g) von der Leistung eines Beitrages zu den Heilungskosten bei epidemischen Menschenkrankheiten, der Lustseuche und Viehseuchen. Mit der tatsächlichen Errichtung der in Aussicht genommenen landesfürstlichen Behörden erster Instanz sollten ferner selbstverständlich die Dominien auch der Lasten ledig werden, die ihnen aus ihrer Stellung als Verwaltungs- und Justizorgane erwuchsen – also auch speziell der Oktavahaftung. Unter ausdrücklichem Hinweis auf die vom Staat übernommene Verpflichtung zur Entschädigung der Dominien werden schon im Patent die aufgezählten Erleichterungen zu Gunsten derselben mit einem Dritteile des Wertes der bisher bestandenen Schuldigkeit veranschlagt, und als weitere Abzugspost angeführt: der "Wert der Dienstbarkeiten, welche die Untertanen auf dem herrschaftlichen [136] Grunde auszuüben berechtigt sind, sofern diese Dienstbarkeiten durch freiwillige Übereinkommen aufhören, oder sofern solche fortbestehen, das Entgelt, das die Untertanen für den Fortbestand dieser Dienstbarkeiten zu leisten haben."
Nur der Rest also ihrer "rechtmäßig gebührenden" Urbarial- und grundherrlichen Zehentbezüge soll den Bezugsberechtigten auf der Grundlage eines nach den Preisen des Grundsteuerprovisoriums zu berechnenden Wertanschlages vom Staate vergütet werden, hiebei aber auch noch "ein Theilbetrag von 5% für die Kosten und Verluste der Einhebung" in Abzug kommen. Die Feststellung der Mittel zur Bedeckung der "nach den Urbarialpreisen zu berechnenden Vergütung" wurde dem "constitutionellen" Wege vorbehalten. Doch sollten die Bezugsberechtigten schon vor der endgiltigen Ausmittelung ihrer Entschädigungsansprüche Barvorschüsse erhalten.
Schließlich wurde den Parteien, die sich durch die Festsetzung der Vergütungsbeträge beschwert erachten würden, freigestellt, "ihr Ansuchen um ein günstigeres Ausmaß der Vergütung nach den Bestimmungen, welche hierüber seinerzeit erfolgen werden, vor dem Civilrichter geltend zu machen."
Die Durchführung der Grundentlastung, die in Galizien später in Angriff genommen wurde, als in den anderen Kronländern, vollzog sich ungemein rasch. Am 1. März 1857 war die Operation beendet. Die Zahl der Verpflichteten wurde hiebei mit 527.835, jene der Berechtigten mit 4265 ermittelt. Aufgehoben wurden folgende Lasten: an Diensten:
16,452.902 | Handrobottage, | |
497.071 | einspännige | Pferdezugrobottage, |
5,313.815 | zweispännige | " |
62.538 | dreispännige | " |
1,381.367 | vierspännige | " |
34.848 | einspännige | Ochsenzugrobottage, |
6,582.339 | zweispännige | " |
9.849 | dreispännige | " |
520.126 | vierspännige | " |
an Naturalabgaben:
20.457 | n. ö. | Metzen | Weizen, |
91.745 | " | " | Korn, |
63.036 | " | " | Gerste, |
451.138 | " | " | Hafer, |
72 | " | " | Hirse, |
926 | " | " | Heide; |
Zehent im Jahreswerte von 161.597 fl. C. M.;
an fixen Geldleistungen: 373.741 fl. C. M.
Das ermittelte Grundentlastungskapital betrug: 73,555.370 fl. C. M. [351]
Schwierigkeiten ergab nur die Frage: wer das Grundentlastungskapital aufzubringen habe? Das Reichsgesetz vom 7. September 1848 hatte nämlich die vom Staat im Patent vom 17. April 1848 für Galizien übernommene Verpflichtung zur Entschädigung der Dominien aus Staatsmitteln nicht sanktioniert. Vierthalb Jahrzehnte stritten dann Staat und Land darüber, wer die Grundentlastungsentschädigung zu zahlen habe. Nur um den öffentlichen Kredit nicht zu erschüttern, einigten sich beide über einen provisorischen Zahlungsmodus [352]. Die endgiltige Entscheidung aber brachte erst das auf Grund des Gesetzes vom 5. Juni 1890 geschlossene Übereinkommen zwischen Staat und Land, mit welchem der erstere einen beträchtlichen Teil der Entschädigung übernahm [353].
Die landwirtschaftlichen Servituten wurden auf Grund des Patentes vom 5. Juli 1853 abgelöst [354]. Das Propinationsrecht wurde durch die Grundentlastung nicht berührt. Seine Ablösung wurde erst später in Angriff genommen. Am 1. Januar 1911 wird das Propinationsrecht im ganzen Lande erloschen sein [355].
Schließlich ist festzuhalten, daß in Galizien das Dominikalland auch nach der Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit nicht der Gemeinde einverleibt wurde, sondern als "Gutsgebiet" ein selbständiger Verwaltungskörper blieb, innerhalb dessen der Gutsherr alle Pflichten und Leistungen der Gemeinde zu erfüllen hat [356].
[138]
Leibeigenschaft und Untertänigkeit, Frondienst und Schollenpflicht sind nicht etwa verschwunden, weil sie, wie man im 18. Jahrhundert allgemein meinte, dem „"Naturrechte" widersprachen, sondern weil sie mit der neuen Wirtschaftsverfassung, die die starke Vermehrung der Bevölkerung verlangt, nicht länger vereinbar erschienen. Die gutsherrliche Arbeitsorganisation machte auch nicht einem Zustande der absoluten Freiheit Platz, wie die Vorkämpfer der Fronablösung gehofft hatten, sondern nur einer anderen Form der wirtschaftlichen Abhängigkeit.
Die alte Agrarverfassung mußte vollständig beseitigt werden; keine Reform war imstande, sie zu erhalten. Davon konnten sich die österreichischen Staatsmänner überzeugen, die sich zwischen 1846 und 1848 vergebens abmühten, eine befriedigende Lösung der Bauernfrage auf der Grundlage der Naturaldienste zu finden.
Die erwarteten segensreichen Wirkungen der Bauernbefreiung freilich sind ausgeblieben. Heute wird von keiner Seite mehr die Notlage der ländlichen Bevölkerung bestritten. Es ginge jedoch über den Rahmen dieser Arbeit hinaus, die Ursachen des wirtschaftlichen Niederganges des galizischen Bauernstandes zu erörtern. Nur das eine muß hier betont werden: in der Durchführung der Grundentlastung dürfen diese Ursachen nicht gesucht werden.
[1] Vergl. Demian, Darstellung der österr. Monarchie nach den neuesten statistischen Beziehungen. Wien 1804/7. II. Bd.; Czörnig, Statistisches Handbüchlein. Wien 1861; Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild. Galizien. Wien 1898.
[2] Vergl. Piekosinski in den "Rozprawy akademii umiejętności w Krakowie". XVIII. Bd. S. 19.
[3] Vergl. Stadnicki, O kniaztwach we wsiach wołoskich z poglądem na wójtowstwa we wsiach na magdeburskiem prawie osadzonych. Lwów 1853. S. 5-13.
[4] Volumina legum. Anno 1347: "Quando in iure theuthonico cmetho residet, idem fugere nec recedere non potest nisi hereditate vendita, vel loco sui cmethonem aeque divitem collocet, aut agris ex toto extirpatis, hyemalibusque et aestivalibus seminatis, domino resignando, recedere potest."
[5] Vol. leg. Anno 1347: "Si dominus villae opprimat filiam aut uxorem sui cmethonis aut si pro excessu seu culpa heredis ibidem villani bonis ipsorum depraedantur, vel in sententia excommunicationis per annum durant sui Domini ex delicto, in talibus casibus non tantum tres aut quattuor villae eiusdem incolae abire possunt, sed et omnes ibidem habitantes recedant quo unique placebit."
[6] Vergl. Stadnicki in der "Bibliotheka naukowa zakładu Ossolinskich." I. Bd. S. 3-32, 129-152; Maciejowski, Historya włościan. Warszawa 1874. S. 176 ff.
[7] Vergl. Korzon, Wewnętrzne dzieje Polski za Stanisława Augusta. W Krakowie 1882/86. II. Bd. S. 1 ff.; Balzer, Reformy spóleczny i polityczny Konstitucyi 3. Maja. W Krakowie 1891. S. 8 ff., 14.
[8] Vergl. Stadnicki, O kniaztwach etc. S. 17 ff.; Lubomirski, Rolnicza ludność w Polsce od XVI. do XVIII. wieku in "Biblioteka Warszawska" 1857-1862. 1862 II. Bd. S. 21 ff.
[9] Vol. leg. A. 1496: "Statuimus quod tantummodo unus filius de villa a patre recedere potest ad servitia, et praesertim ad studia, aut literarum aut artificiorum, reliqui maneant in hereditate cum patribus... Quod si aliquis adolescens villanus praeter istud decretum, fugiens repertus fuerit, sive in civitatibus et oppidis, sive alibi ubicunque, ille domino loci illius a quo fugit, sine iuris strepitu restituatur sub poena quattuordecim marcarum et nihilominus illi, qui eum retinuerint, poena toties quoties secus fecerint soluta, ad restitutionem sunt adstricti."
[10] Vergl. Bobrzyński, Karta z dziejów ludu wiejskiego w Polsce in "Rocznik akademii umiejętności w Krakowie". 1891/92. S. 164 f.
[11] Vol. leg. A. 1520; Bobrzyński a. a. O. S. 166 ff.
[12] "ażeby poddani swoich panów nie pozywali przed króla." (Bobrzyński a. a. O. S. 170.) – Rakowski, Entstehung des Großgrundbesitzes in Polen. Berliner Inaug. Diss. 1899. S. 32 f. – 1546 wies König Siegmund I. die Beschwerde der Bauern von Staniąt gegen die Grundherrschaft mit den Worten zurück: "Nie jest naszym zamiarem, wtrącać się miedzy naszych poddanych i ich kmieci." (Lubomirski in B. W. 1861. III. Bd. S. 48).
[13] Vol. leg. A. 1573: "Wszakże przez tę konfederacyę naszą, zwierzchności żadnej nad poddanymi ich tak panów duchownych jako i swieckich nie derogujemy i posłuszenstwa żadnego poddanych przeciwko panom ich nie psujemy i owszem, jesliby takowa licencya gdzie była sub praetextu religionis, tedy jako zawsze było, będzie wolno i teraz każdemu panu poddanego swego nieposłusznego tam in spiritualibus, quam in saecularibus, podług rozumienia swojego skarać."
[14] Vergl. Bobrzyński a. a. O. S. 175-191.
[15] Vergl. Bobrzyński a. a. O. S. 192.
[16] "Rem publicam nostram tribus constare ordinibus notissimum. Penes regem dignitas, penes senatum auctoritas, penes nobilitatem libertas est." (Chwalkowski, Regni Poloniae ius publicum. Regiomonti 1684, L. I. C. II). Vrgl. Skrzetuski, Prawo polityczny narodu polskiego. W Warszawie 1787. I. Bd. S. 42.
[17] "Libertas polona, adeo celebrata, non aliis civibus quam nobilibus servit, qui illa ita fruuntur, ut ad communionem alios praeter nobiles non admittant." (Lengnich, Ius publicum regni Poloniae. Gedani 1742. L. III. C. I. § 2).
[18] Vrgl. Dresner, Institutionum iuris regni Poloniae libri IV. Zamosci 1613. L. I. T. XIX.
[19] "Qui in villis fundisve regis aut nobilium habitant, agris addicti sunt, unde etiam vocantur servi glebae." (Chwalkowski a. a. O. L. I. C. X. § 1.) Vrgl. Skrzetuski a. a. O. II. Bd. S. 149. Krasiński, Geschichtliche Darstellung der Bauernverhältnisse in Polen und der wirtschaftlich-rechtlichen Reformen im ersten Decennium der Regierung Stanislaus Augustus. Krakau 1898. II. Bd. S. 31.
[20] "Liberi autem eorum (sc. subditorum) in Dominorum recidunt potestatem, in quorum fundis nati sunt." (Dresner a. a. O. L. I. T. XXI.) Vrgl. auch Zalaszowski, Ius regni Poloniae. Reimpressum Varsaviae 1741. L. IV. P. II. T. 23.
[21] Vrgl. Korzon, Wewnętrzne dzieje Polski za Stanisława Augusta. W Krakowie 1882/86. I. Bd. S. 359 und Maciejowski, Slavische Rechtsgeschichte. Stuttgart 1835/39. III. Bd. S. 191.
[22] Vgl. Korzon a. a. O. I. Bd. S. 359.
[23] Vrgl. Bobrzyński a. a. O. S. 188.
[24] "Hodie usus obtinuit, ut nonnisi per ingressum ad aliquam religionem, vel per susceptionem sacrorum ordinum aut per promotionem ad gradum doctoratus, aut per obtentam manumissionem literalem aut coram Actis manumissionem obtineant: liberi a potestate dominorum afficiantur." (Zalaszowski a. a. O. L. IV. P. II. T. 23.) Vrgl. Skrzetuski a. a. O. II. Bd. S. 198. Zwei Freilassungsbriefe aus den Jahren 1622 und 1638 gedruckt bei Maciejowski, Historya włościan S. 308 ff. – Vrgl. Ostrowski, Prawo cywilne narodu polskiego. W Warszawie 1787. I. Bd. S. 53.
[25] "Vetitum non ingenuum creare nobilem, nisi dominus, cui per servitutem obnoxius, consenserit." (Lengnich a. a. O. L. III. C. 2. § 17.) Vrgl. Ostrowski a. a. O. I. Bd. S. 47.
[26] "Si se clam, aut vi, aut alio quopiam modo, contra dominorum voluntatem, in libertatem vindicaverint, ac dominos subterfugerint, habent in eos Domini, ubicunque eos invenerint, praesertim in locis desertis, manuum iniectionem, vel si quis eos detineat aut tueatur, eorum iure ac iudicio vindicationem." (Dresner a. a. O. L. I. T. XXI.) Vrgl. Zalaszowski a. a. O. L. IV. P. II. T. 23. Ostrowski a. a. O. I. S. 47. Skrzetuski a. a. O. II. Bd. S. 150.
[27] Übereinkommen mit dem Herzogtum Preußen. Vrgl. Bobrzyński a. a. O. S. 179. – "Inhibitio supremae Curiae de anno 1728: Denen Pohlnischen von Adel, sollen die von ihnen in Schlesien entwichenen Unterthanen ehender nicht verabfolget werden, bis nicht die Schlesische in Pohlen entwichene Unterthanen würcklich zurück gestellet worden." Schon früher (1652) war in Schlesien der Grundsatz der Reziprozität ausgesprochen worden. (Vrgl. Friedenberg, Tractatus iuridico-practicus de ... Silesiae iuribus. Breslau 1738/40. II. Bd. S. 53.)
[28] Vrgl. Knapp, Die Bauernbefreiung und der Ursprung der Landarbeiter in den älteren Teilen Preußens. Leipzig 1887. I. Bd. S. 83. II. S. 1.
[29] Vrgl. Grünberg, Die Bauernbefreiung und die Auflösung des gutsherrlich bäuerlichen Verhältnisses in Böhmen, Mähren und Schlesien. Leipzig 1893/94. I. Bd. S. 12.
[30] Acten: 9. ex Januario 1773. II. A. 6. Archiv des Ministeriums des Innern. Vrgl. auch Grünberg, Studien zur österreichischen Agrargeschichte. Leipzig 1901. S. 28.
[31] Hofkanzleivortrag vom 17. November 1777 mit Beilagen. – Bericht der galizischen Domänenadministration vom 4. Januar 1782. Vrgl. Maciejowski a. a. O. S. 176.
[32] Vrgl. Modrzewski, O poprawie rzeczypospolitej. 1551. Ausgabe Przemysl 1857. S. 117. – "subditi a dominis alienantur, comparantur, emuntur, venduntur." (Dresner a. a. O. L. I. T. XXI.) – "Trop souvent, par un trafic scandaleux, nous les vendons à des maîtres aussi cruels, et qui bientôt, par un excès de travail, les forcent à leur payer le prix de leur nouvelle servitude." (Leszczynski, Oeuvres d'un philosophe bienfaisant. Paris 1764. III. Bd. S. 4.) – "Panu wolno ich darować, przedać, zamieniać, ze wśi do wśi przenosić." (Skrzetuski a. a. O. II. Bd. S. 150). – "Dziedzic.. ich darować, przedać, na inną rolę lub wieś przenieść prawnie wolen." (Ostrowski a. a. O. I. Bd. S. 47.) – Vrgl. ferner Konstytucya 3. Maja 1791 roku z uwagami podawanemi jej twórcom. Lipsk 1865. S. 24; Lelewel, Betrachtungen über den politischen Zustand des ehemaligen Polens. Brüssel 1845. S. 158; Lubomirski in B. W. 1862. II. Bd. S. 10. Dagegen Krasiński a. a. O. I. Bd. S. 167. – Über Fälle von Tausch, vrgl. Bochenski, Beitrag zur Geschichte der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse in Polen auf Grund der archivalischen Quellen der Herrschaft Kock. Krakau 1895. S. 145.
[33] "servi, quorum capita domini sunt, sine quorum assistentia, sive actores, sive rei sint, locum standi contra quasvis personas in iure ac iudicio terrestri non habent." (Dresner a. a. O. L. I. T. XX). – "Rustici, qui continua servitute premuntur, et fictione iuris pro nullis habentur, ut antiquitus apud Romanos servi habebantur ... sine dominorum suorum assistentia, sive actores, sive rei sunt, locum standi in iudiciis saecularibus (nam secus observatur in spiritualibus) non habentes." (Zalaszowski a. a. O. L. IV. P. II. T. 23). Vrgl. auch Chwalkowski a. a. O. L. I. C. X. § 1. – "im nie pod imieniem własnym czynić nie wolno." (Skrzetuski a. a. O. II. Bd. S. 150).
[34] Vgl. Lubomirski in B. W. 1862. II. B. S. 1. – "si qua iura et privilegia Domini dant subditis, eadem servare, nec violare, in arbitrio et voluntate eorum est positum; de quibus violatis non habemus in Statutis et constitutionibus actiones propositas." (Dresner a. a. O. L. I. T. XXI). – "Nec habent contra dominos actionem." (Chwalkowski a. a. O. L. I. C. X. § 1). – Vrgl. Zalaszowski a. a. O. L. IV. P. II. T. 23. – "im prawa nasze nie wyznaczyły żadnego sądu, w którymby się o krzywdy i uciążliwósci od dziedziców zadane uskarzyć; i upomienić mogli." (Skrzetuski a. a. O. II. Bd. S. 150).
[35] Vrgl. Skrzetuski a. a. O. II. Bd. S. 163. 391 ff. – Ostrowski a. a. O. I. Bd. S. 56. – Korzon a. a. O. I. Bd. S. 377.
[36] Vrgl. Lubomirski in B. W. 1862. II. Bd. S. 21.
[37] "Nobilitas in subditos suos glebae adscriptos ius vitae et necis habet, non aliter ut apud Romanos servi habebantur." (Zalaszowski a. a. O. L. I. T. 39). – "Z dawności, źycia i śmierci ich panami byli dziedzice." (Skrzetuski a. a. O. II. Bd. S. 150). – "Que voit-on cependant parmi nous? Un noble y condamne son sujet à la mort, quelque fois sans cause légitime, plus souvent sans procedure et sans formalité." (Leszczynski a. a. O. III. Bd. S. 111).
[38] Vrgl. Zalaszowski a. a. O. L. IV. P. II. T. V. A. III.
[39] Vol. leg. A. 1768. – Vrgl. Ostrowski a. a. O. I. Bd. S. 48 f. Skrzetuski a. a. O. I. Bd. S. 61. – Korzon a. a. O. I. Bd. S. 376. – Krasiński a. a. O. II. Bd. S. 84.
[40] Hofkanzleivortrag vom 5. Februar 1782. Vergl. besonders Guradze in der Zeitschrift der hist. Gesellschaft für Posen. XIII. Bd. S. 287 ff. 294. – (Kratter) Briefe über den itzigen Zustand von Galizien. Leipzig 1786. I. Bd. S. 167. – O chłopach. Lipsk 1847. S. 84.
[41] "ut breviter dicatur, quae antiquis Romanis in servos fuit, haec nunc nobilibus Polonis in plebeios subditos absoluta est, quod ad ius attinet, potestas." (Dresner a. a. O. L. I. T. XXI). Ebendort erklärt D. die Sklavenschutzbestimmungen des römischen Rechtes für Polen anwendbar. – "Stan poddaństwa mało co różni się od niewoli." (Skrzetuski a. a. O. II. Bd. S. 150). – Wielopolski (Briefe eines polnischen Edelmannes an einen deutschen Publizisten, Hamburg 1846 S. 56) bestreitet das Obengesagte und erklärt den Zustand der polnischen Bauern für eine "staatsgesetzlich nicht genug bestimmte Unterthanschaft gegenüber einer absoluten Regierung der Grundherren, die im schlimmsten Falle manchmal auch hart sein konnte, keineswegs aber den Charakter des Leibeigenthums der Sklaverei hatte." Den Zustand der polnischen Bauern sehen für Leibeigenschaft an: Brünneck in der "Zeitschrift der Savigny Stiftung für Rechtsgeschichte". Germ. Abt. X. Bd. S. 24-62. Guradze a. a. O. Korzon a. a. O. I. Bd. S. 346. Dagegen Bochenski a. a. O. Krasiński a. a. O. und Ulanowski im "Rocznik akademii umiejętności w Krakowie". 1893/4. S. 120-178. – Vgl. Grünberg, Art. Unfreiheit im "Handwörterbuch der Staatswissenschaften". VII. Bd. S. 317 ff.
[42] Vergl. Skrzetuski a. a. O. I. Bd. S. 230 ff. Krasiński a. a. O. I. Bd. S. 30 f.
[43] Vergl. Skrzetuski a. a. O. I. Bd. S. 200. II. S. 96-98. – Krasiński a. a. O. I. Bd. S. 151. Bericht der Domänenadministration vom 5. Brachmonat 1786.
[44] Die Zahl der Dominien betrug gegen 2500, die der Dörfer gegen 6500.
[45] Vergl. Ulanowski a. a. O. S. 132.
[46] ebendort S. 134. – Lubomirski in B. W. 1862 II. Bd S. 33.
[47] "Quisque e nobis Polonis sui vulgi et bonorum, parvus quodam modo et absolutus Monarcha est" (Fredro, Scriptorum seu togae et belli notationum fragmenta. Dantisci 1660. S. 294).
[48] Vergl. Skrzetuski a. a. O. I. Bd. S. 370 ff. II. S. 190.
[49] So die Heiduckengelder. Siehe 156 ex Septembri 1785. (Unter dieser Bezeichnung wollen wir die auf Grund des Hofdekretes vom 22. Januar 1785 erstatteten Gutachten des galizischen Guberniums und der galizischen Stände über die "hierlandes üblichen Untertansverkürzungen" zitieren.) – Als Beitrag zum Unterhalte ihrer Haustruppen hoben die Radziwill's auf ihren Herrschaften Złoczow und Pomorzan (3 Städtchen und 42 Dörfer) jährlich einen Betrag von 7872 Gulden polnisch unter dem Namen Raytarszczyzna (Raytar = Reiter) und Pacholszczyzna (pacholstwo = Dienergefolge) ein. (Bericht des Lemberger Kreisamtes vom 15. September 1775.)
[50] Über die Begriffe Grundherrschaft und Gutsherrschaft vergl. besonders Knapp, Die Landarbeiter in Knechtschaft und Freiheit, Leipzig 1891, und Grundherrschaft und Rittergut, Leipzig 1897; dann Grünberg, Bauernbefreiung. I. Bd. S. 36 ff.
[51] Vergl. Korzon a. a. O. II. Bd. S. 6 ff.
[52] Erst unter österreichischer Herrschaft begannen die Dominien Bauernland einzuziehen, die Behörden traten dem aber bald entgegen. (Hofkanzleivortrag vom 20. Juni 1785.)
[53] Vergl. Kleczyński, Stosunki propinacyjne w Galicyi (Wiadomości statystyczne. II. Bd. S. 47-193. Lwów 1876) bes. S. 57-63. – Ulanowski a. a. O. S. 143. Kratter a. a. O. S. 190.
[54] Gubernialbericht vom 20. August 1789. – Ein merkwürdiges Regal der Obrigkeit war das ausschließliche Recht, Leinwand zu bleichen. Die Untertanen mußten von jedem Stück Leinwand, das sie bleichten, eine Abgabe entrichten.
[55] Gubernialbericht vom 15. November 1774, ferner die Acten: 156 ex Septembri 1785.
[56] Czerwiec = Johannisblut, polnische Schildlaus; einst ein bedeutender Handelsartikel.
[57] Vergl. Ostrowski a. a. O. I. Bd. S. 52 f.; ferner Hofkanzleivortrag vom 6. September 1782 und 13. November 1783; Gubernialratssitzung vom 15. Dezember 1782; Prot. d. Hofkanzleisitzung vom 29. Januar 1782 sowie die Acten: 1004 ex Majo 1774; Fasz. 7050 (Hofkammer); 156 ex Septembri 1785 (Arch. d. Min. d. Innern).
[58] Vergl. Ulanowski a. a. O. S. 132. – Prot. d. Hofkanzleisitzung vom 7. Januar 1783.
[59] Die Darlegung der komplizierten rechtlichen und politischen Verhältnisse der verschiedenen Kategorien von Freibauern fällt nicht in den Rahmen dieser Arbeit.
[60] Gubernialberichte vom 15. November 1774 und 3. Juli 1779. Protokoll der Rektifikationskommission vom 15. September 1778.
[61] "nie mają własności, bo nie będąc panami osob własnych, jakże mogą panami być majątku?" (Skrzetuski a. a. O. II. S. 150). – Vergl. ebendort II. Bd. S. 187. – Ostrowski a. a. O. I. Bd. S. 47. – Konstytucja a. a. O. S. 24. – Guradze a. a. O. S. 275 f. 297. – Ulanowski a. a. O. S. 160, 171. – Pilat in den Beilagen Nr. 70 zu den Protokollen der 10. Session des Abgeordnetenhauses S. 545. – Gubernialbericht vom 27. Dezember 1781; ferner die Acten: 9 ex Januario 1773. II. A. 6 und V. B. 1, 599 (Arch. d. Min. d. Innern); Bericht des Kreisamtes Zamośc vom Oktober 1784.
[62] Vergl. Skrzetuski a. a. O. II. Bd. S. 195 und die oben citierten Akten.
[63] Vergl. Popper in der "Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit und politische Gesetzkunde" 1826. 4. Heft. S. 209. – Drdacki, Die Fronpatente Galiziens, Wien 1838. S. 79 f. – Die Grundentlastung in Österreich. Wien 1857. S. 11. – "In Podolien bestehen die sogenannten Tloken; es benützen dort die Unterthanen mehrenteils die Gründe gemeinschaftlich, und außer denen Hausgärten und wenigen Wiesen, die das Eigenthum einzelner Wirte ausmachen, bestehen ihre Gründe aus mehreren Hauptabtheilungen, welche abwechselnd nach der verschieden eingeführten Gewohnheit durch mehrere Jahre hintereinander angebaut, und wieder durch so viele Jahre brach gelassen werden; die jährliche Vertheilung dieser Gründe geschieht auch nicht unter alle Hauswirte gleich, sondern nachdem sich ein jeder zu zwei- oder vierspänniger oder Fußrobot bekennt." (Gubernialprotokoll vom 7. Mai 1791); ferner Hofkanzleivortrag vom 3. Oktober 1826. – Die amtliche österr. Bezeichnung für die Feldgemeinschaft war "wandelbarer Grundbesitz".
[64] Vergl. Lutschitzky in Schmoller's Jahrbuch. XX. S. 165-196.
[65] Vergl. Grünberg, Studien S. 51 ff.
[66] Vergl. Drdacki a. a. O. S. 128. Klunker, Die gesetzliche Untertansverfassung in Galizien. Lemberg 1845/46. II. Bd. S. 15.
[67] Acten: 1004 ex Majo 1774. Faszikel 7050 (Hofkammerarchiv); Kanzleivortrag vom 8. November 1782. Vergl. auch Merunowicz in den oben citierten Beilagen. Nr. 70. S. 553.
[68] Vergl. Skrzetuski a. a. O. II. Bd. S. 197. Ostrowski a. a. O. I. Bd. S. 55. Klunker a. a. O. II. Bd. S. 105 ff.
[69] "Die Inventare entstanden durch den bloßen Willen des Herrn; der Wille des Erbherrn und die Unterfertigung war die einzige Feierlichkeit, die zur Errichtung eines Inventars nöthig war, und nur dann erst, wenn das Gut verkauft, verpachtet oder verpfändet wurde, oder sonst eine gerichtliche Übergabe Platz griff, wurde das Inventar von Zeugen unterschrieben und bei irgendeinem Landgerichte zur Einschreibung übergeben." (Bericht des Kreisamtes Bochnia, Juli 1783); ferner Acten: 156 ex Septembri 1785 (Arch. d. Min. d. Innern).
[70] Vergl. Ostrowski a. a. O. I. Bd. S. 51. Skrzetuski a. a. O. II. Bd. S. 194 f. – Betrachtungen über die Verfassung von Galizien etc. bei Grellmann, Statistische Aufklärungen I. Bd. S. 177. Wybranowski im "Dziennik Polski" vom 8. August 1896. – Acten: 1004 ex Majo 1774. Fasz. 7050 (Hofkammerarchiv); Protok. d. Gubernialratssitzungen vom 7. Juli 1781 und vom 15. Dezember 1782. Kanzleivortrag vom 6. September 1782. Bericht des Gubernialrates von Ainser vom 17. Juli 1790 und Beilagen.
[71] Vergl. Ostrowski a. a. O. I. Bd. S. 52. Lelewel, Betrachtungen über den politischen Zustand des ehemaligen Polen. Brüssel 1845. S. 289 f. – cit. Act: 156 ex Septembri 1785. – Eine andere Bezeichnung für diese Dienste ist daremszczyzna oder daremny dzień (unentgeltliche Arbeit oder unentgeltlicher Tag).
[72] cit. Act: 156 ex Septembri 1785.
[73] Vergl. Ostrowski a. a. O. I. Bd. S. 52. Lelewel a. a. O. S. 290. Gubernialbericht vom 11. März 1784.
[74] Vergl. Ostrowski a. a. O. I. Bd. S. 52. – Acten: 156 ex Septembri 1785 (Arch. d. Min. d. Innern).
[75] Vergl. Jasińskis Denkschrift IV. H. 3.
[76] "il ne travaille qu'autant que la crainte de châtiments le force de travailler." (Leszczynski a. a. O. III. Bd. S. 9). – Die Obrigkeiten schonten bei der Robot weder Mensch noch Tier. "à peine les distinguons-nous des bêtes qu'ils entretiennent pour la culture de nos terres. Souvent nous ménageons moins leurs forces que celles de ces animaux." (Leszczynski Bd. III. S. 4). – "Es kommt vor, dass die Unterthanen ohne Beobachtung einiger Verordnungen durch ganze Wochen auf Robot getrieben; von Früh bis auf die Nacht ununterbrochen und dergestalt zur Robotarbeit verhalten werden, dass ihnen hiebei weder ihr Vieh zu füttern noch selbst einen Bissen Brod zu essen gestattet werde. Sie verlieren dabei ihr Vieh und können die eigene Wirtschaft nicht bestellen. Durch oftmalige weite Fuhren, wofür ihnen kaum die Hälfte der Robotstage abgeschrieben wird, werden sie gänzlich zugrunde gerichtet, indem sie solche nur im Frühling und Herbst bei übelsten Straßen verrichten, sich selbst und ihr Vieh aus eigenem verkosten, solches auf den üblen Wegen abtreiben und zugrundegehen lassen müssen." (Referat zur Gubernialratssitzung vom 30. März 1781. – "einige Verordnungen" bezieht sich auf das Patent vom 3. Juni 1775.)
[77] Hofkanzleivortrag vom 22. September 1781.
[78] Vergl. Skrzetuski a. a. O. II. Bd. S. 176.
[79] Vergl. Lelewel a. a. O. S. 285. Maciejowski a. a. O. S. 198 f. 311 ff.
[80] Vergl. Maciejowski a. a. O. S. 200 f.
[81] Siehe oben S. Seite_1414.
[82] Vergl. Maciejowski a. a. O. S. 202 ff.
[83] Vergl. Konstytucja a. a. O. § IV. – J. J. Rousseau äußerte sich über die bäuerlichen Verhältnisse in Polen folgendermaßen: "Affranchir les peuples de Pologne est une grande et belle opération, mais hardie, périlleuse et qu'il ne faut pas tenter inconsidérément. Parmi les précautions à prendre est une indispensable et qui demande du temps. C'est avant toute chose de rendre dignes de la liberté et capables de la supporter les serfs qu'on veut affranchir." (Oeuvres complettes. Aux Deux-Ponts. 1782. II. S. 212.)
[84] Resolution Kaiser Karl VI. (1738). Vergl. Grünberg, Bauernbefreiung. II. Bd. S. 28.
[85] Piller'sche Gesetzsammlung I.
[86] Patent vom 16. November 1772. (Piller'sche Gesetzsammmlung VI.)
[87] Patent vom 10. März 1774. (Piller'sche Gesetzsammlung XVI.) – Bericht des Distriktsdirektors von Zamość vom 4. Januar, Gubernialbericht vom 28. Januar, Kanzleivortrag vom 12. Februar 1774.
[88] Patent vom 1. März 1777. (Piller'sche Gesetzsammlung II.)
[89] Patente vom 18. November 1772 (Piller'sche Gesetzsammlung VII.), vom 23. Dezember 1772 (ebend. XII.), vom 4. März 1773 (ebend. XX.), vom 2. Mai 1773 (ebend. XXIX.).
[90] Staatskanzleivorträge vom 30. August und 17. September 1772.
[91] Piller'sche Gesetzsammlung XI.
[92] Vergl. Linden, Die Grundsteuerverfassung der österreichischen Monarchie. Wien 1840. I. Bd. S. 53.
[93] "Ins Künftige, wo der Grund ohne Unterschied des Besitzes mit einer gleichen Anlage belegt werden will, soll auch der Leibeigene in die Contribution einbezogen werden. Jetzt aber, wo ihm der Herr, als Grundherr und angemaßter Souverain alle nur mögliche Lasten aufbürdet, scheinet nicht möglich zu sein, daß er nebst seinen übertriebenen Dominical-Prästationen (welche man jedoch sobald als möglich in billige Schranken zu setzen nicht entstehen werde) auch zugleich die Contribution entrichten könne." (Aus dem Vortrage der Staatskanzlei vom 3. November 1773.)
[94] Piller'sche Gesetzsammlung XIV. Vergl. Linden a. a. O. I. Bd. S. 54.
[95] Patent vom 18. April 1775. (Piller'sche Gesetzsammlung V.) Linden a. a. O. I. Bd. S. 54.
[96] Linden a. a. O. I. Bd. S. 57 f.
[97] Eine Darstellung des galizischen Steuerwesens im ersten Jahrzehnt der österreichischen Herrschaft gibt der Hofkanzleivortrag vom 21. August 1783.
[98] Wawel-Louis, Początkowe sądownictwo austryackie w Galicyi (1772-1784) we Lwowie 1897. S. 10, 148 f.
[99] Patent vom 18. März 1775. (Piller'sche Gesetzsammlung IV.)
[100] Staatskanzleivorträge vom 30. August und 17. September 1772. Vergl. Arneth, Geschichte Maria Theresias. Wien 1863/79. X. Bd. S. 78 ff.
[101] "ut suos labores et dationes non ab arbitrio sui domini, sed a lege publica dependere sentiant."
[102] Vortrag der galizischen Hofdeputation vom 22. Februar 1774.
[103] Am 1. August 1773 schrieb der Kaiser aus Lemberg an seine Mutter: "le paysan est un malheureux, qui n'a rien que la figure humaine et la vie physique." Vergl. Arneth, Maria Theresia und Josef II. II. Bd. S. 14.
[104] Koranda stammte aus einer bürgerlichen Familie und war für dem Staate geleistete Dienste in den Adelsstand erhoben worden. Er hatte seine Beamtenlaufbahn in Böhmen begonnen, wo er seit 1747 stets mit wichtigen Arbeiten im Steuer- und Untertansfache betraut worden war. Vergl. Kratter, Briefe über den itzigen Zustand von Galizien. Leipzig 1786. I. Bd. S. 205-209. – Staatsarch. ex 1780 Nr. 1474.
[105] Hofkanzleidekret an das galizische Gubernium vom 7. Sept. 1774.
[106] Gubernialbericht vom 15. November 1774.
[107] Piller'sche Gesetzsammlung X. – Die einleitenden Worte des Patentes waren ursprünglich sehr scharf; die galizische Hofkanzlei verwarf jedoch "die hartscheinenden Ausdrücke". – Hofkanzleidekret vom 1. Februar 1775, Berichte der galizischen Kreisämter; Gubernialbericht vom 1. April 1775; Hofkanzleivortrag vom 26. April 1775. Dazu Staatsarch. Nr. 1168.
[108] Piller'sche Gesetzsammlung I. Hofkanzleidekret vom 2. September, Gubernialbericht vom 27. Oktober, Hofkanzleivortrag vom 7. Dezember 1780. Dazu Staatsarch. (Nr.: 2070.)
[109] Vgl. Grünberg, Bauernbefreiung, I. Bd. S. 87-94, 272. II. S. 105; derselbe Art. Unfreiheit im Handwörterbuch der Staatswissenschaften. II. Aufl.
[110] Grünberg, Bauernbefreiung, I. Bd. S. 272-290.
[111] Koranda schildert in seinem Referate (unter dem 27. Dezember 1781 nach Wien übersendet) die Verhältnisse der Bauern folgendermaßen: "Die Leibeigenschaft, welche im Königreich Böhmen und Mähren unter dem Wort Czlowieczenstwo von uralten Zeiten eingeführt und üblich war, ist auch in der Republik Polen und in den revindicirten Königreichen Galizien und Lodomerien unter dem Namen Mancipium, Plebeius, et subditus glebae adscriptus bekannt". Nachdem er hierauf nach den Volumina legum und nach Zalaszowski, Jus regni Poloniae, die von den Bauern handelnden Gesetze angeführt hat, fährt er fort: "Hieraus erhellet nun ganz deutlich, dass nach den polnischen Reichsconstitutionen die leibeigenen Unterthanen als mancipia wie das Vieh geschätzet, und wenn der Unterthan von einem anderen Edelmann todtgeschlagen worden, die Hälfte der Capitaltaxe dem Grundherrn anheimgefallen; falls er aber von seinem eigenen Grundherrn quocunque modo gemisshandelt oder auch todtgeschlagen worden, war derselbe keiner Strafe unterworfen. Dieser tyrannische Geist herrschet auch heutiges Tags in den Gemüthern der Nationaledelleuten, ebendaher rühren die bisher häufig vorgekommenen Unterthansprägravationsklagen, und die Grundherren glauben noch immer, dass bei deren Beschränkung und Abstellung ihrer obrigkeitlichen Berechtsamkeit ein gewaltiger Eingriff und Unrecht geschehe. Es war also höchst billig und nothwendig, dass alle diese der Menschlichkeit zuwiderlaufende Excessen und Missbräuche durch die seither erlassenen Generalverordnungen, und hienach eingeleitete Localuntersuchungen ernstlich abgestellt, die künftigen Unterthansklagen aber durch das unterm 1. September anni currentis allergnädigst vorgeschriebene Normalpatent in eine genaue Ordnung eingeleitet worden." (Über das Patent vom 1. September 1781 siehe S. 71.)
[112] Grünberg, Bauernbefreiung, I. Bd. S. 289, II. Bd. S. 396 bis 398.
[113] Betreffend den Termin für den Austritt der Dienstboten bemerkte Brigido: "Es findet sich ein eigentlicher Termin zur Dienstwechslung für das dienende Gesinde in Galizien nicht bestimmt. Es sind jedoch zu allen Wirtschaftveränderungen, als da sind Bestand-Verlassungen, Bestand-Aufgebungen, Übernahmen, Abrechnungen mit Beamten etc. im flachen Lande die Zeit um Mitfasten oder Ende des Märzens, und im Gebirg das St. Georgen-Fest oder das Ende des Aprils allgewöhnlich fürgewählt, sohin eben auch zu diesen Zeiten das zur rural Wirtschaft erforderliche Gesind abgewechselt." (Bericht Brigidos vom 21. Februar 1782.)
[114] Piller'sche Gesetzsammlung VIII.
[115] Diese Bestimmung ist durch Kreisschreiben vom 5. Dezember 1785 (Piller'sche Gesetzsammlung CXXVII.) wiederholt worden.
[116] § 12 dieser Dienstbotenordnung besagt: "Die Obrigkeiten haben auch jene Eltern, die mehrere zum Dienen taugliche Kinder bei Hause haben, und die derselben zu eigenen Diensten nicht bedürfen zu verhalten, dass sie derlei Kinder in Dienst geben, und ebenso sind auch die zum Dienen tauglichen Waisen in Dienste zu bringen, zu welchem Ende die Dorfrichter und Geschworenen jene Hauswirte und Innleute, die mit mehreren Kindern, als sie selbst bei Hause brauchen, versehen sind, und ebenso die dienstfähigen Waisen dem Wirtschaftsamte anzuzeigen haben." (Piller'sche Gesetzsammlung XXVI.)
[117] Beschwerden der Untertanen von Marczyz, November 1781. – Klunker, die Unterthans-Verfassung in Galizien. II. Bd. S. 129.
[118] Patent vom 15. Januar 1784. (Piller'sche Gesetzsammlung IV.)
[119] Hofkanzleivorträge vom 16. August und 13. Dezember 1782.
[120] Resolution vom 5. Juli 1785.
[121] 156 ex Septembri 1785.
[122] Über die böhmischen Arbeitsstunden vergl. Grünberg, Bauernbefreiung, II. Bd. S. 262.
[123] Das Gubernium hatte folgende Arbeitslöhne ermittelt: Arbeit mit der Sense 13-14 Kreuzer, Arbeit mit der Sichel 10-12 Kreuzer, leichtere Arbeit (rechen, umwenden, Garben binden und aufladen) 7 Kreuzer, für eine vierspännige Fuhr 30 Kreuzer und für eine zweispännige 15 Kreuzer. (Gubernialbericht vom 25. Juli 1785. Hofkanzleivortrag vom 29. August 1785.)
[124] Resolution über den Hofkanzleivortrag vom 29. August 1785.
[125] Hofkanzleivortrag vom 20. Februar 1786.
[126] Piller'sche Gesetzsammlung LI.
[127] Vergl. Grünberg, Bauernbefreiung, II. Bd. S. 257-267. – Ein Vorläufer des Robotpatentes war das Hofdekret vom 26. April 1784, das auf den Kameralgütern eine Anzahl von Untertansgiebigkeiten abstellte. (Vergl. Löwenwolde, Handbuch der galizischen Gesetze in Auszügen, II. Bd. S. 281.)
[128] Vergl. das böhmische Patent bei Grünberg, Bauernbefreiung, II. Bd. S. 262.
[129] Bereits früher durch Patent vom 21. Mai 1784 (Piller'sche Gesetzsammlung XXXIX.) angeordnet. Eine ähnliche Bestimmung enthält § 19.
[130] Schon durch Circular vom 6. Dezember 1784 (Piller'sche Gesetzsamml. CIX.) war die Innmannsfrone nach dem Beispiele der böhmischen Länder auf 13 Tage im Jahre herabgesetzt worden; jetzt erfolgte eine weitere Herabsetzung auf 12 Tage. Es war also fortan für die Bemessung der Schuldigkeiten der Häusler und Innleute nicht das Inventar, sondern das Fronpatent maßgebend. Vgl. Klunker a. a. O. II. Bd. S. 144-146.
[131] Wurde schon durch § 3 des Patentes vom 8. März 1784 (Piller'sche Gesetzsamml. XVII.) festgesetzt. – Durch das Dekret der Studien-Hofkommission vom 11. Oktober 1811 wurden auch die diplomierten Hebammen von der Innmannsfrone befreit. Vgl. Klunker a. a. O. II. Bd. S. 148.
[132] Die Bestimmungen über die weiten Fuhren sind den böhmischen nachgebildet. Vgl. Grünberg, Bauernbefreiung, II. Bd. S. 264 f. Ein Teil dieser Bestimmungen findet sich schon im § 8 des Patentes vom 3. Juni 1775; die anderen sind im Patente vom 26. Januar 1784 (Piller'sche Gesetzsamml. V.) enthalten. Vgl. Hofdekret vom 30. Mai, Gubernialbericht vom 19. September und Resolution vom 13. Dezember 1783.
[133] Analog das böhmische Patent. Vgl. Grünberg, Bauernbefreiung, II. Bd. S. 265.
[134] Diese speziell waren schon durch Patent vom 11. Juli 1783 (Piller'sche Gesetzsamml. XXVIII.) beseitigt worden.
[135] Auf den Domänen war dieses schon durch Hofdekret vom 29. November 1777 (Hofkanzleivortrag vom 14. November 1777 samt Beilagen), auf den Privatherrschaften aber durch das Leibeigenschaftsaufhebungspatent abgestellt worden.
[136] Die beiden letzten Verbote waren schon im Patente vom 18. März 1784 (Piller'sche Gesetzsammlung XVII.) ausgesprochen worden.
[137] War schon durch Circular vom 9. Dezember 1784 (Piller'sche Gesetzsammlung CXIV.) verordnet worden.
[138] Kreisschreiben vom 9. August 1786 (Piller'sche Gesetzs. LXI.) – Gubernialbericht vom 8. August 1786. – Durch Hofkanzleidekret vom 22. März 1817 wurde befohlen, als Maßstab für die Vergütung der Hilfstage nicht mehr die Inventarialpreise, sondern die Lokalarbeitspreise, die alljährlich vom Kreisamte auszumitteln seien, zu nehmen. Klunker, a. a. O. II., S. 152 ff. – Gubernialberichte vom 1. November und 28. Dezember 1816. – Hofkanzleivortrag vom 23. Januar 1817. Resolution vom 22. März 1817. – Im Winter 1786/87 herrschte in Galizien eine Hungersnot; die Edelleute erklärten: sie sei durch die schlechtere Bestellung der herrschaftlichen Äcker infolge der Robotpatente hervorgerufen worden.
[139] Piller'sche Gesetzsammlung VIII.
[140] Nachricht vom 21. März 1785 (Piller'sche Gesetzs. XXVII.)
[141] Patent vom 17. Juni 1787 (Piller'sche Gesetzs. LXXXI.)
[142] Vgl. Klunker, a. a. O. I. Bd., S. 170-175.
[143] Vgl. Klunker, a. a. O. I. Bd., S. 287.
[144] Vergl. Grünberg, Bauernbefreiung, I. Bd. S. 242 ff.
[145] Vergl. Grünberg, Bauernbefreiung, I. Bd. S. 253 f.
[146] Staatskanzleivortrag vom 3. November 1773.
[147] §§ 8 und 9 des Patentes. (Piller'sche Gesetzsammlung XV.)
[148] Vergl. Grünberg, Bauernbefreiung, I. Bd. S. 259-264. II. Bd. S. 313-314, 376-387.
[149] In seinem Gutachten führte er Folgendes aus: "Erstens sind den hierländigen Unterthanen ihre besitzende Gründe meistens cum Fundo instructo sammt dem erforderlichen Zug-Viehe und anderen Wirtschaftszugehörungen von der Grundobrigkeit inventarmäßig überlassen, und ihre Wohnungen auf obrigkeitliche Kosten gebaut worden. Wenn demnach dieser besitzende Grund dem Unterthan eigenthümlich und erblich überlassen werden sollte, so würde der Grundherr berechtigt seyn, von seinem Unterthan die inventarmäßige Einrichtung oder dafür das Lösegeld zu fordern; hat er diese aber nicht, so kann der Grundherr zur erbeigenthümlichen Überlassung nicht wohl gezwungen werden.
"Zweytens: Falls aber auch die Grundherren sich dazu geneigt finden lassen wollten, so werden jedoch viele Unterthanen selbst nicht so leicht darin willigen, besonders die im flachen Lande liegen, wo es an Waldungen und am Holze mangelt. Denn sobald der Grund dem Unterthan eigenthümlich zugehört, so muss er auch seine Wohnung in baulichem Stande erhalten und, falls sie abbrennet, auf eigene Kosten wiederherstellen; dafür aber dermalen die Obrigkeit, um nur ihren Unterthan zu erhalten, sorgen, dergleichen auch, wenn er in casu eines Viehunfalles sein Zugviehe verlohren, ihm solches wieder anschaffen muss, um ihn nur wieder in robotmäßigen Stand zu setzen.
"Ein bestättigendes Beyspiel hat sich erst unlängst auf dem fürstl. Massalski'schen Dominio Nizini im Pilsner Kreise ergeben, wo der untersuchende Districtsdirector mit Bewilligung des Possessoris den Dorfunterthanen den Antrag machte: dass man ihnen ihre besitzenden Bauerngründe cum jure Successionis eigenthümlich überlassen wollte; es erklärten aber sich unter 100 anwesenden nur 6 Bauern dafür.
"Drittens: Überhaupt aber muss die Eigenschaft und der sittliche Charakter des hiesigen Unterthans nach den verschiedenen Landesgegenden beobachtet und beurtheilt werden.
"Im Wieliczker Kreise, besonders im Zathorer District, der an Schlesien angrenzt, und wo es den Bauern an Arbeitsamkeit und Industrie nicht mangelt, sind fast schon alle Gründe erblich eingekauft.
"Dahingegen in den übrigen und beynahe in ganz Roth-Reußen vom Sanflusse an die Volhynischen, Podolischen und Moldauischen Gränzen, wo die Feldfrüchte immer in geringem Preise sind, und keinen Verschleiß haben, da ist der Unterthan träge und hat gar keinen Hang zur Habsucht. Er begnügt sich mit den nothwendigsten Bedürfnissen und bauet von seinen Feldern nur soviel an, als zur Nahrung für sich und seine Familie nöthig ist." (Gubernialbericht vom 27. Dezember 1781.)
[150] Hofkanzleivortrag vom 22. September 1781.
[151] Piller'sche Gesetzsammlung XIX. – Wiederholt durch Kreisschreiben vom 10. September 1789 (Piller'sche Gesetzsammlung LXXXIII.) Vgl. auch Patent vom 23. Juli 1783 (Piller'sche Gesetzsammlung LXV.)
[152] Patent vom 24. April 1783 (Piller'sche Gesetzsammlung XII.)
[153] Piller'sche Gesetzsammlung LIV. – Vgl. auch Kreisschreiben vom 3. April 1787 (Piller'sche Gesetzsammlung XLVII.)
[154] Ah. Entschließung vom 31. Dezember 1784 und Hofdecret vom 7. Januar 1785 bei Grünberg, Bauernbefreiung, II. Bd. S. 402 f.
[155] Dekret an das galizische Gubernium vom 7. Januar 1785. – Vgl. Grünberg, Bauernbefreiung, II. Bd. S. 403. Kalinka, Galicya. S. 135 f.
[156] Resolution vom 2. März 1785.
[157] Hofkanzleivortrag vom 31. März 1785.
[158] Resolution über den Hofkanzleivortrag vom 31. März 1785: "So wie Ich es der Kanzley bereits ausdrücklich bedeutet habe, sind die Obrigkeiten zur Überlassung des Eigenthums der Gründe an die Unterthanen nicht zu zwingen, sondern es ist hierunter alles lediglich dem willkürlichen Einverständnis zwischen Herren und Unterthanen zu überlassen. –
"Die Circularverordnung wegen der von Seiten der Obrigkeiten den Unterthanen zu leistenden Aushilfe hat auch in Galizien zu ergehen. Überhaupt aber muss diese Aushilfe auf jenes beschränkt werden, zu welchem die Obrigkeiten gegen ihre die Gründe nicht eigenthümlich besitzenden Unterthanen wirklich verbunden sind. –
"Übrigens wird bei der Rectificationsregulierung der wirklich unbilligen Robotentrichtung schon behörig fürgesehen werden, und ist statt der von der Kanzley geäußerten Besorgnis sich zuversichtlich zu versprechen, dass das Rectificatorium die Vertheilung der Gründe keineswegs hindern, sondern vielmehr befördern werde." –
[159] Gubernialverordnung vom 30. Mai 1785. Klunker a. a. O. II. Bd. S. 34.
[160] Grünberg, Bauernbefreiung, I. Bd., S. 265.
[161] Durch Hofdekret vom 6. Mai, publiziert mit Gubernialverordnung vom 27. Mai 1785 (Klunker, a. a. O., II. Bd., S. 38) und durch die oben erwähnte Gubernialverordnung vom 30. Mai 1785.
[162] § 41 des Fronpatentes vom 16. Juni 1786.
[163] Grünberg, Studien, S. 63 f.
[164] Hofkanzleivortrag vom 1. März 1787.
[165] Die Vertauschung obrigkeitlicher und untertäniger Gründe ohne vor dem Kreisamte erteilte Einwilligung des Untertans ist bei Strafe des doppelten Wertes verboten. "Da theilsorten die Unterthanen noch keine würklich zugemessenen Gründe haben, sondern in einem Jahre in dieser, in dem anderen in jener Gegend einige Feldantheile zu benützen pflegen, mithin der Umstand entstehen könnte, welches eigentlich als ein dem Unterthan zu verbleibenhabendes Feld anzusehen sei, so haben Seine Majestät den ersten des vorjährigen Wintermonates zu bestimmen geruht, daß die in diesem Zeitpunct in dem Besitz der Unterthanen befindlichen Gründe als jene zu betrachten sind, auf welche sich das Verbot der Einziehung oder Austauschung zu erstrecken habe." (Hofdekret vom 2. April 1787.)
[166] Vgl. Grünberg, Studien, S. 65 f.
[167] Piller'sche Gesetzsammlung LX.
[168] Vgl. Grünberg, Studien, S. 66, Anm. 3.
[169] § 11 des Patents: "Rusticalgründe sind jene Gründe, welche von jeher dem Landvolke zur sogenannten Anstiftung und seinem Unterhalt dienten, und vermöge der erlassenen Patente zum obrigkeitlichen Genusse unter Strafe nicht mehr eingezogen werden dürfen; auch macht es bei diesen keinen Unterschied, ob dieselben käuflich, oder erbrechtlich, oder uneingekauft besessen werden. Sollte hie und da über die Eigenschaft der Gründe, ob solche Dominical- oder Rusticalgründe sind, eine Frage entstehen, so hat man zur Vermeidung verzögernder Weitläufigkeiten sich an den gegenwärtigen Besitzstand zu halten, und ist den Unterthanen, welche einige Gründe in Händen haben und für Rusticalgründe angeben, sowie den Obrigkeiten, welche diese oder jene in Händen der Unterthanen befindliche Realität als wirklich dominical ansprechen, der Beweis aufzulegen, daß solche am 1. November 1786, als dem Normalzeitpuncte, welcher in diesem Lande zur Unterscheidung der Dominical- und Rustical-Realitäten festgesetzt ist, zu derjenigen Gattung gehört haben, unter welcher gegenwärtig Anspruch darauf gemacht wird. Z. B. also, daß dieser oder jener Grund, den itzt ein Unterthan genießt, von einem obrigkeitlichen Maierhofe herrühre, der im Normaljahre bestanden, und daß diese Ableitung allgemein bekannt sei."
[170] Vgl. Klunker a. a. O., II. Bd., S. 35 ff.; ferner Krzeczunowicz a. a. O., S. 24, und Słotwinski a. a. O. III. Bd., S. 12.
[171] Solche Fälle sind: Ungehorsam gegen die Obrigkeit (Patent vom 1. September 1781, Piller'sche Gesetzs. XV., §§ 1-3), Schmuggel (Kreisschreiben vom 6. März 1787, Piller'sche Gesetzs. XXIV.), Flucht vor der Militärstellung (Kreisschreiben vom 10. Mai 1788, Piller'sche Gesetzs. LVII.).
[172] Vgl. Tomaschek in der "Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit und pol. Gesetzkunde". Jahrg. 1840. I. Bd., S. 82-105. – Grünberg, Studien, S. 235, Anm. 1. – Kreisschreiben vom 26. Mai 1789 (Piller'sche Gesetzs. LI.).
[173] Hofkanzleivortrag vom 7. Januar 1787. Vgl. Klunker a. a. O. II. Bd., S. 51.
[174] Vgl. Hofkanzleiact 16 ex Augusto 1792.
[175] "Unus quisque a lignatione in silvis regiis absque expressa nostra permissione abstinebit." (Piller'sche Gesetzsammlung III.)
[176] "In illis locis ubi hactenus usus viguit, subditis pro necessitate proprii foci ligna subministrandi ipsis putrefactioni proxima hinc inde in silvis iacentia colligere liceat. Quod vero ad ligna noviter caedenda attinet omnia privilegia lignandi cassantur." (Patent vom 28. Januar 1773, Piller'sche Gesetzsammlung XIV.)
[177] Patent vom 20. September 1782. (Piller'sche Gesetzsammlung XL.)
[178] Die gleiche Politik hatten seinerzeit auch die böhmischen Stände eingeschlagen. Vergl. Grünberg, Bauernbefreiung, I. Bd. S. 236 ff.
[179] Piller'sche Gesetzsammlung II.
[180] Publiziert mit Kreisschreiben vom 29. Oktober 1789 (Piller'sche Gesetzsammlung CIV). Gubernialbericht vom 15. Januar 1789.
[181] Landespräsidialerlaß vom 26. Februar 1790 bei Klunker a. a. O. II. Bd. S. 67-69.
[182] Vergl. Grünberg, Bauernbefreiung, 1. Bd. S. 290-314, II. Bd. S. 332-359, 423-431.
[183] Vergl. Pilat in der "Statistischen Monatsschrift" XVIII. Bd. S. 295.
[184] Robotabolitions-Hofkommission unter dem 7. Juni 1784.
[185] Es machte bei den Eingeborenen in Galizien böses Blut, daß bei der Verteilung der obrigkeitlich-kameralherrschaftlichen Gründe nur die Immigranten und nicht die Inländer berücksichtigt wurden. Auf eine diesbezügliche Vorstellung der Hofkanzlei antwortete die Hofkammer am 8. Juni 1784: "Die Vermehrung der Population ist eine der vorzüglichsten Absichten, welche Seine Majestät bei der befohlenen Robotabolition sehen; wenn bei der Vertheilung der Dominicalgründe nicht vorzüglich auf fremde Einwanderer Bedacht genommen wird, so wird diese Vermehrung nicht gefördert."
[186] Die zahlreichen Verordnungen über das Ansiedlungswesen in Galizien sind im "Hauptnormale über das Ansiedlungswesen" vom 3. April 1787 kodifiziert worden. (Abgedruckt bei Czörnig, Ethnographie etc. III. Bd. Anhang S. 14-54.)
[187] Czörnig a. a. O., I. Bd. S. 17. Vergl. auch Drdacki a. a. O. S. 122 f.
[188] Akten im k. u. k. Hofkammerarchiv, Faszikel 7117-7119.
[189] Piller'sche Gesetzsammlung XIV und XV.
[190] Gubernialcirculare vom 5. April und 28. Juni 1782. (Patentsammlung im Archiv des Ministeriums des Innern.) Vgl. auch Klunker a. a. O. III. S. 7.
[191] Patent vom 15. Januar 1784 (Piller'sche Gesetzsammlung IV.) verlangt, daß fortan nur erbländische Untertanen als Beamte angestellt werden sollen.
[192] Patent vom 9. April 1784. (Vergl. Klunker a. a. O. III. Bd. S. 17 ff.)
[193] Patent vom 24. Juni 1784. (Piller'sche Gesetzsammlung LXVIII.)
[194] Kreisschreiben vom 12. April 1787. (Piller'sche Gesetzsammlung LIII.) Wichtig für die "Organisation der herrschaftlichen Ämter" war das Dekret vom 21. August 1788. (Klunker a. a. O. III. Bd. S. 25 ff.) Gubernialbericht vom 17. August 1786. Hofkanzleivortrag vom 20. September 1787.
[195] Patent vom 5. Januar 1784. (Piller'sche Gesetzsammlung I.) Das Patent vom 3. Oktober 1783 (Piller'sche Gesetzsammlung XLVI.) hatte befohlen, in die künftig abzuschließenden Güterpachtkontrakte folgenden Absatz einzuschalten: "Ferner hat der Pächter sich in Absicht auf die Robot und sonstige Untertansschuldigkeiten nach dem ganzen Inhalte und Vorschrift des Patentes vom 3. Juni 1775 auf das pünktlichste zu achten." Das Patent vom 31. März 1783 (Piller'sche Gesetzsammlung X.) hob die sogenannten obligatorischen und arendatorischen Kontrakte auf.
[196] Patent vom 18. April 1784. (Piller'sche Gesetzsammlung XXVIII.) Dieses Patent war an alle Landesstellen zur Kundmachung versendet worden.
[197] Piller'sche Gesetzsammlung LXVII.
[198] Piller'sche Gesetzsammlung LXXIV. Acten im Archiv des Minist. d. Innern: IV. K. 4, 2536.
[199] Patent vom 13. April 1784 (Piller'sche Gesetzsammlung XXVI.)
[200] Circular vom 23. September 1784. (Piller'sche Gesetzsammlung XC.)
[201] Wichtig war folgende Bestimmung: "Die Dorfgerichte sollen sich angelegen seyn lassen, die zwischen Unterthanen und Unterthanen entstandenen Streitigkeiten soviel wie möglich gütlich beizulegen, und nur erst dann, wenn die Versuche zu einem gütlichen Vertrage fruchtlos sind, hat das obrigkeitliche Amt die rechtliche Entscheidung nach den bestehenden Vorschriften zu fassen." Patent vom 24. Juni 1784. (Piller'sche Gesetzsammlung LXVIII.)
[202] Vortrag der Staatskanzlei vom 3. November 1773.
[203] Vergl. Arneth a. a. O. III. Bd. S. 248.
[204] Das folgende nach den Akten im Archiv des Ministeriums des Inneren: II. A. 6; V. B. 1, 598; IV. K. 1, 2470; IV. K. 3, 2497.
[205] Allerhöchstes Handbillet an den Grafen Kollowrat vom 4. Dezember 1782. Abgedruckt bei Meynert, Kaiser Josef II., Wien 1862. S. 153 f. Vergl. Röscher, Geschichte der Nationalökonomik in Deutschland. München 1874. S. 632.
[206] Kommissionsprotokoll vom 7. Januar 1783.
[207] Ich folge dabei Grünberg, Bauernbefreiung, I. S. 314-343 und II. Bd. 420-451. – Im Hofkanzleivortrag vom 5. April 1783 heißt es: "Bei der Urbarienregulierung kommt es hauptsächlich darauf an, a) dass dem Unterthan seine zulängliche Subsistenz, ohne welche sich ohnehin alles übrige nicht denken lässt, in Händen gelassen. b) Dem Staat das Contributionale versichert und endlich c) dem Grundherrn sein billiger Theil entweder in Geld und Früchten, oder mit unentgeltlicher Arbeit zugewendet werde."
[208] Patent vom 10. Februar 1789. (Piller'sche Gesetzsammlung XIII.) Kreisschreiben vom 26. Mai 1789. (Piller'sche Gesetzsammlung LI.) Uniwersał vom 19. September 1789. (Piller'sche Gesetzsammlung LXXXVI.) Vergl. (Zanetti), Steuer- und Urbarialregulierung Josephs des Zweyten in den deutschen Erbländern und in Galizien nach ihrer wahren Beschaffenheit bei Grellmann a. a. O. III. S. 437-536.
Mit Berücksichtigung der verschiedenen Abstufungen ergibt sich folgende Tabelle:
im Durchschnitt | von Äckern, Trischfeldern, mit Äckern verglichenen Teichen, dann von Seen und Flüssen | von Wiesen und mit Wiesen verglichenen Gärten und Teichen | von Hutweiden, Gestrüppen und Waldungen | ||
an landesfürstlicher Steuer | in den deutschen Provinzen | 12 fl. 13 1/3 kr. | 10 fl. 37 1/2 kr. | 17 fl. 55 kr. | 21 fl. 15 kr. |
in Galizien | 8 fl. 16 4/5 kr. | 7 fl. 5 kr. | 12 fl. 5 kr. | 14 fl. 10 kr. | |
an Urbarialschuldigkeiten (Maximum) | 17 fl. 46 2/3 kr. | 15 fl. 25 kr. | 26 fl. 2 1/2 kr. | 30 fl. 50 kr. |
[209] Während der Hungersnot, die im Winter 1786/87 in Galizien herrschte, war der Plan aufgetaucht, ohne die vollständige Ausmessung des Landes abzuwarten, sofort die Urbarialregulierung durchzuführen. (Allerhöchstes Handbillet vom 8. Februar 1787.) Doch wurde diese Absicht bald wieder fallen gelassen. (Resolution vom 9. März 1787: "Wenn die prohibita generalia publiciert und auf deren Beobachtung genau gesehen, dann auch das Freyziehigkeitspatent genau in allen seinen Theilen gehalten wird, so kann in Galizien die wirkliche Urbarialregulierung bis zur Beendigung des Steuerregulierungsgeschäftes verschoben bleiben.")
[210] Schon bei der Durchführung des Robotabolitionssystems hatten die Bauern in einzelnen Dörfern erklärt, es falle ihnen schwer, die Geldzinse aufzubringen. (Robotabolitionsbericht vom 1. Juli 1787.)
[211] Vergl. Kalinka, der vierjährige polnische Reichstag 1788-1793. Berlin 1896/98. I. Bd. S. 630-635. II. Bd. S. 100 ff. – Vergl. auch Wolf und Zwiedineck-Südenhorst, Österreich unter Maria Theresia, Josef II. und Leopold II. Berlin 1884, S. 308.
[212] "Die Edelleute oder vielmehr die erblichen Besitzer der Güter sind als die vorzüglichsten Anbauer des Erdreiches anzusehen, welches zwar niemand in Abrede stellen dürfte, nachdem die große Menge der Magazinsvorräthe immer von den Gutsbesitzern herbeigeschafft worden wären, niemals von den Bauern, welch letztere kaum soviel, als zu ihrer nothwendigen Nahrung gehört, an Feldfrüchten hätten." Es sei unmöglich, die Dominikalgründe unter die Untertanen zu verteilen, weil diese kaum den nötigen fundus instructus besitzen, um die gegenwärtig in ihrem Besitz befindlichen Gründe zu bestellen. Ebensowenig sei es den Dominien möglich, ihre Wirtschaft so einzurichten, dass sie die Frondienste entbehren könnten; sie müßten denn ihr Dienstpersonal auf einmal um 20.000 Ochsenknechte und ebensoviele Ochsenjungen, ihren Viehstand aber um 80.000 Stück Ochsen vermehren. – "Der Edelmann, der dem Lande so nützlich ist, verdient Rücksicht, damit er nicht der Vergessenheit und dem letzten Elend ausgesetzt würde." (Vorstellung der galizischen Stände vom 7. Juli 1789.)
[213] Resolution vom 14. September 1789.
[214] Wolf und Zwiedineck-Südenhorst a. a. O. S. 314.
[215] Das Original im Archiv des k. k. Ministeriums des Innern: 85 ex Februario 1790. IV. H. 2, 524. Der Brief ist nach einer in Handschrift 525 des Ossoliński'schen Institutes in Lemberg befindlichen Kopie abgedruckt bei W. Loziński, Galiciana. We Lwowie 1872. S. 129 ff.
[216] Nach Brigidos Bericht traf den Adel vor allem der Mangel an Bargeld und an Arbeitskräften sehr schwer, ferner die hohen Kosten der Ausmessung und die zu hoch angesetzte Waldsteuer. Die neue Grundsteuer war mehr als doppelt so groß als die bisherige, sie betrug von dem ermittelten Grundertrag von 27,133.152 fl. 23 kr. – 2,239.787 fl. 58 kr. gegen 996.942 fl. der Dominikal- und Rustikalsteuer. Dazu kamen noch 271.331 fl. als Regiekosten und 700.000 fl. als außerordentliche Kriegssteuer. Ferner Naturallieferungen im Werte von 1,593.333 fl., für die unverzinsliche Scheine, die jedoch erst nach Beendigung des Krieges von den Staatskassen an Zahlungsstatt genommen werden sollten, ausgestellt wurden. Die Mehrbelastung des Landes war also ganz bedeutend; sie fiel fast durchwegs dem Adel zur Last. Durch die Urbarialregulierung wurden die Einkünfte mancher Edelleute um 1/2 bis 2/3 vermindert. – Die Hofkanzlei erneuerte den Vorschlag, den sie schon im April 1788 und dann im Juli 1789 gemacht, den Steuerfuß für Galizien auf 1/2 (statt 2/3) des in den übrigen Kronländern festgesetzten herabzusetzen. (Gubernialberichte vom 26. Januar und 28. Februar, Hofkanzleisitzungen vom 5. Februar und 11. März 1790. Vergl. Loziński a. a. O. S. 107 ff.)
[217] Kreisschreiben vom 31. März 1790.
[218] In der Sitzung des Ständeausschusses vom 6. April 1790 machte Brigido den Vorschlag, die Dominikalsteuer von 12% auf 18% zu erhöhen. Der dadurch erzielte Mehrbetrag sollte von dem Rustikalsteuerkontingent zu Gunsten der Untertanen abgeschrieben werden. (Die Dominikalsteuer betrug 1789 581.634 fl., die Rustikalsteuer 413.057 fl.) Die Stände erklärten sich zu einer Erhöhung auf 16% bereit. Der Verlauf dieser Beratungen beweist, daß man sowohl in den Kreisen der Regierung als auch in denen der Gutsbesitzer auf einen heftigen Widerstand der Bauern gegen die beabsichtigte Aufhebung des Josefinums rechnete. Vergl. die Akten unter 85 ex Martio et 41 ex Majo 1790. V. B. 1, 600.
[219] Ebendort. Vergl. ferner Kalinka a. a. O. S. 104 f. Starzynski, Projekt galicyjskiej konstitucyi 1790/91 in "Przewodnik naukowy i literacki" 1892. S. 410. Vergl. Kreisschreiben vom 2. Juni 1790. (Piller'sche Gesetzsammlung XXXVIII).
[220] Piller'sche Gesetzsammlung XXX.
[221] Piller'sche Gesetzsammlung XCI.
[222] Vergl. Uwagi nad rządem galicyjskim. Przyczyny, dla których do tego stopnia nikczemności prowincja ta przyszła, a nakoniec sposoby, jakimiby los tego kraju poprawić można. Roku 1790. und die Gegenschrift: (E. B. Kortum) Magna Charta von Galicien oder Untersuchung der Beschwerden des galicischen Adels pohlnischer Nation über die österreichische Regierung. Jassy 1790. Beide bei Grellmann a. a. O. I. Bd. S. 1-148, 173-228. Ebendort ist auch S. 149-173 der Text des Verfassungsentwurfes abgedruckt. Vergl. Starzynski a. a. O.
[223] §§ 45-46 der charta.
[224] Hofdekret vom 9. Juli 1790. Gutachten Ainsers vom 17. Juli 1790.
[225] Nach dem Vorschlage der Deputierten sollte eine 6gliedrige Kommission, deren Mitglieder zur Hälfte von der Regierung, zur Hälfte von den Ständen ernannt werden sollten, von Dominium zu Dominium reisen und die Inventarien rektifizieren. – Die Beschränkung der Robot auf 3 Tage in der Woche sollte für die größeren Bauerngüter (auch nach Ainsers Vorschlag) aufgehoben werden: "Heureusement qu'il y a moien de le faire sans aggraver le sort du peuple, et même sans outre passer la règle, qu'aucun individu ne soit tenu à plus de corvées qu'à trois par semaine. Les colons de Galicie ne sont pas propriétaires de leurs fonds, ils en jouissent à titre de métayer. On pourrait donc sans blesser leurs droits distraire des possessions de ceux donc les charges ont été mis au moins, de portions proportionnées à ce rabais et les faire servir à l'établissement des autres colons à rédevances." Die Deputierten sprachen sich auch für die Wiedereinführung der gemessenen Dienste aus. – Ferner erklärten sie: „"Où une grande disproportion tant entre les possessions qu'entre les charges respectives des paisans se trouverait être introduite, soit à la suite de l'abolition des droits seigneuriaux, soit par quelque circonstance accidentelle: Le seigneur qui en alleguerait la preuve et la cause, aura le droit de proposer la manière de l'égaliser. Cependant le total des rédévances tel qu'il a été le dernier 8bre 1789 sauf les droits à rétablir restera immuable sans augmentation ou diminution." – "Il importe pour plusieurs raisons de laisser en ce cas l'initiative au Seigneur; c'est à dire qu'aucune égalisation entre les paisans ne puisse être entreprise, que sur la demande qu'il ferait la dessus."
[226] Kolmanhuber forderte ferner a) "dass anstatt der angetragenen kostbaren und langsamen Umschmelzung der Inventarien solche bloß nach der alten Gewohnheit, eigenen Geständnis und Einvernehmung der Unterthanen berichtigt, b) dass diese Berichtigung lediglich dem Grundherrn überlassen, und selbem hierzu ein Termin von 6 Monaten eingeräumt, c) dass sich in diese Operation von der Regierung gar nicht eingemenget, sondern nur in Fällen, wo der Grundherr mehr forderet, als die Unterthanen nach alter Gewohnheit schuldig zu sein erkennen, der Streit von einem Kreisbeamten und zwei begüterten Kreisinsassen auf Kosten des Dominiums untersucht, nach legalen Urkunden entschieden oder in deren Ermangelung mittels Vergleich, nach dem Beispiel benachbarter Güter, oder nach der Lustration der nächstliegenden Starostey beygelegt, d) dass sogleich als die sogestaltigen Inventarien berichtigt, ins Reine gebracht, von Grundherren und Unterthanen unterschrieben sind, hievon dem Kreisamte die Anzeige gemacht, von diesem ein Commissär ad locum, wo er das nun verfasste Inventarium in Ansehung der fürgeschriebenen Vollständigkeit zu überschauen, in Gegenwart zweier benachbarten Güterbesitzer den Unterthanen vorzulesen und den Inhalt von selben bestätigen zu lassen hat, abgeschickt, e) dass diese Inventarien noch überdies von einer aus Gubernialräthen und ständischen Deputierten zusammengesetzten Commission beurteilet, und endlich f) von der Regierung sanctioniert werden."
[227] Starzynski a. a. O. S. 627, 915.
[228] Vergl. Starzynski a. a. O. S. 920 ff.
[229] Bericht Margeliks vom 26. März 1792. Allerhöchstes Handschreiben vom 28. April 1792.
[230] Hofkanzleivortrag vom 16. Juni 1792.
[231] Allerhöchstes Handbillet ddo. Laxenburg, den 13. Juni 1793. Vortrag des Direktoriums vom 26. Juni 1793.
[232] Piller'sche Gesetzsammlung XXXXVI.
[233] Vergl. Grünberg, Bauernbefreiung, I. Bd. S. 357.
[234] Springer, Geschichte Österreichs seit dem Wiener Frieden 1809. Wien 1863, I. Bd. S. 53.
[235] Vergl. Meynert, Kaiser Franz I. Zur Geschichte seiner Regierung und seiner Zeit. Wien 1872. S. 141.
[236] Hofdekret vom 30. November 1796. (Franz des Zweiten politische Gesetze und Verordnungen. IX. Bd. 59.) Hofdekret vom 5. Januar 1797. (X. Bd. 3.)
[237] Patent vom 17. Januar 1799 (ebd. XIV. Bd. 3.)
[238] Patente vom 17. Januar 1799 (ebd. XIV. Bd. 4 und 5.)
[239] Vergl. die Akten im Archiv des Ministeriums des Innern. II. A. 6, 320.
[240] Vergl. insbesondere die Gubernialverordnung vom 2. April 1802 (bei Klunker a. a. O. II. Bd. S. 225-238). Von weittragender Bedeutung war auch die Gubernialverordnung vom 16. September 1817 (bei Klunker a. a. O. II. Bd. S. 276-279), die die Entscheidung in Streitigkeiten über untertänige Schuldigkeiten, Gründe und Servituten den politischen Behörden zuwies. Vergl. darüber Krzeczunowicz a. a. O. S. 13 ff.
[241] Hofkanzleivortrag vom 24. Oktober 1816; Resolution vom 20. Dezember 1816. Hierauf Gubernialverordnung vom 28. Januar 1817 (bei Klunker a. a. O. II. Bd. S. 252-256).
[242] Patent vom 29. Oktober 1790. (Sammlung der Gesetze im Untertansfache u. s. w. 54.)
[243] Vergl. Grünberg, Studien S. 217-223, 256-263 und die dort citierten Akten. Ferner Tomaschek a. a. O. und Pilat in den citierten Beilagen Nr. 70 zu den stenographischen Protokollen, X. Session S. 545.
[244] Dekret an das galizische Gubernium vom 2. Februar 1809.
[245] Die betreffenden Acten sub VI. B. 1, 1541 und 1542.
[246] Gubernialbericht vom 28. August 1818.
[247] Grundbücher waren für den untertänigen Besitz noch gar nicht vorhanden.
[248] Bemerkungen des Baron Franz Hauer vom 7. September 1818 zum Gubernialberichte vom 28. August 1818.
[249] Piller'sche Gesetzsammlung LXX.
[250] Patent vom 6. Mai 1819. (Provinzialgesetzsammlung 44.)
[251] Vergl. Freiberger, Handbuch der österreichischen direkten Steuern. Wien 1899. S. 96.
[252] Vergl. Grünberg, Studien, S. 90.
[253] Schon in der josefinischen Zeit scheinen in einzelnen Gemeinden die Gründe "beständig" verteilt worden zu sein. Wenigstens läßt darauf die Art und Weise schließen, wie 1791 der Gubernialreferent davon spricht. (Gubernialsitzung vom 7. Mai 1791.) Um die Mitte der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts entwirft das galizische Gubernium folgendes Bild von der "Wandelbarkeit der Gründe": a) "Im Kolomeer Kreise besteht sie dermalen noch bei 8 Gemeinden in Ansehung aller Rusticalgründe. In 12 Gemeinden sind zwar die meisten Gründe schon zum bleibenden Besitz vertheilt, aber 2 Fluren in jeder Gemeinde sind noch wegen der ungleichen Beschaffenheit nicht vertheilt und kommen demnächst zur Vertheilung. In 24 Gemeinden handelt es sich nur noch um Ausgleichung einzelner Parzellen. b) Im Czortkower Kreise erscheint noch bei 44 Gemeinden der Grundbesitz in concreto. c) Im Stanislawower Kreise bei 6 Gemeinden, wo jedoch das Dominium sich für eine Grundregulierung erklärt hat." (Hofkanzleivortrag vom 3. Oktober 1826.)
[254] Vergl. Grünberg, Studien, S. 92 ff.
[255] Die Grundentlastung in Österreich. Wien 1857. S. 50 f.
[256] Ebendort S. 12.
[257] Nach dem Ausgange des Aufstandes von 1846 erhoben polnische Aristokraten gegen die Regierung die Anklage, sie hätte nur deshalb den Dominien die Amtsführung zugestanden, damit diese bei der Ausübung der Polizeibefugnisse und bei der Einhebung der öffentlichen Lasten sich den Haß der Bauernschaft zuziehen. Die Sinnlosigkeit dieser Beschuldigung – der man übrigens auch von Seite der rumänischen Großgrundbesitzer in der Bukowina, begegnet (vgl. Grünberg, Studien S 35 f.) – ist einleuchtend. Wäre noch ein Beweis vonnöten, so sei es der, daß in den Verhandlungen über die Regulierung und schließliche Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit, die jahrzehntelang währten, kein einzigesmal ein ähnlicher Gedanke auftaucht. Erst als die Anschuldigung öffentlich gegen die Regierung erhoben worden war, erklärte sich der Kreishauptmann von Przemysl, Karl Czetsch Ritter von Lindenwald, in einem vom 18. April 1846 datierten Gutachten aus diesem Grunde gegen die beabsichtigte Einführung landesfüstlicher erster Instanzen. "Beseitigt man – argumentierte er – den Haupterreger der Gehässigkeit zwischen Bauer und Adel, nämlich die Patrimonialgerichtsbarkeit, so untergräbt man die Existenzbedingungen der Regierung." Gubernium und Hofkanzlei nahmen jedoch von dieser eigenartigen Ansicht weiter keine Notiz.
[258] Aus einem Vortrag des Grafen Rudolf Stadion vom 13. Dezember 1846: "Nicht darum handelt es sich, wie gesagt, Vorhandenes zu bessern, sondern darum, eine Gerichtspflege neu zu schaffen, für welche bisher Organe kaum dem Namen nach bestanden, die aber, – mit Ausnahme einiger weniger Dominien, größtentheils Kameralgüter, – nirgends geübt wurde, für die sich daher auch kein Gerichtsgebrauch und kein Beamtenstand bilden konnte, und für die jeder administrative Behelf, wie Grundbücher, Waisenrechnungen, Depositenprotokolle etc. fast überall gänzlich fehlt."
[259] "Bemerkungen über die den galizischen Grundherrschaften zugestandene Patrimonialgerichtsbarkeit in erster Instanz etc." Anonyme Denkschrift, im März 1846 der Hofkanzlei überreicht. – Um die vorgesetzten Justizbehörden über den Umfang ihrer Tätigkeit zu täuschen, fälschten die Justitiäre ihre periodischen Rechenschaftsberichte. Vergl. Kalinka a. a. O. S. 368.
[260] Sala, Geschichte des polnischen Aufstandes vom Jahre 1846. Wien 1867. S. 5.
[261] Allerhöchstes Handbillet vom 8. Februar 1809. – "Es ist eine nur allzu bekannte Thatsache, dass auf dem flachen Lande die Gerechtigkeitspflege für Unadelige nur dem Namen nach besteht, dass sich außer den Kreisämtern niemand mit der ordentlichen Handhabung der politischen Gesetze befasse, dass selbst der schnelle Gang der Kriminaljustiz durch die lässige Mitwirkung der Ortsobrigkeiten in Vorerhebungen und Zeugenverhören häufige Hindernisse finde, und dass auf dem flachen Lande Gesetzbefolgung und Sicherheit der Personen und des Eigenthums, wovon die öffentliche Wohlfahrt so wesentlich abhängt, nur durch eine bessere Einrichtung der ersten Instanzen erreicht werden könne." Die Ursache dieser Zustände sei in dem "Mangel einer hinreichenden Anzahl obrigkeitlicher Beamten, ihrer Unbrauchbarkeit und Befangenheit" zu suchen. (Gubernialbericht vom 18. August 1818.) – Die oberste Justizstelle erklärte in einer Note über die im Jahre 1821 in Galizien verübten Verbrechen: "Die zahlreichen Fälle des Verbrechens, des Missbrauches der Amtsgewalt rühren nach der Versicherung der Kriminalbehörden zum Theile aus den häufigen Bestechungsversuchen, zum Theile aber aus der isolierten Stellung, aus der Roheit, Unwissenheit und kärglichen Bezahlung vieler Dominicalbeamten her." – Vergl. Das Polenattentat im Jahre 1846. Aus dem Tagebuche eines Officiers der westgalizischen Armee. Grimma 1846. S. 39.
[262] "Na ugodę (zum Vergleich) ruft der polnische Bauer zu seinem Nachbar, wenn er mit ihm einen Streit hat, und zieht ihn zum Dorfrichter bevor er zum Justitiär geht... Dieses Gemeindefriedensgericht ist in Galizien auf den meisten kleineren Gütern die einzige Ordnung haltende Auctorität, da bei manchen Dominien sich sonst niemand nach Pflicht der Bauern annimmt, wenn es sich nicht um Fronleistungen derselben handelt." (Präsidialbemerkungen des Landesgouverneurs Grafen von Goeß vom 28. Februar 1813 zum Gubernialbericht vom 13. Februar 1813.) – Vergl. Sala a. a. O. S. 6 f.
[263] Vgl. Grünberg, Studien S. 256 ff.
[264] Ebenso äußert sich ein Bericht des Kreishauptmannes von Przemysl vom 13. August 1846. Vergl. ferner Sala a. a. O. S. 5 f. und cit. Beilagen Nr. 70 S. 520, 524, 545.
[265] Gubernialbericht vom 17. März 1848.
[266] Vergebens kämpfte die Regierung gegen das Unwesen der Winkelschreiber. Die Verordnungen gegen sie sind zusammengestellt bei Słotwinski a. a. O. II. S. 155-159.
[267] Das behauptet Sala (a. a. O. S. 8), der von 1840-1846 als Gubernialrat Chef des Präsidialbureaus des galizischen Guberniums unter dem Generalgouverneur Erzherzog Ferdinand von Österreich-Este gewesen war.
[268] Vergl. besonders Sala a. a. O. S. 7-12.
[269] Jasiński, Betrachtungen etc.
[270] Jasiński a. a. O. – Im Jahre 1811 schrieb der damalige Gouverneur Graf Goeß: "Der Bauernstand, diese so nützliche und wichtige Klasse von Einwohnern bemüht sich hierlandes noch tief auf der untersten Stufe der Kultur. Obwohl die weisen Gesetze Seiner Majestät ihm seine Rechte und Vermögen sichern, so ist er doch nicht im Stande, den Wert derselben zu erkennen und ihre Früchte zu genießen. Mangel von Fleiß und Industrie beschränken ihn in seinem Erwerb, folglich in seinen ersten Bedürfnissen, zum Nachtheil seiner Gesundheit und Kräfte. Müßiggang ist seine Ergötzung und übermäßiger Genuss berauschender Getränke sein Vergnügen, und die Folgen davon nicht selten traurig für ihn, immer aber nachteilig für den Staat." Als Mittel zur Hebung des Bauernstandes empfahl Goeß: "Vermehrung der Volksschulen auf alle mögliche Art." (Gubernialbericht vom 11. Juli 1811.) – Schon im Jahre 1822 stellte die oberste Justizstelle fest, daß die außergewöhnliche Zunahme der Verbrechen des Aufstandes, des Aufruhres und der öffentlichen Gewalttätigkeit in Galizien auf Rechnung des Druckes, den die Untertanen von ihren Herrschaften erdulden, zu setzen sei.
[271] Vergl. Sala a. a. O. 8. 3, 50 ff. Ostaszewski-Barański, Krwawy rok (1846) W Złoczowie 1896. S. 1 ff.
[272] Für die folgende Darstellung sind vor allem benutzt worden: Filaret Prawdowski (Henryk Kamieński), O prawdach żywotnych narodu polskiego. Bruxella 1844 und Katechizm demokratyczne. Paryż 1845. Ferner Wiktor Heltman, Demokracya polska na emigracyi. Lipsk 1866.
[273] "Niewolnik niezna ojczyzny, która nie jest jému matką ale barbarzyńską macochą, która zamiast opieki ma dla niego tylko nędzę i zhańbienie niewoli, ucisk i plaki." O prawdach żywotnych. S. 56. Ähnlich Katechizm S. 13.
[274] Manifest towarzystwa demokratycznego polskiego. Poitiers, 1836. (Heltman S. 5.) Vergl. O prawdach żywotnych. S. 53.
[275] Katechizm S. 31.
[276] Katechizm, S. 35 ff., 55 ff
[277] "Każdy włoscianin, gospodarz, zagrodnik i t. d. uprawiający jakąkolwiek ilość ziemi w zamian dawanych przez siebie panszczyzny, czynszu, danin, lub jakichkolwiek innych powinności, staje się właścicielem całego swojego gruntu, żadnych odtąd niemając względem nikogo obowiązków." O prawdach żywotnych. S. 71.
[278] Katechizm, S. 42 ff.
[279] Eine wissenschaftliche Begründung dieser Ansicht versuchte Lelewel in den beiden Schriften: Betrachtungen über den politischen Zustand des ehemaligen Polen. Brüssel 1845 und Stracone obywatelstwo stanu kmieciego w Polsce. Bruxella 1847.
[280] Vergl. Sala a. a. O. S. 18 ff.
[281] Diese Erfahrung machten alle, die mit den Bauern in Berührung kamen. Słotwiński sagte: "U chłopa na Mazurach "ojcyzna" była ojcowizną, "polok" był jakimś mitycznym potworem, nierównie gorszym od dyabła, a chłop sam w swem silnem przekonaniu nie był polskim, jeno "cysarskim"." (Ostaszewski-Barański a. a. O. S. 31.) – Theophil Wiśniowski, der 1847 in Lemberg hingerichtete Führer der 46er Bewegung: "Masy nie troszczą się o to, jaki jest rząd, masy nie myślą, tylko słuchają, a nie zapominajmy, źe lud nasz nic nie wie o Polsce i jeżeli co wie, to dzięki niecnym zabiegom pewnie nic dobrego." (Schnür-Pepłowski, Życie za wolność. We Lwowie 1897. S. 68.) Vergl. ferner (Wielopolski), Briefe eines polnischen Edelmannes an einen deutschen Publizisten. Hamburg 1846. S. 42. Das Polenattentat, S. 68 – 74, 101. Katechizm a. a. O. S. 106. – (Schwarzenberg) Antidiluvianische Fidibusschnitzel. Wien 1850. S. 64.
[282] Vergl. Schnür-Pepłowski a. a. O. S. 10.
[283] Vergl. Sala a. a. O. S. 118 – 123. Gubernialberichte vom 25. September und 2. Dezember 1844 und vom 24. Februar 1848.
[284] Vergl. Sala a. a. O. S. 114 f.
[285] Es hatte sich auch, vielleicht unter dem Einflusse der Demokraten, ein Umschwung der öffentlichen Meinung zu Gunsten der Untertanen vollzogen. "Dank der vorgerückten Civilisation fängt die öffentliche Meinung auch in Galizien eine wirkliche Macht zu werden an, die Bedrückung der Unterthanen wird von derselben von Tag zu Tag mehr verpönt und der Unterthansbedrücker mit Herabsetzung behandelt." (Jasińskis unten citierte Denkschrift.) Vergl. auch Obecne stan Galicyi. 1843. S. 52. – Eine sprichwörtliche Bezeichnung für eine schlechte Arbeit war "robota jak za panszczyznę".
[286] Vergl. Springer a. a. O. I. Bd. S. 509 ff.
[287] Für das Folgende vergl. außer den Akten im Archiv des Ministeriums des Innern IV. H. 3: Verhandlungen des in den Königreichen Galizien und Lodomerien 1843, 1844, 1845 eröffneten .... Landtages. Lemberg 1844, 1845, 1846. – Sala a. a. O. S. 115-118. – (Kraiński), Memoiren und Aktenstücke aus Galizien im Jahre 1846. Leipzig 1847. S. 33-63.
[288] In derselben Sitzung stellte Josef Ritter von Jasiński, Gutsherr von Zablotow (Kreis Kolomea), zwei Anträge wegen Regulierung des Verfahrens der politischen Behörden in Untertanssachen und wegen Reduzierung der in Wiener Währung zahlbaren Geldzinse der Untertanen an die Grundherrschaften auf Konventionsmünze. Beide Anträge wurden der zu wählenden Kommission zugewiesen. (Verhandlungen von 1843 S. 41.) Kurze Zeit darauf überreichte Jasiński der Regierung eine umfangreiche Denkschrift (oben mehreremale von uns citiert) über die Untertänigkeitsverhältnisse, die auch einen Vorschlag zur Ablösung der Untertansschuldigkeiten enthielt.
[289] Die Stände hatten aus Popularitätshascherei den Antrag Wiesiolowskis unterstützt; die Regierung dürfe aber diesen Bestrebungen nicht entgegenkommen, denn "hohe Interessen sprechen dafür, daß das, was in Galizien zum Wohle der unteren Klassen geschieht, von der Regierung ausgehe und als eine Wohlthat erkannt werde, welche jene der Sorgfalt und dem Wohlwollen der Regierung verdanken".
[290] Allerhöchste Entschließung vom 9. Juli 1844. – Gleichzeitig mit den Anträgen der galizischen Stände hatten die niederösterreichischen Stände den Antrag auf Ablösung der Zehnten und Fronden gestellt. Die Regierung ließ diesen Antrag ohne Antwort, auch als die Stände ihn im nächsten Jahre wiederholten und eingehend begründeten. Vergl. Springer a. a. O. I. Bd. S. 543 f.
[291] Gubernialbericht vom 26. September 1844. Hofkanzleivortrag vom 14. November 1844. Allerhöchste Entschließungen vom 11. März 1845.
[292] Verhandlungen etc. 1845. S. 39 ff.
[293] ebend. S. 43 f.
[294] ebd. S. 67 ff.
[295] Es fanden auch Vorbesprechungen der Kommissionsmitglieder statt, in denen die verschiedenen Reformpläne begutachtet wurden. Vergl. Sala a. a. O. S. 159.
[296] Vergl. Sala a. a. O. S. 123 ff.
[297] In Übersetzung mitgeteilt bei Sala a. a. O. S. 339-349. Da der Aufruf scharfe Ausfälle gegen die österreichische Regierung enthielt, wurde er von den Bauern den Militärbehörden übergeben. Ebendort S. 127.
[298] Geboren 1776 zu Rastatt, gest. 1856 in Wien als Reichsratspräsident. Vergl. Wurzbach, Biographisches Lexikon.
[299] Vergl. Sala a. a. O. S. 142 f.
[300] Vergl. (Sacher-Masoch), Polnische Revolutionen. Prag 1863. S. 58.
[301] Der Erlaß ist mitgeteilt bei Ostaszewski-Barański a. a. O. S. 64 ff. Vergl. Sala a. a. O. S. 187 f.
[302] Vergl. Sala a. a. O. S. 179-196. Ostaszewski-Barański a. a. O. S. 69-82. Ostrow, Der Bauernkrieg vom Jahre 1846 in Galizien. Wien 1869, S. 38-59.
[303] Vergl. Sala a. a. O. S. 196-203, 224-240. Ostaszewski-Barański a. a. O. S. 83 ff. Ostrow a. a. O. S. 66 ff.
[304] Vergl. Sala a. a. O. S. 204-211. Ostaszewski-Barański a. a. O. S. 140-146. Ostrow a. a. O. S. 78-86.
[305] Vergl. Sala a. a. O. S. 260-293. Ostaszewski-Barański a. a. O. S. 83-169. Ostrow a. a. O. S. 59-66. Tessarczyk, Rzeź Galicyjska 1846 r. Kraków 1848. S. 1 ff. – Der bekannteste Führer der galizischen Bauern war Jakob Szela aus Smarzowa (Kreis Tarnow), der zur Zeit des Aufstandes im Alter von ungefähr 65 Jahren stand. Zwanzig Jahre lang führte er als Deputierter der Gemeinden Smarzowa und Siedliska einen Prägravationsprozeß gegen die adelige Familie Bogusz. Des Lesens und Schreibens unkundig, hatte er sich dennoch mit merkwürdiger Anstelligkeit eine nicht unbedeutende Kenntnis der Untertansgesetze erworben, so daß er von allen Gemeinden des Kreises bei vorkommenden Streitigkeiten um Rat angegangen wurde. Im Verlaufe des Smarzower Prozesses war es mehreremale zwischen ihm und Bogusz zu persönlichen Reibungen gekommen, bis Bogusz sich weigerte, Szela länger als Gemeindevertreter anzuerkennen. Der Kreishauptmann Breinl wies Szelas Rekurs ab, doch die Hofkanzlei setzte ihn wieder in seine Würde ein. Von da an war Szela ein entschiedener Feind der Gutsherren. Vergl. über Szela außer den oben citierten Schriften noch: (Sacher-Masoch) a. a. O. S. 108-116. Das Polenattentat a. a. O. S. 277-287. "Kaum ist jemals über eine geschichtliche Persönlichkeit so verschieden geurtheilt worden, wie über den galizischen Bauer Jakob Szela." [Marie von Ebner-Eschenbach, Jakob Szela (in Dorf- und Schloßgeschichten, Berlin 1894).]
[306] Es ist überflüssig, die unsinnigen Behauptungen der polnischen Parteien zu widerlegen. Nach Ostaszewski-Barański (a. a. O. S. 53) soll der Tarnower Kreishauptmann Josef Breinl Ritter von Wallerstein am 16. Februar 1846 zu Szela gesagt haben: "Die Regierung rechnet auf Dich. Ich gebe Dir Vollmacht, in Deinem Bezirke zu thun, was Dir belieben wird. Sei Dir Deiner Stellung bewusst! Der Generalgouverneur ist der Erste in Galizien, Du bist der Zweite im Range. Du hast alle Machtbefugnisse. 24 Stunden lang darfst du Edelleute morden und ausrauben. Der ganze Ertrag der Räubereien ist Dein. Wann Du dem Adel Hände und Füße gebrochen haben wirst, liefere die Gefesselten in das Kreisamt ein, wo ich Dir für jeden Todten 10 fl., für jeden Verwundeten 5 fl. und für jeden unverletzten Gefangenen 2 fl. bezahlen werde." Eine aktenmäßige Widerlegung dieser Anschuldigungen gibt Sala a. a. O. S. 302-313. – Die Beschuldigungen der Regierungsorgane gingen von den Demokraten aus, die sich vor der öffentlichen Meinung rechtfertigen wollten. Den Aristokraten war die Wahrheit durchaus nicht unbekannt und sie gaben auch öffentlich den Demokraten Schuld an den traurigen Ereignissen. Vergl. Heltman a. a. O. S. 106. – Ein Teil der Demokraten schien übrigens mit den Erfolgen seiner Wühlereien ganz zufrieden zu sein. So erklärte einer ihrer Führer (Dembowski) am 26. Februar 1846, also nach den furchtbaren Ausschreitungen der Bauern (in einer im Krakauer Revolutionsklube gehaltenen Rede), er wundere sich, daß das Volk mit dem Adel nicht strenger verfahren sei. ("O! dziwna, dziwna ta łagodność naszego ludu, że uraz tak łatwo zapomina, że srożej sie nie pomścił na tych, którzy go tak długo deptali i bezcześcili.") Ostaszewski-Barański a. a. O. S. 234.
[307] Schreiben des Fürsten Metternich an die österreichischen Vertreter im Auslande, ddo. Wien 7. März 1846. (Augsburger Allgemeine Zeitung. S. 589 f.)
[308] Vergl. Sala a. a. O. S. 324.
[309] Erlaß des Generalgouverneurs ddo. Bochnia 9. März 1846. – Vergl. Sala a. a. O. S. 295.
[310] Erlaß des Generalgouverneurs ddo. Bochnia 10. März 1846. – Vergl. Sala a. a. O. S. 296.
[311] Gubernialsitzung vom 30. März 1846. – Vergl. auch Sala a. a. O. S. 315 ff.
[312] Hofkanzleisitzungen vom 9. und vom 16. März 1846. Allerhöchstes Handbillet vom 22. März 1846.
[313] Bericht vom 22. März 1846.
[314] Kommissionelle Beratung der Hofkanzlei vom 31. März 1846. Die Hofkanzlei erstattete die obenstehenden Anträge, nachdem sie eingehend erwogen hatte "1. ob es der Regierung zusteht, Privatrechte imperativ zu normieren, 2. ob es wegen des Einflusses auf die anderen Provinzen nicht bedenklich wäre, sich durch die Widersetzlichkeit der galizischen Unterthanen Zugeständnisse abdringen zu lassen, 3. ob aus der Aufhebung der Robot nicht große Nachtheile für die Landeskultur zu besorgen wären". Einen entscheidenden Einfluß auf den Beschluß der Kommission nahm der Hofkammerpräsident Baron Kübeck. – Die Umwandlung der Naturalfrone in eine Geldleistung sollte schrittweise im Laufe mehrerer Jahre vor sich gehen.
[315] Provinzial-Gesetzsammlung 44. – Vortrag des Erzherzogs vom 1. April 1846. Vergl. Sala a. a. O. S. 326. Grünberg, Die Grundentlastung. S. 29 f.
[316] Berichte vom 17., 18. und 22. April 1846. – Vergl. Galizien und die Robotfrage. Leipzig 1846, S. 74.
[317] Im Monate April überreichte Jakob Szela im Namen von 50 Gemeinden der Kreise Tarnow und Jaslo ein Gesuch um allgemeine Aufhebung der Robot.
[318] Sitzung des Guberniums vom 16. Juni 1846 unter dem Vorsitze des Gubernialpräsidenten Baron Krieg. Anwesend: die Hofräte Ettmayer und von Milbacher, der Gefallsadministrator Pöcher, der Kammerprokurator Holzgethan, die Gubernialräte von Widmann und Emminger, die Kreishauptleute von Czetsch und Martinowitz, Ritter von Krajewski, Verwalter von Micewski und die ständischen Deputierten Moritz Ritter von Kraiński und Agenor Graf Gołuchowski. – Vergl. Bronisław Loziński, Agenor hr. Gołuchowski. We Lwowie 1901. S. 13 ff.
[319] Jasiński schrieb in der öfter erwähnten Denkschrift: "Man kann 130 Tage im Jahre von 10-12 Joch arbeiten, weil das Jahr 365 Tage zählt, aber für 130 Tage schuldige Robot zu bezahlen wäre nicht so leicht, weil der Grundertrag wenigstens in Galizien keine besonders große Procenten abwirft."
[320] Das Projekt Kraiński-Gołuchowski ist abgedruckt bei (Kraiński), Memoiren und Aktenstücke, S. 227-284.
[321] Die 30% setzten sich zusammen aus "5% auf die mit dem Bestande der Urbarialleistung verbundenen Regieausgaben der Grundherren; 5% zur Vervollständigung der den Unterthanen für den Abgang des ihnen zustehenden Weiderechts auf herrschaftlichen Brach- und Stoppelfeldern zukommenden Entschädigung (die Gutsherren sollten gleichfalls auf das ihnen infolge politischer Vorschriften zukommende Weiderecht auf den unterthänigen Brach- und Stoppelfeldern verzichten); 10% für das aufzuhörende Recht, Klaub-, Lager- und Abraumholz, dann Bauholz aus den herrschaftlichen Waldungen zu beziehen; 10% für die den Unterthanen mit dem Aufhören des Unterthansverhältnisses entgehenden Wohlthaten (nämlich a) der unentgeltlichen Patrimonialgerichtsbarkeit, b) der gesetzlichen Vertretung vor Gericht, c) des Unterhaltes der Ortspolizei, der Conscription- und Recrutierungsgeschäfte, dann der mit Sanitäts-, Ortspolizeivorschriften verbundenen Unkosten, rücksichtlich welcher Obliegenheiten die Grundherren im Verhältnisse ihres Grundbesitzes von nun an mit jedem Gemeindemitgliede gleichmäßig beizutragen hatten").
[322] Vor seinem Rücktritte hatte der Erzherzog noch in einer Denkschrift (vom 23. April 1846) seiner Meinung über die galizischen Verhältnisse Ausdruck gegeben. Vergl. Sala a. a. O. S. 327.
[323] Allerhöchstes Kabinetschreiben vom 3. Juli 1846.
[324] Instruktion für Stadion vom 20. Juli 1846.
[325] Vergl. Grünberg, Grundentlastung S. 32. – Der betreffende Passus in der Instruktion für Stadion lautete: "In Absicht auf die Frage der Ablösung der Roboten haben Sie vorerst jene Bestimmungen abzuwarten, welche ich über die diesfalls im allgemeinen eingeleitete Verhandlung beschließen werde."
[326] Berichte Stadions vom 7. August und 4. Dezember 1846.
[327] Gubernialverordnung vom 28. August 1846. (Provinzialgesetzsammlung 99.) – Circular vom 16. Dezember 1846.
[328] Gubernialverordnung vom 28. August 1846. (Provinzialgesetzsammlung 100.)
[329] Gubernialkundmachung vom 25. August 1846. (Provinzialgesetzsammlung 97.) – Die Maßregeln erregten das größte Mißfallen der Großgrundbesitzer, die nichts weniger als das vollständige Aufgeben des Bauernschutzes forderten. Vergl. die dem Hofkommissär von 107 Gutsbesitzern übergebene Bittschrift bei (Kraiński) Memoiren und Aktenstücke. S. 203-225.
[330] Vorträge des Hofkommissärs vom 6., 13., 14. und 15. September; allerhöchstes Kabinetschreiben an den Grafen Rudolf Stadion vom 12. November; 3 Kreisschreiben vom 25. November 1846. (Provinzialgesetzsammlung 127-129.) Instruktion für die Kreisämter und ihre Bezirkskommissäre. Unterricht für die Grundherrschaften und Steuerbezirksobrigkeiten. Beide vom 18. Dezember 1846. (Provinzialgesetzsammlung 140 und 141.)
[331] Die Einteilung in Klassen sollte nach folgenden Grundsätzen geschehen:
NB. In die für die Handrobot festgesetzten Klassen sind alle jene Grundbesitzer zu reihen, welche bisher nur Hand- oder Fußrobot geleistet haben, die von ihnen geleistete Steuer möge noch so hoch steigen. | |||||
Klassen | Von einem Grundbesitze, von welchem bezahlt wird | Wird geleistet jährl. | |||
Grundsteuer nach dem Steuerfuße des Verwaltungsjahres 1845/46 | |||||
über fl. | kr. | bis fl. | kr. | Handtage | |
I. | – | – | 1 | 20 9/15 | 26 |
II. | 1 | 20 9/15 | 2 | 14 5/15 | 52 |
III. | 2 | 14 5/15 | 3 | 8 1/15 | 78 |
IV. | 3 | 8 1/15 | 4 | 1 12/15 | 104 |
V. | 4 | 1 12/15 | so weit immer | 156 |
N. B. In die Klassen der Zugrobot sind alle jene Grundbesitzer einzureihen, die bisher Zugrobot geleistet und mehr als 3 fl. 8 1/15 kr. Steuer gezahlt haben. | ||||||
Klassen | Von einem Grundbesitze, von welchem bezahlt wird | Wird geleistet jährl. | ||||
Grundsteuer nach dem Steuerfuße des Verwaltungsjahres 1845/46 | ||||||
über fl. | kr. | bis fl. | kr. | Zugtage | ||
I. | 3 | 8 1/15 | 4 | 1 12/15 | 104 einsp. oder 52 zweisp. | Je nachdem die Robot bisher einspänn. oder zweisp. geleistet wurde. |
II. | 4 | 1 12/15 | 6 | 43 | 156 einsp. oder 78 zweisp. | |
III. | 6 | 43 | 7 | 36 11/15 | 104 zweisp. oder 83 dreisp. | Je nachdem die Robot bisher zwei- oder dreisp. geleistet wurde. |
IV. | 7 | 36 11/15 | 12 | 18 13/15 | 156 zweisp. oder 132 dreisp. | |
V. | 12 | 18 13/15 | 14 | 33 2/15 | 156 dreisp. oder 104 viersp. | Je nachdem die Robot bisher drei- oder viersp. geleistet wurde. |
VI. | 14 | 33 2/15 | so weit immer | 156 viersp. |
[332] Vergl. Grünberg, Die Grundentlastung. S. 34 ff. – ebendort ist auch das Hofkanzleidekret abgedruckt.
[333] Kaiserliche Resolution vom 14. Dezember 1846: "Wann und ob in ganz gleicher Form die vorerwähnte Vorschrift (nämlich das Hofkanzleidekret vom 18. Dezember) auch für Galizien kundzumachen sey, – darüber ist noch vorläufig das Gutachten der Landesbehörden einzuholen, und Mir dasselbe gehörig beleuchtet zur Schlussfassung vorzulegen." Das Gubernium sprach sich für die Publizierung des Gesetzes in Galizien aus, und die Hofkanzlei stellte dementsprechend ihre Anträge, doch verschob die Resolution vom 13. April 1847 die Kundmachung, "bis die angeordnete Robotregulierung vollständig oder größtenteils durchgeführt sein wird."
[334] Am 9. Januar 1847 zeigte Stadion die Beendigung seiner Mission an und wurde mit Allerhöchstem Handschreiben vom 20. Februar 1847 seiner Stellung als Hofkommissär enthoben, wobei der Kaiser, da er seine "persönliche Einwirkung bei der Durchführung der für Galizien getroffenen Einrichtungen" für notwendig erachtete, sich vorbehielt, ihn "im gemessenen Augenblick" wieder nach Galizien zu entsenden, um wahrheitsgetreue Berichte über die Fortschritte des Reformwerkes zu erhalten.
[335] Bericht des Truppendivisionskommandanten in Tarnow F. M. L. Baron Wetzlar vom 16. Januar 1847 und des kommandierenden Generals in Lemberg FZM. Hammerstein vom 21. Januar 1847.
[336] Vergl. Hillbricht im "Jurist". Jahrgang 1848, S. 177. – Der Reinertrag der Rustikalgründe betrug 8,452.151 fl. 35 2/8 kr. Da der Wert der Kleingaben 884.445 fl. 29 5/8 kr. ausmachte, so verblieben als Wert der regulierten Robot 3,341.620 fl. 18 kr. Das kam, auf Fuß- (Hand-)robot reduziert, 33,416.203 Tagen gleich, gegen 47,857.943 der alten Schuldigkeit. Der Ausfall, den die Obrigkeiten an Robot erlitten, betrug also mindestens 14,441.740 reducierte Handtage oder 30·18%. In Wirklichkeit war er jedoch viel größer, da die Regulierung immer nur zu Gunsten der Untertanen geschehen konnte. Auch lokal herrschte große Verschiedenheit; manche Dominien verloren gar nichts, manche über 60%.
[337] Gubernialbericht vom 27. Januar, Hofkanzleivortrag vom 22. Februar, Resolution vom 17. April 1947. Vergl. Loziński a. a. O. S. 25 f.
[338] Hofkanzleivorträge vom 22. Februar und 21. März. Handschreiben vom 6. März und 31. März. Resolution vom 2. Juni 1847.
[339] Nach der Stadion'schen Klasseneinteilung entfiel ein Handtag auf 2 1/15 kr. Steuerleistung; es ergab sich also nach dem Vorschlage des Guberniums ein Mehr von 1,183.066 Handtagen zu Gunsten der Obrigkeiten.
[340] Graf Franz von Stadion-Warthausen (1806-1853) war ein Sohn des Grafen Johann Philipp und ein älterer Bruder des Grafen Rudolf. Er war schon 1828-1832 im politischen Dienste in Galizien verwendet worden. Vergl. Wurzbach a. a. O.
[341] Interessant war die Begründung, die Kraus gab: "Wird der Grundsatz festgehalten, dass die Schuldigkeiten der Unterthanen individuell den halben Grundertrag nicht übersteigen sollen, so könnte dies auch auf andere Provinzen zurückwirken und dort – (wo wie in Böhmen und Mähren die Robotregulierung nach dem Steuergulden erfolgte) die nicht unbedenkliche Forderung nach einer ähnlichen Behandlung der Unterthansschuldigkeiten veranlassen." (Hofkanzleivortrag vom 27. November 1847.)
[342] "Darstellung der Verhandlungen über die Robotregulierung, dann gänzliche Aufhebung der Robot in Galizien" (Hofkanzleiakt).
[343] Springer a. a. O. II. S. 233.
[344] Die Petition vom 18. März ist abgedruckt bei Widmann, Fr. Smolka S. 806-809; die Adresse vom 6. April ebendort S. 810-817.
[345] Schreiben des Grafen Franz Stadion an den Minister des Innern Freiherrn von Pillersdorf ddo. Lemberg 13. Mai 1848. (Gazeta lwowska. 1848. Dodatek zu Nr. 68. S. 1-14.)
[346] Vergl. Heltmann a. a. O. S. 165 ff. 273 ff.
[347] Kreisschreiben vom 5. April 1848. (Gedruckt; in die Provinzialgesetzsammlung nicht aufgenommen.) Diesem Kreisschreiben waren am 20. und 29. März zwei andere ähnlichen Inhalts vorausgegangen, die mir jedoch nur aus der knappen Inhaltsangabe bei Wurzbach a. a. O. (Art. Stadion) bekannt sind.
[348] Berichte vom 12. und vom 14. April 1848.
[349] Provinzialgesetzsammlung 25.
[350] Das Patent ist vom 17. April datiert und wurde mit Gubernialkundmachung vom 14. Mai publiziert. (Provinzialgesetzsammlung 34.)
[351] Die Grundentlastung a. a. O. – Über die Höhe der Kleingaben fehlen die Angaben. – Diejenigen Gutsherren, die die Frone geschenkt hatten, erhielten keine Entschädigung. Vergl. Loziński a. a. O. S. 230 f.
[352] Vergl. Zyblikiewicz, Indemnizacya. W Krakowie 1880. S. 1 ff.
[353] Kundmachung des Finanzministeriums vom 27. November 1890, R. G. Bl. 219.
[354] R. G. Bl. 130.
[355] Landesgesetze vom 30. Dezember 1875 (L. G. Bl. 55 des Jahres 1877), vom 8. Dezember 1877 (L. G. Bl. 56), vom 22. April 1889 (L. G. Bl. 30).
[356] Landesgesetz vom 12. August 1866 (L. G. Bl. 20).
[139]
a) Im Archiv des k. k. Ministeriums des Innern:
II. A. 6 Einrichtung.
III. A. 5. Kreisbereisung.
IV. G. 2. Ackerbau. Urbarmachung oder Gründe. Gemeinden. Ackerbaumaschinen.
IV. H. 2. Ständische Beschwerden.
IV. H. 3. Landtage.
IV. K. Untertanssachen. Untertansbeschwerden.
IV. K. 1. Untertanssachen. Verfahrungsart. Advokaten und Agenten in genere.
IV. K. 2. Untertanssachen. Aufhebung der Leibeigenschaft.
IV. K. 3. Untertanssachen. Untertansleistungen in genere.
IV. K. 4. Untertanssachen. Mühlzwang und Propination.
IV. K. 5. Untertanssachen. Mißhandlung der Untertanen und deren Bestrafung.
IV. K. 6. Untertanssachen. Eigentum und Kaufrecht. Mietgründe. Erbfolge in Bauerngüter.
IV. K. 7. Untertanssachen. Grundzerstückelungen und Abstiftungen.
V. B. 1. Regelung des Steuerfußes.
VI. B. 1. Gerichtseinrichtung. Patrimonialgerichte.
Galizische Unruhen 1846: Faszikel 308-312, 315, Ferner 31 ex 1846; 11 ex 1847; 389, 867, 887 ex 1848
Patentsammlung.
b) im Archiv der k. u. k. allgemeinen Hofkammer:
Faszikel 6850, 7050, 8943.
Faszikel 7117-7119 (Robotabolitionsgeschäft).
c) im k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv:
Staatsratsakten 1772-1780.
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